Es ist eine Vor-/Endstufen-Kombination, wie ich sie eigentlich nicht mehr in den Hörraum schleppen wollte: zu groß und viel zu schwer. Das Trio besteht aus der Vorstufe Canor Hyperion P1 + Virtus M1 (Mono-Endstufen) und ist nach alter Väter Sitte gemacht: mit Röhren zur Verstärkung und mit extrem hohen Materialaufwand. Allein schon die Bauhöhe von 19 Zentimetern ist angetan, Angst zu verbreiten: Wer kann so etwas stellen? Zudem fühlt sich Kombi beim Auspacken an wie 200 Kilo – mindestens. Die technischen Daten wollen mir weismachen, es seien nur 115 Kilo (Vorstufe: 35 Kilo, je Monoblock 40 Kilo). Hätte ich dann so viele kräftige Hände zur Unterstützung gebraucht? Sicher nicht. Aber das ist nicht einzige Punkt, an dem die Papierform der Kombination deutlich untertreibt…
Wir haben die Geschichte ja schon öfter geschrieben: Die ambitionierten Menschen, die im slowakischen Prešov schon seit über 25 Jahren unter anderem die Elektronik für Pro-Ject fertigen, hatten irgendwann mal das Gefühl, dass sie selbst mit – wenn auch noch so guten Brot&Butter-Komponenten – nicht komplett ausgefüllt wären. Unter dem Label Canor begannen sie also sehr ernsthafte Röhren-Elektronik zu entwickeln und zu fertigen. Bei LowBeats finden wir vor allem die Verstärker (und auch die Phono-Amps) so klasse, dass sie allesamt ein “überragend” in der Bewertung bekamen – vor allem, weil sie gemessen am Gebotenen vergleichsweise günstig sind.
Mit dem Trio aus Canor Hyperion P1 + Virtus M1 gehen die Canor-Macher noch weiter und wollen das aus ihrer Sicht Ultimative schaffen. Das ist wohl gelungen…
Die Besonderheiten von Canor Hyperion P1 + Virtus M1
Eine Röhrenstufe, so heißt es oft, ist nur so gut wie die Trafos beziehungsweise die Ausgangs-Übertrager. Diesbezüglich haben die Slowaken exzellente Karten, denn diese Spezial-Bauteile werden bei Canor in der Factory punktgenau maßgeschneidert: Das heißt, die Ingenieure wickeln die Spulen selbst und können sogar die Kernblech-Zusammensetzung bestimmen. Besser geht es nicht. Zur Erinnerung: Auch Deutschlands Vorzeige-Röhrenschmiede Octave entstammt ja einem Wickelwerk…

Eine Auffälligkeit aller bisher getesteten Canor-Komponenten war, dass die Slowaken ihre Schaltungen stets mit sehr gebräuchlichen Komponenten ausstatten. Auch die hier verwendeten Bauteile (vor allem die Röhren) sind keine absurd exotischen Typen, die man im Ersatzfall mit tausenden von Euro bezahlen muss oder womöglich gar nicht mehr bekommt. Das spricht für eine kluge Einschätzung der Dinge und für eine lange Lebensdauer von Hyperion und Virtus.
Ebenfalls auffällig ist der wuchtige, sehr prominente Bedienknopf, der zumindest bei der Vorstufe eine zentrale Funktion einnimmt. Man hat den Eindruck, hier sei alles aus Panzerplatten gefräst. Eine Vorstufe mit 35 Kilo Lebendgewicht ist mir jedenfalls in meiner Testerlaufbahn nur ganz selten untergekommen.
Und weil wir hier im absoluten High End sind, ist an der Kombination natürlich alles symmetrisch ausgelegt. Die Endstufe M1 hat nur einen Eingang: einen dreipoligen XLR-Zugang. Es ist die Reduktion auf die überlegene Verbindungsart – vor allem bei größeren Strecken. Rechts oben finden sich noch Trigger-Zugänge, damit man die komplette Kombination per Fernbedienung hochfahren kann.

Die Vorstufe ist Anschluss-seitig eine andere Nummer: 9 Ein- und 3 Ausgänge stehen hier zur Verfügung. Unter der Maßgabe, dass die Canor-Entwickler hier zum absoluten Klang-Olymp streben, sind Einschub-Platinen für Digitales, aber auch für Phono nicht vorgesehen. Die muss man – wenn man sie braucht – separat erwerben.

Ein Blick unter den Deckel der Canor Hyperion P1 unterstreicht den extremen Anspruch der Slowaken: Alles ist fein säuberlich in Kammern separiert und selbst die Kammerwände sind aus solidem Stahl. Beeindruckend ist hier nicht nur der klinisch saubere Aufbau, sondern auch die mächtige Relais-Bank hinten im Bild. Sie ermöglich die präziseste Form der Lautstärkeregelung in 64 Schritten.

Wie bei jedem Test will ich natürlich wissen, was sich die Leute bei der Entwicklung gedacht haben – zumal die Kombi schon kurz nach dem Auspacken und Einschalten schier überragend gut klang. Gibt es also Tricks, geheimes Wissen?
Doch die Kommunikation mit den Entwicklern bei den Slowaken war schon früher etwas eigentümlich. Weil die Jungs kein Englisch (oder gar Deutsch) sprechen, läuft die Information über einen assoziierten PR-Mann, der allerdings von der Technik nicht so viel versteht. Autor: “Können Sie denn etwas zu der Schaltung sagen? Welches sind die Besonderheiten?” Die Antwort nach etlichen Umwegen über das PR-Büro: “Die Schaltung wurde sorgfältig konstruiert und besonderer Wert auf beste Bauteile gelegt.” Aha. So etwas hatte ich mir schon gedacht…

Aber natürlich hat der gute Mann nicht Unrecht: Im Signalweg wurden ganze Kompanien der Supreme Silber Gold-Oil Kondensatoren von Mundorf verbaut. Und die Leiterbahnen der Platinen bestehen aus extra starkem, sauerstofffreiem Kupfer, das zusätzlich mit reinem Silber beschichtet ist.
Die Endstufe Canor Virtus M1
Den technischen Daten ist zu entnehmen, dass Vor- und Endstufen im Class-A-Modus und ohne Über-alles Gegenkopplung laufen. Während eine Zeitlang gerade in Deutschland eine hohe Gegenkopplung vielfach als Allheilmittel unter Verstärker-Entwicklern galt, wendet man sich – wenn es irgend geht – schrittweise davon ab. Gleichwohl haben die Canor-Ingenieure besagte Über-alle-Gegenkopplung nicht komplett verbannt: Unterhalb der Front bietet der M1-Monoblock per Kippschalter die Möglichkeit, sie in dezenter Form zu aktivieren. Ich weiß nur nicht, warum. Denn besser klang es “mit” an keiner der von mir ausprobierten Lautsprecher. Und das waren viele.

Ihre Leistung zieht die M1 aus einer Brückenschaltung von zwei Pärchen KT150. Diese Röhre ist in den letzten Jahren schwer in Mode gekommen – einfach, weil sie richtig beschaltet erstaunlich viel Leistung bereitstellen kann. Glaubt man den technischen Daten von Canor, dann leistet der Monoblock 55 Watt im Triodenbetrieb und 110 Watt im Ultra-linear-Betrieb.

Zur Erklärung: Man kann zwischen beiden Modi auf der Front der M1 umschalten. Weil die M1 aber im Trioden-Betrieb in unseren Ohren so viel besser klang, beließen wir die beiden Monos am Ende durchgehend im Trioden-Zustand. Das ist wieder so eine Wahlmöglichkeit, die ich nicht verstehe. Im Ultralinear-Betrieb klingt die M1 etwas zackiger, aber auch blasser und weniger räumlich. Wozu ist das gut? Im Trioden-Betrieb klingt sie wärmer, farbiger, plastischer, mitreißender.
Und dann dieser Wert: 55 Watt? Kann das sein? Man kennt das Geraune von Röhrenfans, Röhrenwatt klängen immer nach viel mehr als Transistor-Verstärker, weil sie anders klippen. Dennoch: In den Hörtests klang das Leistungsgebaren der M1-Monos nach sehr viel mehr.
Beim Versuch, die Leistung der Monoblöcke zu messen, sind wir gescheitert. Unsere Mess-Apparatur (die sogenannte Schießbude) ist nur für kleine Röhren-Amps bis 30 oder 40 Watt ausgelegt. Die M1, das war schnell erkennbar, bringt es auf deutlich mehr.
Der Kollege Holger Barske hat in seinem sehr lesenswerten Test im LP Magazin (Ausgabe: 4/22) Leistungs-Messungen veröffentlicht und berichtete von 250 Watt (ultralinear) beziehungsweise 180 Watt (Triode). So wird ein Schuh draus und das Gehörte erklärlich. Warum Canor allerdings seine Werte derart “konservativ” angibt, bleibt mir ein Rätsel. Fakt bleibt: Die M1 gehören mit zu den stärksten Trioden, die ich kenne und sie dürften den größten Teil der Lautsprecher am Weltmarkt ohne Mühe antreiben. Das galt auch für unsere Referenzboxen, die FinkTeam Borg. Wobei dieser Umstand anzunehmen war, denn die M1 entstand im Canor-Labor an den Klemmen der Borg, die auch den Slowaken als Referenz-Lautsprecher dient.
Hörtest
Zum ersten Hörtest hatte ich zwei Freunde geladen und nachdem die ersten Stücke über die Kette Esoteric-CD-Player/Canor Vor-/End/Merason-DAC und FinkTeam gelaufen war, blieb es erst einmal still. Bis ich dann in den Raum hineinfragte: “Habt ihr das schon mal besser gehört?” Beide verneinten andächtig. Ich hatte zum Warmwerden mal wieder die “Misa Criolla” mit Jose Carreras aus dem Fundus gefischt und war echt platt: Hatte ich schon mal gehört, dass das Kirchschiff so tief ist. Hatte ich die Stimme Carreras schon mal derart präsent vor meiner Nase? Nein. Hier stimmt alles: Die Klangfarben, die Stimm-Kraft des Chores, die Wucht der Pauke.

Seit ihrer Veröffentlichung im Juni 2022 ist auch das “Saturday Night in San Francisco” bei uns fester Bestandteil der Abhörmusik. Wir hörten fast das gesamte Album und waren allesamt platt: Wie die Saiten leuchten konnten, wie authentisch die Impulse kamen…

Vier, auf ihre Art recht unterschiedliche Lautsprecher hatten wir im finalen Hörtest zum immer wieder Querhören: die schon erwähnte FinkTeam Borg, die Fyne Audio 703, die B&W 803 D4 sowie die AudiaZ Opera. Während die Canor-Kombi auch Fyne und B&W auf eine Art beflügelte, wie ich sie vorher noch nicht gehört hatte, ging es beim Vergleich AudiaZ versus FinkTeam noch um etwas anderes: um das letzte Quäntchen. Während die Borg immer wieder mit traumhaften Klangfarben und noch etwas mehr Druck im Bass verzauberte, schaffte es die AudiaZ noch offener und feiner die letzten Informationen freizulegen. Gerade mit dem Gitarrentrio von “Saturday Night…” war das noch einen Tick mitreißender – weshalb anschließend die meisten Hörtests mit der AudiaZ erfolgten.
Zunächst tauschten wir die M1 gegen die kräftigen SPL Mono-Endstufen S1000. Die hatten zwar etwas mehr Dampf, aber an diese unglaublich satt-authentische, sehr feine Wiedergabe der M1 kamen auch die SPLs nicht heran. Eine andere LowBeats Referenz ist der (auftrennbare) Röhrenvollverstärker Monaco von Westend Audio. Nutzen wir die Endstufen des Monaco hatte alles etwas mehr Kick und einen verführerischen Hauch mehr Dynamik. Aber es sind die Klangfarben und diese warme, feinsinnige Offenheit, mit der die M1 die meisten Endstufen auch jenseits ihrer Preisklasse auf Distanz halten. Denn sie hat ja auch Kraft.

Die große Daiko-Trommel der Kodo-Drummer kam mit der Monaco-Endstufe extrem dynamisch und offen. Mit den M1 hatten die Schläge etwas weniger Punch, aber die Darstellung war noch satter, erhabener, irgendwie souveräner.
Dann kehrten wir die Sache um: Der Monaco agierte nun als Vorstufe, die M1 als Endstufen. Hier wurde deutlich, dass sowohl die Entwickler von Canor als auch von Westend Audio ihr Handwerk verstehen, denn Vor- und Endstufe sind jeweils klanglich stark verwandt. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass die P1 gegenüber der Monaco-Vorstufe noch mehr Klangfülle zu bieten hat als es im Vergleich der Endstufen der Fall war.
Das zeigt aber auch, dass der Charakter der Vorstufe für den Gesamtklang fast noch wichtiger ist als der Klangcharakter der Endstufe. Und dass die Canor-Kombination sowohl als Ganzes wie auch in Teilen anders und in vielen Bereichen besser ist als der Monaco spielte, kann keinen überraschen, der einmal einen Blick auf die Preisschilder geworfen hat: Die letzten Prozente sind nun einmal stets die teuersten…
Fazit Canor Hyperion P1 + Virtus M1
Groß, schwer, kantig, nicht billig, aber leider unfassbar gut: Die große Canor-Kombi hat uns begeistert wie schon lange keine Verstärkerelektronik mehr – obwohl sie mit mehr als 40.000 Euro zu Buche schlägt und jede Menge Platz wie Strom braucht.
Aber klanglich beherrscht dieses Trio ein Kunststück, das den meisten Verstärkern dieser HiFi-Welt auf ewig versagt bleibt: eine Authentizität wie das wahre Leben. Wer die Canor-Kombi hört, ist ihr verfallen – zumindest ging es uns so. Es ist schlichtweg die beste Verstärker-Elektronik, die wir bislang im LowBeats Hörraum stehen hatten.
Vor diesem Hintergrund relativiert sich auch der Preis – zumindest ein bisschen. Wie bei den kleineren Verstärkern schafft es Canor auch hier, eine höchst seröse Preis-/Leistungsrelation herzustellen. Bei den meisten anderen namhaften High End Anbietern würde eine solche Klangqualität – falls sie überhaupt erreicht wird – um einiges teurer sein.
| Sehr feiner, authentisch-offener Klang |
| Fantastische Verarbeitung |
| 9 analoge Ausgänge, 5 davon XLR |
| Trigger-Ausgang |
Die technischen Daten
Canor Hyperion P1 | |
---|---|
Technisches Konzept: | Röhren-Vorstufe |
Eingänge: | 4 x XLR, 5 x Cinch |
Ausgänge: | 2 x XLR, 1 x Cinch, Trigger |
verwendete Röhren: | 4 x 6922, 2 x 6H30PI |
Stromverbrauch konstant: | 300 Watt |
Abmessungen (B x H x T: | 45,0 x 19,0 x 46,5 cm |
Gewicht: | 35,0 Kilo |
Alle technischen Daten |

Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Wunderbar satter, feiner, offener Klang |
| Hohe Leistung auch im Trioden-Modus |
| Fantastische Verarbeitung |
| Nur ein XLR-Eingang |
Vertrieb:
IDC Klaassen
Am Brambusch 22
44536 Lünen
www.idc-klaassen.com
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Canor Hyperion P1: 12.000 Euro
Canor Virtus M1: 28.400 Euro (Paar)
Die technischen Daten
Canor Virtus M1 | |
---|---|
Technisches Konzept: | Röhren-Monoendstufe |
Leistung: | 250 Watt (ultralinear), 180 Watt (Triode) |
Eingänge: | 1 x XLR, Trigger |
verwendete Röhren: | 2 x ECC82, 1 x ECC81, 4 x KT150 |
Stromverbrauch konstant: | 300 Watt |
Abmessungen (B x H x T: | 43,5 x 17,0 x 48,5 cm |
Gewicht: | 40,0 Kilo |
Alle technischen Daten |
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