Als der Studio-Ausstatter Behringer die schottische Lautsprecher-Ikone Tannoy kaufte, fürchteten nicht wenige, beim dienstältesten Lautsprecherhersteller der Welt werde wohl bald das Licht ausgemacht. Zumindest die ehrwürdigen “großen” und teuren Linien wie Prestige würden ja wohl in jedem Fall eingestampft, so der Tenor. Es kam anders. Quasi als Ausrufezeichen brachte die neue Tannoy Führung Anfang 2017 die Legacy-Serie auf den Markt, mit dabei die hier vorgestellte Tannoy Cheviot. Legacy versteht sich – was schon der Name vermuten lässt – als Erbe der legendären HPD-Monitore aus den 1970er Jahren und sieht diesen Vorgängern auch zum Verwechseln ähnlich.

Die Serie besteht aus drei Modellen: der großen Arden mit 38 cm Dual-Concentric-Koax, der noch kompakten Eaton mit 25 cm Koax sowie der hier vorgestellten Tannoy Cheviot mit 30 cm Koax; sie ist derzeit die mit Abstand günstigste Möglichkeit, an einen 12 Zoll Dual Concentric Treiber von Tannoy zu kommen.
Rein äußerlich könnte man die Legacy-Serie schnell in die Vintage-Schublade packen. Damit aber würde man zu kurz springen, wie der Test noch zeigen wird. Legacy macht die 70er Jahre nicht nach, sondern hat dieses Jahrzehnt wirklich in allen Genen.
Ist die Legacy-Linie schon an sich außergewöhnlich, so ist es die Tannoy Cheviot noch ein bisschen mehr: Weil sich nicht so recht entscheiden kann, ob sie noch als Kompaktlautsprecher durchgeht, der einen Untersatz braucht, oder schon eine Standbox sein will. Mit ihren nur 86,0 Zentimetern Bauhöhe (dafür aber fast 45 Zentimern Breite) entspricht sie so gar nicht dem heutigen Schlankheitsideal, das kaum handbreit und in der Regel mit ein, zwei oder drei Kleinbässen der 15 oder 17 Zentimeter Klasse bestückt ist. Nein: Dies ist ein Lautsprecher nach alter Väter Sitte. Wo findet man sonst heute noch diese klassische Kombination aus Nussbaum und schwarz lackierter Schallwand? Wo gibt es heute noch Schallwandler mit einem 30 cm Bass? Und dann noch einem so ausgeklügelten Koaxialtreiber?
Eigentlich nur bei Tannoy. Schon 1947, also vor über 70 Jahren (!), haben die Briten dieses Konzept entwickelt und seitdem immer wieder verfeinert. Es gibt weltweit im HiFi nur wenig Vergleichbares. Das Ziel war und ist es, mit den Dual Concentric einen Treiber zu entwickeln, der A.) sehr breitbandig ist und B.) das Ideal der Punktschallquelle erfüllt, dabei aber Hoch- und Tiefmitteltonsignale zeitgleich abzustrahlen. Sind diese Forderungen erfüllt, ist das die beste Gewähr für eine authentische Räumlichkeit und hohe Präzisison.
Die Tannoy Dual Concentric wurden im Laufe der Jahrzehnte immer besser und auch tonal immer neutraler. So ist auch der 12 Zöller der Cheviot ein Meisterwerk, das auf den Orginalplänen der HPD-Treiber von 1974 fußt (und sieht ja auch aus wie ein Treiber aus dieser Zeit), aber nach neuesten Tannoy Erkenntnissen aufgebaut ist. Hier einige Impressionen des Dual Concentric in der Slideshow:
Der 30 Zentimeter Tieftöner der Cheviot hat eine harte Papiermembran und eine 50 Millimeter große Schwingspule, in deren Mitte das kurze Hochtonhorn mit den trickreichen Ausformungen sitzt. “Tulip” heißt dieses tulpenförmige Gestaltung des Trichers bei Tannoy und sorgt dafür, dass die Signale der Inverskalotte (eine Aluminium/Magnesium-Legierung) zeitgleich mit denen des Tiefmitteltöners am Ohr des Hörers ankommen. Da steckt natürlich viel Erfahrung drin.

Die Trennfrequenz von Hochtonhorn und Tiefmitteltöner liegt ungewöhnlich niedrig bei 1.100 Hertz. Aber der Hochtöner macht das locker mit und zählt mit zu dem Verzerrungsfreiesten, was es im HiFi gibt.
Getrennt werden Hoch- und Tieftöner von einer – natürlich – handverdrahteten Frequenzweiche. So hat man das früher gemacht und so macht es Tannoy in der Legacy-Serie noch heute. Das ist etwas schrullig, hat aber auch was sehr Bezauberndes und spricht für die Hingabe, mit der diese Modelle gefertigt werden.

Die vielen Widerstände auf der Frequenzweiche der Tannoy Cheviot sind zwangsläufige Begleiter des außergewöhnlichen Kontroll-Panels auf der Schallwand. Mit ihm hat der Hörer die Möglichkeit, über das Versetzen von Metallschrauben den Hochtöner genau an die Raumgegebenheiten oder an den persönlichen Geschmack anzupassen.

Konkret: Man kann den Hochtonpegel in einem Bereich von -3dB bis + 3dB komplett anheben oder absenken und zusätzlich das Hochtonverhalten mit einer Art klanglicher Wippe oberhalb 5 KHz bis 2dB ansteigen lassen oder bis zu 6 dB absenken. Die Gesamtpegeländerungen hört man sofort, die Sache mit der Klangwippe erfordert schon genauers Hinhören.
Die möglichen Beeinflussungen des Bassverhaltens sind dagegen vergleichsweise schlicht: mit beigelegten Schaumstoff-Pfropfen lässt sich eines oder beide Bassreflexrohre auf der Vorderseite verschließen. Das ist ein oft und gern genutztes, recht probates Mittel gegen zu viel Bass – auch wenn man damit die ursprüngliche Abstimmung verändert und nicht selten noch mehr (eigentlich unerwünschten) Oberbass bekommt. Es ist wie fast immer: man muss es sich einfach anhören.
Den besonderen Vintage Charakter der Tannoy Cheviot unterstreicht natürlich das Gehäuse am nachdrücklichsten. Und – auch das macht diese gedrungene Standbox so sympathisch – keineswegs nur an der Oberfläche.

Die Verarbeitung ist gut, manchmal eigenwillig. Aber immer klangorientiert. Auch nach dem Öffnen des Lautsprechers (dem Cheviot-Käufer aus Garantiegründen ausdrücklich nicht empfohlen!) spürt man an fast allen Stellen sorgsames, auf besten Klang bedachtes Tun. Zum Beispiel ist das Gehäuse mit etlichen Streben aus Birken-Multiplex an allen resonanzverdächtigen Stellen verstärkt.

Die Strebe hinter dem Dual Concentric ist genauso stark gewählt, dass der Dual-Concentric-Treiber, beziehungsweise der Magnet seines Hochtöners, direkt auf diesem Holz aufliegt.
Ein Stück sehr weichen Gummis liegt zwischen Strebe und Magnet und sorgt so für eine exzellente Bedämpfung des ganzen Treibers. Apropos: An den Wänden der Cheviot sind Matten aus gepresster Schafswolle angebracht, um die internen Gehäuseresonanzen klein zu halten. Ob dieses Naturprodukt tatsächlich besser ist als die klassische Polyesterwatte? Vermag ich nicht zu sagen. Aber ein besseres Gefühl macht es schon…

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