Und noch besser wird das Gefühl beim Betrachten der Schallwand. Zu der äußeren Schicht aus 16 mm hochverdichteter (und somit gut lackierbarer) Spanplatte (HDF) kommen noch 10 mm Birkensperrholz hinzu. Dieser Mix ist äußerst verwindungssteif und wegen der unterschiedlichen Materialien gut bedämpft. Und noch so ein vetrauenserweckendes Element: der 12 Zoll Dual Concentric wird mit zehn Metallschrauben auf der Schallwand gehalten. Nicht wenige Mitbewerber nutzen hier Holzschrauben, die sich viel schneller lockern. Und natürlich längst nicht so viele.
Der Anschluss erfolgt über vier Kunststoff-ummantelte Buchsen, man kann also Hoch- und Tiefmitteltöner getrennt ansteuern. Und dann ist da noch diese fünfte Buchse. Was bitte soll denn das?
Auch die ist mittlerweile bei Tannoy Tradition. Die Tannoy Entwickler haben in den 90er Jahren entdeckt, dass die Metallteile aller Treiber, aber auch des Hochtonkontroll-Panels, elektrische Energie im Raum einfangen, die den Klang beeinträchtigen. Verbindet man den besagten fünften Anschluss mit der „Erde“ des angeschlossenen Verstärkers, wird dieser Hochfrequenzmüll von den Metallteilen des Lautsprechers abgeleitet? Sie zweifeln? Zu Unrecht. Das Argument ist schlüssig und ich meine, der Klang mit Erdung klingt etwas freier. Aber ausprobieren macht schlau…
Die Auf- und Einstellung der Tannoy Cheviot
Die Cheviot hat mit tatsächlich einiges bei der Aufstellung abverlangt. Was soll man mit einem Lautsprecher anfangen, dessen Hochtöner auf 65 Zentimeter Höhe sitzt und so eher auf den Bauch statt auf die Ohren zielt? Antwort: anwinkeln. Mit den beigelegten Spikes habe ich die Tannoy Cheviot so weit nach hinten geneigt, bis der Hochtöner auf Ohrhöhe zielte. Wer das aus äthetischen Gründen nicht mag, hat allerdings mit dem sehr flexiblen Einstellungs-Panel für das Hochtonhorn erfreulich viele Möglichkeiten.
Bei mir kräuselt sich immer die Fußsohlen, wenn ich Sätze wie: “Der Testprobant sollte unbedingt eingespielt werden” lesen muss. Denn das ist selbstverständlich. Kein Verstärker, kein Lautsprecher spielt kalt aus dem Karton auch nur annähernd so gut wie nach vielen Stunden des Einrauschens. Umso schlimmer, wenn ich diese Sätze selber schreibe. Aber diese Tannoy Lautsprecher erfordern wirklich Langmut und viel Einspielen. Beim Test der überragenden Canterbury GR hatte der Vertrieb (TAD) dankenswerter Weise das gute Stück einige hundert Stunden eingespielt. Die Cheviot ließ ich vier Tage durchlaufen und bemerkte durchaus die Verbesserungen. Aber ich hatte immer auch den Eindruck, das sei bei weitem nicht genug. Der Hochton war nach dieser Zeit super, der Tiefbass klasse, aber der Oberbass war mir immer noch etwas zu mollig.
Das Ende vom Lied: Die beste Position für die Tannoy Cheviot im LowBeats Hörraum war – leicht gekippt – direkt vor der schallharten Rückwand und beide Bassreflexrohre mit den Schaumstoff-Propfen verschlossen. Dann ergab sich das ausgewogendste Klangbild.
In den unteren Mitte spielt die Cheviot etwas zurückhaltend. Daher empfehle ich eher offen und fein klingende Verstärker. Obwohl es optisch gut passt, war die Kombination mit dem Kraftwerk McIntosh MA 7900 AC beispielsweise nicht so überzeugend. Beeindruckend dagegen die mit dem Transistor-Vollverstärker Atoll IN300. Noch schöner (aber auch deutlich teurer) die mit der Röhre Octave V80SE.
Die Messungen
Der Impedanzverlauf der Cheviot verläuft – wie man es von einem Lautsprecher alter Schule erwartete – immer oberhalb 6 Ohm. Und auch de Phasenverschiebungen halten sich in Grenzen. Das macht es für den Verstärker leichter.
Und da auch der Wirkungsgrad der Cheviot mit fast 90 Dezibel (1 Watt/ 1 Meter) erfreulich hoch ist, waren die 100 Watt des (überwiegend verwendeten) Octave V80SE für fast alle Herausforderungen ausreichend. Theoretisch würden auch Verstärker mit 50 oder 60 Watt funktionieren, aber empfehlen kann ich eine solche Kombination nicht. Denn eine der wesentlichen Vorzüge der Tannoy Chevoit sind ihre gewaltigen Pegelmöglichkeiten. Sie kann Live-Konzerte mit Orginalpegel ins Wohnzimmer bringen. Aber dafür bedarf es dreistelliger Wattzahlen vom Verstärker.
Die folgenden Messungen zeigen das Verzerrungsverhalten der Tannoy Cheviot bei Normalpegel….
…und bei hohem Pegel. Empfehlen können wir aufgrund der Messungen einen maximalen Hörpegel von 110 dB. Das macht sie noch klaglos. Darüber stzeigen die Verzerrungen deutlich an. Aber schön ist es meist trotzdem…
Die Cheviot im LowBeats Hörraum
Wie oben schon angedeutet, ist die Tannoy Cheviot kein Lautsprecher, den man mal eben kauft und aufstellt. Dazu ist sie klanglich zu charakterstark und in Bezug auf die Aufstellung zu anspruchsvoll. Den Klang möchte ich einmal so beschreiben: Der Tiefbass ist satt und knackig, der Grundton recht kräftig, die unteren Mitten aber eher zurückhaltend. Das Ganze ist garniert mit einem absolut verzerrungsfreuen Hochtonbereich, der selbst impulsivste Dynamiksprünge vollkommen locker mitmacht.
Diese Art von Klangcharakter ist selten. Er verführt dazu, immer sehr laut zu hören, weil die Cheviot mit dieser Abstimmung so gut wie nie nie lästig wird. Der Dynamik-Hammer “Crying” von James Blood Ulmer machte deutlich, was so verführerisch an diesem Lautsprecher ist: Er kann ein Live-Konzert absolut authentisch in den Hörraum/in das Wohnzimmer transportieren. Ich konnte das Nachschwingen der Becken förmlich spüren, der Sound der Gitarre hatte diesen typischen Konzertklang – großartig.
Und natürlich haut ein 30 Zentimeter Tieftöner dieser Qualitätsstufe ein ganz anderes Pfund raus, als es die meisten HiFi-Tieftöner gemeinhin können: ein Tritt auf die Bassdrum kommt mit der Tannoy Cheviot kurz, knackig, präzise und doch mit viel Wumms. Das können normale HiFi-Lautsprecher nicht – jedenfalls nicht mit so hohem Pegel.
Der Grundton der Cheviot kam manchmal etwas unsauber und wolkig. Es fehlte bisweilen an klarer Struktur und gerade bei Singer Songwriter Musik mit Gitarre und tiefer männlicher Stimme (allan Taylor) blieb – bei warmen Ton – die Mittenwiedergabe samtiger und bedeckter als etwa die der ebenfalls auf “Live “gezüchtete Triangle Australe EZ. Aber diese Abstimmung ist schlüssig, wenn öfter sehr laut gehört wird.
Der große Trumpf eines Dual Concentric ist normalerweise eine sehr schlüssige Abbildung mit stabiler Räumlichkeit. Das gelingt der Cheviot nicht ganz in der von den großen Tannoys gewohnten Souveränität. Ihre Abbildung ist in der Tiefe wenig großzügig, dafür in der Breite überzeugend genau.
Irgendwie passt bei der Tannoy Cheviot alles in Bild: Sie ist nicht nur optisch, sondern auch klanglich eng an die Vorgänger angelehnt. Was allerdings sehr viel besser klingt als bei den Modellen der 70er Jahre, ist der Hochton. Die Leichtigkeit, mit der dieses Horn extreme Dynamiksprünge meistert, wie mühelos laut es spielen kann, das hat wirklich etwas Überlegenes.
Und so brauchte es zwar seine Zeit, aber irgendwann hat mich die Cheviot mit ihrem Charme dann doch eingefangen. Es sind ihre immensen Dynamik-Fähigkeiten, die Musik, vor allem Live aufgenommen, so ungemein echt klingen lassen. Wie sie dann die Atmosphäre der Aufnahme transportiert, das Zusammenspiel von Sänger und Mikrofon so ungemein plastisch wiedergeben und auch mal ein Saxophon in voller Lautstärke oder explosive Beckenschläge wie aus dem Nichts in den Raum stellen kann. Je länger man die Cheviot hört, umso besser gelingt es ihr, den Zuhörer in die Aufnahme zu ziehen. Und dann – auch das muss ja mal festgehalten werden – gibt es in dieser Preisklasse auch nur ganz wenige Lautsprecher, mit denen das Lauthören so viel Spaß macht.
Fazit
Man spürt das Erbe der legendären HPD-Monitore aus den 1970er Jahren: Allein schon beim Anblick der Cheviot schießt dem geneigten Betrachter das Bild eines älteren englischen Landhauses und der Geruch eines schottischen Whiskys in den Kopf. Und schon allein deshalb ist die Cheviot alles andere als ein Allerwelts-Lautsprecher. Sie sieht besonders aus und hat aufgrund des außergewöhnlichen 12 Zoll Dual Concentric Chassis außergewöhnliche Klang-Fähigkeiten: ein Live-Konzert klingt mit ihr wie echt.
Aber die Cheviot spielt nicht unbedingt in allen Belangen ausgewogen. Etwas zu viel Grundton, etwas zu wenig Mittenenergie – das sind nicht die Kennzeichen eines modernen Lautsprechers. Man könnte sagen: Vintage-Aussehen trifft Vintage-Klang – allerdings mit einem fantastischen Hochtonbereich und großartigem Bass.
Diese Tannoy Cheviot ist etwas für Individualisten. Sie ist für Menschen, die die Vorzüge eines 12 Zoll Dual Concentric zu schätzen wissen. Einen so hohen Wirkungsgrad, einen so hohen Maximalpegel und solch enorme Dynamikfähigkeiten findet man in dieser Preisklasse im HiFi nur ganz selten.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Hohe Dynamik-Fähigkeiten |
| Hoher Wirkungsgrad, sehr pegelfest |
| Charaktervoller Vintage-Klang |
| Anspruchsvoll bei der Aufstellung |
Vertrieb:
TAD Audio Vertriebs GmbH
Rosenheimer Straße 33
83229 Aschau Im Chiemgau
www.tad-audiovertrieb.de
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Tannoy Cheviot: 6.200 Euro
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