Wenn Röhrenspezialist Uwe Heile von der Berliner Audio Offensive (unter anderem Graham, Kiseki, Kron, NAT) ein Produkt in seinem Vertrieb aufnimmt, darf man zumindest schon einmal gespannt sein. Vor allem, wenn es sich um einen offenkundig per Hand aufgebauten Single Ended Röhrenvollverstärker aus einer italienischen Manufaktur handelt, der mit einigermaßen properen 15 Watt pro Seite aufwartet und dennoch unter der 2.500-Euro-Marke bleibt. LowBeats Autor Carsten Bussler (der von Röhren ebenfalls sehr viel versteht) hat sich den durchaus eigenwilligen Tektron TKEL34PSES-I genauestens angesehen. Hier ist sein Bericht:
Tektron TKEL34PSES-I: Sehr viel sperriger geht’s nimmer, und wer sich eine solche Typenbezeichnung einfallen lässt, der ist schon rein emotional sehr stark der Technik verhaftet. Unterstelle ich mal. Dabei lässt sich die kryptische Bezeichnung relativ leicht auflösen: Tektron EL34 Parallel Single Ended Stereo Integrated. Alles klar?!
Es handelt sich beim LowBeats Probanden also um einen Stereovollverstärker mit der guten alten Pentode EL34 in Parallel-Single-Ended-Schaltung (wie erfreulich: endlich einmal kein profanes Push-Pull-Design…). Eingangs-bzw. treiberseitig gesellen sich zwei 6SL7 Doppeltrioden hinzu und als Gleichrichter kommt pro Kanal eine GZ34 ins Spiel. Zwar kein sonderlich aufregendes, gleichwohl ein solides und hochanständiges Setup, das erahnen lässt, wohin die (klangliche) Reise gehen könnte.
Hinter dem italienischen Hersteller Tektron verbirgt sich eine bereits 1990 gegründete Firma, die mit der Restauration und dem Verkauf alter Dampfradios begann. Es lag nahe, später auch direkt Röhren und Ersatzteile zu verkaufen, bis Tektron sein Angebot schließlich um Röhrenverstärkerbausätze sowie entsprechende Fertiggeräte erweiterte.
Bis heute hält Tektron für Selbstbauer übrigens ein umfassendes Angebot bis hin zu eigens gefertigten Übertragern parat. Dieser Ursprung im DIY spiegelt sich denn auch konsequent im gesamten Design des Verstärkers wider: Für die meisten Kunden dürften beispielsweise die fehlenden Gravuren für die Röhrentypen in Sockelnähe keine größere Hürde darstellen, die Röhren dennoch korrekt einzustecken, wo sich hingegen der eine oder andere Neuling womöglich eine klare Zuordnung gewünscht hätte.
Die Röhrensockel sind übrigens einfache Kunststofftypen, hier hätte ich mir zum Kurs von immerhin 2.500 Euro für das Gerät langlebige Keramiktypen gewünscht. Ebenso könnten sich empfindliche Gemüter daran stören, dass die Übertrager auf der Chassis Oberseite bezüglich ihrer Kanten nicht exakt „fluchtend“ ausgerichtet sind. Kleinigkeiten? Kleinigkeiten!
Der Netzschalter befindet sich auf der Front – gut so. Marketinggetriebene Designfüchse haben andernorts ja schon häufig bewiesen, dass sie diese gerne versteckt auf der Geräterückseite positionieren und die Nutzer zum gefährlichen Griff über die heißen Röhren zwingen, um mehr oder minder blind nach dem Schalter tasten zu müssen… Zumal wenn man wie ich den Vollverstärker sowohl aus optischen als auch aus Gründen des Wärmemanagements ohne die Abdeckhaube aus Plexiglas betreibt. Diesen Luxus kann sich leisten, wer seinen Haushalt weder mit Katzen noch mit kleinen Kinder teilt.
Ach ja, die Front: Außer dem Netzschalter gibt es noch zwei weitere optisch identische Knöpfe für die Lautstärkeregelung und die Quellenwahl, mit der sich einer der drei Hochpegeleingänge auswählen lässt. Etwas misslich, dass sich die schwarze Beschriftung für die jeweilige Funktion auf dem dunklen Holz des Chassis kaum bzw. nur aus der Nähe lesen lässt; macht aber andererseits auch nichts, denn diese wenigen Funktionen lernt man schnell auswendig. Für 200 Euro Aufpreis gibt es außerdem eine Fernbedienung, welche bequemeren Zeitgenossen weiteren Komfort bietet und eine Fehlbedienung vermeiden hilft.
„Hinten“ befinden sich neben den drei Cinchbuchsenpärchen für die Hochpegelquellen hochanständige Lautsprecherbuchsen für Bananenstecker oder zum Verschrauben blanker Litzen. Eine Bezeichnung der Hochpegeleingänge findet der Besitzer in Form von Zahlen (1-3). Es findet sich sogar Platz für die obligatorischen Aufkleber, welche neben der Seriennummer die CE Konformität ausweisen und dem Besitzer symbolisch nahelegen, den Verstärker nicht im Hausmüll zu entsorgen.
Reicht jetzt mit Aufklebern – auf den interessanten Rest des Wusts an Gesetzen geht das Manual ein: Die RAEE Compliance ist nur für den italienischen Markt relevant und dürfte der WEEE Richtlinie zum Umgang mit Elektroschrott entsprechen. Und auch für die Nennung der RoHS Compliance war offenbar kein Platz mehr – hach, wie ich die europäische Regulierungswut liebe (Hallo Brüssel, schön, dass es euch gibt!)…
Die Gehäuseunterseite offenbart die Verwendung einer stärkeren Lochpappe als Gehäuseboden, auf welchem sich vier flache Kunststofffüße befinden. So richtig Vertrauen erweckend erscheint mir diese Lösung zunächst nicht in Anbetracht des Verstärkergewichts von immerhin 18 kg, gleichwohl sich die Füße natürlich am Rand des gelochten Gehäusebodens und damit unterhalb des Last aufnehmenden Gehäuserahmens befinden, welcher den Boden einfasst. Dieses gepresste Pappbrett schrauben wir also flugs ab und sehen den komplett frei verdrahteten Innenaufbau.
Esoterisches à la Sprague, Ölpapierkondensatoren oder ähnliches fehlt beim Tektron TKEL34PSES-I gänzlich, dafür ist die solide Bauteile-Hausmannskost handwerklich sauber aufgebaut, freilich ohne dass es dafür einen Preis zu gewinnen gäbe. Aber seien wir ehrlich: Selbst das blitzsauberste Design mit perfekten Lötstützpunkten in militärisch rechtwinkliger Draht- und Kabelführung nützt klanglich nix, wenn die Schaltung nicht vernünftig ausgelegt ist.
Mit 15 Watt Ausgangsleistung ist der Tektron mithin gut gerüstet für eine relativ breite Auswahl nicht allzu unempfindlicher Lautsprecher – ab ca. 90 dB/W/m Empfindlichkeit dürfte nicht allzu viel schief gehen. Wie immer gilt auch hier die Faustregel für Röhren-Amps: je empfindlicher desto besser. Wobei es genauso wichtig ist, den Röhrenverstärker nicht mit allzu komplexen Lasten oder zu kleinen Impedanzen zu quälen. Eine Frequenzweiche in Form eines Bauteilegrabs sollte es also nicht unbedingt sein, um Impedanz und Phase nicht unnötig auf Achterbahnfahrt zu schicken… (Regulär bietet der Tektron TKEL34PSES-I an den Lautsprecherklemmen die standardmäßigen vier bzw. acht Ohm Impedanz; andere Übertrager-Anzapfungen sind auf Kundenwunsch aber möglich. Wer also beispielweise seine PHY-HP Breitbänder mit 16 Ohm Impedanz mit dem Tektron antreiben möchte, der lässt sich „seinen“ Verstärker vor Auslieferung entsprechend anpassen.)
Der Tektron TKEL34PSES-I im Hörtest
Den Wunsch leichter Kost habe ich diesem Single Ended Verstärker gerne erfüllt: Zum Einsatz kamen unter anderem ein Horn mit Fostex-Breitbänder und ein Tang Band Breitbänder im TQWT-Gehäuse (Tapered Quarter Wave Tube), beide mit relativ einfacher Entzerrung. Weiterhin dienten feine Breitbänder von Seas in einer Transmission Line als Spielpartner (Exotic F8 & FA22RCZ) sowie ein Ciare CH250 in offener Schallwand – diese drei letztgenannten verzichten übrigens alle völlig auf eine Entzerrung. Die Wirkungsgrade der fünf Vollbereichsbreitbänder bewegen sich in der Spanne zwischen 91 und 96 dB/W/m. Als „Verstärkergegenspieler“ und Vergleichsmaß zum Tektron TKEL34PSES-I habe ich einen Tsakiridis Aeolos herangezogen, der ebenfalls über vier EL34 Endpentoden verfügt, die hier allerdings im Pseudotriodenbetrieb und in Push-Pull Anordnung mit geringer 6 dB-Gegenkopplung laufen und damit für ca. 20 Watt Ausgangsleistung gut sind. Was mich aus rein praktischer Sicht (des Testers) begeistert hat, ist der Umstand, dass es sich beim getesteten Tektron nicht um ein neues, sondern ein bereits gut eingespieltes Vorführgerät handelt. Das übliche langwierige Einspielprozedere für Neugeräte out of the box konnte somit entfallen und es ging gleich in die Vollen.
Ich möchte den wesentlichen Charakter des Tektron bereits jetzt vorwegnehmen: Die riesengroße Stärke dieses Verstärkers ist der Mitteltonbereich. Fast bekomme ich das Gefühl, dieser Italiener hielte es ganz und gar mit der Philosophie der (Lautsprecher-)Entwicklerlegende Paul Klipsch, der bereits 1971 folgendes feststellte:
“Es ist und bleibt ungemein schwierig, die Leute – und da sind die Entwickler inbegriffen – davon zu überzeugen, dass es die Mitten sind, die für die Wiedergabe wirklich relevant sind und dass hier Verzerrung am ärgerlichsten und Amplitudenfehler am deutlichsten zu hören sind.”
Diese eigentlich auf Exponentialhörner bezogene Aussage soll hier nur die generelle Wichtigkeit des Mitteltonbereichs und damit eben jenes Bereichs verdeutlichen, der die menschliche Stimme wiedergibt und in dem das menschliche Gehör besonders empfindlich (für Fehler) ist. Hier macht der Tektron nicht die geringsten Fehler! Insbesondere Vokalisten und Instrumentales arbeitet er wunderbar plastisch und subtil heraus, feinste Schwingungen und Nuancen werden sauber hörbar und machen gerade kleinere Besetzungen zu einem besonderen Erlebnis. Aber dazu gleich mehr.
Die hier geschilderten Höreindrücke spiegeln nämlich nicht nur meine eigenen wieder. Ein Bekannter, seines Zeichens ein sehr versierter Röhrenfrickler, war mit von der Partie. Wer sich wie er eine EL34 Push-Pull-Endstufe mit gleich vier (!) EL34 pro Kanal aufbaut und den Unterschied zwischen NOS-Röhren und chinesischen bzw. russischen Nachbauten generell negiert, der bewertet die Qualität von HiFi-Geräten mithin sehr pragmatisch („Du immer mit deinem NOS-Quatsch. Die Schaltung macht den Klang und ‘ne Schaltung ist ‘ne Schaltung.“)
Ein Austausch der Röhren (Tube Rolling) war in unserer Hörsession mit dem Tektron TKEL34PSES-I also eher kein Thema. Dafür stand uns gemeinsam wie oben geschildert eine breite Auswahl an Lautsprechern zur Verfügung. Auf den Drehteller kamen zunächst etliche Jazz-Sachen – eigentlich nicht so mein Ding. Aber mein Besuch war ganz begeistert ob der spielerischen Leichtfüßigkeit insbesondere kleinerer Ensembles. Weiter ging es mit gefühlt so ziemlich jeder Scheibe aus seiner (nahezu) kompletten Rolling Stones Sammlung. Angie, Sympathy for the Devil, (I Can´t Get No) Satisfaction, Start Me Up, Beast of Burdon,…
Mein euphorisierter Besucher verlangte mir echt alles ab, gleichwohl ich nichts gegen guten Rock habe. Uns beiden fiel auf, dass der Tektron bisweilen doch etwas den Überblick verliert, wenn es mal richtig kracht. Ok, unsere Abhörlautstärken bewegten sich auch bereits im (für mein Empfinden) grenzwertigen Bereich – jetzt fehlten im Tiefton einfach Wucht und Substanz und die Geschwindigkeit schien etwas gebremst zu sein. Harsches Klipping am „oberen Ende“ ist aber kein Thema, der Hochton erscheint im Grenzbereich eher noch etwas runder zu werden. Womöglich liegt die Ursache hier auch im Übertragerverhalten (mutmaße ich), was meine Ohren in diesem Fall zu danken wissen.
Danach setzte ich mich mit meinem (Rock-)Geschmack durch und es folgten einige Runden AC/DC, was manchmal fast etwas zahm klang und auch die Hells Bells aus dem Intro des gleichnamigen Songklassikers tönten nicht sonderlich furchteinflößend. Also schalteten wir einen Gang runter und legten etwas Deutschrock auf: Der gute alte Marius Müller Westernhagen durfte ran. Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz, Mit 18, Dicke, Freiheit…
Das alles ging mit dem Tektron TKEL34PSES-I verdammt gut und machte riesig Spaß – der Fußwippfaktor setzte nun ein. Erstaunlich: Insbesondere im Zusammenspiel mit der seinerseits, Bauart bedingt „unten rum“ doch eher limitierenden, offenen Schallwand (mit dem Ciare CH250) funktionierte das Zusammenspiel ganz ausgezeichnet und alles rastete nun irgendwie ein. Eine Erklärung für dieses Phänomen habe ich nicht – einen kompensatorisch basspotenteren Lautsprecher hätte ich hier vorab eher als passenden Partner angesehen. Und für Rio Reiser Fans ist bei der Live Version von Für immer und Dich schließlich absolute Gänsehaut garantiert – laut hören!
Fazit Tektron TKEL34PSES-I:
Offenkundig hat der alte Paule Klipsch doch Recht: Stimmt die Mitte, darf sich der Rest Schwächen leisten. Beim Tektron TKEL34PSES-I ist das genau der Fall. Die Mitten sind eine Offenbarung, an den Frequenzenden schwächelt der Italiener. Und weil auch die Verarbeitung, Ausstattung und Bedienung gewisse Schwächen zeigen, können wir hier keine generelle Kaufempfehlung aussprechen. Der Tektron TKEL34PSES-I ist ein Röhren-Vollverstärker für Musikfreunde, die genau wissen, was sie wollen, die unbestrittenen Vorzüge dieses Röhrenvollverstärkers zu schätzen wissen und über seine Schwächen hinwegschauen können. Ein Verstärker für Kenner.
Tektron TKEL34PSES-I | 2017/06 |
gut |
Bewertungen
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Hervorragender Mitteltonbereich |
| Mit 15 Watt vergleichsweise leistungsstarke Single Ended Triode |
| Etwas geringe Durchzugskraft im Tiefton |
| Mittelmäßige Verarbeitung und Bedienung |
Vertrieb:
Audio Offensive
Münchener Str. 5
14612 Falkensee
www.audio-offensive.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Tektron TKEL34PSES-I: 2.500 Euro
Optionale Fernbedienung: 200 Euro
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