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Test Totem Acoustic Tribe Tower: High-End-Standbox für kleine Räume

Der einzige Punkt, den ich zu bekritteln hätte, findet sich auf der Rückseite. Den Bi-Wiring-Anschluss hätte ich mir in dieser Preisklasse etwas prachtvoller und hochwertiger gewünscht. Die Kunststoff-Wanne mit Messing-Anschlüssen gibt es auch bei Lautsprechern, die ein Zehntel kosten. Darauf angesprochen verwies Bruzzese auf eine 6.600 Euro teure Edelversion mit anderen Farben. Die hätte auch das edle Terminal mit WBT-Buchsen. Ich finde, für 5.600 Euro sollte dennoch ein besseres Terminal drin sein…

Totem Acoustic Tribe Tower Anschluss
Ein Bi-Wiring-Anschluss macht bei der Tribe Tower richtig viel Sinn. Nur die Qualität hätte durchaus etwas höher sein können… (Foto: H. Biermann)

Die Tribe Tower in der Praxis

Die Aufstellung ist ein wesentlicher Punkt der kleinen Standbox. Bruzzese: „Ich freue mich immer über die Fotos meiner Vertriebe und Händler, wenn die Tribe Tower frei im Raum steht. Man bekommt dann tatsächlich eine herausragende Räumlichkeit geboten. Trotzdem: Dafür ist sie nicht gemacht.“

Totem Acoustic Tribe Tower Füsse
Keine Spikes bitte: Die Füßchen unter der Tribe Tower sind aus Vollmetall und haben eine sehr rundliche Spitze. So bleibt das Parkett heile. Die Füßchen sind in der Höhe anpassbar (Foto: H. Biermann)

Die Totem Acoustic Tribe Tower ist eigens für die Aufstellung in direkter Wandnähe konzipiert. Direkt heißt: 15-20 cm Abstand, wenn möglich sogar noch weniger. Man sieht diese spezielle Abstimmung für Wandaufstellung auch im Frequenzgang: unterhalb 800 Hertz fällt der Pegel sachte ab. Die Bass-anhebende Wirkung der Rückwand ist hier also mit einberechnet. Vorteil: Dies Bässe weichen nicht auf, sondern bleiben auch in beengten Verhältnissen sauber. Die Tribe Tower ist also genau so eine Art Spezialbox, wie wir sie viel öfter bräuchten.

Totem Acoustic Tribe Tower versus Dynaudio Evoke 50
Ähnliche Preisklasse, aber für völlig unterschiedliche Bedingungen entwickelt: Die im Vergleich riesige Dynaudio Evoke 50 (rechts) ist für eine freie Aufstellung im Raum gemacht. Die kleine Tribe Tower indes ging bei einer so freien Aufstellung in unserem großen Hörraum akustisch „unter“ (Foto: H. Biermann)

Und Bruzzese gab mir noch einen Aufstellungs-Tipp mit auf den Weg: Man solle die Tribe Tower nicht einwinkeln. Ich kann diesen Tipp unterstreichen. Auf den Hörplatz eingewinkelt spielt die Totem Acoustic in den Mitten bisweilen etwas zu energisch…

Kommen wir zur Kombination mit dem Verstärker. Unsere Impedanz- und Phasen-Messungen zeigen hier keine größeren Auffälligkeiten. Die Auswahl an passenden Verstärkern ist also groß.

Impedance and phase Totem Acoustic Tribal Tower
Die Impedanz verläuft recht linear und auch das Phasenverhalten dürfte hochklassige Verstärker nicht in Schwierigkeiten bringen. Ungewöhnlich (aber klanglich nicht relevant) ist der kleine Resonanzbuckel bei 180 Hertz. Der kommt wahrscheinlich durch eine nicht perfekt bedämpfte Längsresonanz (Messung: J. Schröder)

Aber wer meint, zu kleinen Boxen gehört auch ein kleiner Verstärker, liegt im Falle der Tribe Tower falsch. Nach unserer Erfahrung sollte der angeschlossene Verstärker nicht nur sehr gut klingen, sondern auch über ordentlich viel Leistung (wir sprechen von mehr als 50 Watt) und ein stabiles Netzteil verfügen. Das Konzept mit den sehr weich aufgehängten Membranen erfordert eine höhere Kontrolle als beispielsweise kleine Röhren-Amps vorweisen können. Und hier zeigt sich auch einer der Vorzüge der Frequenzweichen-losen Tieftöner-Ansteuerung: Man hört wirklich jeden Charakterzug der unterschiedlichen Verstärker heraus.

Totem Acoustic Tribe Tower mit Röhren-Amp von Fezz AudioMira Ceti
Tonal eine schöne Kombination, aber die Leistung der 300 B Röhre Mira Ceti von Fezz Audio (knapp 2 x 10 Watt) ist einfach nicht genug. Die Bässe kamen zu weich und schon bei mittleren Pegel begann der 300 B zu verzerren (Foto: H. Biermann)

Aus unserem Fundus passte tatsächlich der enorm kräftige Atoll IN 400 SE am besten. Er hat schön ausgewogene Mitten und vor allem die ultimative Basskontrolle. Das klang schon bestechend gut. Ein weiteres Argument für stärkere Transistor-Verstärker ist der nur mittlere Wirkungsgrad der Totem Acoustic Tribe Tower.

Aber unabhängig davon, wie viel Leistung man hineingibt, so richtig laut wird es mit der Tribe Tower nicht. Die LowBeats Verzerrungs-Messungen zeigen a.) dass das Verzerrungs-Niveau bei mittlerem Pegel für Tieftöner dieser Größe erfreulich niedrig ist, dass aber b.) bei knapp über 100 Dezibel (in 1 Meter Entfernung) pegelmäßig einfach Schluss ist und die Verzerrungen dann zu groß werden.

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Intermodulations-Spektrum Totem Acoustic Tribe Tower @94dBspl/1m
Intermodulations-Spektrum Totem Acoustic Tribe Tower @94dBspl/1m (Messung: J. Schröder)
Intermodulations-Spektrum Totem Acoustic Tribe Tower @96dBspl/1m
Intermodulations-Spektrum Totem Acoustic Tribe Tower @96dBspl/1m (Messung: J. Schröder)
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Bei allem Erstaunen darüber, wie erwachsen die kleine Tribe Tower klingt, es bleibt ein Lautsprecher für kleinere Räume und kultivierte Pegel. Wer Live-Lautstärken haben möchte, muss zu größerem Besteck greifen.

Die Tribe Tower im Hörtest

Dr. Sean Olive, das akustisches Mastermind des Harman Konzerns und verantwortlich für so gut wie jede weitreichendere Akustik-Forschung von Harman in den letzten Jahrzenten, brachte es mal so auf den Punkt:“ Über 60% der Lautsprecher-Kaufentscheidungen hängen mit der räumlichen Abbildung der Boxen zusammen.“ Sollte Dr. Olive Recht haben (woran ich nicht zweifle), müssten die kleinen Totem Acoustic Tribe Tower laufen wie geschnitten Brot.

Denn was die kleinen Säulen an schlüssiger Raumabbildung anbieten, ist atemberaubend. Das Klangbild löst sich völlig von den Gehäusen und hat nicht nur eine glaubhafte Höhe, sondern auch eine habhafte Tiefe: Alles wirkte ungemein plastisch. Hier geht Bruzzese Konzept der phasengenauen Abstrahlung voll auf. Bei Live-Aufnahmen wie den Bläck Fööss oder dem legendären Jazz At The Pawnshop meint man fast, zwischen den Musikern spazieren gehen zu können.

Bläck Fööss Live @ Milowitsch Theater
Bläck Fööss, Live From Millowitsch Theater, Germany / 1989 (Cover: Amazon)

Noch beeindruckender aber ist die Breitbandigkeit, und damit verbunden die Bass-Tiefe und -Wucht. Nie und nimmer würde man darauf kommen, dass so viel Schub von unten aus einer so zierlichen Säule kommen kann. Und der Tiefton kommt nicht – wie so oft bei kleineren Boxen – aus einer psychoakustisch geschickten Überhöhung des Oberbasses. Der Bass der Tribe Tower kommt knochig-präzise und hat trotzdem viel Wucht.

Ich machte mir öfters den Spaß und lud Gäste zum Tribe-Tower-Hören ein. Das Ergebnis war immer das Gleiche: ungläubiges Staunen. „Das gibt es doch nicht“. Doch. Die sehr wuchtigen Bässe der üblichen Testsücke von Yello, Underworld oder Felix Laband drückten die kleinen Tieffmitteltöner unvermittelt die Magengrube des Zuhörers. Und denen blieb nichts anderes übrig, als festzuhalten, dass sie so etwas noch nie gehört hätten.

Wer wie ich das Stück „Crying“ von James Blood Ulmer (Album: Live At The Bayerischer Hof) schätzt, wird mit Freude die Härte und Präzision schätzen, mit der die Tribe Tower die harten Schläge auf die Snare Drum in Richtung Hörer hämmern kann. Große Klasse. Natürlich erreicht die Totem Acoustic nicht die Basswucht der vielfach größeren der Dynaudio Evoke 50 (siehe Bild auf Seite 1). Aber gemessen an ihrer Größe ist die Bass-Performance der Tribe Tower schlicht sensationell. Und was Lebendigkeit, Attacke und Punktgenauigkeit angeht, hängt sie die Evoke 50 locker ab.

James Blood Ulmer
Eine großartige Live-Aufnahme aus einem relativ kleinen Konzertraum: James Blood Ulmer Live At The Bayerischer Hof (Cover: Amazon)

Die Tribe Tower klingt insgesamt wunderbar quirlig, offen und authentisch. Ihr Hochtöner ist kein Auflösungswunder, aber er spielt sehr fein und unaufdringlich-harmonisch. Die Mitten indes sind sehr präsent und impulsiv. Hier zeigen sich alle Vorteile der Ansteuerung „ohne Filter“: Die Feindynamik ist überragend, das Detailreichtum atemberaubend. Stimmen wirken stets ein Stück frischer und lebendiger als über die meisten anderen Lautsprecher dieser Größenklasse.

Bei zu hohen Pegeln allerdings kann die Tribe Tower unwirsch werden. Ihre große Direktheit kehrt sich dann um und sie wird in den Mitten etwas zu präsent, fast spitz. Dann heißt es, den Pegel sacht wieder herunterdrehen und schon ist die ganze Magie des kleinen Obelisken wieder da.

Mit ihr habe ich wieder einmal Palestrina vom Hilliard Ensemble gehört, was ich selten tue. Aber die Kraft in den Stimmen war so atemberaubend, die einzelnen Stimmen so gut von einander abgegrenzt, dass die Tribe Tower eine enorme Sogkraft entfaltete. Ich musste das gesamte Werk hören und ich kann mich nicht entsinnen, wann mich diese a-capella-Aufnahme je so gefesselt hat.

Totem Acoustic Tribe Tower Tiefmitteltöner im LowBeats Hörraum mit Atoll IN 400SE
Der Hörtest fand überwiegend im kleinen LowBeats Hörraum (16 qm) statt. Hier lief meist eine Kette aus Vollverstärker Atoll IN 400SE, Progressiv Audio DAC 992 und Laufwerk nuPrime CDT-8 Pro. Die Bi-Wiring-Kabel waren die LS 2404 der inakustik AIR-Serie. Der Abstand der Tribe Tower zur Rückwand lag bei 15 cm (Foto: H. Biermann)

Fazit: Nicht ganz günstig, aber einzigartig

Die Tribe Tower sieht auf den ersten Blick wie ein Spielzeug aus und wirkt vielleicht sogar überteuert, ist aber bei Lichte besehen ein audiophiles Highlight, wie es nur ganz wenige gibt. Spezielle, höchstwertige Treiber, ein außergewöhnliches Technik-Konzept und klare Vorstellungen zur Platzierung heben diesen Lautsprecher weit aus der Masse des klassischen Boxen-Mainstreams heraus.

Natürlich kann so ein kleiner Lautsprecher die Physik nicht komplett überlisten und ist vom Pegel her begrenzt. Was dort aber sogar an satten Tiefbässen herauskommt, wird jeden, der sie zum ersten Mal hört, zum Staunen bringen. Wir sprechen hier nicht von der schieren Bass-Menge, die mit geschickten psychoakustischen Tricks in Bose-Manier erzielt wird, sondern von Qualität. Es geht um höchste Wiedergabe-Kultur bei kultiviertem Pegel.

Machen wir es kurz: Für denjenigen, der klanglich höchste Ansprüche, aber nur sehr wenig Platz zur Aufstellung hat, kenne ich derzeit im Bereich Passivlautsprecher keine ernsthafte Alternative. Die Totem Acoustic Tribe Tower ist ein großer Wurf.

Totem Acoustic
Tribe Tower
2019/09
Test-Ergebnis: 4,4
SEHR GUT
Bewertungen:
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Offener, transparenter, sehr präziser Klang
Goße & genaue Räumlichkeit, erstaunlicher Tiefbass
Für Wandaufstellung konzipiert
Nicht sehr pegelfest

Vertrieb:
High-End Company AG
Zürcherstrasse 310
CH-8500 Frauenfeld
www.highendcompany.ch

Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Totem Acoustic Tribe Tower: 5.600 Euro

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Mit- und Gegenspieler im Test:

Test Dynaudio Evoke 50: viel Bass, viel Spaß?
Test Atoll IN 400 SE: bester Vollverstärker unter 5.000 Euro?


Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.