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Creek Voyage i20 Pegelregler
Der Voyage i20 hat einen Sonderstatus unter den bisherigen Creek Vollverstärkern: Er ist mit 5.000 Euro der mit Abstand teuerste. Und der beste (Foto: Creek)(Foto: B. Rietschel)

Test Vollverstärker Creek Voyage i20 – das beste Werk des Meisters?

Michael Creeks neuester und gegenwärtig einziger Vollverstärker kann sich gegen jeden Lautsprecher durchsetzen: Leistung, Laststabilität und Dämpfungsfaktor bietet der Creek Voyage i20 trotz flacher Bauweise im Überfluss. Aber geht das überhaupt, ohne den hoch geschätzten Creek-Klang zu verlieren?

Creek-Verstärker haben meine gesamte Testerkarriere begleitet wie gute Freunde – so unaufdringlich und beständig, dass man Gefahr läuft, sie zu vergessen. Aber immer da, wenn man sie braucht – etwa um einen anderen Verstärker aus ihrem jeweiligen Preis-Umfeld einzuordnen. Irgendein Werk von Michael Creek musste man einfach im Referenzen-Regal stehen haben: Jahrelang griff der Tester reflexartig zum supergünstigen 4330, wann immer irgendein anderer Amp audiophile Ambitionen anmeldete. Egal zu welchem Preis übrigens – der schmächtige Brite mit seiner aus Blech gebogenen, giftgrün beschrifteten Frontplatte machte optisch zwar wirklich gar nichts her, stoppte aber so manchen Höhenflug vorschusslorbeerbekränzter Jungverstärker jäh und vorzeitig.

Michael Creek
Michael Creek bei der Präsentation seines neuen Voyage i20 auf der Bristol HiFi Show 2019 (Foto: B. Rietschel)

Creek Voyage i20: audiophiler Klang ohne britischen Akzent

Später gab es neben den sympathischen Einsteiger-Amps auch die 50er Serie und den Destiny, gehobene Creeks mit Massivfront und mehr Leistung. Und immer mit interessanten Schaltungs-Kniffen, die dem Musiksignal eine besonders einfache, geradlinige und über möglichst wenige Verstärkungsstufen führende Reise durch den Amp verhießen. Mit dem erfreulichen Resultat, dass die Musik den Verstärker zwar gestärkt, aber ansonsten komplett unbeeinflusst wieder verließ: Von allen Herstellern der klassischen britischen HiFi-Schule – geistesverwandte internationale Marken wie NAD oder Rotel eingeschlossen – hatte Creek innerhalb einer Preisklasse oft nicht nur die kompetentesten, sondern auch die klanglich unauffälligsten, neutralsten Amps. Was nicht immer auch maximale Popularität bedeutete – gerade in kleineren Ketten kann ein Hauch von Charakter und „Sound“ – wir sprechen nicht von krassen Frequenzgang-Effekten, sondern kleinsten Eigenheiten etwa im dynamischen Klirrverhalten – helfen, die technischen Limits zu transzendieren. Die Creeks wirkten daneben manchmal fast schon zu vornehm und fein.

Creek Voyage i20 Front
Er ist äußerlich so unaufgeregt wie alle Creek-Komponenten zuvor. Aber dieses Understatement im 19 Zoll Format hat natürlich auch etwas… (Foto: Creek)

Eine Eigenschaft übrigens, die diese Verstärker mit Lautsprecher-Eminenzen in der britischen BBC-Monitortradition teilen: auch da fällt man beim Wechsel von der silikonigen Sexiness typischer Mainstreamboxen erstmal kurz in eine Art Primärreiz-Vakuum, das sich dann aber mit fein differenzierten Details und Klangfarben füllt. Interessant ist dabei, dass Understatement-Elektronik und Understatement-Boxen enorm voneinander profitieren. Creek-Elektronik mit einer Box etwa von Harbeth oder Spendor – da befürchtet man vielleicht, dass das langweilig klingen könnte. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: So fein, offen und natürlich wie mit der Kombination aus dem Creek Voyage i20 und einer P3ESR XD – Harbeths High-End-Monitor im LS3/5a-Format – habe ich schon lange nicht mehr Musik gehört. Die jeweils außergewöhnlichen Fähigkeiten von Elektronik und Lautsprecher scheinen sich hier also gegenseitig zu potenzieren.

100% Creek für Besserverdiener

Womit schon verraten wäre, dass der Creek Voyage i20 in seinen Stärken und seinem Stil exakt auf der Linie bisheriger großer Creek-Verstärker liegt. Wer schon den Destiny oder den Evo 5350 mochte, wird den Voyage lieben, muss dafür aber tief in die Tasche greifen: 5000 Euro sind für den Neuen zu entrichten. Für manche Fans, die vielleicht in den 90ern mit einem 4330 für die Studentenbude angefangen haben, wird die Preis-Progression wunderbar passen. Schließlich ist man inzwischen in Amt und Würden, hat größere Räume zu beschallen, anspruchsvollere Boxen und auch das entsprechende Budget für adäquate Amps. Die günstigeren Modelle jedoch werden allesamt nicht mehr produziert. Die Einsteiger- und Midprice-Kundschaft, die von Michael Creek jahrzehntelang zuverlässig tolle Amps bekommen hat, kann Werke des britischen Meisters also nur noch antiquarisch erwerben.

Dass der Voyage so teuer geworden ist, hat Gründe: Es ist der vollgepackteste, komplexeste, leistungsstärkste, unterm Strich ganz einfach der beste Creek ever. Und er wird auch nicht mehr in China zusammengebaut, sondern entsteht in Europa. Genauer gesagt in der Slowakei bei Canor. Wie schon Canors eigene High-End-Komponenten, etwa der Phono-Preamp PH 1.10 oder der Vollverstärker AI 2.10, beeindruckt auch der Voyage i20 mit perfektem Finish und präziser Mechanik: Es bringt zwar klanglich nichts, wenn man Drehknöpfe so eng in die Frontplatte versenkt, dass kaum noch ein Papierstreifen dazwischenpasst. Wenn sich die Knöpfe dann aber auch mit Kraft nicht zum Schleifen bringen lassen, sagt das viel über die Qualität ihrer Lagerung und vermittelt die klare Botschaft, dass man bei Creek jetzt keine halben, ja nicht mal mehr dreiviertel Sachen macht, sondern eher die sprichwörtlichen 110 Prozent anstrebt.

Die Ausstattung des Creek Voyage i20: viel, fein anpassbar

Die Formensprache stammt aus der Feder von Mike Creeks Sohn Luke – ein zeitlos edles Design, dem es, wenn überhaupt an irgendwas, dann an Unverwechselbarkeit fehlt: Die zwei Dreh/Drück-Knöpfe flankieren als einzige Bedienelemente ein breites Display-Oval mit einer gestochen scharfen OLED-Anzeigetafel, die den gewählten Eingang, die aktuelle Lautstärke und die Balance anzeigt. Detailliertere Einstellungen sind in kleinen Menüs verborgen. So kann man den Verstärkungsfaktor für jeden Eingang separat in mehreren Stufen anpassen, das Auto-Standby deaktivieren und auf die vielfältigen Digitalfilter-Optionen des integrierten Digital-Analogwandlers zugreifen. Alle drei genannten Optionen sind klangrelevant: Die Digitalfilter sowieso, weil sie das Impulsverhalten des Wandlers und das obere Ende seines Übertragungsbereichs subtil beeinflussen.

Creek Voyage i20 Pegelregler
Satte Haptik, filigrane Funktion: Die beiden Knöpfe des Voyage i20 bestehen aus massivem Alu und sind spiel- und reibungsfrei gelagert. Encoder hinter der Frontplatte übersetzen die Drück- und Drehbefehle des Benutzers in entsprechenden Steuercode (Foto: B. Rietschel)

Aber auch der Vorstufen-Gain ist nur nebenbei eine Pegelanpassungs-Option, um Lautstärkesprünge beim Umschalten einzuebnen. Denn gerade der erste Schritt von 0dB, also einer Vorstufe ohne eigene Verstärkung, zur ersten „mit Gain“-Stellung, die dem Preamp 3dB an eigener Verstärkung gewährt, ist deutlich hörbar im Sinne einer deutlicheren, knackigeren Diktion bei +3dB und etwas weicherem, distanzierterem Ton bei 0dB. Was man da bevorzugt, wird vom Hörgeschmack und natürlich auch der Quelle abhängen. Mein aktuell aktives Röhren-Phonoteil, das LP33 von Line Magnetic, schien etwas Preamp-Gain zu bevorzugen, digitale Quellen wie der Linn Sneaky Music DS waren mit 0dB zufrieden.

Selbstredend korrigiert man die Lautstärke für solche Vergleiche mit dem Volume-Steller, was dank Halb-dB-genauer elektronischer Regelung problemlos möglich ist. Dass im Voyage ein Chip-Abschwächer statt eines herkömmlichen Potentiometers arbeitet, bedeutet übrigens keinen Qualitäts-Kompromiss, sondern ganz im Gegenteil besonderen Perfektionismus – hat Michael Creek hier doch keinen x-beliebigen, sondern mit dem MUSES73320 einen der besten Lautstärkeregelchips eingebaut, den der Markt hergibt. Und den zum Beispiel auch Pass Labs oder McIntosh in ihren besten Vorstufen verwenden.

Creek Voyage i20 Muse-Board
Musisch begabt: Im Herzen der Vorverstärker-Abteilung sitzt der MUSES72320, ein überragend verzerrungsarm arbeitender Widerstandsnetzwerk-Lautstärkeregler, den der japanische Chipspezialist NJR eigens für High-End-Audioanwendungen entwickelt hat (Foto: B. Rietschel)

Mehr als nur eine Dreingabe: der integrierte DAC

Während Digitaleingänge bei modernen Verstärkern selten mehr als eine Randnotiz wert sind und die DACs oft als fertiges Board zugekauft werden, gibt sich die Digitalabteilung im Voyage i20 als Creek-eigenes Layout zu erkennen, das fest auf dem großen Mainboard des Verstärkers integriert ist und durchaus ernst genommen werden will. Über einen modernen XMOS-Interface-Chip nimmt der Creek via USB auch abgehobenes High-Res-Audio entgegen, etwa PCM-Signale mit bis zu 768kHz Samplingrate oder DSD512 mit seinen 22.4 Megahertz-Bitstreams. Unabhängig von der verwendeten Auflösung ist der USB-Eingang klanglich besonders vielversprechend, weil er asynchron arbeitet, gegenüber der Datenquelle (etwa einem Mac oder PC) also die Takthoheit übernimmt. In der Tat erwies sich USB – im Test gefüttert von einem MacBook Pro mit dem Abspielprogramm Audirvana – als stärkste, weil unbeirrt stabil und zugleich höchst agil klingende Digitaloption.

Creek Voyage i20 Digitalboard
Vollwertiger DAC im Preis inbegriffen: Der AK4493 des japanischen Herstellers AKM (Mitte) verarbeitet PCM- wie DSD-Daten in jeder erdenklichen Auflösung. Zugespielt bekommt er die Bits von einem Wolfson 8805 (links), der als Digital Input Receiver die Koax- und optischen Schnittstellen verwaltet, sowie einem USB-Interface von XMOS (rechts). Hochkant neben dem Wolfson und damit kaum sichtbar steht die kleine Bluetooth-Platine (Foto: B. Rietschel)

Für weitere Bit-Quellen stehen dem Creek Voyage i20 je zwei Koax- und optische Digital-Inputs zur Verfügung, sowie als Convenience-Lösung für den schnellen Stream zwischendurch ein Bluetooth-Empfänger. Nicht dass man mit den verlustbehafteten BT-Daten klanglich einen Blumentopf gewinnen könnte. Der verwendete D/A-Wandlerchip AKM4493 hat jedenfalls vornehmere Kost verdient, zumal er inzwischen als Rarität gelten dürfte: Seit im Oktober letzten Jahres das Werk von Asahi Kasei Microdevices in Japan abbrannte, geht die Verfügbarkeit dieser einst beliebten DACs gegen Null. Creek scheint mit den zuvor eingekauften Chip-Beständen noch gut auszkommen, was natürlich an den vergleichsweise winzigen Stückzahlen liegt, in denen der Voyage gebaut wird.

Creek Voyage i20 Digital-Anschlüsse
Digitale Inputs: Der USB-Eingang ist intern von den anderen Schaltungsbereichen galvanisch entkoppelt, um Störungen aus dem angeschlossenen PC abzublocken. Fernsehton lässt sich elegant und prinzipbedingt brummschleifenfrei (weil Lichtleiter keine elektrische Verbindung herstellen) über eine der optischen TOSlink-Buchsen zuführen (Foto: B. Rietschel)

Phono ist anders als Digital nicht serienmäßig, kann aber in Form einer Steckplatine nachgerüstet werden. Dieses „Sequel Mk4“-Board ist zwar nur für MM- und High-Output-MC-Systeme geeignet, mit diesen Spielpartnern dann aber sehr rauscharm. Ein Rumpelfilter, die MM-Abschlusskapazität sowie der Gain-Faktor sind schaltbar: 40dB passt zu normal lauten Magnetsystemen, die um die 4-5 Millivolt liefern; 50dB Verstärkung ist ideal für typische High-Output-MCs, mit um die 2 mV Ausgangsspannung. Um an die Einstell-DIP-Schalter heranzukommen, muss der Nutzer das Gerät öffnen, was angesichts des passgenauen, dickwandigen und nur durch vier kleine Torx-Schrauben gehaltenen Stahldeckels aber durchaus Spaß macht.

Creek Voyage i20 Analog-Anschlüsse
Hereinspaziert: Das analoge Anschlussfeld des Creek Voyage i20 bietet einer symmetrischen und drei Cinch-Quellen Platz. „Line 1“ wird auf Wunsch – und gegen faire 150 Euro Aufpreis – zum klangstarken MM-Phonoeingang (Foto: B. Rietschel)

Trickreiches Analog-Kraftwerk

Wenn man den Voyage dann eh schon mal offen hat, kann man gleich das Innenleben inspizieren. Neben dem wirken die klassischen Creek-Amps zwar wie Spielzeug, bei genauerer Betrachtung erkennt man aber auch eine klare Verwandtschaft: Der Voyage ist unverkennbar ein Creek, wenn auch ein sehr großer, luxuriös umgesetzter. Schon früh hatte Michael Creek bei seinen Designs versucht, die Zahl aktiver Verstärkungsstufen so weit wie möglich zu reduzieren – schlicht, weil der verzerrungsärmste Verstärker stets der ist, der gar nicht da ist. Dieser Maxime folgt auch der Voyage i20, der für jeden Kanal ein Komplementär-Paar der bewährten Sanken-Transistoren STD03 verwendet. Die STDs sind Darlington-Transistoren, die sich durch ihre hohe Stromverstärkung und damit geringe Stromansprüche an die vorausgehenden Treiber auszeichnen. Im Creek-Amp steht die Eingangs- und Treiberstufe für jeden Kanal auf einer eigenen, auf das Motherboard gesteckten Miniplatine: Eine Handvoll Halbleiter (als Treiber dienen kräftige Pärchen aus 2SA1220- und 2SC2690-Transistoren), und dann wars dann schon, rein endstufentechnisch.

Creek Voyage i20 Transistoren
Drei- und Vierbeiner: Die vier großen STD03-Endstufentransistoren von Sanken haben neben Emitter, Basis und Kollektor einen vierten Anschluss, der zu einer integrierten Temperaturfühler-Diode führt. So können thermische Einflüsse auf den Arbeitspunkt schneller und präziser korrigiert werden. Links daneben am Kühlkörper sitzen sechs MOSFETS, die die Endstufen-Betriebsspannung je nach Bedarf blitzschnell hoch- und runterfahren können (Foto: B. Rietschel)

Ihre Stromnahrung bekommt die Endstufe des Voyage nicht aus der gewohnten Ringkerntrafo-Torte. An deren Stelle hat Creek ein Schaltnetzteil gesetzt, das – anhand der Bauteil-Dimensionen grob über den Daumen gepeilt – locker ein Kilowatt umspannen könnte. Dieses Netzteil, das nicht wie sonst bei Switch-Mode-Netzteilen üblich von der Stange gekauft, sondern eigens für den Voyage entworfen und auf dem Canor-typischen blauen Platinenmaterial mit höchst seriösen Bauteilen realisiert wurde, bremst den britischen Amp schon mal garantiert nicht aus. Das sieht man auch an den Leistungsdaten, die sich mit jeweils halbierter Lastimpedanz einfach stur verdoppeln: Aus 120 Watt je Kanal an 8Ω werden 240 Watt an 4Ω. Und an noch niedrigeren Impedanzen ist – zumindest kurzfristig, was beim Musikhören ja völlig ausreicht – noch viel mehr. In Problemfällen springt zuverlässig die Schutzschaltung des Voyage ein, die den Amp gegen zu hohe Ausgangsströme (etwa bei einem Kurzschluss im Lautsprecherkabel), Gleichstrom (aus einer defekten Phono- oder Player-Ausgangsstufe) oder schlicht bei Überhitzung absichert.

Class G: Wie Class AB mit Turbo

Wie man den Amp ohne grobe Fehler, etwa LP-Hüllen auf den Lüftungsöffnungen, überhaupt überhitzt bekommt, ist mir allerdings schleierhaft. Er wird im normalen Betrieb selbst an leistungshungrigen Boxen nicht mal lauwarm – etwa an der Harbeth P3ESR XD, wo zum Beispiel der hochgeschätzte Rega Io nach einer zünftig gehörten Rockplattenseite bereits gut ins Schwitzen kommt. Seinen auffallenden thermischen Gleichmut trotz pozentiell enormer Ausgangsleistung verdankt der Voyage einer Betriebsart namens Class G. Wer jetzt an klanglich fragwürdige „digitale“ Endstufen denkt, liegt daneben. Im i20 werkelt, wie oben beschrieben, eine ganz normale AB-Endstufe.

Der Trick liegt in ihrer Stromversorgung, die eine Grundeigenschaft jedes normalen Musiksignals ausnutzt: Auch wenn man laut hört, fließen im Schnitt nur wenige Watt. Die zwei- und dreistelligen Leistungen braucht man nur über winzige Zeitspannen an den Kronen der Musikwellen. Der Class-G-Amp versorgt seine Endstufe daher mit zwei unterschiedlich hohen Betriebsspannungen. Das niedrigere Niveau liegt dauernd an und reicht nur für etwa 30 Watt, mit entsprechend niedrigen Ruheströmen und thermischen Verlusten. Wird mal mehr benötigt, um dem Signal mit der eingestellten Verstärkung zu folgen, spürt der Amp das. Und wechselt dann – und nur dann – blitzartig auf eine doppelt so hohe Versorgungsspannung, womit sich die Maximalleistung vervierfacht (Leistung ist das Produkt aus Spannung und Strom – verdoppelt man die Spannung, fließt gemäß Ohmschem Gesetz bei gleichbleibendem Lastwiderstand auch der doppelte Strom).

Creek Voyage i20 Poer-Jumper
Zweigleisig: Weil die Class-G-Endstufe zwei unterschiedliche Betriebsspannungen jeweils in positiver und negativer Polarität benötigt, führen – inklusive Erde – insgesamt fünf dicke, himmelblau isolierte Kupfertrossen vom Schaltnetzteil zum Mainboard (Foto: B. Rietschel)

Den Übergang in den G-Modus zeigt der Creek Voyage i20 sogar an – dann leuchtet ein kleines „G“ im OLED-Display auf. Mit meinen eher wirkungsgradstarken Tannoys sind die entsprechenden Leistungen praktisch nicht erreichbar. Ich höre zwar gerne laut, aber selbst bei sündhaften Pegeln blieb das G dunkel. Anders die kleine Harbeth, die glatte 6dB weniger effizient ist und den Indikator rhythmisch zum Flackern brachte, wenn man sich an die Belastungsgrenze des kleinen Monitors herantastete. Mit großen, hoch belastbaren und mäßig effizienten Boxen wird man den G-Punkt öfter erreichen, aber abgesehen von dem Leuchtsymbol bekommt man davon rein gar nichts mit. Das ist das eigentlich Schwierige an Class G: Den Übergang zwischen den beiden Spannungs- und Leistungsniveaus ultraschnell und bruchlos zu gestalten, ohne plötzliche Veränderungen zum Beispiel im Klirrspektrum, die dem stetigen Verhalten widersprechen, das unsere Ohren als natürlich empfinden. Es gibt ähnliche Konstruktionen, bei denen das nur unvollständig gelang – etwa die „Power Drive“-Schaltung des einstigen NAD-Flaggschiffs C-372. Der Verstärker hatte zwar Berge von Leistung, klang neben seinen kleineren Brüdern aber an den meisten Lautsprechern eher blass. Dass es kein per se schlechter Amp war, zeigte sich, wenn man ihn mit hochohmigen, zugleich wirkungsgradschwachen Speakern wie der ATC SCM40 verband, die der Auslegung des PowerDrive-Netzteils entgegenkamen – diese Kombi klang geradezu sensationell.

Creek Voyage i20 Emitterwiderstand
Emitterwiderstand deluxe: An dieser Stelle der Schaltung ist neben hoher Belastbarkeit auch möglichst geringe Induktivität gefragt. Creek setzt statt normaler Lastwiderstände daher kleine Platinchen mit jeweils vier parallel geschalteten 1Ω-SMD-Widerständen ein (Foto: B. Rietschel)

Class G findet wegen seiner hohen Effizienz auch in PA-Verstärkern Verwendung, und die britischen Kollegen von Arcam bauen AV-Receiver mit Class-G-Endstufen. In HiFi- oder High-End-Anwendungen ist es aber Mike Creek selbst, der die Klang-Latte hoch hängt: Bereits sein Evo 100 aus dem Jahr 2015 trat mit Class G an und spielte blitzsauber, unverfärbt und mit – angesichts der flachen Bauweise – schon fast verwegener Grobdynamik.

Creek Voyage i20 innen komplett
Mit guten Dingen prall gefüllt: Eingangswahl und analoge Verstärkung sitzen auf der Hauptplatine links im Gehäuse des Voyage i20. Rechts daneben das Schaltnetzteil-Board, darüber die etwas kleinere DAC-Platine. Eine vierte Leiterplatte beherbergt die Steuerlogik, schön abseits direkt hinter der Frontplatte (Foto: B. Rietschel)

Bei ganz ähnlichem physischen Auftritt und identischem Gewicht ähnelt der Voyage auch innerlich dem Evo: Der Kühlkörper etwa, der zwei Drittel der Gehäusebreite einnimmt, ist exakt der gleiche. Auch die vier Leistungstransistoren, die sich daran kühlen. Geändert wurden aber die Halbleiter, die den Sanken-Endtöpfen ihre variable Arbeitsspannung zuteilen: zuvor dienten dazu einfach nochmal zwei Sanken-Pärchen, die oft als weitere Endtransistoren missverstanden wurden. Was sie aber nicht sind: Ausgangssignal verstärken nur die ersten zwei Paare, die anderen beiden schuften als Betriebsspannungs-Schleusen für deren Class-G-Betrieb. Im Voyage ist die Rollenverteilung leichter zu erkennen, da die Betriebsspannungs-Umschaltung nun in insgesamt sechs (drei parallelen Paaren) MOSFETs geschieht. Das macht die Stromversorgung der Endstufe nochmals niederohmiger als die des Evo 100 – ein Ziel, dem auch das neue Schaltnetzteil dienen soll: Selbst gierigste Stromschlucke, etwa durch heftige Drum-Kicks bei hohen Lautstärken mit unempfindlichen Boxen, fließen aus dem Voyage-Umspannstation praktisch widerstandslos gen Endstufe.

Eleganter Klang, lässiges Muskelspiel

Beim Hörtest bestätigte sich die immer wieder beobachtete Synergie zwischen Creek-Verstärkern und Harbeth-Monitoren. Was hier ausnahmsweise mal nicht daran liegt, dass sich Fehler auf beiden Seiten irgendwie geschickt neutralisieren. Sondern im Gegenteil genau daran, dass hier zwei jeweils nahezu perfekte Vertreter ihrer Gattung aufeinandertreffen: Ein absolut neutraler, enorm dynamikkompetenter und sensationell fein auflösender Verstärker und ein hoch ausgereifter, betont unspektakulärer und unglaublich klar differenzierender Lautsprecher in bester britischer Monitortradition. Wer hören will, zu welchen Abbildungs-Großtaten eine zierliche P3ESR XD fähig ist, der paare sie mit einem Voyage i20. Mehr Verstärker braucht die Box wirklich nicht. Und weniger will man danach nicht mehr akzeptieren. Weil man dann zum Beispiel Nick Cave auf seinem gespenstischen Live-ohne-Publikum-Soloalbum „Idiot Prayer“ so nah kommt, dass es weh tut. Und sein Konzertflügel mit Kraft und Macht den Londoner Alexandra Palace füllt, dass man sich fühlt, als hätte man es doch geschafft, sich auf einen der vielen leeren Sitze zu schleichen.

Nick Cave Iodiot Prayer Cover LP
Nick Cave hat mit „Idiot Prayer“ ein sensationelles, der Pandemie entsprechendes Doppel-Album vorgelegt, das es erfreulicher Weise auch auf Vinyl gibt… (Cover: Amazon)

Der Creek Voyage i20 klingt einen Hauch heller als manch anderer Verstärker, aber er tut dies auf konstruktive, ganz und gar positive Weise. Indem er die Höhen ganz entspannt und doch supergenau aufdröselt, ohne sie einem zu fest ans Ohr zu reiben, schaffte er klare akustische Verhältnisse, erleichtert dem Hörer die Orientierung und fördert ermüdungsfreies Langzeithören. Zumal er auch das adäquate Gegengewicht zu seinem duftig-feinen Obertonfirmament in petto hat: Einen knorrigen, ganz tief und akkurat durchgezeichneten Bass, für dessen Ergründung wir natürlich nicht nur die kleinen Harbeth-Nahfeldmonitore, sondern auch ausgewachsene Standboxen verwendeten. Wobei man die geschlossene P3 auch im Tiefton nicht unterschätzen sollte. Solange keine zerstörerischen Pegel verlangt werden, spielt die kleine Britin mit dem richtigen Verstärker richtig tolle Bassmelodien mit Kontur und definierter Tonhöhe, die den meisten Bassreflex-Kübeln nicht in dieser Qualität zu entlocken sind. Der „richtige“ Verstärker, das ist hier ganz klar der neue große Creek.

Natürlich gibt es auch hier Kombinationen, die nicht so gut passen, aber die sind beim Voyage eher selten. Alle modernen, breitbandig und neutral abgestimmten Lautsprecher werden den Creek lieben – egal ob Nubert, B&W, Gauder oder sonstwas draufsteht. Weniger ideal sind Old-School-Konstruktionen wie meine Tannoy-Monitore, die nach meinen bisherigen Erfahrungen einfach lieber an Verstärkern mit niedrigem Dämpfungsfaktor zu spielen scheinen: An Eintakt-Riesentrioden wie dem Line Magnetic 805 können sie göttlich klingen, ebenso am ohne Gegenkopplung aufgebauten und entsprechend dämpfungsschwachen Croft Integrated. Dieses Laissez-faire kann der Creek nicht bieten. Er kontrolliert jeden Lautsprecher eisern – und lässt die Tannoys flacher und nüchterner klingen, als man das mit passenden Amps gewohnt ist.

Das Nüchterne ist ansonsten keine Eigenschaft, die man mit dem Creek in Verbindung bringt – im Gegenteil. Seine Oberton-Genauigkeit, die nie analytisch wirkt, sondern seidig, freundlich und ehrlich, bringt gerade bei Gesangsstimmen tiefe, intensive Emotionen zum Vorschein. Dynamik, sofern aufnahmeseitig vorhanden, entfaltet sich gleichermaßen ungebremst wie unaufdringlich. Wer einmal unmittelbar vor einer zünftig aufspielenden Blaskapelle saß oder stand, weiß, wie schwer es HiFi hat – und immer haben wird. Und weiß die Fähigkeiten des Voyage i20 umso mehr zu schätzen: Große Dynamik, gänzlich unforciert. Lebensechte Feinauflösung, und trotzdem ganz viel von diesem weichen, lässigen Flow, der akustische Livemusik auszeichnet: Ein toller Verstärker, dem man etwas Zeit geben muss, weil hohe Klangkultur eben nichts ist, das einem beim ersten Takt ins Gesicht springt.

Fazit Creek Voyage i20

Creek hat jahrzehntelang den HiFi-Nachwuchs gefördert – mit liebevoll ausgereizten Budget-Amps, die mitreißende Musikwiedergabe erschwinglich machten. Natürlich hat man sich schon früher gefragt, wie ein Cost-No-Object-Creek wohl aussehen und klingen würde. Nun wissen wir es: Genauso unspektakulär wie die anderen auch – nur einfach viel besser.

Creek Voyage i20
2021/05
Test-Ergebnis: 4,5
Überragend
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Feiner, entspannt-natürlicher Klang mit furiosem Dynamikpotential
Hohe, stabile Leistung, geringe Wärmeentwicklung
Sehr guter, integrierter D/A-Wandler
Souverän gute Verarbeitung „Made in Europe“

Vertrieb:
input audio HiFi-Vertrieb
Ofeld 15
24214 Gettorf
www.inputaudio.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Creek Audio Voyage i20: 5.000 Euro

Creek Voyage i20: die technischen Daten

Creek Voyage i20
Technisches Konzept:analoger Vollverstärker mit integriertem Digital-Board
Leistung:2 x 120 Watt/8 Ω; 2 x 240 Watt/4 Ω, 2 x 480 Watt/2 Ω
Digitaleingänge:2 x SPDIF Co-Axial – (192kHz 24 bit), 2 x TOSLINK optical – (192kHz -24 bit), USB class 2 audio – PCM 768kHz, 32-bit, DSD 22.4MHz
Analogeingänge:4 x RCA (un-balanced) und 1 x XLR
Dämpfungsfaktor:
>400
Besonderheiten:Bluetooth aptX HD und Kopfhörerverstärker
Abmessungen B x H x T:43,0 x 8,0 x 35,0 cm
Gewicht:
9,0 Kilo
Alle technischen Daten

 

Autor: Bernhard Rietschel

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Bernhard Rietschel ist gelebte HiFi-Kompetenz. Sein Urteil zu allen Geräten ist geprägt von enormer Kenntnis, doch beim Analogen macht ihm erst recht niemand etwas vor: mehr Analog-Laufwerke, Tonarme und Tonabnehmer hat keiner gehört.