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Musical Fidelity A1 Front
Die Wiederauflage des A1 fasziniert wie vor knapp 40 Jahren. Heute ist es ein Genistreich für 1.600 Euro (Foto: Musical Fidelity)

Test Vollverstärker Musical Fidelity A1

Retro, Retro! Die High-End-Gemeinschaft scheint besessen. Auch Musical Fidelity spielt die Karte und legt den legendären Musical Fidelity A1 Vollverstärker neu auf. Aber hier wird nicht gespielt, nicht taktiert – hier wird überwältigt.

Das hätte auch mächtig schiefgehen können. Dieser Trend zum Retro-HiFi scheint derzeit die ganze Branche umzutreiben. Nicht immer können die Recken von einst mit modernen Ansprüchen mithalten. Doch der A1 von Musical Fidelity hat uns aus dem Sessel gehoben – eine Wiederauflage, die viele Konkurrenten alt aussehen lässt. Da kochen nicht nur die Emotionen über.

Um auch meinen Emotionen etwas freien Lauf zu lassen: Ich habe mir beim örtlichen HiFi-Händler meiner Jugend die Nase an der Schaufensterscheibe platt gedrückt. Diesen Vollverstärker wollte ich haben! So teuer war der nicht einmal. Der Musical-Fidelity-Chef Antony Michaelson hatte 1985 ein U-Boot in unser audiophiles Bewusstsein geschickt. Der A1 sah anders aus, klang anders, tickte anders.

Der große Tim de Paravicini (1945 – 2020) hatte hier unter Michaelsons Ägide sein volles Genie ausgespielt – seine Verstärkerschaltung folgt den Vorgaben des reinen Class-A. Kein Entweder, kein Oder. Was aber zwei Folgeerscheinungen brachte. Der A1 wurde nicht warm, sondern richtig heiß. Da eine permanente Leistung durchgeschleift wird: Was nicht in Klang verwandelt wird, tritt als Wärme an die oben liegende Kühlfläche. Also konnte man bei Motörhead in maximaler Eltern-Nerv-Lautstärke die Hand auflegen. Bei einem Streichquartett hingegen wurde es unangenehm. Nichts für Kinderhände, nichts für Haustiere – erstaunlich, dass der TÜV sein Siegel gegeben hatte.

Musical Fidelity A1 Beauty
Schön wie eh und je: der A1 (Foto: Musical Fidelity)

Die legendäre Schaltung des Musical Fidelity A1 – im zeitgemäßen Gewand

Die zweite Auffälligkeit: Class-A ist nicht auf gewaltige Wattzahlen ausgelegt. Damals begannen die großen Hersteller ein Gefecht der Watt-Potenz, je mehr, desto besser, auch und gerade im Fachhandel. Der A1 spielte in seiner eigenen Liga, etwas für Feingeister – dereinst mit 15 Watt, heute bei 20 an vier Ohm. In den frühen 90er-Jahren endete die Fertigung. Erstaunlich – hatte Musical Fidelity doch nach Branchenkennern eine sechsstellige Zahl an Einheiten in die Welt geschickt.

Was auch immer Antony Michaelson dazu getrieben hatte: In den späten 2000er-Jahren legte er ein Modell mit der gleichen Typenbezeichnung auf – auch flach, aber ästhetisch mit einem monochromen Display verhunzt und schaltungstechnisch ein A/B-Design, das ziemlich belanglos tönte. Die mageren Verkaufszahlen waren eine Ohrfeige der sensiblen High-End-Gemeinschaft, die sich an der Nase herumgeführt fühlte.

Seitdem ist viel Zeit vergangen. Vor allem gab es einen Paukenschlag: 2018 kaufte Heinz Lichtenegger die britische Elektronikschmiede auf. Lichtenegger ist fast so etwas wie eine Lichtgestalt des modernen HiFi, vor allem finanziell. Er hat Pro-Ject zum größten Plattenspieler-Hersteller der Welt aufgebaut. Aber er ist auch ein Mann der Kultur. Der sehr wohl um den legendären Ruf des Ur-A1 wusste. Jetzt also die wirklich ehrliche, wirklich einzig wahre Neuauflage der Ikone.

Das Design der originalen Schaltung von Tim de Paravicini ließ Musical Fidelity unverändert. Simon Quarry ist der Haudegen bei Musical Fidelity und seit 30 Jahren dabei – und er stand vor einem großen Problem: Woher die alten Bauteile beschaffen? Nicht alles stand mehr zur Verfügung. Was aber auch ein falscher Ansatz gewesen wäre. Der A1 Generation drei sollte ja kein Museumsstück werden.

Musical Fidelity A1 Fernbedienung
Total bezaubernd und passend: die Fernbedienung aus Metall mit den Grundfunktionen (Foto: Musical Fidelity)

Zudem ist die Zeit auch im positiven Sinne fortgeschritten. Es gibt schlicht bessere Bauteile und angesichts der legendären Heizkraft des UR-A1 jetzt auch wärmegekapselt. Der Trafo weist idealere Werte auf – er folgt dabei dem Prinzip der „Dual Mono Split Rail“-Wicklungen. Stabilität und Kanaltrennung werden schon bei der Stromzuteilung hochgehalten. Auch der neue A1 ist ein Stromsauger, der bis zu 130 Watt aus der Steckdose anfordert. Einem mittleren Wunder kommt es gleich, dass Quarry noch die klangentscheidenden, rauscharmen Transistoren von Texas Instruments ausfindig machen konnte, mit dem Kürzel TL071 JFET.

Musical Fidelity A1 innen
Blitzsauberer Aufbau, Phono (rechts) weit von allem anderen entfernt (Foto: Musical Fidelity)

Unter der Haube lebt die alte Schaltung. Mit überaus kurzen Wegen. So geht es von der Kaltsteckerdose direkt in den Trafo hinein. Die Signal-Eingänge werden über eine Gewindestange direkt nahe der Rückseite umgeschaltet. Der Parcours der Transistoren ist weitgehend unsichtbar, er liegt unter einem dicken Aluminium-Riegel, der die Abwärme direkt an die Oberfläche des Gehäuses weiterleitet. Ein großer, stringenter Wurf damals wie noch immer aktuell.

Musical Fidelity A1 Alps Poti
Das Lautstärke-Poti ist von Alps und fernbedienbar. Das hatte der A1 aus dem Jahre 1985 noch nicht…(Foto: Musical Fidelity)

Unzeitgemäß wäre der alte Lautstärke-Regler gewesen, nun gibt es ein ALPS-RK-Upgrade, hochwertig und mit fein-minimalistischer Fernbedienung steuerbar – lauter, leiser, Mute, das wars. Was aber einen weiteren Unterschied erklärt, nämlich den Stecknadelkopf-kleinen Infrarot-Empfänger links neben dem zentralen Volume-Rad. Die Hyper-Fans bemerken eine weitere Petitesse: Der Einschaltknopf des Ahnen leuchtete rot, der Neuling wirft uns jetzt ein elegantes Blau entgegen.

 

Musical Fidelity A1 Beauty
Blue Mood: Das Blau gefällt mir noch besser als früher das Rot (Foto: Musical Fidelity)

Obsolet ist der Tape-Monitor-Schalter von damals. Doch den Schalter wollte Musical Fidelity nicht aufgeben: Jetzt steht hier die Entscheidung zwischen „Normal“ und „Direct“ an. Spielen wir doch mal mit ihm. Holla – die Lautstärke steigt deutlich, um zehn Dezibel. Also eine Art Power-Button? Nein, hier geht es um das kleine Try-and-Error-Spiel, ob der Vorverstärker im Signalweg agiert oder das Signal unberührt, aber mit Potenziometer zum Endverstärker durchgeschickt wird. Da können sich Ingenieure und Philosophen streiten. Wichtig für die Fans: Natürlich ist die Vorstufe auch in reinem Class-A gehalten. Einfach hinhören und sich treiben lassen – haben wir getan, doch dazu etwas später in unserem Hörtest.

Die Praxis: schlicht, geradlinig – aber mit MM/MC-Board

Zuvor noch der Blick auf die Rückseite. Wir haben fünf Cincheingänge, einen Line-Level, einen Pre-Out. Als Weltherrscher über den Plattenspieler-Markt hat Heinz Lichtenegger natürlich darauf gedrungen, dass auch ein Phono-Eingang mit Erdungsschraube angebotenen wird. MM hätten wir als Pflichtprogramm erwartet, doch per Tastendruck auf der Rückseite kann der Besitzer des A1 auch auf MC-Tonabnehmer umschalten. Damit wird man auch empfänglich für das Szenario eines klein-feinen Aufbaus: guter Plattenspieler, kompakte Lautsprecher – hier hat Musical Fidelity bewusst zeitgleich auch eine Neuauflage des BBC-Monitors LS3/5A etabliert. Die Kombination haben wir uns natürlich auch angehört.

Die erste, glücklose Wiederauflage aus 2008 wollte noch mit einem USB-Eingang die Computer-Fans anlocken, dafür verzichtete Musical Fidelity auf den MC-Upgrade. Muss man nicht kommentieren, muss man nicht nachtreten. Besser die neuste Version auf sich wirken lassen.

Sehr gut ist die Verarbeitung gelungen, da braucht sich Musical Fidelity nicht zu verstecken. Der Aufbau ist ein drei Minuten geschafft. Wobei das unaufgeregte Lautsprecherterminal gefällt. Bananenstecker können hinein, Kabelschuhe oder gänzlich unkonfektionierte, freie Kabelenden. Ein zweites Boxenpaar wird nicht bedient, warum auch?

MF A1 rear
6 Analog-Eingänge inklusive Phono sowie zwei Ausgänge: 1 x Tape (fix Pegel), 1 x( Pre-Out mit variablem Pegel Foto: Musical Fidelity)

Nicht verschweigen wollen wir, dass auch die aktuelle Version des A1 ziemlich warm werden kann. Früher wurde er so heiß, dass er bisweilen den damals von verwendeten Plastik-Lautstärkeregler verformt hat. Aber auch heute gilt: Nach längerer Laufzeit nicht oben anfassen und um Gottes Willen nichts draufstellen…

Hörtest

Kein Bass groovt tiefer, knurriger als der Fender von Kinga Glyk. Die polnische Jazzerin hat ein neues Album vorgestellt – „Real Life“. Viel Computer, viel Synthetisches. „That Right There“ gibt sich eher akustisch. Der Musical Fidelity liebt diese Musik. Da darf er sich in kindlicher Freude ausleben, als wäre er ein PA-Amp im Studio; diese alten Röhren-Dinger auf den abgewetzten Tour-Lautsprechern. Das ist so wunderbar rau, mit einer Spur von Rotzigkeit, eben nicht das aseptische Klangideal. Alles mit Nachdruck, kein Ton ohne Emotion. Das Schlagzeug peitscht nicht, sondern hat ebenso viel Körper wie die vier Saiten von Kinga.

Kann der A1 auch Tempo? Wie ein Turbo! „Banjoland“ von Tony Trischka lässt in High-Res die Saiten zirpen, zwei Banjos zur linken, zwei zur rechten. Der Class-A-Meister ist der fünfte Star. Das Tempo zieht an, es wird aberwitzig virtuos, und der Musical Fidelity gibt, Entschuldigung, die Rampensau. Seit fünf Jahren und mehr habe ich nicht mehr diese selbstverständliche Musizierlust bei einem Amp erlebt – allenfalls, wenn es sehr, sehr kostenintensiv werden darf. Da ist er wieder, der Spirit des ersten A1 aus den 1980er-Jahren – viel Sound, viel Herz, bewusst auch für kleinere Kassen.

Kinga Glyk - Real Life
Besser wurde der Bass selten gespielt: „Banjoland“ von Tony Trischka

Aber ich will das „Faszinosum A1“ nicht auf den Preispunkt schieben. Dieser Verstärker beherrscht etwas, was ich auch von sehr viel teureren Verstärkern nicht kenne: So viel Kontrolle, so viel Klangfarbe, so viel lebendige Musik. Man hört durchaus, wann ihm die Puste ausgeht. Dann nämlich wird er ihm oberen Bereich etwas crisp. Aber diese unglaubliche Basskontrolle bewahrt er selbst bei hoher Lautstärke…

Hört man besser mit zugeschaltetem Vorverstärker oder ohne? Ausprobieren und nicht auf das Missverständnis hereinfallen, dass „Direct“ unbedingt audiophiler, eben direkter klingen muss. Die Vorstufe ist grandios, sie hat Charakter, macht zu großem Teil auch die smarte Gefühlslage beim Hören aus.

Musical Fidelity A1 Direct
Im „Direct-Modus“ läuft das Signal ohne Vorverstärkung und ist deshalb um 10 Dezibel leiser (Foto: H. Biermann)

Bei Klassik hingegen wirkt der Raum eines Orchesterkonzerts weiter, definierter, wenn sie umgangen wird. Die Decca hat die Planeten-Suite von Gustav Holst in der Prachtaufnahme von 1971 unter Zubin Mehta frisch in 24 Bit und 176,4 Kilohertz aufgelegt. Ein Hochamt für die High-End-Gemeinschaft. Der Kriegsgott Mars marschiert im Direct-Modus etwas analytischer auf uns zu, aber auch hier zieht einen der Normal-Faktor mit größerer Farbkraft in den Bann, der Überwältigungsfaktor stellt sich ein. Abermals: individuell ausprobieren und nicht vergessen, dass man mit dem Vorverstärker zehn Dezibel im Zusammenspiel mit den Lautsprechern gewinnt.

Musical Fidelity A1 mit Leak 230
Während der Leak 230 (den wir unter anderem auf der HIGH END 2023 in unserer Sounds-Clever-Anlage einsetzten) in erster Linie auf Retro macht, ist der A1 gelebte HiFi-Geschichte (Foto: H. Biermann)

Ein Quercheck mit der Konkurrenz muss sein. Wir haben den Leak Stereo 230 aus dem Regal geholt. Der ja auch den Retro-Faktor im eigenen Gehäuseformat ausspielt, jedoch einer klassischen A/B-Schaltung folgt und deutlich mehr Watt aufzubringen vermag. Tonal sind der Leak und der Musical Fidelity verwandt – die wollen nur spielen und nie beißen. Gleichstand? Nein, der A1 hat den Faszinationsmodus eingebaut, er punktet zwar nicht mit den Leistungsreserven, aber dem schöneren Bauchgefühl, plus Musikalität und deutlich mehr Griffigkeit.

Musical Fidelity A1 mit Kudos und Dynaudio
Sowohl die Dynaudio Heritage Special (rechts) als auch die Kudos Audio Super 10A erwiesen sich als  grandiose Boxen-Partner für den A! Foto: H. Biermann)

Wir hatten wunderbare Stunden mit dem A1. Die Dynaudio Heritage Special entfacht mit ihm einen Rausch – sogar im Tiefbassbereich. Die kürzlich getestete Kudos Super 10A glänzte mit noch mehr Energie in den Mitten. Was mich nicht vollkommen überzeugte, war die Kombination mit den Nachbauten der BBC-Legenden LS 3/5a. Beides sind tolle Komponenten. Doch das heißt nicht, dass sie die perfekte Kombination bilden. Mir war es – im Vergleich zu den anderen beiden – etwas zu müde. Doch das lag vor allem an den Lautsprechern, die ja in den 1960er Jahren erdacht wurden und recht leise und ziemlich undynamisch sind.

Musical Fidelity A1 mit LS 3/5a
An der LS 3/5a war das Klangbild nicht sonderlich dynamisch (Foto: H. Biermann)

Fazit Musical Fidelity A1

Ein großer Wurf – damals und heute noch besser. Drei, vier Minuten des Hörens und ich war im Bann dieses Meisterwerks. Auch dies ein Zeichen: Der A1 muss nicht hochfahren, er ist von der ersten Sekunde da. Mit einer Portion Süffigkeit, die ich nur von weit teureren Verstärkern kenne. Der Preis von 1.600 Euro ist vor dem Hintergrund der Klangausbeute schlicht spektakulär. Einziger Haken: Laut den ersten Pressemeldungen ist die Neuauflage auf 1985 Exemplare limitiert. Eine Huldigung an das Jahr der Erstauflage. Schöne Idee, aber dumm – der oberste Firmenchef sollte die Fertigungsstraßen zum Wohl der Menschheit unbegrenzt weiterlaufen lassen.

Musical Fidelity A1
2024/02
Test-Ergebnis: 4,5
Überragend
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Charaktervoll, schnell, offen im Klang, stringentes, ikonisches Design
MM und MC wählbar, hochwertige Phonostufe
Kurze Signalwege, die Faszination der puren Class-A-Schaltung
Wird oben recht heiß

Vertrieb:
Reichmann AudioSysteme
Graneggstraße 4
78078 Niedereschach im Schwarzwald
www.reichmann-audiosysteme.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Musical Fidelity A1: 1.600 Euro

 

Die technischen Daten

Musical Fideity A1
Konzept:Vollverstärker, Class-A
Leistung:2 x 20 Watt (8 Ohm)
Eingänge:1 x Phono MM/MC, 5x line (alle RCA)
Ausgänge1 x line level fix TAPE OUT, 1 x line level PRE OUT regelbar
Lieferumfang:Fernbedienung
Ausführungen:schwarz
Abmessungen (B x H x T):44,0 x 6,8 x 28,3 cm
Gewicht:10,5 Kilo
Mit- und Gegenspieler:

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Test Kompaktbox Kudos Audio Super 10 A
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Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.