Audis neuer Sound of Silence am Canale Grande. Steht das A im Namen jetzt etwa für Amphibium? Diese Frage drängte sich mir auf, als ich die Einladung nach Venedig zur Fahrvorstellung des neuen Audi A4 2.0 TFSI Ultra bekam.
Natürlich hat die im Nordosten Italiens dem Meer abgetrotzte legendäre Lagunenstadt im Hinterland einiges an Straßen zu bieten. Doch in Zeiten von Car-Sharing und ganz autolosen Mobilitätsalternativen zeugt es von Chuzpe, dort ein Auto zu präsentieren, das mehr dem Transportgedanken als dem puren Vergnügen verpflichtet ist.
Schließlich bekam man im Anschluss an einige Stunden Testfahrt durch malerische Landstriche in einer “Mehr-Kanal-Vorführung” vor Augen gehalten, wie geschmeidig und vor allem begeisternd der Verkehr ganz ohne Autos fließt.
Allerdings unterstrich die Erfahrung mit der schwankenden, lauten Bootsfahrt durch den Canale Grande zum Hotel auch den überragenden Fahrkomfort der neuen, intern B9 genannten Generation des Massenfortbewegungsmittels für Handlungsreisende, die auf dem Festland unterwegs sind.
Die 9. Generation wuchs trotz bis zu 120 Kilogramm Gewichtserleichterung in den Abmessungen und bietet damit 2,3 Zentimeter mehr Platz im Fond und auch mehr Kopffreiheit. Doch das, was wirklich ganz besonders haften bleibt, gerade bei einem Ohrenmenschen wie mir, ist der überragende Akustik-Komfort.
Das beginnt mit der Akustikverglasung für die Frontscheibe und neuerdings auch optional für die vorderen Seitenfenster. Das Doppelglas trägt im Inneren eine Kunststoffschicht und ähnelt im Aufbau dem gewöhnlich bei Frontscheiben eingesetzten Verbundglas, welches aber nur der Sicherheit dient. Dem Vernehmen nach erwägt Audi sogar, das Akustikglas in Verbindung mit dem B&O 3D Sound System zu einem Wohlfühlpaket zu bündeln.
Anteil am auffallend ruhigen Reisekomfort haben selbst kleinste Details wie die Rückspiegel, die mit Windabrisskante und kleinen Spoilerchen zur Verringerung der Strömungsgeräusche beitragen. Nebenbei eroberten die Ingolstädter mit ihrem nachhaltigen aerodynamischen Feinschliff wieder einen cW-Wert-Rekord zurück.
Glücklicherweise saß der oberste Windkanal-Wächter Moni Islam beim Zwischenstopp im Weingut Cantina Collalto direkt neben mir und beantwortete freimütig Fragen rund um das Thema Luftbewegung.
So konnte ich unter anderem erfahren, dass Audi beim Thema Aerodynamik und Aeroakustik auf eigene Software vertraut, weil mit gebräuchlichen Programmen spätestens bei den Spiegeln, dem ganzen Stolz der Audianer, Schluss gewesen wäre. Mit einem cW-Wert von 0,23 wähnt sich Audi zudem in Bezug auf Realisierbarkeit ohne Komfortzumutungen wie einem nach hinten stark abfallenden Dach – wenig verwunderlich – am Ende der Fahnenstange.
Leider war kein Fahrwerksexperte zur Hand, denn was in Sachen Abroll- und Abrollgeräuschkomfort beim neuen Audi A4 2.0 TFSI Ultra geleistet wurde, macht für mich das Besondere an diesem äußerlich schicken, aber reichlich unspektakulären, um nicht zu sagen, emotionslosen Mittelklasse-Modell aus.
Das adaptive Fahrwerk entkoppelt Dich von rauen Straßenbelägen – die italienischen Autobahnen stehen schließlich nicht im Ruf, die besten zu sein – und feinen Unebenheiten und bleibt dennoch gerade im Dynamik-Modus frei von übermäßigen Karosseriebewegungen. Der Faktor Abrollgeräusche wird in diesem neuen Audi dezent ausgeblendet. Das macht sich gerade in Verbindung mit dem aus 19 Lautsprechern bestehenden B&O-3D-Audio-System bemerkbar.
Du kannst während der Fahrt tiefer in die Musik reinhören, erkennst feinste Aufnahmedetails wie im Nahfeld einer sehr guten Heim-Stereo-Anlage. Auch in den unteren Mitten, die gewöhnlich besonders unter Abrollgeräuschen leiden, ist die Auflösung so gut, dass es sich lohnt, immer die besten Aufnahmen mitzunehmen.
Das können auch mal gut gewandelte AAC-Dateien vom iPhone sein – es lässt sich wahlweise über Bluetooth oder USB anschließen, doch im Normalfall bringt CD optimale Ergebnisse. Neben dem CD/DVD-Laufwerk im Handschuhfach gibt es dort auch einen SCDX-Kartenleser für Flashspeicher bis 2TB.
Hörtest im Audi A4 2.0 TFSI Ultra
Mit der Klangbalance auf die vorderen Sitze gerichtet und mittelstarken 3D-Effekten materialisierte etwa Johnny Cash (Album American V: A Hundred HighWays) vor mir über dem Armaturenbrett und seine Begleitinstrumente machten sich bis über die physischen Grenzen des Autos breit.
So kann man von breitbandiger, ausgewogener Hintergrundmusik bis zu gehobenem Pegel vortrefflich Musik genießen, die nicht nur den Kopf des Testers überzeugt, sondern bisweilen Gänsehaut bei ihm erzeugt. Allerdings gibt es dabei Ärger mit dem grimmigen Nachbarn, wobei es sich hier nicht um einen gelangweilten Frühpensionär, sondern um einen brummigen Vierzylinder-Direkteinspritzer handelt.
Kraft hat der elastische, drehmomentstarke Turbo-Benziner ja in einem Maße, das die moderaten Papierwerte von 190 PS in Verbindung mit dem knapp 1.500 Kilo schweren Audi A4 2.0 TFSI Ultra Lügen straft. Aber es mangelt ihm einfach etwas an Kultur. Er verdirbt den maximalen Spaß an der extrem ausgewogenen Klangabstimmung, von der während der Fahrt nur gut 90 Prozent abgerufen werden können.
Das liegt auch gerade an der besonders “ehrlichen” Abstimmung ohne die – nicht ganz umsonst – verbreitete Überbetonung im Oberbass. Hier bewegt sich die Klangabstimmung des Systems auf einem schmalen Grat, der maximale Punktzahl nur im Stand, aber nicht, wie in der Praxis wichtig, während der Fahrt möglich macht: Im Streben nach maximalem Tiefgang und mustergültiger Präzision nimmt Audi in Kauf, dass tieffrequente Fahrgeräusche je nach Situation dem System etwas von seinem knackigen Punch rauben und es mitunter in den unteren Oktaven etwas dünn wirken lassen.
So tut man gut daran, mit der variablen Einstellung des dynamischen Equalizers zu arbeiten, der mit einem Mikrofon im Dachhimmel den effektiven Geräuschpegel misst und entsprechend der Voreinstellung mehr oder weniger stark korrigiert. “Hier gibt es jetzt fünf statt bisher zwei korrigierte Frequenzbänder”, schallt es von der Rückbank.
Dort haben der für die Baureihe verantwortliche Akustik-Experte Adam Sulowski und Joachim Schaber, Projektleiter im Bereich Infotainment Platz genommen. Nicht etwa, um die großzügige Räumlichkeit im Fond zu dokumentieren, sondern, um Backgrounds rund um die Anlage beizusteuern.
Das ist sehr nützlich, denn unsere Zeit ist begrenzt und ich teile mir den Wagen mit einem Kollegen. Doch die Arbeitsteilung hat auch Vorteile, denn wie alle heutigen Premium-Modelle, die etwas auf sich halten, hat der neue Audi A4 einen digitalen Overkill inklusive virtuellem Cockpit mit unzähligen Menüs und Einstellungen zu bieten, in die Du Dich gerade am Anfang als Fahrer besser nicht vertiefen solltest.
Auf dem Beifahrersitz kannst Du dagegen entspannt auf Enddeckungsreise im MMI-Bedienkonzept gehen und Dich an unzähligen, glücklicherweise über den nächsten Start hinaus deaktivierbaren Assistenz-Systemen ergötzen. Und Du kannst Dich an der wie vom iPhone bekannten Siri ohne feste Kommandos auskommenden Spracherkennung versuchen.
Weckt den Italiener in Dir
In Italien nahm dieser nette Versuch durchaus komödiantische Züge an, denn die eigentliche Spracherkennung erfolgt via mobilem Internet auf einem ausgelagerten Server, der in diesem Fall nur italienische Ortsangaben zu verstehen schien.
“Fahre mich zum Flughafen” lieferte nur Fehlermeldungen und Diskussionsstoff mit der virtuellen Stimme im Cockpit, “Aeroporto” bewirkte immerhin das Anzeigen einer Liste, die aber auch nicht zum gewünschten Ergebnis führte.
Am Ende erledigten wir diese von den Audi-Ingenieuren auf dem Rücksitz assistierte Gemeinschaftsübung mit dem vor den Automatikwahlhebel versetzten Dreh- und Drücksteller des MMI Touch. Das Touch bezieht sich allerdings auf ein Touchpad, das die Entwickler in den Knopf des MMI integrierten, nicht auf den Zentralbildschirm.
Deshalb erfordert auch zum Beispiel der Umgang mit Apple CarPlay etwas Geduld, wobei die sonst im VW-Konzern favorisierte Lösung mit Touch-Screen während der Fahrt durch Schwingungen im Fahrzeug gerne mal zu Fehleingaben führt.
Auch die Assistenzsysteme, die mein Kollege austestete, erzielten nicht immer die gewünschte Wirkung und nahmen den Fahrer in einem Maße in die Pflicht, dass die Frage aufkam, warum man nicht gleich selber alles unter Kontrolle behält. Ich persönlich lasse dieses neumodische Zeugs, allem voran den in die Lenkung eingreifenden VAG-Spurhalteassistenten, sowieso immer ausgeschaltet.
Apropos Lenkung: Neben dem fehlenden Flair des in Sachen Kraftentfaltung und Effizienz überzeugenden Motors war das mein zentraler Kritikpunkt. Grundsätzlich mag ich die leichtgängige, direkt ansprechende elektromechanische Audi-Lenkung – etwa beim Sportwägelchen TTS oder dem Audi S3.
Doch beim Audi A4 2.0 TFSI Ultra sorgte sie für ein synthetisches Lenkgefühl und eine unnötige Nervosität, die sich sogar noch später vom Beifahrersitz aus fühlen ließ – gerade in langgezogenen Kurven auf der Autobahn mit über 100 Stundenkilometern und in schnellen Kurvenkombinationen auf der Landstraße.
Eine Sache der Einstellung
Meine nachträglich eingeleitete Fahndung als Copilot führte zu dem Ergebnis, dass es nicht genügt, den Dynamic-Modus zu aktivieren. Wer es gefühlsechter mag, muss im Individual-Modus zusätzlich die Lenkung von “Auto” auf “Dynamic” stellen. Dann wirkte der Audi A4 2.0 TFSI ultra zumindest vom Beifahrersitz betrachtet weniger nervös. Und auch mein Kollege am Steuer äußerte sich in diese Richtung.
Um es noch einmal in Dynamic-Stellung selbst auszuprobieren, fehlte mir die Zeit. Die Testfahrt durch Venetien war wie um Fluge vergangen und wir mussten unseren Testwagen, der seinen Frontantrieb auf dieser Strecke übrigens bestens kaschieren konnte, wieder zurückgeben.
Fazit Audi A4 2.0 TFSI Ultra
Der neue Audi A4 beweist, dass man selbst ohne schräges, “lautes” Design polarisieren kann. Ist er nun dezent schön oder einfach nur langweilig? Ist er eine auf Mittelklasse-Dimensionen geschrumpfte Luxus-Limousine, deren Geräuschniveau im Innenraum sich mit dem Kanzlerinnen-Liebling A8 messen kann oder einfach nur ein auf Effizienz und Bestwerte gebürsteter Streber, dem es jenseits seiner extrem hochwertigen Innenraumgestaltung letztlich an Emotionalität mangelt? Diese Frage möchte ich an die Benzin-Stammtische der Nation weiterreichen.
Für mich selbst gesprochen sieht die Sache so aus: Wenn ich einen Wagen als eine Art Arbeitsgerät für lange, stressige Dienstreisen suchte, wäre der Audi A4 2.0 TFSI Ultra in dieser Klasse gerade mit dieser effizienten, aber souveränen Motorisierung derzeit die erste Wahl.
Da bei mir aber auch Sportlichkeit und Emotionen zählen, würde ich zumindest auf den S4 beziehungsweise RS4 warten. Im Bereich der von 150 bis 272 PS gestreuten Normalversionen können nämlich die Rivalen aus München und Stuttgart bei mir in dieser Hinsicht derzeit noch mehr Punkte sammeln.
Bis zum Erscheinen der nachgeschärften Sportversionen ist es vor allem das für 1.140 Euro angebotene, superbe B&O 3D Sound System, was erfolgreich die Endorphin-Produktion beim Fahrer anzuschieben vermag.
Bewertung
Auto HiFiAnlageAutoSpassfaktorGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Sehr neutrale Klangabstimmung |
| Sehr differenzierter und räumlicher Klang mit hoher, breiter Hörbühne |
| Herausragender Abroll- und Geräuschkomfort, Top-Materialqualität im Innenraum |
| Synthetisches Lenkgefühl, Apple CarPlay ohne Touchscreen etwas gewöhnungsbedürftig |
Vertrieb:
Audi AG
85045 Ingolstadt
www.audi.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Audi A4 2.0 TFSI ultra ab 37.550 Euro, B&O 3D-System 1.140 Euro Aufpreis
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