Ein SUV-Prototyp mit Tarnkleid im Designer-Look, der sich praktisch lautlos bewegt und damit die perfekte Bühne für ein aufwändiges Sound-System bietet: Hatten wir das nicht erst kürzlich auf LowBeats, als wir exklusiv den ersten Hörtest mit dem Rolls-Royce Cullinan veröffentlichten? Im Prinzip schon, doch diesmal bot sich uns das Erlebnis in einem deutlich bodenständigeren Preisrahmen, dafür umso innovativer und ökologisch zeitgeistkonformer: In Kopenhagen konnte ich eine Runde im lange erwarteten Elektro-SUV Audi e-tron erfahren.
Bevor es mit dem in Tarnfolie gekleideten Off-Road-Stromer auf die Straße ging, gab es eine virtuelle Demo am interaktiven 3D-Wireframe-Modell mit VR-Brillen, die mit Headtracking das Anklicken von Detailinformationen ermöglichten. So konnte ich das Sound-System in der Simulation bereits von allen Seiten begutachten. Audi setzt beim e-tron einmal mehr auf den gemeinsam mit Bang & Olufsen und Fraunhofer entwickelten 3D-Sound.
Dieser durch den Fraunhofer Symphoria Algorithmus in die Höhe gezogener 3D-Sound von Audi debütierte im Audi A4 und stellte sich letztes Jahr im Vorab-Hörtest mit dem zum damaligen Zeitpunkt noch nicht erhältlichen Audi A8 unserem Urteil. Dort präsentierte der Ingolstädter Hersteller auch erstmals sein Bedienkonzept für die Zukunft.
Im neuen Audi e-tron hatte ich allerdings das erste Mal Gelegenheit, das im Wesentlichen auf Touch Screens basierende Konzept auf der Straße zu erleben – wenn auch nur vom Beifahrersitz aus. Doch “autonomes Fahren”, bei dem die Tester den Entwicklern das Steuer aus der Hand nehmen, ist im Verlauf des minutiös choreografierten Preludes zum Erscheinen des Ingolstädter Hoffnungsträgers erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgesehen.
Wie für alle klassischen Autohersteller bedeutet das Unternehmen E-Mobilität auch für Audi eine beachtliche Kraftanstrengung. Deshalb wollen die Macher das Interesse am Audi e-tron bis zum Erscheinen am Jahresende auf hohem Level halten und füttern die Medien häppchenweise mit Impressionen.
Das Event in Kopenhagen drehte sich rund ums Interieur. Und da spielt das Klangerlebnis eine tragende Rolle. Schließlich betrifft das Thema diesmal nicht nur das Entertainment, sondern die gesamte Inszenierung des elektrischen Fahrens. Zwar lese ich immer wieder etwas von “lautloser elektrischer Fortbewegung”, doch als autobegeisterter Audiophiler höre ich dabei in der Regel zumindest bei schnellerer Fahrt respektive stärkerer Beschleunigung eine Mischung aus Abrollgeräuschen und Straßenbahn-Motorensound.
Umso erfreulicher, dass Audi beim e-tron umfangreiche Maßnahmen zur Geräuschdämmung unternommen hat. Die Motor-Achsgetriebeeinheit ist elastisch im Zentrum der Multilenker-Hinterachse gelagert, die ihrerseits über Gummis von der Karosserie entkoppelt wurde. Und auch vorne wurden bei dem zweiten Motor des elektrischen Allradlers entsprechende Maßnahmen ergriffen.
Entsprechend lautlos schwebte der Audi e-tron vom Start weg und blieb auch bei voller Beschleunigung, die mir Rupert Spielvogel, verantwortlich fürs User-Interface, auf Wunsch gerne demonstrierte, ausgesprochen leise. Statt dem “Straßenbahn-auf-Speed”-Sound von Tesla & Co. gab es auch bei vollem Leistungseinsatz nur ein leichtes, durchaus als akustisches Feedback willkommenes Pfeifen. Vom künftig vorgeschriebenen synthetischen Motorgeräusch zur Warnung von Fußgängern – es war beim Prototyp noch nicht aktiv – soll man, so versicherte Spielvogel, im Innenraum möglichst nichts mitbekommen.
Dem Bang & Olufsen Premium 3D-Sound-System bietet sich im Audi e-tron die Bühne für den ganz großen Auftritt. Seine 16 Lautsprecher müssen nicht gegen einen brummigen Motor ankämpfen. Die umfangreiche Geräuschdämmung mit ausgekleideten Radkästen filterten auf unserer Stadtrundfahrt durch Kopenhagen auch noch die Abrollgeräusche auf dem Asphalt wirkungsvoll heraus.
Was blieb, ist ein reiner Sound – fast wie im Wohnzimmer. Durch die erhöht montierten, auf die Windschutzscheibe gerichteten 3D-Lautsprecher in den A-Säulen und die Scheibenreflektionen des senkrecht nach oben abstrahlenden Center-Speakers gewinnt das Staging deutlich an Höhe. Gerade auch Applaus bei Live-Aufnahmen klingt mit dem in drei Stufen dosierbaren 3D-Klang authentischer als üblich. Durch einen virtuellen Slider auf dem 7-Zoll-OLED-Display des Touch-MMIs kann der Nutzer zudem den Surround-Effekt stufenlos dosieren.
Der von Audi gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut in Erlangen entwickelte Symphoria-Algorithmus errechnet die Informationen mit semantischen Fähigkeiten zur Unterscheidung zwischen Direktschall und Raumanteilen aus Stereo- oder 5.1-Aufnahmen für die dritte Dimension und bereitet sie für die 3D-Lautsprecher auf.
Die Tief-Mitteltöner des aufpreispflichtigen 705 Watt starken B&O-Systems sitzen wie bei Audi üblich in eigenen Gehäusen, die in die Vordertüren integriert wurden. Das schafft einerseits beste Voraussetzungen für kontrollierte Bässe und schirmt andererseits die Lautsprecher nach außen ab, was auch beim Telefonieren von Nutzen ist.
Die Bässe kommen aus dem Kofferraum, der tatsächlich nur hinten anzutreffen ist. Vorne unter der Motorhaube gibt es nur eine flache Ablage für Ladekabel. Dank beidseitiger, stylisch umgesetzter Lade-Bays soll sich der Audi e-tron auch beim Rennen um einen freien Platz an der lebenswichtigen Ladesäule einen Vorsprung durch Technik herausfahren. An geeigneter Stelle kann er sogar seinen Vorteil der Schnellladung mit 150 kW ausspielen und seine für mehr als 400 km Reichweite ausgelegten Akkus in einer halben Stunde auf 80 Prozent aufpumpen.
Doch zurück zum Subwoofer. Der wurde sehr schmal und zerklüftet ausgelegt und platzsparend hinten rechts unter dem Laderaumboden integriert. Dort verrichtet ein 20-cm-Tieftöner mit Doppelschwingspule seinen Dienst.
Der Bass profitierte auf unserer Testfahrt erheblich von der weitgehenden Abwesenheit jeglicher Fahrgeräusche und konnte daher sehr differenziert und tiefreichend aufspielen. Allerdings deckte diese an sich ideale Umgebung auch gnadenlos auf, dass nicht alle tiefen Frequenzen immer mit der gleichen Präzision wiedergegeben wurden.
Trotzdem bringt der Elektro-Antrieb des Audi e-tron hier Vorteile gegenüber konventionellen Fahrzeugen wie dem Audi A4, dessen brottrockener Bass sich nur im Stand in voller Pracht genießen lässt. Während der Fahrt wurde vieles davon von Motorbrummen maskiert, was den Bass dann schnell etwas blutleer wirken ließ.
Audi e-tron: B&O 3D-Sound trifft auf Stille
Im Audi e-tron konnte das Premium 3D-Sound-System von Bang und Olufsen bei Stadt- und Landstraßentempo volle 100 Prozent seines Potenzials aufzeigen. Dabei legte das Akustik-Team unter Wolfram Jähn – er zeichnete auch für den neuen Audi A8 verantwortlich – den Fokus auf großzügige Raumdarstellung und höchsten Detailreichtum.
Einzig die Verfärbungsfreiheit im Stimmbereich und die Stabilität der Abbildung konnten mich auf unserer kurzen Runde noch nicht vollständig überzeugen, Doch hierbei gilt es zu bedenken, dass es sich um einen Prototyp handelte und ich nur auf dem Beifahrersitz saß. Häufig sind solche Sound-Systeme nämlich ungeachtet des angewählten Setups immer ein wenig auf den Fahrer optimiert.
Als extrem stabil erwies sich dagegen die Bühne im Royal Danish Playhouse, wo Interior Designer Thomas Pinet ausgesprochen eindrucksvoll mit Multi-Media-Unterstützung sein Innenraumkonzept präsentierte.
Zu sagen, er hätte mit einem weißen Blatt Papier angefangen, wäre trotz des wegrationalisierten Kardantunnels und der entsprechend extrem luftig gestalteten Mittelkonsole etwas übertrieben, denn ein Schlüsselelement sind die beiden MMI touch response Displays und das virtuelle Instrumenten-Cluster, das wir dank Gleichteilestrategie bereits aus dem Audi A8 und Audi A7 Sportback kennen.
Doch der von Pinet erdachte große Bogen, „Wrap-around“ genannt, setzt es mit der kaskadenförmigen Instrumententafel wie auf einer Theaterbühne in Szene. Insofern war es geradezu bewusstseinserweiternd, mit dem neuen Audi e-tron direkt durch den Hintereingang des Royal Danish Playhouse auf die Bühne zu fahren.
In dem Moment, als ich auf den Brettern, die für Schauspieler die Welt bedeuten, Platz auf dem Fahrersitz des Audi e-tron nahm, hatte sich auch meine Skepsis gegenüber den tief angebrachten virtuellen Rückspiegeln erledigt. Sie bilden mit den Instrumenten und den wichtigsten Touch-Funktionen einen Bogen, der das ganze Cockpit umspannt und sorgen für eine klare Blickführung des Piloten auf einer Ebene unterhalb der Windschutzscheibe. Schließlich prescht Audi beim e-tron auch mit windschlüpfrigen, dazu smarten Kameras anstelle der althergebrachten Rückspiegel vor.
Der Innenspiegel bleibt weiter analog – und das finde ich gut so. Ihn hat man während der Fahrt am meisten im Blick und stört sich am ehesten daran, wenn das Bild wie im Cadillac CT6 irgendwie artifiziell erscheint. Überhaupt verkneift sich Audi zum Glück Spielereien. Gegenüber neumodischen, dem Tablet-PC huldigenden Fahrzeugen wie dem Tesla Model 3 mag das neue Audi MMI fast schon konservativ anmuten. Aber es wirft auch nicht evolutionär gewachsene, bewährte Konzepte einfach um des Neuen Willen über Bord.
Form follows Function
Das beginnt schon damit, dass die beiden Touch Screens eine schwarze Hintergrundfarbe haben und damit zu keiner Zeit den Fahrer blenden oder von der Straße ablenken. Zudem hat Audi – ähnlich wie beim Home-Button des iPhone 8 – ein haptisches Feedback für die auch während der Fahrt gut zu treffenden, großen virtuellen Buttons eingeführt und gleichzeitig bestimmte Funktionen weiterhin als konventionelle Tasten und Regler ausgelegt, was mir natürlich allem voran bei der Lautstärkeregelung gefällt. Andere Sachen wie etwa der Knopf für die Warnblinkanlage (hat mir am Stauende schon oft den Hintern gerettet) sind zwar Touch-Buttons, aber immer direkt ohne Suche anwählbar.
Außerdem ist das mit dezenten LED-Streifen illuminierte Cockpit zum Fahrer angewinkelt und ein lederbezogenes Pad – es beinhaltet auch die cool umgesetzte Fahrsteuerung – bietet eine Fixierung für die Hand beim Bedienen der unteren Touch-Funktionen. Damit haben die Ingolstädter das für mich überzeugendste Touch-Konzept, welches man auch während der Fahrt vernünftig bedienen kann. Ansonsten finde ich nämlich im fahrenden Auto blind zu bedienende, von Tasten unterstützte Dreh- und Drücksteller wie im alten Audi MMI oder BMW iDrive klar überlegen.
Bei der zusätzlich zu diversen Lenkrad-Tasten nutzbaren Sprachsteuerung will Audi auch Fortschritte gemacht haben, die aber nicht Teil unserer Testrunde mit diesem Prototypen waren. Was die Ingenieure darüber verrieten, geht stark in die Richtung der neuen Mercedes A-Klasse.
Für tiefergehende Urteile reichte die kurze Stadtrundfahrt zwar nicht, aber sie verfehlte auch nicht ihre Wirkung: Wir werden mit Spannung die Einführung des ersten vollelektrischen Audi weiterverfolgen und harren der nächsten Appetithäppchen, die uns die Ingolstädter von ihrem ab Ende 2018, dem Vernehmen nach zu Preisen ab unter 70.000 Euro erhältlichen E-SUV servieren.
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