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Dipl.-Ing. Uwe Ohl, Chef der Kabel und Trafos beim Energieversorger EWR (Foto: R. Vogt)
Dipl.-Ing. Uwe Ohl, Chef der Kabel und Trafos beim Energieversorger EWR (Foto: R. Vogt)

Hintergrund: Wie gut ist unsere Stromqualität?

Das Thema Stromqualität ist für den ambitionierten HiFi- und Heimkino-Fan relevanter, als die meisten ahnen. Denn viele der Komponenten reagieren auf Spannungsschwankungen oder Störungen durch Oberwellen. Auch bei LowBeats stoßen wir immer wieder an Grenzen, die an der Qualität des Stroms liegen.

Derzeit teste ich mit dem LAB12 Gordian einen Netzfilter, der nicht nur filtert sondern auch sehr genau misst und anzeigt, wie gut der Strom eigentlich ist, der aus der Steckdose kommt. Und das wirft die Frage auf: Welche Stromqualität liefert mir eigentlich mein Versorger? Hat der Vorgaben? Es sollte ja ein sauberer 50 Hertz Sinus sein. Was aber kommt wirklich bei mir zu Hause an?

Über 100 Jahre Geschichte: Siemens-Dampfturbinen und AEG-Generatoren (Foto: R. Vogt)
Über 100 Jahre Geschichte: MAN-Dampfturbinen und Siemens-Generatoren (Foto: R. Vogt)

Eigentlich sollte die Stromqualität bei mir in Worms perfekt, weil frisch sein. Kaum irgendwo in der Republik befinden sich derart viele Kraftwerke in unmittelbarer Nähe: AKW Biblis und das GKM (Großkraftwerk Mannheim, Kohle) kann ich vom Dach aus sehen, ganze Wälder rotierender Windrädern erblicke ich vom Bürofenster aus und das historische Kraftwerk der Stadt Worms (Bild oben) steht sogar in derselben Strasse.

Also habe ich beim örtlichen Versorger, der EWR Netze, mal angefragt, wie gut der Strom hier ist. Erfreulicherweise erhielt ich einen Interviewtermin mit Dipl.-Ing. Uwe Ohl. Der ist als Asset-Manager für die gesamte stromführende Hardware verantwortlich und hatte eine Menge zu sagen. Das ganze Interview gibt es weiter unten in diesem Artikel zum Anhören.

Dipl.-Ing. Uwe Ohl, Chef der Kabel und Trafos beim Energieversorger EWR (Foto: R. Vogt)
Dipl.-Ing. Uwe Ohl, Chef der Kabel und Trafos beim Energieversorger EWR Netze (Foto: R. Vogt)

Herr Ohl wirkt sympathisch und hat durchaus Verständnis für meine Fragen und die Sorgen von uns HiFi-Fans. Gleich zu Beginn schob er mir eine Zusammenfassung der DIN EN50160 über den Tisch mit den Worten: „Das ist unsere Bibel!“

„Netzqualitätskriterien“ steht da im Titel des Normenblatts. Beruhigend. Vor allem weil mir Herr Ohl erklärt, dass sich wirklich jedweder Einspeiser peinlichst daran zu halten hat, egal ob Großkraftwerk mit Megawatt-Leistungen oder der Wechselrichter der Solaranlage meines Nachbarn.

Leider kosten die Normenblätter richtig Geld und ich darf sie hier nicht einfach abbilden. Aber hier einige Eckpunkte:

  • Netzfrequenz ist 50 Hertz ±1%
  • Netzspannung beträgt 230 Volt ±10%
  • kurzfristige Spannungsänderung (10ms) 5%
  • Oberschwingungen (Verzerrungen) bis 8% THD

Die Norm listet natürlich viele weitere Details zur Stromqualität auf, aber diese hier sind direkt klangbeeinflussend. So ist auch die spektrale Verteilung der Oberwellen festgelegt. Das wirkt alles seriös und durchdacht.

Stromqualität: LAB12 Gordian (unten) vor den Stromabnehmern des antiken AEG-Generators (Foto: R. Vogt)
LAB12 Gordian (unten) vor den Stromabnehmern des antiken Generators (Foto: R. Vogt)

Auf gezielte Nachfrage zu neuen Herausforderungen erklärt Herr Ohl, was ich schon in der Lokalpresse las: Dass sie gerade in den Weinbergen vor Worms Europas größten Mittelspannungs-Regulator installierten, um eben insbesondere der stets schwankenden Windenergie Herr zu werden. Und stolz ergänzt er, dass die hier in Rheinhessen installierte Leistung der erneuerbaren Einspeisungsanlagen aktuell schon doppelt so groß ist wie aktuell für den Netzbetrieb benötigt.

Hier das komplette Interview zum Abhören.

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Blick in die Turbinenhalle im 360°-Panorama (Maus oder Finger verwenden)

Interessant ist die Aussage, dass die meisten „Schweinereien“, die aus der Steckdose kommen, erst im Haus entstehen. Was alleine eine einzige Energiesparlampe an Störkomponenten ins eigene Hausnetz spuckt, ist schon erschreckend. EWR Netze hat mir versichert, dass 99% aller Störkomponenten erst nach der Hauptsicherung entstehen – und genau dort hört ja der Einfluss des Versorgers auf.

Dass sich die Versorger um die Stromqualität kümmern, kann ich aus Erfahrung berichten. Als ich 2005 in Worms einzog, lag die Netzspannung im Haus selten über 215 Volt, manchmal sogar darunter. Das ist zwar noch in der Toleranz der EN50160, aber einige meiner Geräte streikten hin und wieder bei dieser Unterversorgung, insbesondere wenn diese kurzfristig noch stärker wurde. Ich meldete den Fall und das Problem wurde ratz-fatz behoben. Seit der Behebung gibt es im Haus wieder Spannungen zwischen 225 und 232 Volt. Passt.

Zuständig für Stromqualität: Dipl.-Ing. Uwe Ohl, Chef der Kabel und Trafos beim EWR
Dipl.-Ing. Uwe Ohl gewährte mir einen Blick in die Leitzentrale der EWR Netze (Foto: R. Vogt)

Nach dem Interview durfte ich noch einen Blick in die Leitzentrale der Stromversorgung der EWR Netze werfen. Beim gemeinsamen Betreten des kompakten, abgeschirmten Raums wurden noch hektisch einige sicherheits-relevante Bildschirme umgeschaltet.

Schließlich wurde der „neutrale“ Netzplan auf den Riesenbildschirm geschaltet, den ich mit ins Bild nehmen durfte. Jetzt weiß ich auch, warum ein Teil des Geländes direkt an einem Supermarkt-Parkplatz derart mit Zäunen, Stacheldraht und Kameras gesichert ist. Die lenken da meinen Strom.

Zusammengefasst: Die Neuausrichtung der Energieversorgung stellt zwar technisch eine Herausforderung und Investition dar. Aber alle, die ins Netz einspeisen – vom Atomkraftwerk bis zur kleinen Solaranlage – sind an die Norm EN50160 gebunden, die bis an den Hausanschluss einzuhalten ist.

Herr Ohl versicherte mir, aktuell können alle Versorger die Toleranzen problemlos einhalten. Er sagte aber auch, wer wirklich „saubereren“ und sichereren Strom benötigt oder wünscht – also neben HiFi-Fans auch Krankenhäuser mit ihrer Medizintechnik oder Datenzentren – muss lokal selbst dafür sorgen.

Machen wir. Für eine noch höhere Stromqualität teste ich aktuell – wie schon angedeutet – den effizienten Netzfilter Gordian von LAB12 (zum fertigen Test hier klicken) und hatte vorab schon einige Lösungen von Isotek ausprobiert. Auch die funktionieren gut. Und wen es interessiert: LowBeats hat auch einen höchst nützlichen Ratgeber zum Thema Brumm online…

Zu guter Letzt durfte ich mit EWR Netze Pressesprecher Dr. Herbst noch in der historischen Turbinenhalle ein paar Bilder machen. Die handfeste Technik von damals hat wirklich ihren ganz eigenen Charme: die Gründerzeit-Industriearchitektur ist hinreißend. Hier noch eine weitere Perspektive von der 360-Grad-Kamera:

Lesetipps:

Test: Netzfilter mit Analysefunktion LAB12 Gordian
Test: Netzfilter IsoTek EVO3 Aquarius und IsoTek EVO3 Syncro
Es brummt im Lautsprecher! Was tun?

Autor: Raphael Vogt

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Technischer Direktor bei LowBeats und einer der bekanntesten Heimkino-Experten der Republik. Sein besonderes Steckenpferd ist die perfekte Kalibrierung von Beamern.