Als der Marantz Model 2238B auf den Markt kam, erlebte Deutschland gerade den heißen Herbst. Das war 1978. Ich war ich 16 Jahre alt, bekennender HiFi-Fan und fuhr allwöchentlich in die Landeshauptstadt Hannover, um mir dort an Schaufenstern der HiFi-Läden die Nase platt zu drücken.
Ernsthafte Vergleiche konnte ich nicht machen (oder man ließ mich nicht) und so musste ich mich durch Testberichte der HiFi-Stereophonie (Audio und Stereoplay gab es ja noch nicht), vor allem aber durch das Aussehen inspirieren lassen. Und da lagen die 2-Kanal-Receiver von Marantz ganz weit vorn.
Das Blau der Leuchten, die Anordnung der Schieberegler und die Ummantelung in Nussbaumholz (das “Woodcase” war optional nachrüstbar) waren für mich das Maß der Dinge. Passend zum Schüler-Budget hatte ich mir gerade ein Model 2216 zugelegt, das aber – wie dessen Bezeichnung schon aussagt – mit 2 x 16 Watt nicht eben üppige Leistungen aufbieten konnte und meine Selbstbau-Lautsprecher mit 30 Zentimeter Tieftöner nur ganz mühsam (eigentlich gar nicht) im Griff hatte.
Lustig damals: Wenn ich laut hörte, flackerte das Licht der Anzeigeninstrumente … Ich ahnte, dass der 2216 leistungsmäßig einfach nicht ausreicht und so rückte der Marantz Model 2238 ins Zentrum meiner Begehrlichkeiten.
Der Marantz Model 2238 war mit 2 x 38 Watt immer noch kein Leistungsriese, aber sein Netzteil war doch um einiges stabiler. Produziert wurde er von 1976 bis 1977; ein Jahr später folgte die Nachfolger-Variante Modell 2238B.
In den HiFi-Foren wogt die Diskussion zwischen Befürwortern der B-Fraktion und Verfechtern der “ohne-B-Version” hin und her, welche Variante denn nun besser sei. Bei deutschen Vintage-Freunden ist der Ur-2238 beliebter, die Amerikaner favorisieren den späteren 2238B. Und beide Fraktionen argumentieren mit angeblich besserer Bauteilequalität …
Als Jugendlicher, der sich in erster Linie von der Optik hat leiten lassen, war mir der ursprüngliche 2238 auch lieber: Das Blau der Anzeigeninstrumente kam besser heraus, weil die FM-Skala schwarz war. Aber der 2238 wie auch der 2238B zählen beide noch zur legendären “blauen Serie”.
Doch bei allen Versuchen, Unterschiede zwischen den zwei Varianten ausfindig zu machen, war die Ausstattung bei den beiden doch gleich: Drei für jeden Kanal getrennt einstellbare Klangregler (Bass +/- 14 dB, Mitten +/- 6 dB und Höhen +/- 12 dB), 1 x Phono, 1 x Aux, 2 x Tape Monitor sowie die auftrennbare Vor-/und Endstufe für das Einschleifen von Klangprozessoren oder den Gebrauch stärkerer Endstufen.
Heute sind die Model 2238 rar geworden. Jedenfalls gut erhaltene Exemplare. Umso mehr hat mich gefreut, dass Pierre Wittig, Chef der HiFi-ZEILE in Worpswede, jetzt wieder eine kleine Serie 2238 restauriert und verkauft. Zum Hintergrund: Die HiFi-ZEILE hat sich schon seit vielen Jahren auf liebevolle Restaurierungen spezialisiert.
Früher vor allem Revox- und Harman-Geräte, heute restauriert Wittig alles aus dem HiFi-/ High-End-Bereich, was erhaltenswert ist – wie halt der Marantz. Auf Ebay oder anderen Verkaufsplattformen findet man die 2-Kanal-Marantz-Receiver der Blauen Serie meist noch für dreistellige Summen.
Sollte man sogar noch einen im Keller haben, gibt Wittig folgende Empfehlungen – die allerdings für alle Vintage-HiFi-Schätzchen gelten:
1.) Raus aus dem Keller. Jede Form der Feuchtigkeit ist Gift für Bauteile und Gehäuse. Das gleiche gilt für den Dachboden. Hier schwankt zudem auch noch die Temperatur relativ stark.
2.) Hat man ein solches Schätzchen, ist der beste Aufenthaltsort in einer Decke im Kleiderschrank. Da ist es mollig und trocken, es herrschen also beste Bedingungen.
3.) Der Einsatz von Kontaktsprays ist zu vermeiden – jedenfalls, wenn man das Gerät noch länger nutzen und/oder restaurieren lassen möchte. Gleiches gilt für das beliebte Balistol, jenes Wunderöl, das die Potentiometer wieder leichtgängig macht.
Wittig sagt, die Bauteile verkleben zum Teil so stark, dass man sie nicht mehr reinigen kann. Dann muss man neue kaufen und Originalbauteile sind schwer zu bekommen. Deshalb muss man beim Gebrauchtkauf genau hinsehen, was dem Laien kaum möglich ist.
Im Falle des Marantz Model 2238B kann man sich den Ankauf bei Ebay sparen: Da geht man besser gleich zur HiFi-ZEILE. Denn den ersten der restaurierten 2238B schickte Wittig in die LowBeats Redaktion. Und ganz ganz ehrlich: Viel besser kann er neu nicht ausgesehen haben.
Der liebevoll restaurierte 2238B von der HiFi-Zeile ist absolut alltagstauglich. Nach Anschluss einer Antenne funktioniert der Tuner einwandfrei, der Radio-Empfang ist stabil und die Stimme des Bayern3-Sprechers klingt wunderbar sonor. Schon nicht schlecht.
Ein bisschen hakelig ist der Anschluss der Lautsprecher, weil die Klemmen des Marantz zu klein sind, um die gebräuchlichen Hohl-Bananas aufzunehmen. Aber wer mit Vintage-HiFi leben will, wird diese kleine Hürde meistern und an die Kabelenden einfach einen flachen Adapter löten – oder die blanke Litze reinstecken.
Der Marantz Model 2238B im Hör-Alltag
An den Klang des Marantz Model 2238B musste ich mich kurz gewöhnen. Die Klang-Ästhetik der 1970er war ja zweifelsfrei eine andere. Verbunden mit der B&W 805 D3 klang er im Bass ziemlich füllig und hatte sehr viel Energie in den Mitten. Das ist natürlich den LP-Aufnahmen jener Zeit geschuldet, die im Bass und den Mitten eher zurückhaltend waren.
Glücklicherweise verfügt der 2238B über einige Klangkorrektur-Möglichkeiten. Also habe ich den Low-Filter aktiviert und den Mittenregler (Vorsicht: beide Kanäle liegen auf einem Knopf, man muss aufpassen, dass sie beide die richtige Einstellung haben) auf 9 Uhr gedreht. Und schon wurde es erstaunlich gut.
Das sympathisch-Röhrige, das viele Fans diesen Receivern nachsagen, ist tatsächlich erkennbar. Was die Auflösung feinster Hochtondetails angeht – nun, da ist der 2238B mit modernem HiFi nicht zu vergleichen.
Bei ihm schienen die Instrumente bei Monty Alexanders Hörtest-Klassiker “Hurricane Come And Gone” an den Rändern leicht ausgefranst. Und für eine gehobene Abhör-Lautstärke musste ich den Regler immer auf 15 Uhr-Niveau bringen – so richtig rocken konnte ich den LowBeats HiFi Hörraum mit dem Marantz Model 2238B nicht, obwohl er mit David Knopflers “Sultans Of Swing” (ebenfalls aus dem Jahre 1978) richtig viel Spaß machte.
Und er hat noch andere Qualitäten: Zum einen blieb er trotz der hohen Dauerbelastung immer vergleichsweise cool. Zum anderen klingt er ausgesprochen sympathisch-sonor und vollbringt eine erstaunlich räumliche Abbildung nach hinten. Und außerdem – und das ist ja letztendlich das Faszinierende an ihm – verströmt er nun einmal den Sex dieser Ära, den HiFi von heute einfach nicht mehr hat.
Das Schönste zum Schluss: der 2238B im Dunkeln
Die HiFi-Zeile in Worpswede hat mit Bedacht dieses Modell in einer Kleinserie restauriert. Der Marantz Model 2238B ist ein absolut alltagstauglicher Receiver, der dank seiner Anschlüsse zudem Möglichkeiten zur Erweiterung (zusätzliche Endstufe?) hat.
Der perfekt restaurierte Marantz kostet in der HiFi-ZEILE zwischen 1.500 und 2.000 Euro. Das ist nicht billig, aber das Besondere und das besonders Feine war ja noch nie günstig.
Der Klang des Oldtimers ist so, wie man damals eben hörte: eher sympathisch vollmundig denn hochauflösend-fein. Aber man kauft ja einem Marantz von 1978 nicht ausschließlich wegen des Sounds, sondern auch, weil diese Receiver so einzigartig gut aussehen.
Vor allem, wenn es dunkel ist. Bei Tag ist das blaue Licht der Anzeige-Instrumente kaum zu erkennen, bei Dämmerung schon sehr viel deutlicher, bei Nacht ist es eine Show, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Die folgenden drei Bilder zeigen, wie die blaue Stunde beim 2238B aussieht.
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