de
CubanOrquesta
The Cuban Orquesta (Bild) ist Teil unseres musikalischen Rückblicks auf den Dezember 2023. Ebenfalls dabei: Helge Schneider und Violent Femmes

Monatsrückblick: die musikalischen Highlights des Dezember 2023

Die LowBeats Rubrik „Album der Woche“ ist schön und tiefschürfend, aber leider nicht ausreichend. Jeden Monat erreichen uns sehr viel mehr spannende Neu-Veröffentlichungen, die es verdient hätten, vorgestellt zu werden. Das machen wir in einer Art Monatsrückblick: Unter der Rubrik „die musikalischen Highlights des Monats“ geben wir eine Übersicht, was aus dem Vormonat musikalisch unbedingt zu beachten ist: Musik, die – über alle Stilrichtungen und Genres hinweg – fabelhaft, virtuos, meisterhaft ist oder einfach unschlagbar charmant klingt.

Dabei blicken wir dort, wo es interessant ist, über den Tellerrand des Albums hinaus und geben Einblicke und Tipps zu KünstlerInnen und Bands. Allen gemein gilt: Ein hoher Anspruch an Musik- und Tonqualität. Und: Die künstlerisch wertvolle Auswahl bewerten wir natürlich ebenso mit dem VU-Meter von LowBeats.de.

Die musikalischen Highlights des Dezember 2023 waren:

– The Cuban Orquesta sprühen nur so vor hüftschwingenden Rhythmen und Sinnlichkeit – das neue Album „Renacimiento“ des kubanischen Salonorchesters macht da keine Ausnahme.

– Jazz- und Texttalent Helge Schneider dreht auf der Bühne gerne voll auf – herrlich hin- und mitreißend zu hören auf „Live in Graz“.

– Journeys aus der Schweiz checken mit „Gate 65“ in ein swingend federndes Jazz-Fusion-Programm ein.

– Die Folk-Punker Violent Femmes feiern 40. Geburtstag ihres famosen Debüts – ein überwältigendes, um viele Goodies erweitertes und remastertes Happening auf zwei CDs oder drei LPs plus Single.

Wir starten mit The Cuban Orquesta:
Habanera, Contradanza, Danzon, Mambo, ChaChaCha: Bereits in der Prä-Castro-Ära spielten und tanzten die Kubaner leidenschaftlich, keine Frage. Das Cuban Orquesta mit Wahlheimat Europa feiert mit über einem Dutzend kubanischer MusikerInnen die alten vor-revolutionären Rhythmen und wunderbaren Melodien, die in Mythen von afrikanischen Gottheiten, vor allem aber in Liebe, Herzschmerz und Sinnlichkeit wurzeln.

„Renacimiento“ wird so zur herrlich erquicklichen musikalischen Zeitreise von den Anfängen des 19. Jahrhunderts bis zur kubanischen Revolution 1959. Und so gibt es kein Halten mehr: Die wärmenden Rhythmen lassen das Blut gefühlt heißer durch die Adern fließen, das Tanzbein zuckt, die Mimik schaltet auf gelassen, entspannt und heiter. So lebendig kann das Album zum energetischen Soundtrack von 2024 und darüber hinaus werden. Das Klangbild geriet klar und farbecht, die Stereo- und Raumbasis könnte jedoch breiter und tiefer ausfallen.

cubanOrquesta
The Cuban Orquesta „Renacimiento“ erscheint bei 59 Music / Galileo als CD oder LP sowie als Stream oder Download z.B. bei Amazon Music. (Cover: Amazon)

 

Bewertung

 

Helge Schneider
„Graz … eine der schönsten Städte …“ nuschelt der graubärtige, langmähnige 3D-Entertainer dem Publikum schelmisch und äußerst sympathisch geheuchelt entgegen… Der Auftakt zu seiner Graz-Show, eingefangen auf seinem neuesten Live-Album.

Tausendsassa wäre zu bieder und platt formuliert für Helge Schneider. Nein, der umtriebige kauzige Künstler aus Mülheim an der Ruhr haut Stücke raus, die sich gewaschen haben und mit denen er als Entertainer, Songschreiber, Musiker und Vokalist glänzt – und mit rasantem Witz die Gemüter aufhellt und mitreißt. Vor allem natürlich live: 3000 Shows – „mindestens“ –pflastern seinen Bühnenweg.

Seine Biografie zeugt schon früh von allerlei künstlerischem Drang und sympathischer Extravaganz: „9. Klasse Wiederholung – 1969 von der Schule, um Beruf zu erlernen: Raumausstatter – dann Bauzeichner – dann 1972 Konservatorium für Musik Duisburg – 2 Semester, dann Garten- und Landschaftsbaulehre. Hinzu kam Musik mit seiner Band – Helge Schneider Trio – erste Schallplattenaufnahme 1975 …“ Und so heiter weiter: „1979 Tenorsaxophon gebraucht gekauft, Multiinstrumentalist geworden (Gitarre, Schlagzeug, Kontrabass, Cello, Orgel, Trompete, Saxophon, Panflöte, Akkordeon, Gesang usw.), Kinder bekommen (bzw. seine Frau!), Bücher geschrieben, Theaterproduktionen, Stummfilmbegleitung …“.

Und jüngst eben „Live in Graz“. Ein illustres, Emotionen kitzelndes Gesamtkunstwerksvergnügen mit fetzigem Westerntrompeteneinsatz in „Horses“, das einen allein schon vom Hocker haut, respektive aus dem musikalischen Einheits-Musik-Sattel.

Helge
Helge Schneider „Live in Graz“ erscheint bei Railroad Tracks als CD oder LP sowie als Stream oder Download, z.B. auf qobuz.com (Cover: Qobuz)

 

Unbändiger Spaß, Swing, dazu Gitarrenarbeit mit Soli von Kumpel Sandro Giampietro, die Spielfreude von Schlagzeuger Willy Ketzer oder Bassmann Reinhard Glöder. „Texas“ wird so beispielsweise zur Spielhölle des Jazz, famos, fanatisch, fantastisch. Klar, man muss den 68-jährigen Nimmermüden und seine Art mögen. Aber wer tut das nicht?

Übrigens zieht Helge im Februar schon wieder los. Im Rahmen seiner „Katzeklo auf Räder Tournee 2024“ gastiert er mit seinen „Travelling Stars“ zunächst in Recklinghausen (2.2.), Lingen (3.2.), Dortmund (5. und 6.2.) sowie am 9.2. in Köln.

Bewertung

 

Journeys
Sechs Musiker, sechs musikalische Profis mit Lehraufträgen an Schweizer Musikhochschulen und Konservatorien: Seit rund 20 Jahren touren sie mit ihrem Projekt Journeys durch die Welt – im Frühjahr wieder mit Zielen in Australien, USA, Karibik und Deutschland. Und jüngst haben sie ein neues Studioalbum auf die Rampe geschoben.

Obwohl Profis, dürften nicht allzu viele das Sextett auf dem Schirm haben. Was machen die? Neben ihren globalen Live-Sessions nahmen Journeys drei Studio-Alben auf, getränkt mit einem fein durchstrukturierten Mix aus Jazz- und Blues-Fusion nebst latenter Latin-Liebe. Ihr Neuling „Gate 65“ spielte das Sextett live ohne Overdubs ein, produziert in Eigenregie. Der Titel ist gewitzt gewählt: „65“ ist in der Schweiz das Pensionierungsalter – das fünf erreicht haben. Klanglich entstand so ein druckvolles, raumgreifendes, fein aufgelöstes Happening.

Die reifen Jungs blicken auf eine illustre Vergangenheit zurück. Angelo Signore (Tasteninstrumente) arbeitete unter anderem mit Phil Collins, John Lord oder Wayne Johnson von Manhattan Transfer zusammen. Gitarrist Ueli Gasser machte gemeinsame Sache mit Ian Paice oder Helmut Zerlett sowie Bill Ramsey. Philippe Mall (Saxofon) formte die eidgenössische Jazzszene mit, Dave Doran, JoJo Mayer oder Don Li stehen auf seiner Referenzliste. Bassist Luciano Maranta trat mit Joe Cocker, Kylie Minogue oder Sarah Connor auf. Percussion-Mann Willy Kotoun mit Nina Corti oder den Stephan Kurmann Strings. Und Robert Mark bediente sein Schlagzeug unter anderem mit dem New Yorker Drummers Collective.

Journeys
Journeys  „Gate 65“ erscheint im Eigenverlag-/ vertrieb www.journeys.ch sowie als Stream oder Download, z.B. auf qobuz.de (Cover: Qobuz)

Die souveränen Sechs spielen sich so gekonnt verständnisintensiv Rhythmusbälle zu, verweben intuitiv instrumentale Strukturen und lassen auch packende Grooves, funky Stuff und gediegene Melodien durch den Raum schweben.

Bewertung

 

Violent Femmes
Aus der Provinz in die Charts: Anfang der 1980er startete das US-Folk-Punk-Trio aus Milwaukee in Wisconsin mit Songschreiber, Gitarrist und Sänger Gordon Gano, Drummer Victor DeLorenzo und Bassist Brian Ritchie mitreißend durch. Ihr revolutionäres Rezept: Ein musikalischer Energiemix aus Folk, Punk, Jazz, Country und New Wave. Die remasterte Jubiläumsausgabe zum 40. Geburtstag glänzt mit vielen Live-Tracks sowie Demos, teils bereits aus dem Jahr 1981.

Unter Kennern gilt das Album als Kult, gefüttert mit Hits wie „Blister In The Sun“, „Please Do Not Go“, „Gone Daddy Gone“ oder „Add It Up“. „Good Feeling“ erinnert sogar an die zarten Momente von Velvet Underground. Alles in allem Songs wie aufwühlende Spiegelbilder von Ängsten und dem Gedankengut junger Erwachsener. Vielleicht zu vergleichen mit „Der Fänger im Roggen“ von J. D. Salinger im Literaturgenre.

Violent Femmes
Violent Femmes und ihr gleichnamiges Debüt erscheint in der Deluxe-Jubiläumsausgabe remastert und erweitert bei Concord Music als Doppel-CD oder 3-LP/-Single-Box-Set sowie als Stream oder Download, z.B. auf qobuz.de (Cover: Qobuz)

Das Drei-LP-Set, erhältlich ab Februar vereint für Fans und Sammler obendrein eine Single mit den Songs „Ugly“ und „Gimme The Car“, die auf dem Original-Album nicht enthalten waren.

Wer diese kreativ strotzende, rotzlöffelige Band der frühen 80er noch nicht kennt: Hier ist die Gelegenheit dies nachzuholen. Übrigens zählen auch Nachfolger wie „Hallowed Ground“ (1984) oder „Why Do Birds Sing?“ von 1991 zu den Album-Highlights der Band.

Hier noch einmal „Blister In The Sun“ auf YouTube als Appetitmacher:

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

 

Violent Femmes „Violent Femmes“
2024/01
Test-Ergebnis: 4,6
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Weitere LowBeats Monats-Rückblicke:

Monatsrückblick: die musikalischen Highlights des November 2023
Monatsrückblick: die musikalischen Highlights des Oktober 2023
Monatsrückblick: Die musikalischen Highlights des September 2023
Monatsrückblick: die musikalischen Highlights des August 2023
Monatsrückblick: Die musikalischen Highlights des Juli 2023

Autor: Claus Dick

Avatar-Foto
Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.