Die LowBeats Rubrik „Album der Woche“ ist schön und tiefschürfend, aber leider nicht ausreichend. Jeden Monat erreichen uns sehr viel mehr spannende Neu-Veröffentlichungen, die es verdient hätten, vorgestellt zu werden. Das machen wir in einer Art Monatsrückblick: Unter der Rubrik „die musikalischen Highlights des Monats“ geben wir eine Übersicht, was aus dem Vormonat musikalisch unbedingt zu beachten ist: Musik, die – über alle Stilrichtungen und Genres hinweg – fabelhaft, virtuos, meisterhaft ist oder einfach unschlagbar charmant klingt. Der Rückblick auf die musikalischen Highlights des Oktober 2023 aber kreist fast ausschließlich um Retro-, respektive Reissue-Themen. Kein Wunder: Wenn bei Aldi und Rewe die ersten Lebkuchen oder Nikoläuse auftauchen, ist auch die Zeit, in der die Plattenfirmen aus ihren Archiven alle Jahre wieder mehr oder minder spannende Box-Sets und Wiederveröffentlichungen herauskramen…
Als da wären:
♦ Prince And The New Power Generation mit ihrem Hammer-Album “Diamonds And Pearls“ als remasterte Jubiläumsausgabe in verschiedenen Editionen – inklusive Blu-ray-Audio und Dolby-Atmos-Klang.
♦ Katie Melua mit ihrem 2003er Debütalbum „Call off The Search“ als erweiterte, remasterte Neuauflage „20th Anniversary Edition“ mit B-Seiten, Live-Tracks und Demos.
♦ Duran Duran liefern mit „Danse Macabre“ ein mystisch angehauchtes Post-New-Wave-Cover-Album zu Halloween ab – unter anderem mit Material von den Rolling Stones oder den Talking Heads.
♦ Die Simple Minds inszenieren ihr Top-Album „New Gold Dream Live From Paisley Abbey“ aus dem Jahr 1982 nochmal neu – in einem uralten schottischen Kirchenschiff, live klanglich fein eingespielt.
Die musikalischen Highlights des Oktober 2023
Wir starten mit Prince “Diamonds And Pearls“:
Ein Genie, das viel zu früh starb, aber Wunderbares hinterließ: Prince Rogers Nelson verließ den Planeten 2016 im Alter von 57 Jahren, nachdem er ab 1984 (mit dem Soundtrack zu „Purple Rain“) zu Recht als einer der ganz Großen im Musikbusiness gefeiert wurde, postum auch von Bono, Bruce Springsteen, Elton John, Madonna oder Mick Jagger von den Rolling Stones. Irdische Ehrungen wurden ihm unter anderem neben gut 100 Millionen verkaufter Alben auch in Form von sieben Grammy Awards, einem Oscar, einem Golden Globe Award und durch die Aufnahme in die Rock and Roll Hall of Fame zuteil.
Prince war sozusagen eine künstlerische 3D-Lichtgestalt. Er komponierte, arrangierte, produzierte und textete vorwiegend im Spannungsfeld zwischen R&B, Funk, Soul, Pop, Rock und HipHop. Dazu sang er famos mit eindringlich-eigenständiger Stimme und bediente als Multiinstrumentalist Gitarre, Bass, Piano und Drums.
Mit aufsteigender Karriere versuchte er dabei immer wieder seine Urheberrechte als Musiker gegenüber den Plattenfirmen stärker einzufordern, vor allem mit Warner. Das mündete in seinem Pseudonym „TAFKAP“ („The Artist Formerly Known As Prince“), das er bis 2000 verwendete.
Doch nun zu einem seiner vielen Meisterwerke und Meilensteine, die auch andere Musikgenerationen beeinflussten. Das erste Album mit seiner New Power Generation vereinte 1991 einige Hochkaräter wie das zweideutig-eindeutige „Cream“. „Jughead“ kommt ähnlich wie „Push“ als zackiger Funk-HipHop daher, der Titelsong wiederum geht als soulig-cremiger, melodieverliebter Evergreen durch.
Die Basis für die diversen remasterten Editionen zum aktuellen Reissue stimmen also absolut. In der opulentesten Version locken 75 Tracks, darunter 15 Remixe und B-Seiten (wie der rare Zehnminüter von „Gett Off“) sowie 33 bislang nicht veröffentlichte Stücke. Hinzu kommt ein 120-seitiges Buch plus einer Blu-ray mit Live-Takes und die rare „Diamonds And Pearls Video Collection“ (Super Deluxe Edition mit 7 CDs bzw. 12 LPs + Blu-ray und Buch).
Audio-File vom Prince-Portal mit dem Song „Alice Through The Looking Glass“ (ein Bonustracks der Jubiläumsausgabe)
Bewertung
Katie Melua „Call off The Search“ als remasterte „20th Anniversary Edition“
Was für eine Geschichte: Gleich mit ihren beiden ersten Alben feierte Katie Melua vor allem in Großbritannien Megaerfolge. „Call Off The Search“ und der Nachfolger „Piece By Piece“ mit dem Hit „Nine Million Bicycles“ machten sie seinerzeit zur erfolgreichsten weiblichen Sängerin auf der Insel. Das erinnert an die Anfänge der ebenso sehr jungen Kate Bush in den 1970er Jahren.
Nach London kam Katie als Kind, nachdem die Familie zuvor aus dem Bürgerkriegsland Georgien nach Nordirland ausgewandert war. Mehr im LowBeats-Interview mit der Pop-Singer-Songwriterin:
In ihren jungen Musikerin-Jahren fand sie in Mike Batt – ein musikalisch-geistiger Bruder von Alan Parsons – einen Mentor. Sein Konzeptalbum „Tarot Suite“ gilt als eines seiner Highlights. „Er war ein ungemein visionärer Mensch, sprühte vor Ideen und ich liebte die Songs, die er schrieb, … Mike war so professionell, besorgte die Tonstudios, brachte großartige Musiker mit … Für mich war das eine extrem aufregende Zeit.“
Und das hört man, auch heute noch, nach rund 20 Jahren. Wunderbar zart besaitet, sanftmütig und wärmend-ästhetisch, für manche vielleicht einen verzeihlichen Tick naiv, hebt sie ihre Stimme an, wie im wunderbaren „The Closest Thing To Crazy“. Einer von einigen Songs auf dem Album, der dem großen Thema Liebe gewidmet war.
Die Jubiläumsausgabe würzt das Original mit einer Zugabe, die 17 Stücke vereint: Bonustracks, Demo-Versionen, Live-Einspielungen und sogar zwei Songversionen auf Spanisch. Ebenso dabei: Liner Notes des britischen Radiomoderators Pete Pahides sowie ein Interview mit Katie.
Ein feines „Deluxe“-Päckchen zum Schwelgen. Auch der Preis ist fair angesiedelt, angesichts von Jubiläumsausgaben bei deren Preisgestaltung man sich teilweise nur an den Kopf fassen mag.
Bewertung
Duran Duran mit „Danse Macabre“
Buhuuuuuuu: Die ehemaligen New-Romantic-Waver und heutigen Post-Pop-Waver aus Birmingham lassen es jahreszeitlich gruseln – ihr „Danse Macabre“ lässt schauderhaft schöne Songs in ihrer ganz eigenen wavigen Cover-Art anlässlich Halloween auferstehen. Nette Idee. Die Briten haben bereits 1978 mit ihrem Bandnamen ein Faible für Schräges gezeigt: „Duran Duran“ soll nach dem gleichnamigen Bösewicht aus dem Sci-Fi-Thriller „Barbarella“ benannt sein.
Mit auf dem Parkett beim „makabren Tanz“ locken renommierte Stücke, keine Angst: So dunkel und schon gar nicht fürchterlich klingt’s nicht. Im Gegenteil. „Paint It Black“ von den Rolling Stones verkleidet sich krachend als Gothic-Nummer, „Psycho Killer“ von David Byrne und seinen Talking Heads massieren die Seele mit satten Basssalven. Und die Indie-Rock-HeroInnen von Siouxxsie & The Banshees geistern mächtig im 80er Outfit herum mit der frisierten Version ihres „Spellbound“. Zudem unterzog die Band auch eigene Stücke wie „Secret Oktober 31st“ (tatsächlich mit „k“ geschrieben) ihrem Halloween-Remix.
Hier eine kleine Kostprobe: das „Psycho Killer“ (im Original von Talking Heads) im Video:
Mit dabei waren neben Gründungsmitglied Andy Taylor noch Produzent Nile Rodgers und Multiinstrumentalist Warren Cuccurullo. Übrigens: Wem es bei dem düster-dunklen Coverfoto tatsächlich anfängt, leicht zu gruseln, kein Wunder: Es soll aus einer alten Sammlung von Spiritismus-Sitzungen stammen, die Keyboarder Nick Rhodes kuratiert…
Bewertung
Simple Minds mit „New Gold Dream Live From Paisley Abbey“
Schotten-Rock vom Feinsten: Neun Songs, die Jim Kerr & Co. auf Album Nummer fünf aus dem Jahr 1982 auf ihrem „New Gold Dream (81-82-83-84)“ verewigten, lässt die Band nun nach über 40 Jahren neu aufleben. Bereits 1979, mit ihrem zweiten Album „Real To Teal Cacophony“, lieferten die Schotten ein fulminantes Werk ab. Nach „New Gold Dream (81-82-83-84)“ erreichte lediglich „One Upon A Time“ das Top-Level ihrer Hoch-Zeit.
Den neuen Rahmen für das alte Album sollte eine noch viel, viel ältere Spielstätte bilden: Eine Klosteranlage aus dem zwölften Jahrhundert, westlich von Glasgow gelegen, die ehrwürdige „Paisley Abbey“. Publikum wollten Kerr & Band nicht dabeihaben (siehe Videolink unten). Was der durchaus prächtigen Live-Inszenierung in prima aufgelöstem, raumgreifendem Klangbild keinen Abbruch tut. Die Simple Minds befinden sich damit in illustrer Runde von akustisch außergewöhnlich spannenden Live-Venues: Wie die kanadischen Cowboy Junkies mit ihren „Trinity Sessions“ oder auch hierzulande Andrea Kleinmann mit ihren zauberhaften Harfenaufnahmen im schwäbischen Kloster Lorch.
Songs wie „Promised You A Miracle“ (siehe Videoclip), „Glittering Prize“ oder „Someone, Somewhere (In Summertime)“ sonnen sich im ehrwürdigen Ambiente schwelgerisch-hymnischer Gefilde, die Kerr als Leader und Sänger recht souverän neu inszeniert.
Hier der Video-Clip zum Song „Promised You A Miracle“:
Wer die Simple Minds einfach nur live hören möchte, kann auch auf die Doppel-, respektive Vierfach-CD von 2019 „Live In The City Of Angels“ zurückgreifen: Eine illustre Einspielung mit 25 beziehungsweise 40 Live-Takes.
Bewertung
Bewertungen
MusikKlangRepertoirewertGesamt |
Weitere musikalische Monats-Rückblicke:
Monatsrückblick: Die musikalischen Highlights des September 2023
Monatsrückblick: die musikalischen Highlights des August 2023
Monatsrückblick: Die musikalischen Highlights des Juli 2023
Monatsrückblick: Die musikalischen Highlights des Juni 2023
Monatsrückblick: die musikalischen Highlights aus dem Mai 2023
Monatsrückblick: die musikalischen Highlights aus dem April 2023