Bei Yamaha Music Europe GmbH in Rellingen bei Hamburg existiert schon seit Anfang der 2000er-Jahre ein akustisch optimierter Hörraum für die Erprobung und Feinabstimmung von Audio-Komponenten. Im Rahmen einer Neugestaltung des Gebäudes sollte auch der Hörraum auf den allerneusten Stand der akustischen Optimierungsmöglichkeiten gebracht werden. Wegen der Covid-19-Pandemie zog sich das über drei Jahre hin. LowBeats hat das Raumakustikprojekt bei Yamaha begleitet und den Vorher-Nachher-Vergleich gemacht.
Das Raumakustikprojekt bei Yamaha
Das wohl wichtigste Glied einer HiFi-Kette ist der Hörraum, in dem die Anlage steht. Ohne gut abgestimmte, kontrollierte akustische Raumbedingungen, spielen selbst die besten Lautsprecher der Welt nur auf Ramsch-Niveau. Und mit der Feinabstimmung der Kette braucht gar nicht erst begonnen zu werden, wenn es hallt, dröhnt und scheppert. Eine keineswegs neue Erkenntnis.
Schon zu Beginn des Jahrtausends wurde bei Yamaha eigens zu diesem Zweck ein Raum eingerichtet, wofür man eigenes einen renommierten Raumakustik-Experten engagierte. Nur der Vollständigkeit halber: Yamaha Europe hat mehrere spezielle Hör- und Proberäume der unterschiedlichsten Zwecke. Als weltgrößter Hersteller von Musikinstrumenten steht die HiFi-Abteilung da gar nicht unbedingt vorn. So gibt es beispielsweise einen kleineren, akustisch optimierten Raum, in dem geladene Künstler ihre neusten und speziell für sie angefertigten Instrumente Probespielen können. Noch beeindruckender ist der eigene große Konzertsaal, um Klaviere und Flügel in Konzertsaal-Atmosphäre bespielen zu können. Darüber hinaus gibt es noch einen Testraum für AV-Installationen.
Die Ausgangslage
Für die Einrichtung eines HiFi-Hörraums fand sich auf dem Yamaha-Firmengelände ein geeigneter Bereich mit Wohnraummaßen von 4,77 x 6,91 m (≈ 33 m²). Die Deckenhöhe war mit beinahe vier Metern aber akustisch nicht sehr Wohnzimmer-like, also entschloss man sich zum Abhängen der Decke auf etwa 2,8 Meter, wofür herkömmliche Deckenpaneele in eine Abhängung eingesetzt wurden. Der Hohlraum darüber wurde damals nur geringfügig bedämpft und die Deckenplatten waren nicht mit speziellen Akustikeigenschaften ausgestattet.
Dafür wurde im Raum darunter mit Ecken-/Kantenabsorbern, Plattenabsorbern und Diffusoren im Setzbord-Stil alles eingesetzt, was nötig war, um dem Raum einen möglichst ausgeglichenes Frequenzverhalten anzuerziehen und die Nachhallzeit auf ein Wohnraum-übliches Maß zu bringen. Natürlich nicht „Pi-mal-Daumen“, sondern nach genauen Berechnungen und Messungen. Die Farbwahl der Akustikelemente war allerdings schon für die damaligen Verhältnisse irgendwie überholt und erinnerte mehr an die Siebziger.
Für den Vorher-Teil des Hörraum-Tests war ich Ende 2019 in Rellingen vor Ort. Als Anlage hatte Yamaha-HiFi-Spezialist Andreas Rieckhoff eine absolut puristische Kette bestehend aus einem Yamaha A-S2200 Vollverstärker plus passendem CD-Player an einem Paar Yamaha NS-5000 vorbereitet, die LowBeats im Test 2017 mit folgenden Worten lobte:
„Die Yamaha NS-5000 sind ungemein sympathisch – auch, weil sie wie für unsere Ohren gemacht klingen: so ungemein fein, räumlich und bassstark wie kaum ein anderer Lautsprecher dieser Klasse. Selbst bei kleinen Lautstärken hört man noch fast alles. Das ist eine hohe Kunst – zumal er auch wirklich sehr, sehr hohe Pegel wiedergeben kann. Ihr größter Trumpf aber ist die Homogenität der Wiedergabe, die feinsilbrige Mittelhochton-Transparenz und der tiefschürfende, satte Bass. Seine Zurückhaltung in den unteren Mitten ist nie störend und irgendwie auch charmant.“
An dem damaligen LowBeats Hörtest der NS-5000 habe ich nicht teilgenommen, kann aber das damalige Fazit der Kollegen im Yamaha-Hörraum voll bestätigen. Diese High-End-Lautsprecher im 1980er-Jahre Gehäuse-Format faszinieren auch mich in vielerlei Hinsicht.
Der Hörraum in der alten Konfiguration wirkte beim ersten Betreten akustisch wie ein normal eingerichteter Wohnraum. Auch wer kein Akustikexperte ist, merkt – bewusst oder unbewusst – sofort, ob ein Zimmer eine eher wohnliche, kühle oder überbedämpfte Atmosphäre hat. Das liegt hauptsächlich an der Nachhallzeit, die in einer guten Wohnraumakustik zwischen etwa 0,2 – 0,4 s liegen sollte (Nachhallzeit RT60 – Reverberation Time 60). Diese Wohnraumatmosphäre hatte der alte Yamaha-Hörraum.
Beim Hörtest offenbarte sich hingegen schon nach ein paar Hörminuten, warum die Yamaha-Verantwortlichen hier noch mal Hand anlegen wollten. Neben einer kleinen Überhöhung im Bass um etwa 40 Hz, die in gewissen Situationen für einen leichten Aufdickungsfaktor sorgte, fehlte mir vor allem eine stabile Mitte und ich hätte mehr Kontur bei Stimmen und Instrumenten erwartet. Das, so Andreas Rieckhoff, solle auf die aus Holz gefertigten Diffusoren im Setzbord-Stil zurückzuführen sein, die sowohl an der Wand zwischen den Boxen, als auch hinter dem Hörplatz montiert waren. Außerdem hätten diese einen gewissen Eigenklang wie eine Art Klingeln. Das kann aber nur jemand zuordnen, der den Raum besser kennt als ich.
Für mich sofort auffällig und zuzuordnen war aber eine Resonanz, die bei höheren Pegeln als Eigengeräusch von den großen Plattenabsorbern erzeugt wurde. Das darf natürlich nicht sein. Wenn etwas Töne erzeugen soll, dann bitte nur die Lautsprecher.
Die zuvor genannten Auffälligkeiten sind mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Schließlich ging es hier vor allem darum, das Haar in der Suppe zu finden und Möglichkeiten zur Perfektionierung auszuloten. Im Ganzen betrachtet dürften die meisten Privatanwender über eine Raumakustik auf diesem Niveau äußerst glücklich sein. Die damaligen Akustikexperten haben ihr Handwerk verstanden, wie später Akustikexperte Farshid Shahlawandian von R-T-F-S bestätigte. Shahlawandian wurde für den Umbau des Raums engagiert und ist nicht ganz zufällig auch jener Akustiker, der den großen LowBeats Hörraum in München entwickelt hat und zum Jahresende die Arbeiten zu unserem neuen Hörraum in Worms abschließt. Auch hier folgt natürlich noch ein ausführlicher Bericht.
Zwischenspiel – ein (ganz) kurzer Blick in die Yamaha HiFi-Geschichte
Bei meinem ersten Besuch hatte ich im Anschluss an den Hörtest noch die Ehre einer kleinen Werksführung durch Andreas Rieckhoff. Daher stammen nicht nur die oben gezeigten Bilder des Hörsaals und des AV-Testraums. Ich durfte auch einen Blick auf ein paar alte Schätze in der Yamaha-Sammlung werfen. Besonders fasziniert war ich beispielsweise in den Achtzigern von der berühmt-berüchtigten Endstufe B-6 in Form eines Pyramidenstumpfs.
Auch wenn dieser Amp sowohl klanglich als auch in Sachen Zuverlässigkeit nicht den besten Ruf genoss, hätte ich ihn nur zu gerne besessen, aber er lag außerhalb meines Budgets. Die B-6 wurde nur in einem kurzen Zeitraum produziert. Da die Schaltungstechnik (Netzteil in “magnetischer Feld”-Bauweise konzipiert) etwas zu stark an das Patent eines renommierten US-Herstellers erinnerte, musste Yamaha sie wieder vom Markt nehmen und die Produktion einstellen. Im Archiv fanden sich gleich zwei dieser Diven.
Ebenfalls ein absolutes Highlight war der Blick auf den Vorverstärker CX-10000. Seines Zeichens der erste echte digitale Vorverstärker der Welt mit vollständig digitaler Signalverarbeitung und digital-parametrischem Equalizer. Damit war Yamaha der Konkurrenz Mitte der Achtziger Jahre um Lichtjahre voraus. Doch genug des Schwelgens in Erinnerungen und weiter im Text …
Men at Work – Die Baustelle
Während der Umbauphase war ich nicht zugegen, aber Andreas Rieckhoff hat mir einige Fotos von der Baustelle zukommen lassen. Die möchte ich Ihnen natürlich nicht vorenthalten:
Zeitsprung: September 2022 – nach dem Umbau
Der Corona-Pandemie ist es zu verdanken, dass sich der Umbau des Yamaha-Hörraums immer wieder verzögerte, doch im Spätsommer 2022 war es dann endlich so weit. Der nicht nur in HiFi-Kreisen sehr gefragte Spezialist „Raumakustik Tools Farshid Shahlawandian“ (kurz R-T-F-S) hat im Yamaha-Hörraum Tabula rasa gemacht.
Dabei wurde die Akustik mit wissenschaftlicher Akribie zunächst genauestens vermessen, wobei Shahlawandian zu dem Schluss gelangte, dass bei der ersten Akustik-Installation im Rahmen der Möglichkeiten eigentlich alles richtig gemacht wurde. Aber gute Messwerte allein, das wissen wir selbst nur allzu gut, sind noch kein Garant für bestmöglichen Klang.
Interessant ist aber erst mal, dass für den Umbau letztendlich fast dieselben grundsätzlichen Hilfsmittel an mehr oder weniger denselben Stellen zum Einsatz kamen, wie früher schon. Das heißt: Diffusoren, Wand-, Decken-, Ecken- und Plattenabsorber. Dennoch sind die Unterschiede zu früher riesig.
Zu den wohl aufwändigsten Maßnahmen gehörte der Umbau der abgehängten Deckenkonstruktion. Nicht nur, dass der Hohlraum oberhalb der Abhängung diesmal viel heftiger bedämpft wurde. Auch die Platten der Decke wurden gegen speziell angefertigte, sehr dicke und entsprechend resonanzärmere Holzelemente ersetzt, die zusätzlich an der Oberseite noch eine Dämpfungsschicht erhalten haben.
Davon abgesehen kommen in dem neu gestalteten Hörraum natürlich Shalahwanians eigene Akustikelemente zum Einsatz, sowie nach Maß gefertigte Plattenabsorber und zusätzliche „Deckensegel“, die nochmals etwas von der Deckenkonstruktion abgehängt wurden. Jedes einzelne Element ist genau für den Zweck ausgesucht und positioniert. Dabei kommt den sogenannten Sirrah ein besonders wichtiger Part zu. Diese kissenartigen Elemente haben sowohl absorbierende Eigenschaften im Bass- bis Mittelton als auch zerstreuende Wirkung für einen ausgewogenen Diffusschall. Wer HiFi-Messen besucht, kennt die Sirrah vermutlich schon. Viele Hersteller und Vertriebe optimieren damit die Raumakustik ihrer Vorführungen.
Im Yamaha-Hörraum kommen zwischen den Lautsprechern nicht weniger als 18 Sirrah zum Einsatz. Weitere vier sorgen hinter dem Hörplatz zusammen mit zwei Wandabsorbern für guten Ton. Zumindest optisch macht der Raum mit den neuen Elementen schon mal einen deutlichen Sprung nach vorn. Er wirkt nun viel moderner, freundlicher und einladender als zuvor. Aber klingt es dort nun auch wirklich besser?
Das Raumklang-Erlebnis
Als ich den frisch umgebauten Raum betrete, „spüre“ ich erst mal keinen großen akustischen Unterschied. Die besagte Nachhallzeit scheint sich nicht wesentlich verändert zu haben, sodass die Atmosphäre nach wie vor den zu erwartenden Wohnraumcharakter hat. Doch schon nach den ersten Tönen aus den selbstverständlich erneut eingesetzten Yamaha NS-5000 ändert sich mein „Raumgefühl“ schlagartig.
Sind das wirklich dieselben Lautsprecher? Natürlich sind sie das. Auch an der Aufstellung hat sich nichts Wesentliches geändert. Der Verstärker ist diesmal zwar ein A-S2000, doch das macht bei weitem keinen so großen Unterschied aus, wie die Änderungen am Hörraum. Das Klangerlebnis mit den NS-5000 ist im umgebauten Hörraum spürbar besser als bei meinem ersten Besuch.
Dass die neuen Plattenabsorber kein klangliches Eigenleben mehr führen, ist bei allem nur eine Randnotiz. Was mich jetzt förmlich umhaut, ist die fantastisch präzise und lebensecht wirkende Bühnenabbildung. Stimmen und Instrumente wabern nicht mehr so leicht verschwommen zwischen den Speakern umher, sondern haben absolut plastische Umrisse und lassen sich millimetergenau orten. Außerdem verstehe ich jetzt, was Rieckhoff und Shahlawandian mit dem Eigenklang der Setzbord-Diffusoren meinten, denn die NS-5000 begeistern im neuen Raum dank der Sirrah mit einer nochmals gesteigerten Reinheit der oberen Mitten bis Höhen.
Ähnlich dramatisch sind auch die Verbesserungen in der Bass-Performance. Nicht nur der leichte Buckel bei 40 Hz wurde linearisiert. Der Bass hat plötzlich, je nach Instrument, knackigen Kick oder ist sonor schwelgerisch warm und tiefreichend. Dabei meint man Bassinstrumente auch viel besser orten zu können, was vermutlich auf eine gesteigerte Präzision in den Obertönen zurückzuführen ist.
Der neue Raum zeigt viel besser auf, was tatsächlich in den Yamaha NS-5000 steckt und ihre klassische Formgebung nicht darüberhinweg täuschen sollte, dass es sich um hochmoderne, mit allen Wassern gewaschene High-End-Lautsprecher handelt. Ich wiederhole noch mal: Das Erlebnis im alten Hörraum war keineswegs schlecht und konnte ebenfalls die Besonderheiten der Kette gut vermitteln. Doch mit der überragend guten neuen Raumakustik wird das Einschätzen bestimmter Eigenschaften der Boxen oder Komponenten sehr viel einfacher. Und die Musik macht einfach noch mehr Spaß.
Fazit Raumakustikprojekt bei Yamaha: investiert mehr Geld in Raumakustik!
Was dem Profi recht ist, sollte dem Endverbraucher nur billig sein. Wie wichtig eine gute Raumakustik für den Klang der Anlage ist, mag den meisten durchaus bewusst sein, doch oft verhindern rein praktische Zwänge, sich dem Thema mit der gebotenen Konsequenz zu widmen. Etwa, weil nicht jedes als Hörraum genutzte Wohnzimmer mit fraglos sehr voluminösen Akustik-Elementen „verunziert“ werden soll. Nicht jeder möchte, dass diese die Einrichtung dominieren.
Wer jedoch meint, gewisse Defizite in der Akustik einfach mit noch besseren Lautsprechern, Verstärkern oder gar Kabeln ausmerzen zu können, wirft sein Geld womöglich zum Fenster raus und kommt nie zu einer wirklich zufrieden stellenden HiFi-Kette. Klar, einiges lässt sich auch mit einer DSP-Korrektur ausbügeln. Doch es gilt stets der Grundsatz, dass es besser ist, Fehler zu vermeiden, als sie anschließend zu korrigieren. Zumindest eine gute Mischung aus passiven Roomtuning-Elementen plus DSP-Korrektur kann viel bewirken, ohne die vier Wände komplett in eine Hörstudio-Höhle zu verwandeln. Der Königsweg ist aber eine Akustikoptimierung, wie im Falle des neuen Yamaha-Hörraums mit dem kompletten R-T-F-S-Make-Over. Da muss nichts mehr nachgebogen werden.
Der Vorher-Nachher-Vergleich des Yamaha-Hörraums ist aus meiner Sicht vor allem ein Beleg dafür, wie perfekt man eine gute Raumakustik gestalten kann, ohne seine wohnliche (Klang-) Atmosphäre zu zerstören. Nicht vergessen: Wir reden hier nicht von Studio-Akustik. Das ist etwas völlig anderes. Geräte und Lautsprecher wie die hier genannte Kette von Yamaha werden für natürliche Wohnumgebungen entwickelt. Nicht für Mixing und Mastering, sondern für Endverbraucher, für HiFi-Enthusiasten und Musikliebhaber. Yamaha in Rellingen hat für diesen Zweck nun einen noch besseren Referenzraum zur Verfügung. Einen, für den sich das lange Warten gelohnt hat.