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Piega stand immer für exzellente Lautsprecher mit Bändchen-Hochton-Technologie. Auch unter der neuen Geschäftsleitung wird diese Tradition beibehalten – die Geschäftsfelder werden aber deutlich ausgeweitet (Foto: H. Biermann)

Piega Next Generation: eine Lautsprecher-Schmiede schafft den Übergang

Beim Schweizer Lautsprecher-Spezialisten Piega gelingt vorbildlich, was vielen anderen Firmen der HiFi-Branche gerade schwerfällt: Die Übergabe von der Gründer- auf eine Nachfolger-Generation. Und nach sechs Jahren der Verantwortung (drei davon als Eigentümer) wird deutlich: Die junge Piega Next Generation sorgt nicht nur für das Fortbestehen der Firma, sondern setzt mit außergewöhnlichen Ideen auf technische Weiterentwicklung und für eine sehr viel breitere Aufstellung im Markt. Ein echtes Vorbild also? LowBeats führte im Horgener Firmensitz (am Zürichsee) ein ausgiebiges Interview mit den Nachfolge-Geschäftsführern Alex und Manuel Greiner

Zuvor ein kurzer Rückblick: 1986 hatten zwei junge Schweizer eine ziemlich gute Idee. Oder sagen wir einmal: Sie machten es wie viele andere zu dieser Zeit und einfach ihr Hobby (HiFi) zum Beruf. Leo Greiner als der Mann für Zahlen und Verkauf, Kurt Scheuch als Entwickler und Master of Piega-Sound. Viele Firmen starteten so, viele erlitten Schiffbruch, doch aus Piega wurde eine Erfolgsstory. Die beiden Macher fällten aus dem Bauch etliche kluge Entscheidungen. Beispielsweise ließen sie – weil sie ahnten, dass sich guter Klang noch besser verkaufen lässt, wenn er hübsch verpackt ist – schon früh professionelle Produktdesigner an ihre Modelle. Ein Punkt, den man sich bei vielen Mitbewerbern heute noch wünscht. Und um ihre ästhetischen und klanglichen Vorstellungen optimal umzusetzen, waren sie mit die Ersten, die auf Strangguss-Gehäuse aus Aluminium setzten. Vor allem aber blieben sie konsequent bei diesem luftigen Piega-Klang, der von Anfang an durch den Einsatz von Bändchen-Hochtönern (mit fast masseloser, gefalteter Folie) bestimmt wurde und der Firma ja sogar den Namen gab: Piega heißt auf Italienisch „Falte“.

Piega Bändchen
Die Bändchen entstehen bei Piega in Handarbeit. Prinzipiell gilt noch heute: Jeder Piega-Lautsprecher hat entweder einen AMT- oder Bändchenhochtöner (Foto: Piega)

Die beiden sympathischen Schweizer waren oft zu Gast in den Redaktionen und immer war ihnen die Freude an ihrer Arbeit anzumerken. Kurt Scheuch sagte bei unserem ersten Treffen Anfang der 1990er Jahre: „Weißt du, Holger: Wir haben die Möglichkeit, Geld mit dem zu verdienen, was wir mögen. Und wir können es uns leisten, nichts mit Unsympathen (er drückte sich etwas deftiger aus) zu tun haben zu müssen…“ Diese Haltung zog sich wie ein Credo durch ihr Schaffen.

Spätestens Ende der 1990er war Piega angekommen. Die  fein verarbeiteten Lautsprecher „Handmade in Switzerland“ konkurrierten in den Läden mit Sonus faber, Tannoy oder Wilson Audio als eigenständig „erkennbare“ Lautsprecher und kokettierte sogar mit B+O, weil Piega-Lautsprecher in der Regel genauso hübsch wie die Dänen waren, aber gemeinhin besser klangen. Und auch wenn die Schweizer Edelwandler in Deutschland eigentlich nie den Stellenwert hatten, der ihnen eigentlich zustand, so übte der Name doch auf der ganzen Welt genügend Zugkraft aus, um zur echten Marke zu werden.

In der Schweiz sowieso: Bei den Eidgenossen hat Piega nach wie vor seinen stärksten Markt und untermauerte 2012 diesen Status mit der Gründung eines zusätzlichen Vertriebs. Unter dem Label „Lakeside“ vertreibt Piega in der Schweiz Marken wie Marantz (stattdessen heute: Cambridge Audio), Pro-Ject oder T+A und festigt so den Status als auch den Umsatz erheblich.

Piega Next Generation

Es lief also alles bestens. Aber das Problem, das fast alle HiFi-Firmen umtreibt (weil sie fast alle in den 70er oder 80er Jahren gestartet wurden), drückte auch hier: Die Gründer kamen allmählich ins Rentenalter und vielleicht ging nach 35 Jahren auch ein bisschen die Lust verloren. Doch anders als bei vielen Mitbewerbern fanden sich in der Familie Greiner zwei Nachfolger, die a.) Piega mehr oder minder mit der Muttermilch aufgesogen hatten und b.) richtig Lust hatten, das Unternehmen weiterzuführen: Manuel Greiner (Jahrgang 1984) und sein Bruder Alex Greiner (Jahrgang 1986).

Piega Stabübergabe
Das Bild zur Stab-Übergabe 2021 vor dem Firmengebäude. Von links Alex Greiner, Leo Greiner, Kurt Scheuch, Manuel Greiner (Foto: Piega)

Die beiden sind recht unterschiedlich und ergänzen sich auf ihre Art deshalb mindestens so gut wie das Team Leo/Kurt: Manuel ist der schnell entschlossene, umtriebige Frontmann (und konsequenterweise zuständig für Marketing und Vertrieb), Alex ist der etwas stillere, nüchterne Mann der Zahlen, verantwortlich für die Finanzen und das sogenannte Operations Management, unter das unter anderem die IT fällt. Stellt man eine Frage in den Raum, gönnt er sich erst einmal 2-3 Sekunden, um dann eine sachliche, klug-analytische Antwort zu geben. Und auch das merkt man im Gespräch sofort: Die beiden können sich gut leiden. Sicherlich eine elementare Voraussetzung für eine erfolgreiche Firmenführung.

Seit über fünf Jahren lenken die beiden Brüder die Geschicke von Piega. Die Anteile kauften sie den Gründervätern ab und übernahmen auch viele von deren Idealen – beispielsweise jenes, das Geld nicht alles ist und man einfach nicht mit Unsympathen zu tun haben will…

Aber sie haben halt auch ihre eigenen Vorstellungen. Manuel Geiner: „Kann sein, dass wir die Sache ein bisschen weniger idealistisch, stattdessen etwas mehr als von Marktzahlen betrachten.“ Zu ihren Einstieg legten die beiden jedenfalls erst einmal einen umfangreichen Business-Plan auf (den es wohl so vorher nicht gegeben hat…) und gönnen sich regelmäßig externe Analysen. Alex Greiner: „Als klar wurde, dass wir es machen, haben wir uns zuallererst die Frage gestellt, was wir überhaupt erreichen wollen.“

Piega Alex und Manuel
Alex (links) und Manual vor der Wand mit Schlagworten, die sie tatsächlich leben: Die Arbeit muss begeistern, Spaß machen, aber mit Respekt vor den Kollegen, dem Markt und der Umwelt gemacht werden (Foto: H. Biermann)

Natürlich sollte die Piega-DNA er- und die Mitarbeiter gehalten werden. Hier scheint es tatsächlich keinen Bruch gegeben zu haben. Ich war in den vergangenen 30 Jahren bestimmt zehn Mal bei Piega. Die Stimmung unter den Mitarbeitern war immer sehr gelöst. Das hat sich unter der Führung von Manuel und Alex in keinster Weise geändert. Es herrscht so eine Art Familien-Gefühl, wie man es nur selten in solchen Firmen spürt. Alex Greiner: „Natürlich achten wir auf eine richtige Work/Life-Balance unserer Mitarbeiter. Vor allem aber haben wir die Idee, dass es für alle Probleme auch Lösungen gibt. Das ist eine Haltungsfrage.“

Piega Goldschmied
Curdin Coray ist eigentlich Goldschmied und schon lange bei Piega. Er kam gerade von einer dreimonatigen Weltreise zurück. Auch das ist bei Piega möglich (Foto: H. Biermann)

30 Mitarbeiter hat Piega heute und es gelang den beiden, auch die vielen langjährigen Mitarbeiter für den etwas anderen Weg der Piega Next Generation zu beigeistern. Das prominenteste Beispiel dafür ist Mario Ballabio, der den Job den Bändchen-Machers bei Piega von seinem Vater geerbt hat und dessen Tochter sich anschickt, ebenfalls diese Tradition fortzuführen. Unglaublich…

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Piega Bändchen-Spezialist Mario Ballabio
Mario Ballabio ist der König der Bändchenbauer. Unter seinen kräftigen Fingern entsteht der hochkomplexe Bändchen-Koax, der Piega weltweit einzigartig macht (Foto: Piega)
Piega Produktdesigner Stephan Hürlemann
Stephan Hürlemann ist kein Piega-Mitarbeiter, aber schon weit über 20 Jahre für Piega tätig. Er steht für das besondere Produktdesign (Foto: Piega)
Piega Marketingleiter Martin Bühler
Rachid Haddad (links) ist ebenfalls schon lange bei Piega und in der „Bändchenabteilung“ für den 2642 zuständig – ohne ihn wären Premium Lautsprecher nicht lieferbar. Aber er ist auch der ständig hilfsbereiche, gute Geist der Firma. Neben ihm steht der neue Marketing-Manager Martin Bühler (Foto: H. Biermann)
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Aber Alex und Manuel wollten bei Piega auch technisch einiges auf neue Grundlagen stellen. Da war es wohl mehr als nur Glück, dass in der Übergangsphase (2019) Roger Kessler zu Piega kam. Kessler war lange Zeit Akustik-Entwickler bei BMW und brachte etliche neue Ansätze mit. Beispielsweise arbeitet er intensiv mit der Züricher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHaW) in Winterthur zusammen. Dort gibt es gewaltige Laser-Analyse-Einrichtungen, mit denen sich Resonanzen schnell ausfindig machen lassen.

Piega Entwicklungsleiter Roger Kessler
Roger Kessler am Rechner, an dem er mir Analysen der ZHaW erläutert (Foto: H. Biermann)

Kessler nutzt diese Möglichkeiten für die Beruhigung der Gehäuse, aber auch zur Optimierung der Treiber. Dank Laser-Analyse konnte er den legendären Bändchen-Koax noch einmal deutlich verbessern. Mit dem Koax hatte Kurt Scheuch seinerzeit Piega eine einzigartige Stellung am Weltmarkt verschafft; Kessler hat diesen Ausnahmetreiber auf ein neues Niveau gehievt. Und das ist nicht nur Piega-Meinung: Die bei LowBeats getestete Coax 611 (mit dem Coax Gen2) ist aus meiner Sicht die beste Standbox unterhalb 20.000 Euro.

Stereo Sound Coax 611
Auch die Kollegen der japanischen Stereo Sound befanden die Coax 611 als echten Überflieger-Lautsprecher (Foto: H. Biermann)

Aber weil Alex und Manuel nicht nur die ausgetretenen Pfade noch breiter machen und ebenso wenig ausschließlich für die Generation der alten Männer produzieren wollten, hatten sie sich zum Start in den Kopf gesetzt, mit Piega ACE das best-klingende Wireless-System weltweit zu entwickeln. Und so bekam die Entwicklerabteilung um Roger Kessler richtig zu tun. Kessler: „Jeder denkt, die Umstellung eines bestehenden Lautsprechersystems auf Aktiv und Wireless sei doch ganz einfach. Richtig ist: Man muss alles komplett neu aufsetzen.“

Der größte Schritt der Piega Next Generation: Automotive

Bei ihrer Analyse, wie man den Wert der Marke Piega noch steigern kann, verfielen die beiden Brüder auf eine gewagte Idee: Sollte man nicht versuchen, Piega als Car-HiFi-Brand zu installieren? Bei einer Top Automarke? Diese Ideen treiben natürlich viele Hersteller um: Burmester (Mercedes, Porsche, Ferrari) ist ja das beste Beispiel für ein gelungenes Zusammenspiel von automobiler und highfideler Spitzenklasse. Aber die Sache hat Tücken. Zum einen sind die Autobauer an kleinen, also relativ unbekannten Marken gar nicht interessiert. Zum anderen aber sind ihre Anforderungen in Sachen Qualität derart hoch, dass viele Firmen passen müssen.

Piega nicht. Man fand eine Automarke im absoluten Premium-Bereich (deren Name aber wegen drakonischer Strafen vor offizieller Verkündung nicht genannt werden darf), die Piega für würdig befand. Ja sogar mehr. Alex Greiner: „Fachleute aus dem Bereich sagten mir, dass unsere neuen Automobiltreiber echte Wettbewerbsvorteile seien.“ Ein Ritterschlag von gewichtiger Seite.

Piega Coax
Derzeit die Krönung im Bändchen-Programm der Schweizer: der legendäre Koax der 2. Generation (Foto: Piega)

Und dann kam, was kommen musste: Die Automobil-Industrie fordert Normen, fordert ISO-Zertifizierungen und alle Prozesse müssen auf den Kopf gestellt werden und dokumentiert werden. Alex Greiner: „Das ist zeitraubend und so anstrengend, dass wir einen Coach mit eingebunden haben. Aber solch ein Prozess hat auch Vorteile: Wir werden gezwungen, Strukturen auf- und umzusetzen.“ Oder anders herum: Die Professionalität eines Unternehmens steigt dadurch gewaltig und von etwaigen Bauchentscheidungen wie bei den Gründungsvätern ist man damit meilenweit entfernt. Und auch das ist nicht zu unterschätzen: Es entstehen für das Auto hochwertige Spezial-Treiber, die auch das klassische HiFi beflügeln können.

Aber der Aufwand ist hoch. Im HiFi spielt Gewicht keine Rolle – die Piega-Treiber sind echte Schwergewichte. Da bekommen Automanager, die immer auch noch das letzte Gramm herauskürzen wollen, das schiere Grauen.

Also bekam Kessler viel Arbeit: Er entwickelte Leichtgewichts-Versionen, die lediglich ein Drittel wiegen. Da klatschen Autobauer noch immer nicht vor Freude, aber das Murren wird leiser. Manuel Greiner: „Wir sehen den hohen Aufwand, aber natürlich auch Marketing-mäßig ein großes Potenzial.“

Und für das Marketing haben die beiden sich nun einen langjährigen Profi aus Deutschland dazugeholt. Martin Bühler war über 35 Jahre beim Direktvermarkter Nubert und hat dort viel gelernt. Normalerweise würde man fragen: Nubert/Piega, Direktvermarkter/Fachhhandel – passt das überhaupt? Das passt sehr gut, sagen die Brüder. Und das ist auch mein Eindruck. Es zeigt jedenfalls, dass die jungen Greiners viele Dinge einfach anders und neu denken.

Piega Manuel, Martin, Alex
Sieht aus, als wäre er schon seit Jahrzehnten dabei: Martin Bühler (Mitte) ist der neue Marketing-Leiter bei den Schweizern (Foto Piega)

Wie auch die neue Kooperation mit HiFi Rose. LowBeats Lesern werden die Komponenten der Koreaner sicherlich kennen, weil wie schon oft berichteten und weil deren Komponenten allesamt extrem durchdacht und schön gemacht sind. Was aber so gut wie keiner weiß: HiFi Rose ist Teil der Reico-Gruppe und hat eine Entwicklungsabteilung mit knapp 40 Leuten. Kein Wunder also, dass die Koreaner von den Apps bis hin zu Streaming-Laufwerken alles selber machen und enorme Entwicklungskapazitäten haben.

Rose RA180 Beitragsbild
Extraordinäres Retro-Design und modernste Technik: Der HiFi Rose Vollverstärker RA180 für 6.500 Euro ist einer der außergewöhnlichsten Vollverstärker der Jetzt-Zeit  und ein schönes Beispiel dafür, wie man bei HiFi Rose Design denkt (Foto: F. Borowski)

Die Zusammenarbeit zwischen Piega und HiFi Rose geht weit über die klassische Vertriebsarbeit hinaus – die beiden Greiners haben mit den Koreanern ein Joint-Venture gegründet, um neben dem Europa-Vertrieb auch einen intensiven Technologie-Austausch möglich zu machen. Was gibt es für Projekte? Da wird man bei Piega etwas zugeknöpft. So wie ich verstanden habe, könnte es aber in absehbarer Zeit zu einer außergewöhnlichen HIghtech-Soundbar kommen. Wir lassen uns überraschen…

Piega Alex und Manuel
Alex und Manuel Greiner mit dem neusten Coup in der Mitte: ein Streaming-Verstärker von HiFi Rose (Foto: H. Biermann)

Als Mitglied der Boomer-Generation ist mir bisweilen Angst & Bange um die HiFi-Branche, die an vielen Stellen jetzt oder schon sehr bald wegen Überalterung geschlossen wird. Das Beispiel der Greiners allerdings lässt Hoffnung aufkommen. Denn es geht ja nicht nur um Bestandswahrung, sondern um eine kluge Weiterentwicklung, die fit für dieses Jahrhundert ist.

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Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.