Niederzissen in der Eifel. Schlechter Handy-Empfang, viele Berge, die direkte Nähe zur Autobahn. Man kommt nicht drauf. Aber hier liegt das Eldorado für alle Vintage-HiFi-Fans: die Verkauf- und Ausstellungsräume von Spring Air, Deutschlands unumstrittenem Marktführer in Sachen Vintage-HiFi.
Nun könnte der nüchterne Industriebau an der Waldorfer Straße 20 noch Zweifel nähren. Doch sobald man eingetreten ist, kann man sich dem Zauber nicht mehr entziehen: dem Zauber leckerster HiFi-Technik der letzten 40 Jahre.
Dabei kommt im großen Ausstellungsraum von Spring Air an keiner Stelle musealer Muff auf. Alles ist nett eingerichtet – so nett, wie man eben einen Raum mit einigen hundert Geräten aus den verschiedensten HiFi-Epochen machen kann. Mit angenehmem Licht und viel Holz.
Aber der hohe Wohlfühlfaktor kommt natürlich auch von den Geräten selbst, die vom Spring Air Team bei ihrer Aufnahme ins Sortiment nicht nur technisch, sondern auch optisch geprüft und aufgemöbelt werden. Ergänzt wird der große Showroom von Spring Air von einem Bereich mit LPs und einem Demo-Raum.
Allein das ist ja schon ein Hammer: Wo sonst kann man beispielsweise eine Quadral Titan mit einem Quad ESL 55 oder einer Apogee vergleichen? Ich bin begeistert.
Spring Air wurde bereits 1993 gegründet. Seit 2002 residiert das Unternehmen in Niederzissen mit acht Mitarbeitern und hat hier mit 2.000 Quadratmetern ausreichend Platz für Ausstellung, Demo, Büros, Lager – und Logistik. Denn Spring Air ist in erster Linie ein Versandhandel.
Chef und Mastermind des Ganzen ist Marc Zakolowski-Bous, der uns einige Stunden lang Rede und Antwort stand. Zum Beispiel auf diese Fragen:
Spring Air ist eigentlich ein Online-Händler. Nutzen die Kunden Ihren Demoraum überhaupt?
Zum vorher Anhören kommen nur ganz wenige. Bei uns ist der Kunde in der Regel vorinformiert.
Online-Handel war lange Zeit auf handliche Geräte beschränkt. Sie aber verschicken sogar eine Quadral Titan…
Das ist für Hobby-Händler vielleicht ein Problem. Für uns ist es egal, ob wir eine Schallplatte oder zentnerschwere Lautsprecher versenden. Das machen wir ja schon seit vielen Jahren.
Nun läuft der Vintage HiFi-Markt ja nicht unbedingt parallel zum klassischen HiFi-Handel. Wie sehen denn bei Ihnen die Trends aus?
Schallplatten und Schallplattenspieler stehen nach wie vor hoch im Kurs. Genauso Tonbandmaschinen. Was mich selbst ein bisschen wundert, ist das wieder gestiegene Interesse an Cassettenrecordern – hier vor allem die größeren Modelle.
Im klassischen HiFi-Handel stellt sich im High End ja oft die Frage: Accuphase oder McIntosh. Wie entscheiden sich Ihre Kunden diesbezüglich?
Bei uns ist die Sache eindeutig: McIntosh läuft besser als Accuphase. Da ist auch das Angebot sehr viel größer.
Haben Sie ein Lieblingsgerät, das Sie nie verkaufen werden?
Ja. Den Thorens Reference. Der ist unverkäuflich.
Spring Air ist Deutschlands größter Vintage HiFi Händler
Zwischen 5.000 und 10.000 Geräte durchlaufen Spring Air jährlich. Das vermittelt eine Idee, wie groß diese Firma mittlerweile ist. Neben den Geräten warten auch immer mehrere zehntausend Tonträger und ähnlich viele Original-Bedienungsanleitungen, Zeitschriften oder Kataloge auf ihren Versand. Alle Geräte werden genauestens geprüft und bekommen eine Garantie von sechs Monaten. Und natürlich gilt auch hier das im Versandhandel übliche Rücknahme-Angebot.
Aufgrund der hohen technischen Kompetenz im Bereich Vintage bietet Zakolowski auch Reparaturen für Geräte an, die nicht bei Spring Air gekauft wurden. MZB: „Aber das ist nicht unser Kerngeschäft.“
Die hohe Kompetenz ist bei Spring Air überall spürbar. Obwohl ich mich ganz gut auskenne, kontert Zakolowski jeden meiner Versuche, ihn aufs Glatteis zu führen, mit immensem Wissen und Hintergrundgeschichten, von denen ich vorher noch nie gehört hatte. Zakolowski ist trotz seiner erst 45 Lenze ein wandelndes Vintage-Lexikon. Abermals bin ich beeindruckt.
Im Vorfeld des Besuchs bei Spring Air war ich oft auf der Website, um ein Gefühl für das Angebot und für die Preise zu bekommen. Meine Einschätzung: Deutschlands größter Versandhandel für Vintage-HiFi ist nicht unbedingt billig, aber überwiegend günstig.
Wer sich auskennt, findet etliche gute Angebote, zumal alle angebotenen Geräte in einem optisch wie technisch sehr brauchbaren Zustand sind. Echte Schnäppchen sind allerdings rar, dazu ist Zakolowski dann doch zu aufgeweckt.
Im Ausstellungsraum steht beispielsweise ein Technics SP-10 in der seltenen MK III Version. Spring Air ruft dafür 15.990 Euro auf. Das ist nicht eben billig. Aber dieser SP-10 sieht in seiner Zarge aus wie gerade aus dem Karton gepellt – mehr oder minder wie neu. Irgendwann kommt sicher ein Sammler, dem genau dieser SP-10 MK III noch fehlt. Dann sind auch die knapp 16.000 Euro kein Problem.
Das Angebot von Spring Air ist umfangreich und die Website www.springair.de gut geordnet.
Trotzdem lautet mein Tipp: Unbedingt hinfahren. Wer sich je für HiFi begeistert hat, der bekommt hier glänzende Augen.
Nachtrag
Während meines Besuchs bei Spring Air war ich wirklich sehr angetan und finde einen solchen Vintage-HiFi-Tempel nach wie vor absolut faszinierend. Mittlerweile aber hat die Redaktion viele Zuschriften bekommen, in denen sich Käufer bitterlich beklagten – und entsprechende Bewertungen auf der Website hinterließen.
Prinzipiell ist Vintage HiFi eine komplexe Sache und kaum jemand kann beurteilen, wie gut und wie lange eine HiFi-Komponente nach 30 oder 40 Jahren noch spielt. Die Häufung von Spring-Air-Beanstandungen, von denen allein wir etwas mitbekommen haben, ist zumindest ungewöhnlich…
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