Die Analog-Spezialisten aus Erlangen wagen das Maximum: Die Clearaudio Balance Reference Phono ist die neue Top-Phonostufe des Hauses – mit separatem Netzteil in der gleichen Formsprache. Das Doppel ist nicht ganz billig, aber von höchster Verführungskunst.
Ist das eine neue Kuh, die über das Eis getrieben wird? Plötzlich müssen ein Plattenspieler und dessen Phonostufe den symmetrischen Spielregeln gehorchen. Was einfach wäre, denn die meisten MC-Systeme sind durch ihre Grundarchitektur bereits symmetrisch. Auf dieser Welle surft insbesondere Pro-Ject. Dessen Chef, Heinz Lichtenegger, hat das Thema zu seinem Herzensprojekt gemacht.
Da müssten auch die Konkurrenten aufhorchen und reagieren. Allerdings nicht Clearaudio. Die Erlanger haben sich längst Vorkämpfer für die symmetrischen Kontakte etabliertet. Alle Plattenspieler des Hauses können wahlweise mit Cinch- oder XLR-Anschluss geliefert werden. Sogar die kleinen Einstiegsmodelle. Und genau in dieses Szenario setzen die Franken nun ihren neuen „Balance Reference Phono“.
Clearaudio Balance Reference Phono: die technischen Feinheiten
Ich schaue in den Karton und entdecke zwei Bausteine. Natürlich die Phono-Stufe, dazu aber auch ein externes Netzteil in den gleichen Maßen. Das gefällt den Augen und noch mehr den Fingern. Edel das Gehäuse, perfekt die Verbindungen und in der Zugabe noch eine Fernbedienung. Das hat man in der Welt der Phono-Amps nur selten.
In der Regel sollen Plattenspieler-Verstärker nur geradlinig entzerren und ihre Ausbeute linear an die Vorstufe weitergeben. Warum also eine Fernbedienung? Das mag eine Marotte von Clearaudio sein, aber auf diese Weise könnte ich mir in einer reduzierten High-End-Kette eine komplette Vorstufe sparen. Oder ich justiere die Lautstärke des Phono-Zweigs in die perfekte Balance zu meinen anderen Quellen. Jetzt werden die Schlaumeier argumentieren, dass ich durch die Regelung im Signalweg die Jungfräulichkeit und Reinheit des Vinyl-Signals verliere. Mag sein – doch wer seinen Reference Phono auf maximale Lautstärke stellt, dem versichert Clearaudio, dass das Ausgangssignal komplett unbehandelt bleibe. Schlau gelöst.
Wie überhaupt die ganze Vorstufe vor interessanten Optionen strotzt. Zwei Tonabnehmer kann ich anschließen. Das wird vor allem die Fans freuen, die sich zwei Tonarme auf dem Laufwerk leisten. Ein guter Freund von mir unterhält stets einen zweiten Tonarm mit einem Mono-Abnehmer für frühe Vinyl-Pressungen, das hat sich bewährt. Klasse auch, dass sich Clearaudio für je einen Kopfhörerausgang pro Verstärkerzug an der Front entschieden hat. Das kommt dem Trend zum leichten, effektiven High-End entgegen – auf dem Sideboard steht mein Plattenspieler, dann die Phonobox, ein Kopfhörer, basta.
Dann stellt sich eine Kernfrage: Soll ich die beiden Aluminum-Gehäuse übereinanderstapeln? Besser nicht. Zwar ist die Schirmung gut, aber man würde sich einen audiophilen Vorteil nehmen. Besser nebeneinander und insbesondere das Netzteil weiter weg vom Tonabnehmer, sonst kann es zu Einstreuungen kommen.
Verbunden werden beide Kästchen über ein ausreichend langes Kabel (1,4 Meter) an dessen Ende ein Stecker mit dem Netzteil verschraubt wird. Der Stecker sieht aus wie ein Relikt aus den 1980er Jahren, als wir unseren ersten PC mit dem Drucker verbunden haben. Egal, es funktioniert.
Wo es ein wenig hakt: Beim Aufbau sollte man die Werte seines Tonabnehmers präsent haben. Denn auf der Unterseite des Phonoverstärkers liegen zwei „Mäuseklaviere“ – winzige DIP-Schalter, die sich am besten mit der Spitze eines Bleistifts justieren lassen. Hier muss ich die Lastkapazität und den Lastwiderstand meines Tonabnehmers vorgeben. Macht man in der Regel nur einmal, nämlich bei der Erstinstallation. Doch wenn man einen neuen Tonabnehmer in die Headshell schraubt, wird es trickreich – dann sollte man den Phono-Amp komplett vom Strom nehmen und abermals das „Klavier“ bedienen. Seltener Fall, aber immerhin möglich.
Schauen wir ins Innere. Es gibt zwei DIP-Schalter, es gibt zwei Kopfhörer-Ausgänge – und so gibt es auch zwei höchst eigene Schaltkreise für die beiden Eingänge. Fein aufgebaut in SMD-Bestückung. Aber um unseren Einstieg nochmals aufzugreifen: Ist das wirklich eine symmetrische Verstärkung? Nein, hier asymmetriert Clearaudio an einem Punkt im Gesamtaufbau. Clearaudio Mitinhaber Robert Suchy erklärt dazu, dass Eingangs- und Ausgangsstufe vollsymmetrisch laufen, es aber bei der Entzerrung einen Knotenpunkt gibt. Ab ist es da also eine unsymmetrische Konstruktion, doch das Format der XLR-Stecker wird unterstützt. Ist das eine Irreführung? Nein, so bauen die meisten Hersteller. Eine komplett symmetrische Signalführung ist aufwändig und klanglich nicht zwingend besser. Das wird man sich bei Clearaudio schon genau angehört haben.
Der Klang
Jetzt kommt das kleine Bömbchen, nämlich der Preis: 7.900 Euro setzt Clearaudio für den deutschen Markt an. Das ist happig und nicht in jedem Detail zu verstehen. Da muss der Klang ja Wunderdinge bewirken. Also die erste Test-LP aufgelegt. Leonard Cohen singt seine „Songs from the Road“. Das ist ein Kultalbum. Für alle Fans von Leonard Cohen, für alle Freunde der high-endigen Klangkunst und für all jene Menschen, die live dabei sein wollen.
Erste Frage: Welcher Landsmann war Leonard Cohen? Richtig: Der Meister wurde in Kanada geboren. Was seine kritische Distanz zu den USA erklärte und warum er manchmal in die französische Sprache abdriftete. Das Label Sony hat Cohens letzte Tour 2008/2009 live mitgeschnitten. Erstaunlich, was sich für eine Klangqualität mittlerweile live konservieren lässt. In den 1960er Jahren waren Live-Mitschnitte noch rumpelige Raubkopien.
Zwei LPs umfasst „Songs from the Road“. Ich lasse die Nadel auf der zweiten Scheibe niedersinken, in seinem meistgehörten Song „Hallelujah“. Aufgenommen auf der wohl schwersten Live-Bühne für Tontechniker überhaupt, beim Coachella Festival in Kalifornien. Die Menge bebt, es ist heiß – genau diesen Spirit muss eine gute Phono-Stufe vermitteln. Die Clearaudio verstand sich auf diese Kunst. Vor allem ihre Freude am Detail, an der Feindynamik gefiel mir. Da spielen hart rechts die hohen Saiten der Mandoline, da greift im Gegenzug links der Bass in die tiefen Register. Das Publikum ist entfesselt, eine Dame schreit regelrecht in Ekstase – die Balance Reference Phono liefert es souverän und genau mit jenem Schuss Energie, das die Kleingeister von den großen Künstlern unterscheidet. Wunderbar.
Ich wechsle zur Klassik. Kein großes Orchester, sondern Kammermusik, sogar nur vier Streicher. Das Amadeus Quartett hat in den 1960er und 1970er-Jahren die Landschaft dominiert, es gab schlichtweg kein besseres Ensemble. Erfreulich zudem, dass die Deutsche Grammophon ihre besten Tontechniker entsandte. Die Regale beim Vinyl-Händler sind voll davon. Der komplette Beethoven, Mozart, Haydn. Unser Klangtipp: „Der Tod und das Mädchen“ von Schubert.
Die Stimmung ist fein und schwer für eine Phonostufe zu greifen. Mal geht es an die Maximal-Dynamik, mal wird bedeutungsschwer gesäuselt. Dann aber pures Glück, die Clearaudio verströmt es mit schönstem Vinyl-Samt, dazu mit Kraft und dynamischer Finesse. Die Damen in der Romantik wären ohnmächtig aus ihrem Sessel gefallen, wir hingegen – am Rande der Selbstbeherrschung – baden in einem Meer der audiophilen Informationen.
Wer schon andere Clearaudio Phonostufen gehört hat, erkennt die klangliche Philosophie der Erlanger hier sofort wieder: Sehr offen, sehr genau, eher dazu neigend, die Aufnahmen in ein helleres Licht zu stellen als die einzelnen Informationen schamhaft abzudunkeln. Wer gern auf Entdeckungstour durch seine Aufnahmen geht, ist mit dem Zweiteiler genau auf der richtigen Seite.
Im Vergleich mit unserer Phonostufen-Dauerreferenz, Tom Evens “The Groove” in der 20th Anniversary Edition, zeigte die Clearaudio jene Tugenden, die sie wahrscheinlich den meisten Phonostufen der Top-Liga voraushat: eine enorme Präzision und Transparenz. Erstaunlich, welche dynamische Spannbreite man selbst betagten Platten entreißen kann.
Diese Offenheit beschränkt sich nicht auf den Phonozweig. Ich habe auch über den Kopfhörer-Ausgang Dinge auf meinen Platten entdeckt, die vorher noch nicht einmal erahnt hatte. Diese Phonostufe liebt die kleinen Informationen und den großen Rausch. Und erst recht bei der denkbar gradlinigsten Kette: Plattenspieler (LP12) – Phono/Vorstufe (Clearaudio Balance Reference Phono) – Aktivboxen (HEDD 07 Mk2).
Fazit Clearaudio Balance Reference Phono
Ein Auftritt, der nachhallt. Konsequent aufgebaut und säuberlich in Stromversorger und Leistungsstufe getrennt. Die Clearaudio, eine dieser Komponenten, die das Zeug zur Gefährtin auf Lebenszeit hat – dank hoher feinmechanischer Solidität und der vielen Möglichkeiten wird sie die Besitzer über lange Zeit begleiten können. Der Preis ist deftig, aber für all jene angemessen, die auch von Schallplatten die denkbar größte Informations- und Erlebnisfülle wünschen.
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Enorm feingliedriger Klang, stabiler Bass |
| Tolle Verarbeitung, doppelter Aufbau mit getrenntem Netzteil |
| Eingebauter Kopfhörer-Amp und regelbarer Vorstufenausgang, Fernbedienung |
| Highendiger Preis |
Vertrieb:
Clearaudio
Spardorferstraße 150
91054 Erlangen
www.clearaudio.de
Preis (Hersteller-Empfehlung)
Clearaudio Balance Reference Phono: 7.900 Euro
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Technische Daten
Clearaudio Balance Reference Phono | |
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Konzept: | Phonostufe mit separatem Netzteil und regelbarem Vorstufenausgang |
Eingänge: | 2 (jeweils Cinch + XLR) |
Abschlusswerte MM: | +150 pF, +270 pF, +400 pF |
Abschlusswerte MC: | 10 kΩ, 5kΩ, 1000 Ω, 500 Ω, 100 Ω, 50 Ω |
Ausstattung: | Subsonic-Filter, Mono-Modus |
Besonderheiten: | Regelbarer Ausgang, Fernbedienung, Kopfhörer-Amp |
Abmessungen (B x H x T): | 24,0 x 7,8 x 14,5 cm |
Gewicht (Phono/Netzteil): | 2,9 Kilo (Phono), 2,2 Kilo (Netzteil) |
Alle technischen Daten |