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WestminsterLab Entree
Mit der neuen „Entree“-Linie will WestminsterLab von seinem Teuer-Image wegkommen, bleibt aber natürlich im gehobenen Bereich: Die Interconnects kosten 1.390 (RCA) beziehungsweise 1.490 (XLR) Euro (Foto: WestminsterLab)

Test Interconnect-Kabel WestminsterLab Entree: Handarbeit aus Hongkong

Bislang kannten wir WestminsterLab nur als Heimat ziemlich teurer HiFi-Komponenten: Die Class-A-Monoendstufen namens REI liegen jenseits der 35.000 Euro, die Vorstufe Quest kostet in Vollausstattung mindestens das Gleiche und selbst für die Kabel musste man bislang (Beispiel: 1 Meter Interconnect Standard Carbon) mindestens 3.000 Euro auf den Tisch legen. Und natürlich ist bei WestminsterLab preislich im Kabelbereich noch viel Luft nach oben – das heißt dann entsprechend „Ultra Carbon“. Doch jetzt haben die Hongkong-Chinesen mal einen Gang zurückgeschaltet. Mit der WestminsterLab Entree haben sie eine Kabellinie ins Programm aufgenommen, die mit Preisen unterhalb von 1.500 Euro noch so eben erschwinglich erscheint. Die ersten verfügbaren Exemplare waren Interconnects und so konnten wir zumindest schon einmal vom RCA und dem XLR einen Eindruck bekommen…

WestminsterLab Entree
Auch das Entree-Kabel kommt in einer noblem Verpackung (Foto: WestminsterLab)

Angus Leung ist das perfekte Beispiel für unkontrollierte Entscheidungen, wenn man mit dem High-End-Virus infiziert ist. Der junge Mann aus Hongkong hatte einen Studienplatz in Großbritannien ergattert. Architektur an einer renommierten Universität. Damit hätte er, wieder zurückgekehrt nach Hongkong, ein wunderbares Leben führen können. Doch besagter Virus ließ ihn nicht aus der Leidenschaft. In seiner Jugend staunte Angus Leung, wie unterschiedlich Kopfhörer klingen können. Das wollte er ergründen. Sein Onkel investierte viel Geld in eine High-End-Kombi. Genau zwischen diesem „alten“ Ansatz von Stereo und dem aufkommenden Streaming-Boom setzte Leung sein erstes Produkt – ein USB-Kabel.

Darüber könnten wir lächeln. Doch damals, 2012, gab es nur traurige USB-Strippen aus dem Massenmarkt. Leung war sich jedoch sicher, dass auch USB-Verbindungen unter audiophilen Gesichtspunkten betrachtet und vor allem gehört werden sollten. Damit schuf er nicht nur das erste Produkt seiner Company, sondern das weltweit erste high-endige USB-Kabel überhaupt. Welchen Namen sollte das Kind tragen? Leung erinnerte sich an seine Zeit in England und wählte einen bewusst europäischen Titel – eben WestminsterLab.

Angus Leung
WestminsterLab-Chef Angus Leung ist ein äußerst sympathischer und kenntnisreicher Audio-Entwickler. Das Bild zeigt ihn bei seinem letzten Besuch im LowBeats Hauptquartier in München (Foto: H. Biermann)

Heute mischt man recht weit oben in der Welt der finanzintensiven Kabel mit. Unter eigenen Vorzeichen. So gibt es parallel auch eine hochklassige Elektronik-Serie. Alles per Hand verdrahtet, der Verstärker „Unum“ war auf der High-End-Messe 2012 vom Start weg von vielen Fachjournalisten zum Siegertypen erklärt worden. Besser und eindrucksvoller kann ein Unternehmen nicht beginnen. Aber der Kernwert einer Manufaktur ist Angus Leung wichtig. Daran lässt er nicht rütteln, so stark es ihm auch die finanziellen Verlockungen und das Tempo des globalen Marktes aufzwingen wollen.

Als sei dies nicht eigenwillig genug, gönnt sich Angus Leung noch einen Parallelberuf: Er denkt und tüftelt als Mit-Entwickler auch für den High-End-Streaming-Hersteller Lumin, ebenfalls mit Sitz in Hongkong.

Das Geheimnis der WestminsterLabs Entree

Aber zurück zu den Kabeln. Da gibt es viele Wahrheiten, zu oft gemixt mit Weihrauch und schönen Worten. WestminsterLab ist erfreulich frei davon. Alles soll nachvollziehbar sein. Angus Leung hat sie alle gehabt, alle Legierungen, alle hochreinen Leiter. Sei es Silber, Gold oder Kupfer – unterschiedliche Beschichtungen inklusive. In der Firmenzentrale gibt es natürlich ein großformatiges Messequipment.

WestminsterLab Entree Lager
Die Vielzahl der Materialien lässt es erahnen: Hier wird alles mit großer Fertigungstiefe in Handarbeit erstellt (Foto: WestminsterLab)

Aber am liebsten erfasst Mister Leung den Klangcharakter seiner Kabel in langen Hörsitzungen. Sein ideales Leitermaterial entsteht durch den richtigen Einsatz von Temperatur. Jetzt wird es geheimnisvoll, weil WestminsterLab seine höchsteigene Kunst nicht an die Konkurrenz verraten will. Das Material nennt sich „Autria“, eine Legierung. Wir gehen davon aus, dass es sich um einen Mix aus Kupfer und Silber handelt, aber eben mit verschwiegen gehaltenen Anteilen. Autria wird im Strang gepresst und mit Wärme behandelt, im Finale gibt es noch ein Finish nach den Kryo-Standards, also ein Tauchbad in enorm tiefe Temperaturen („Kryos“ steht im Altgriechischen für „Frost“).

WestminsterLab Entree Hörraum
Die Referenz-Anlage bei WestminsterLab. Angus Leung selbst sagt, man würde bei WestminsterLab viel messen, aber sehr viel mehr hören… (Foto: WestminsterLab)

Simple, eindimensionale Kabel leiden unter der Grundgefahr des Übersprechens. Deshalb verdrillt WestminsterLab seine Leiterbahnen. Aber in welchem Winkel, in welchem Maß? Hier wurde heftig gemessen und gehört, alles im Sinne der perfekten Kapazität, denn diese wiederum hat entscheidenden Einfluss auf die Geschwindigkeit des Elektronenflusses. WestminsterLab setzt auf eine variable Verdrillung – was auch bedeutet, dass jedes Kabel bei unterschiedlicher Länge eine komplett eigene Innenstruktur aufweist.
Wie das Endergebnis verpacken?

WestminsterLab Entree Wickelung
Auch die „Haut“ aus Kohlefaser wurde in dutzenden von Hördurchgängen ausgewählt (Foto: WestminsterLab)

Viele Hersteller setzen auf Kunststoff, andere auf einen Metallmantel. Beides hat für Angus Leung kritische Auswirkungen auf den Signalfluss. Kunststoff bremst aus, Metall wäre ein Einfallstor für ungewollte Hochfrequenz und Magnetfelder. Also selbst machen – mit einem Mix aus Kohlefasern, der wie eine Textil-Haut behandelt wird.

Es gibt eine Hürde in der Fertigungstiefe, über die Angus Leung nicht springen will: Kabel ja, aber bei den Steckern gibt es etablierte Größen auf dem Weltmarkt, die es einfach besser können. Die XLR-Kabel in unserem Test werden mit Neutrik-Steckern veredelt, die Cinch-Meter mit Kontakten von Furutech.

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WestminsterLab Entree RCA
Die Entree-Verbindungen mit RCA…
WestminsterLab Entree XLR
…und mit XLR-Steckern (Foto: WestminsterLab)
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Jetzt lohnt ein Blick in den Katalog und die Preisliste. Da herrscht klares Kastendenken. Es gibt die Standard-Carbon-Serie, dann den Aufstieg zu Ultra und Ultra-Carbon – doch mit der Entree-Serie will WestminsterLab, Nomen est Omen, die Einsteiger anfixen. Schneller Vergleich: Ein Meter Cinch mit zwei Stereo-Strippen liegt in der höchsten Ultra-Carbon-Serie bei 6990 Euro. Holla, da kann selbst Gutverdienern der Schweiß auf der Stirn erscheinen. Bei der Entree-Version hingegen ruft der deutsche Importeur „nur“ 1390 Euro auf. Die verwandten Kabel mit XLR-Kontakt liegen genau 100 Euro darüber.

Wir hatten sie beide, ganz bewusst doppelt. Denn wir mussten natürlich alles ausprobieren. Wie klingen die Kontakte zwischen der Quelle und der Vorstufe, wie anschließend auf dem Weg zu den Monoblöcken? Das Setup war variabel bei unseren Quellen, aber fix bei der verstärkenden Elektronik – da haben wir unser Lieblingsset von Canor aufgeboten.

Gibt es Konkurrenten für die kleine Manufaktur aus Hongkong? Ja. Viele. Mit Kabeln lassen sich Millionen verdienen, ein Haifischbecken, in dem man unter hunderten Fressfeinden schwimmt. Die Referenz-Anlage im großen Hörraum haben wir beispielsweise überwiegend mit Leiterwegen von Siltech (siehe Firmenreport) verbandelt. Die Interconnects stammen dabei aus der Legend 680i-Serie, die zufälligerweise in der gleichen Preis-Liga spielen wie die WestminsterLabs…

Der Hörtest: Die Analytiker gegen die Emotionalen

Wer gewinnt den Hörvergleich? Wir fahren die Amps in den Betriebsmodus hoch. Blöder Nebengedanke: Gerade gestern habe ich mir das Porträt über Keith Richards auf Netflix angeschaut. Der Mann liebt den perfekten Whiskey, seine Zigaretten-Marke, die besten Gitarren – aber er legt seine Lieblingsschallplatten auf einem Player der traurigen Unterklasse auf. Am Geld wird es nicht liegen. Ich hätte Lust auf ein Gespräch mit Keith, welches Verhältnis er denn zu Kabeln hat – bei seiner High-End-Kombi wie im Studio. Wahrscheinlich würde er mir seine Whiskey-Flasche an den Kopf werfen. Erstaunlich viele Musiker kümmern sich einen Kehricht um highendige Fragen. Aber genau jetzt lege ich „The Last Leaf On The Tree“ auf. Ein Song von Tom Waits, zu dem er eben seinen alten Freund Keith gebeten hat. Das ist ultimativ rau, keine Show, kein Hall, zwei Stimmen, Gitarren, wir hören die Finger über die Saiten gleiten – die beiden Herren singen, als ob sie kurz vor der Sperrstunde ihr letztes Guinness bestellt hätten. So naturbelassen, so robust – das ist großartige Musik für einen Kabeltest.

Tom Waits
Ist gerade wegen seiner ungekünstelten Aufnahmetechnik aus meiner Sicht audiophil: Tom Waits „Bad As Me“ (Cover: Qobuz)

Wir kennen das Siltech Classic Legend 680i, es sucht das Maximum an Auflösung und fasziniert mit frappierender Detailarbeit. Den komplett anderen Weg geht das WestminsterLab Entree: Auch hier haben wir die Präzision, aber nicht bis zur letzten Umdrehung, sondern mit deutlich mehr Fokus auf Körperlichkeit. Da sind eben nicht die hellen Saiten und das Nachschwingen allein, sondern dazu dieser Hauch mehr Holzkorpus der Gitarre. Auch die Stimmen der beiden Kettenraucher klingen nach mehr Lebensjahren und mehr Lungenvolumen. Ein Vinyl-Freund würde hier den Fokus auf Westminster legen – obwohl wir den Track per Stick in 24/96 herbei gestreamt haben.

WestminsterLab Entree vs Siltech 680
Die Verbindungen der Siltech Classic Legend 680i (links) geben bei LowBeats in der Referenzkette den Ton vor. Im Hintergrund unter anderem die Referenzbox FinkTeam Borg (Foto: H. Biermann)

Bei Klassik und großem Konzertsaal ändern sich die Spielregeln. In seinen letzten Jahren wollte Herbert von Karajan unbedingt seine Lieblingskompositionen in digitaler Aufnahmetechnik verewigen. Heute wissen wir, dass dies eine kritische Entscheidung war. Viele seiner analogen Aufnahmen waren stärker, zudem sind die frühen Digitalaufnahmen faktisch in ihrem Original durch Drop-outs verloren gegangen und klanglich eher zwiespältig. Eine Ausnahme: das Verdi-Requiem mit den Wiener Philharmonikern. Hier wollte Karajan das Maximum, es beginnt an der Grenze des Hörbaren, unfassbar leise, dann der Tag des Jüngsten Gerichts in dreifachem Forte mit der großen Basstrommel: „Dies Irae“.

Karajan Verdi
Fordert jede Kette bis an die Grenzen: das Verdi Requiem von Karajan (Cover: Qobuz)

Wer bis zu diesem Punkt nicht katholisch, nicht audiophil war, muss ein Glaubensbekenntnis ablegen. Etliche Verstärker, noch mehr Lautsprecher haben in Tests bei genau dieser Musik die Segel gestrichen – das war ein lauer Einheitsklang oder schlicht der Tod der Membranen. Die WestminsterLab-Kabel lieben den Fokus, das ist stark, klar aus einem Fundament der Bässe aufgebaut. Die Siltech-Verbinder wirken auf mich lebendiger, aufgeräumter und direkter, aber halt nicht so emotional. Man könnte sagen: Die WestminsterLab Entree agieren stimmiger, vor allem im musikalischen Kontext. Gleichwohl bleiben die Siltech-Kabel wegen ihrer unbestechlichen Transparenz Teil der LowBeats-Referenzkette. Diesbezüglich sind sie einfach noch stärker als die Entree-Verbindungen.

Unterscheiden sich die beiden Westminster-Kabel in der Cinch- und der XLR-Version? Nein, überhaupt nicht. Der musikalische, auf die Tiefen und Mitten konzentrierte Grundcharakter blieb in unserem Testaufbau gleich. Auch die allgemeine Standard-Philosophie, dass XLR einer Cinch-Verbindung überlegen ist, würde ich in diesem Fall unterschreiben.

Fazit WestminsterLab Entree RCA und XLR

Also sofort kaufen? So einfach ist es nicht. Es besteht die Gefahr der Dopplung – und zugleich die Chance auf den Wunschklang. Konkret: Bin ich Vinyl-Anhänger, dann legen nach meiner Einschätzung die Westminster-Kabel noch einen weiteren Scheit an analogem Lebensgefühl auf die Waage. Es wird warm und manchmal sogar mollig.

Doch es gibt auch den anderen Fall: Fahre ich eine Kette mit digitaler Quelle (wie einem hochklassigem Streamer) und etwa der sehr gradlinigen Backes & Müller BMLine 12, dann wird es wundervoll: Die Westminster-Kabel bringen das Bauchgefühl ein, dazu viele Details in der Abstufung von Mitten zu Bass, bei einem elegant an die Leine genommenem Hochtonbereich. Das sind Wundertäter, sie nehmen jeden Stress aus der Kette, bis hin zu einer grundehrlichen Musikalität. Wenn ich nur Keith Richards überzeugen könnte…

WestminsterLab Entree RCA + XLR
2023/08
Test-Ergebnis: 4,4
SEHR GUT
Bewertungen
Klang
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Hoch musikalischer, dabei noch zupackend-dynamischer Klang
Potenzieller Problemlöser bei über-analytischen Ketten
Gute „Hand Made“ Verarbeitung
Flexibel, gut verlegbar

 

Vertrieb:
IAD GmbH
Johann-Georg-Halske-Straße 11
41352 Korschenbroich
www.westminsterlab.de
www.audiolust.de

Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
WestminsterLab Entree Cinch 2 x 1 Meter: 1.390 Euro
WestminsterLab Entree XLR 2 x1 Meter: 1.490 Euro

Mit- und Gegenspieler:

Die LowBeats Referenz-Anlage: über jeden Zweifel erhaben
Test Vor-/Endstufen-Kombination Canor Hyperion P1 + Virtus M1

 

 

Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.