Unison Simply Italy, Leben CS 300, Ayon Spirit: Bezaubernde kleine Röhrenverstärker gibt es derzeit viele – nur leider kaum passend “laute” Lautsprecher. Ein Entwurf aus den 1950er Jahren könnte hier Abhilfe schaffen. Ein Bekenntnis vorab: Ich liebe den kleinen Simply Italy von Unison. Ein Verstärker, der an Optik, liebevoller Verarbeitung und klanglichem Schmelz alles mitbringt, was ich mir von Verstärkern erträume. Leider kommt er nur mit Mühe auf 10 Watt Leistung und deshalb gibt es nur wenige Möglichkeiten, mit ihm würdige Lautstärken zu erzielen. Die MAX-1, das von Max Krieger eigens für Unison entwickelte 2-Wege-Hochwirkungsgradsystem wäre eine Möglichkeit. Oder halt die Klipsch Cornwall III.
Ein kurzer Blick zurück: Ihren ersten Auftritt feierte die Klipsch Cornwall im Jahre 1959 – damals (neben dem Klipschorn und La Scala) als die kleinste Box im Klipsch Programm und entwickelt für die Aufstellung an der Wand oder in der Ecke. Angeblich wurde sie im Laufe der Zeit für eine freie Aufstellung optimiert. Ich halte das für eine Legende; die Cornwall auch in der neuesten Version III (seit 2006 auf den Markt) ist immer noch einer jener wenigen Lautsprecher, die an der Wand am besten spielen.
Dass die Klipsch Cornwall III ein Kind ihrer Zeit ist, ist unübersehbar. Das Gehäuse mit einem viertel Kubikmeter Volumen und einer Schallwandbreite von 64,3 Zentimetern bietet ausreichend Platz für einen stattlichen 15-Zoll Tieftöner, der etwa 800 Quadratzentimeter bewegte Fläche für die Schalldruckerzeugung ins Spiel bringen kann. Zum Vergleich: Die heute meist gebräuchlichen 20-Zentimeter-Bässe kommen auf etwa 200 Quadratzentimeter. Unterstützt wird der Bass von einer Bassreflexkonstruktion, wie man sie heute nur noch bei großvolumigen Beschallungssystemen sieht: ein über die gesamte Breite offener Schlitz direkt unter dem Tieftöner.
Ebenfalls ein Ausdruck der wattarmen 1950er Jahre ist die Bestückung der Mittel und Hochtöner mit Hörnern. Die beiden Druckkammertreiber sind mit vergleichsweise kleinen Titanmembranen bestückt (Hochton = 2,54 Zentimeter, Mittelton = 4,5 Zentimeter) und sind in ihrem jeweiligen Arbeitsbereich (Hochton = 5 – 19 KHz, Mittelton = 0,9 – 5KHz) jeweils über 100 Dezibel laut. Über Widerstände sind beide an den Pegel des Tieftöners angepasst, der allerdings vergleichsweise wirkungsgradstark ist. Die Klipsch Cornwall III macht 94 oder 95 Dezibel (1Watt/1Meter) und liegt damit locker 10 Dezibel über den meisten, derzeit angebotenen HiFi-Lautsprechern. Das ist großartig. Und obwohl die Treibertechnik nicht mehr allerneuester Stand ist, sind die Verzerrungswerte ausgesprochen niedrig. Dabei sollte keiner glauben, der Frequenzgang verliefe dafür in wilden Wellentälern. Nichts da. Die Klipsch Cornwall III zeigt sich überraschend linear. Und noch etwas belegen unsere Messungen: Ihre Impedanzkurve liegt in etwa auf 8-Ohm-Niveau und schwankt nur unwesentlich. Das sind genau die Bedingungen, bei denen sich kleine Röhrenverstärker heimelig fühlen …
Klipsch Cornwall III: Hören mit viel Pegel
Jetzt will ich aber niemanden von Röhren überzeugen: Man mag die glimmenden Kolben oder eben nicht. Auch klassische Transistor-Verstärker haben ihre Vorzüge. Oder will einer ernsthaft behaupten, ein Metallica-Konzert wie Through The Never käme mit 10 Watt realistischer rüber als mit 200? Mitnichten!
Es gibt ein Video (Cornwall III mit Gryphon), in dem youtube-Nutzer osiposip61 die Klipsch Cornwall III unkommentiert an einer Gryphon-Anlage spielen lässt: Just Music. Und zwar das legendäre „Walking On The Moon“ (Star Tracks) vom Yuri Horning Trio. Schon über den Rechner hört man, dass diese Kette richtig gut klingt. Es geht also auch mit Transistor-Elektronik. Es muss nur die richtige sein.
Also starteten wir mit dem neuen Yamaha A-S1100 und Brinkmanns bewährtem „Der Vollverstärker“. Aufstellung, wie gesagt, direkt an der Wand, mit etwa 1,5 Meter Abstand zur Seitenwand. Da klang die Cornwall III überraschend gut und deutlich besser, als ich es von der größeren Klipsch La Scala in Kombination mit Transistor-Amps in Erinnerung hatte. Was sofort ohrenfällig war: diese unbändige Kraft, der Druck direkt auf das Zwerchfell, jeder Impuls wie ein Hieb. Räumlichkeit? Naja. Die darf man von einem System mit so breiter Schallwand nur eingeschränkt erwarten. Geige und Sopran gehen zwar überraschend gut, muss man sich mit der Cornwall III aber dennoch nicht geben. Jazzrock, den ich am liebsten höre, dagegen umso mehr. Wenn man sich darauf einlässt und sich eine kurze Zeit eingehört und an die manchmal doch deutlichen Horn-Charakteristika gewöhnt hat, beginnt der Spaß. Alben wie Seasick Steves „Underneath A Blue And Cloudless Sky“
passen wie die Faust aufs Auge. Das knallt über die Klipsch Cornwall III, dass es nur so ein Freude ist: Die Gitarren-Riffs kommen so klar und dynamisch, als säße man daneben – naja, zumindest fast. Die Bassdrum schiebt von unten und man will eigentlich immer nur mehr und lauter. Und das Schöne ist: Sie geht noch lauter. Ich habe eine Live-Version von Pete Townshends „Give Blood“, in der der Drummer die Bassdrum wie im Wahn bearbeitet – ein Stakkato von ganz unten. Spätestens da war die Cornwall III in ihrem Element und ich im Delirium – herrlich laut, herrlich sauber, herrlich unverzerrt.
Das hätte ich – ehrlich gesagt – nicht gedacht. Gehäuse von Cornwall-Größe aus furniertem (19 Millimeter starkem) MDF und dieser doch recht amerikanischen Verarbeitungsqualität mit Mut zum Spaltmaß scheppern schnell, zumal, wenn sie zu solchen Pegeln genötigt werden. Ich will nicht unnötig darauf rumreiten, weil es ja zur Cornwall einfach dazugehört: Aber die Verarbeitungsqualität moderner Canton-Boxen liegt um einige Welten höher. Dennoch haben die Klipsch-Leute die Mechanik gut im Griff. Und schön, dass sie sich nicht hinreißen lassen, eine auf moderne Optik getrimmte Version zu bauen. Denn wer sich eine Cornwall ins Wohnzimmer stellt, will ja mit den normalen Konventionen brechen. Ich persönlich finde übrigens, eine Cornwall geht nur in Nussbaum. Aber das ist eine andere Geschichte …
Zurück zum Hörtest, der dann doch damit endete, dass ich den Simply Italy anschloss. Drive und Durchzug ließen etwas nach, die Intensität der Musik nahm noch einmal deutlich zu. Der Hörtest-Klassiker “Stimela” von Hugh Masekela, fester Bestandteil einer jeden HiFi-Messe seit den 90er Jahren, war ergreifend. Weil die Stimme von Masekela so eindrücklich kam und weil die Klangfarbenpracht der kleinen Röhre so wunderbar mit der Fein- wie Grobdynamik der Cornwall III harmonierte. Mir wurde auch wieder klar, warum ich diesen Verstärker so mag – und warum mir Lautsprecher so gut gefallen, die diese Vorzüge der kleinen Röhre so hervorheben können.
Fazit: Klipsch Cornwall III ist die Harley unter den Lautsprechern
Anbiedern an den optischen Zeitgeist? Von wegen! Neueste Motorentechnik – wozu? Satter Sound entsteht aus viel Hubraum. Und die Vorzüge der 1950er Jahre – hoher Wirkungsgrad und Verzerrungsfreiheit – gelten auch heute noch. Klanglich ist die Klipsch Cornwall III die reine Lust an Dynamik, Spielfreude und Druck von unten. Opernfreunde werden mit ihr sicher nicht ganz glücklich, Freunde von Pop und Jazz sehr wohl. Was die Klipsch Cornwall III aber umso wertvoller macht: Sie ist einer der ganz wenigen Schallwandler am Markt, der zu noch überschaubarem Preis auch aus kleinen Röhren ALLES holt. Ein Lautsprecher, der angetan ist, die Freude an handgemachter Musik wieder zu wecken.
Bewertung
BewertungKlangVerarbeitungPraxisRöhren-tauglichGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Enorm hoher Wirkungsgrad |
| Extrem lebendiger Klang |
| Röhren-tauglich |
| Finish mit Schwächen |
Vertrieb:
Orisis Audio
Borsigstrasse 32
65205 Wiesbaden
www.osirisaudio.de
Preis:
2.900 Euro/Paar