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Cayin N3 Pro Test Aufmacherbild
Feiert in der heimischen Anlage fast einen genau so souveränen Auftritt wie in der Westentasche des Autors: der HiRes Mobilplayer Cayin N3 Pro für 599 Euro (Foto: A.Günther)

Test Mobil-Player Cayin N3 Pro: HiRes-Taschenspieler mit Röhrensound

Mobile Musik kommt vom Smartphone. Mag sein. Aber wer das wirklich große Erlebnis will, greift zum ambitionierten Mobilplayer. Ein besonders interessantes Exemplar kommt von Cayin Audio. Cayin? Sind das nicht diese Hersteller von prachtvollen Röhren-Amps? Richtig. Und dementsprechend ist auch der neue Mobilplayer Cayin N3 Pro powered by tubes. Schöner kann mobiler Klang nicht sein. Ein einschneidendes Erlebnis.

Plaudern wir aus der Schule. In so einer Arbeitswoche erreichen uns dutzende Pressemeldungen. Die meisten wirken aufgeregt und angespitzt. Aber sie berühren mich nicht. Doch dann und wann trifft so ein Bömbchen auf unseren Solar Plexus. In diesem Fall ein mobiler Player von Cayin mit dem Kurznamen N3 Pro. Allein schon die Beschreibung bringt die Fantasie in Wallung, die Haare auf den Unterarmen stellen sich auf. Dazu gibt es für die Einführungsphase einen Kampfpreis. Nämlich 600 Euro. Wer zuerst kommt, wird belohnt.

Der Postbote klingelt und bringt das Paket. Ich hatte schon die Fotos auf der Webseite gesehen und werde dennoch bei der Live-Ansicht in der Magengrube getroffen. Das ist ein doppelt-dicker Schokoriegel, süß, edel und wie geschaffen für meinen Spieltrieb.

Das Konzept des Cayin N3 Pro

Es ist nicht zu bestreiten, dass es eine heftige Konkurrenz gibt: nämlich das Handy in der Westentasche. Das kann auch größere Formate wandeln. Nehmen wir Apple als Vergleich: Die Kalifornier haben komplett umgesattelt. Der bekannte iPod wurde abgeschafft, alle audiophile Arbeit wurde an das iPhone weitergeleitet.

Wobei beim Cayin N3 Pro hauptsächlich Bluetooth als Maß der Daten/Musikübertragung gilt. Wer partout seine Kopfhörer mit einem Kabel und einem Stecker bedienen will, der muss sich einen Adapter kaufen. Es liegt zwar ein Kabel bei (USB A auf USB C), aber es ist recht kurz. Darüber wird das gute Stück aufgeladen. Zudem können Musikdaten verschifft werden.

So wird der Charakter des Cayin N3 Pro deutlich: Er will Musik verwalten, wandeln, mit maximaler Ausbeute weitergeben. Das ist unsere Musikmaschine, wenn wir zwischen unserer Wohnung und Ferienhaus pendeln. Aber die Qualität ist so bestechend hoch, dass man den Cayin N3 Pro auch als USB-Wandler für den Rechner oder als exzellente Quelle für die heimische Anlage nutzen kann.

Cayin N3 Abmessungen
Elegant und gut gemacht: Ein gut ablesbares 3,2-Zoll-Touch-Screen-Display erlaubt innigen Kontakt zum Programm. Ein kleines Fenster gibt Einblicke in die Röhren-Show (Foto: Cayin)

Das Design könnte opulenter und schöner nicht sein. Das Gesamtformat ist etwas größer, höher als eine Zigarettenschachtel aus dem Automaten. Nicht wirklich dick. An der rechten Seite gibt es die zentralen Drücker und Regler. Ganz oben wird die Lautstärke vorgegeben, dann ein Trio aus Vorwärts, Rückwärts und Pause/Play. Das ist alles schon so in unseren modernen Lebensstil eingegangen, dass ich den Cayin blind bedienen konnte.

Braucht man aber nicht: Das Display auf der Front ist tastempfindlich und zeigt alle Cover. Schon dieser Punkt ist keine Selbstverständlichkeit. Mir sind so viele Player begegnet, die bei meinen ALAC-Tracks ein fragendes Notensymbol visualisiert haben. In dem Sinne: Der N3 Pro kann alles und macht alles richtig.

Closeup Anschlüsse
Auf der Unterseite haben wir drei Ports. Für große Kopfhörer mit 4.4er Klinke in Balanced-Schaltung und die kleinen Klassiker bei 3,5 Millimetern plus den Zugang beispielsweise zu einem PC am Schreibtisch (Foto: Cayin)

Nach dem Auspacken – schon das ist eine Freude – gilt es zunächst die Sprache auswählen, sonst tun sich Klippen auf.

Cayin N3 Pro Menue
Nach der Sprachauswahl klappt alles selbsterklärend: das Menü des Cayin N3 Pro (Foto: A. Günther)

Danach agiert der Cayin N3 Pro überaus intelligent. Er weiß, wann wir unsere Kopfhörer per kleiner Klinke angestöpselt haben, er weiß, wann wir über unseren Computer hineingehen und ihn als externe Soundkarte ausbeuten. Ein Beispiel: Es geht ins Grüne und wir nehmen so viel Hi-Res-Musik wie möglich mit. Dazu gibt es an der Seite einen Schlitz für die kleinen Speicherchips. Kaum größer als der Nagel an unserem kleinen Finger.

Im Lieferumfang liegt natürlich kein Chip bei. Aber bei Amazon habe ich für kleines Geld 512 Gigabyte geschossen. Dazu noch ein Adapter für USB3. Also einfach an den Mac anstöpseln und per Drag/Drop die liebsten Musikfiles und Ordner hin- und herschieben.

Trotz der geringen Abmessungen ist der Player randvoll mit feinster Technik: Hinter der Röhren-Stufe steht ein Paar selektierter JAN6418-Röhren, die durch Silikon-Lagerung und flexible Platinen gegen Vibrationen und Stöße geschützt werden. Die direktbeheizten Pentoden im Mini-Format entsprechen übrigens Militärspezifikationen. Und weil diese Röhren so robust und zudem noch weich gelagert sind, hat der audiophile Hi-Res-Player durchaus seine Outdoor-Qualitäten.

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Cayin N3 Pro DAC-Board
Das Digitalboard des Cayin N3 Pro. Zwei Wandler vom Typ AK4493 sorgen für eine Hi-Res-Signallieferung von bis zu 32Bit/384 KHz (Foto: Cayin)
Cayin N3 Pro Röhren
Auf  der Rückseite der Platine sind auch die beiden Röhren untergebracht. Man sieht: die Röhren sind ziemlich klein (Foto: Cayin)
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Aber auch beim Durchleuchten des Digitalboards leckt sich der Kenner die Finger: Zwei Asahi Kasei AK4493 DACs dekodieren bis zu 32 Bit/384 kHz und DSD256 nativ. Nach der D/A-Wandlung durchläuft das Signal eine vollsymmetrische Schaltung mit 4,4-mm- und 3,5-mm-Kopfhörer-Ausgängen. Und hier liegt eine klassische Cayin-Besonderheit verborgen: Über den „Timbre-Selektor“ kann der User das Audio-Signal entweder über den Röhren- oder über den ebenfalls angebotenen Transistor-Zweig lenken. Nimmt man den Röhrenweg, kann man noch den Röhren-Betriebsmodus wählen: Triode oder ultra-linear? Eine herrliche Spielwiese. Damit sollte man den Klang feinfühlig an seine Hörgewohnheiten anpassen können.

Plötzlich leuchtet es – die Röhren erglimmen

Und ja: die Röhren bringen was. Cayin hat sie mit etwas Show verpackt. Sie glimmen auf Befehl unter dem Display in majestätischem Rot/Schwarz. Wir fühlen uns wohl. Mir sagt dieses Farbspiel: Das ist genau das Spielzeug, nach dem ich lange gesucht habe.

JAN6418 Röhre
Die sorgen für den betörenden Röhrenklang: ein Paar JAN6418 (Foto: Cayin)

Jetzt die Überleitung: Wie klingt das Schmuckstück? Extrem gut, wenn wir am Timbre Selektor den transistoralen Weg einstellen. Doch der Himmel geht bei den Röhren auf. Auf einmal wird es fülliger, präsenter, druckvoller, reicher in den Subinformationen. Das habe ich bei Klassik, Jazz und Pop versucht – stets war der Effekt gleich. Also: Röhrenstufe über alles. Aber welche Schaltung? Triode oder Ultra-linear? Die Unterschiede sind klein. Wer ein Streichquartett hört, kann sich für einen Hauch mehr Analyse (Ultra-linear) oder Fülligkeit entscheiden (Triode). Auf den Spieltrieb kommt es an. Es gibt an dieser Stelle keinen eindeutigen Klangvorteil für das eine oder das andere. Also nehme ich aus Behaglichkeitsgründen den Weg über die Trioden-Schaltung.

Der Cayin N3 Pro im Hörtest

Was auch bestens zu diesem Album und ein wenig zu dem Anlass passt: Ganz frisch gedenkt die Welt des 80. Geburtstags von John Lennon. Wenn er denn so alt geworden wäre. Tatsächlich hat er nur 40 Lebensjahre erreicht. Aber ein neues Best-of-Album ist erschienen. Mit der Botschaft: Das ist das ultimative Mastering. Bei solchen Worten werde ich voreingenommen kritisch. Und doch: Dieses Mastering bei Gimme Some Truth ist klanglich das Highlight der bisherigen Lennon-Geschichte.

Display im Betrieb
Titel-Darstellung mit Coverbild (Foto: A.Günther)

Jeder Song hat mehr Charme, mehr analoge Basis, mehr Informationen. In „Just like Starting Over“ höre ich Details, von denen ich geschworen hätte, dass sie nie auf der Erstpressung waren. Super. Klasse. Ein Happening. Das hatte ich in meiner ungebrochenen Liebesgeschichte zu den Beatles nie besser gehört als in diesem Mastering und über den N3 Pro. Der Download war günstig, der N3 Pro ist es – gemessen an dem, was er bringt – ebenso. Neben mir steht ein Turm aus Streamer, Plattenspieler, Vorstufe, Endstufe, zwei edlen Standboxen. Und dennoch hat das große Gedeck nicht den gleichen Erotikfaktor. Hier verändern sich gerade Welten.

Als Kirsche auf die Torte noch eine Klassikaufnahme. Und ein Tipp für die Ewigkeit. Die EMI in den Londoner Abbey Road Studios war nicht gerade ein Vorkämpfer für die Stereophonie. Man hat sich erstaunlich lange Zeit gelassen. Aber die Assistenten der Tonmeister durften sich ausprobieren. Auf der einen Seite rotierten die Bänder für das offizielle Mono-Master, irgendwo im Nebenzimmer wurde hingegen in Stereo ausgenommen. So können wir heute auf Legenden zugreifen. Wie beispielsweise die Neunte Symphonie von Beethoven unter Otto Klemperer. Entstanden in den späten 50er Jahren. Karajan ziselierte den Feinklang. Klemperer hingegen schmiedete mit dem Amboss. Ein wundervoller Unterschied.

Ich persönlich bin auf der Seite von Klemperer. Das hat Kante, Energie und eine geradezu brutale Stringenz. Die LP klingt gut, die frühen CDs leider traurig. Nun ist ein Mix in 24 Bit und 96 Kilohertz da. Und ich ringe um Atem. Über den Cayin hat das eine Nähe, als sei es gestern aufgenommen worden. Dabei sind fast alle hörbaren Künstler längst verstorben. Das sind die Wunder des audiophilen Lebens: Wir hören durch einen Tunnel in eine andere Welt. Wieder beglückt uns der Cayin. Diese unmittelbare Nähe zu den Instrumentengruppen, zu den Solisten – das macht der N3 Pro außergewöhnlich gut.

So gut, dass ein Quercheck zum Questyle QP2R nötig wird. Der Questyle ist eine Hightech-Maschine, fraglos mit das Beste, was es derzeit im Bereich der mobilen HiRes-Player überhaupt gibt. Und ja: Der QP2R klingt noch offener, präziser, „schneller“. Doch der Cayin ist nicht so weit entfernt, wie wir vor dem Vergleich gedacht hätten. Und er verleiht der Klemperer-Aufnahme diesen wunderbaren Behaglichkeits-Faktor. Was einen doppelten Wunsch in mir weckt: Bitte, liebe EMI, legt endlich den kompletten Klemperer in Hi-Res vor. Und bitte, liebe Leute von Cayin, bleibt eurem Kurs treu und haltet den verführerischen Preis…

Fazit

Die Botschaft könnte nicht einfacher sein: kaufen. Es gibt an diesem Taschenspieler kein Manko. Alles ist edel, fein verpackt. Klanglich bringt die Röhrenstufe Wahrheiten ins Spiel, die selbst deutlich teurere Elektroniktürme oft nicht entstehen lassen können. Ebenso müssten sich iPhone und Co. warm anziehen. Hier wird Klang in eine unfassbar direkte, verführerische, wahre Ebene gehoben. Der Preis spottet dem schönen Gewinn, zumal aktuell noch der Einführungspreis vor Weihnachten gilt. Ich rate zum Rausch. Ich rate zum Kauf.

Cayin N3 Pro
2020/11
Test-Ergebnis: 4,7
ÜBERRAGEND
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Hochplastischer, Klangfarben-starke Wiedergabe
Wahl zwischen Transistoren- und Röhren-Klang
Leicht zu bedienen, bis zu 1 TB Speicherplatz
Sehr gute Preis/Klang-Relation

Vertrieb:
Cayin Audio Distribution GmbH
An der Kreuzheck 8
61479 Glashütten-Schlossborn
Telefon: 06174-9554412
www.cayin.com

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Cayin N3 Pro: 599 Euro

Technische Daten

Cayin N3 Pro
Prinzip:HiRes Mobilplayer
Ausgänge3,5 mm Klinke + 4,4 mm Klinke
Auflösungbis 32Bit/384KHz
Speicherplatz:bis zu 1 TB
Akku-Laufzeit:etwa 8 Stunden
Ausgangsleistung:0,8 Watt
Besonderheiten:Röhren
Abmessungen (H x B x T):11,5 x 6,3 x 1,9 cm
Gewicht:195 Gramm
Alle technischen Daten
Der Gegenspieler:

Test Digital Audio Player Questyle QP2R – High End mobil

Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.