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Cayin Audio CS-150A Front
Der CS-150A ist der bislang stärkste Vollverstärker von Cayin – und der womöglich beste. Er kostet 5.800 Euro (Foto: Cayin Audio)

Test Vollverstärker Cayin CS-150A: 2 x 100 Röhrenwatt

Ein Röhrenverstärker wie aus dem Bilderbuch. Der Cayin CS-150A basiert auf altem Wissen und ist mit spannenden Optionen garniert. So ist der 34 Kilo schwere Bolide mit 2 x 100 Röhrenwatt der stärkste Vollverstärker aus dem gar nicht so kleinen Cayin-Programm. Und dann bietet dieser prächtige Flaggschiff-Verstärker natürlich auch noch die Marken-typische Besonderheit: nämlich, dass man zwischen Trioden- und Ultralinear-Modus wählen kann. Es ist wie immer bei Cayin: nicht nur die Röhren sind heiß, sondern auch der Preis. Er liegt nämlich bei 5.800 Euro und unterbietet so ziemlich alles, was in dieser Leistungs- und Anspruchsklasse sonst noch unterwegs ist.

Das Konzept des Cayin CS-150A

Zuerst eine Kraftmeierzahl: 34 Kilo. Das nämlich wiegt dieser gar nicht so große Vollverstärker und ich musste mir beim Aus-dem-Karton-Heben tatsächlich Hilfe holen. Wie die Cayin-Ingenieure so viel Material auf so wenig Raum unterbringen können. Das hohe Gewicht ist ein Beleg dafür, dass die sorgsam lackierten Abdeckungen (man spricht von sechs Schichten Hammerschlaglack) für den Trafo und die beiden speziell für den CS-150 A entwickelten Übertrager wohl bis unters Dach gefüllt sind.

Dann ein Schlagwort: Point-to-Point-Verdrahtung. Dies weckt unsere Phantasie. Hier treffen zwei Sprachen aufeinander. Mehr noch. Hier treffen sich zwei Philosophien des gehobenen Verstärkerbaus. Die Lösung ist leicht, dazu braucht es nur ein Bild. Was gemeint ist, zeigt der von unten geöffnete Vollverstärker Cayin CS-150A. Hier wurden die Kontakte eben von Punkt zu Punkt gestickt. Entscheidend ist, was wir nicht sehen. Nämlich eine vereinende Platine. Tatsächlich hat hier kein Roboter gearbeitet, kein Laufband. Ein Mensch allein musste alle Verbindungen per Hand löten.

So hat mein Vater selig in den Sechzigerjahren gearbeitet. Er hat das Handwerk des Radio- und Fernsehtechnikers erlernt. Und irgendwann wollte er einen Röhrenverstärker als Meisterstück vorstellen. Er hat die Prüfung bestanden. Wenn ich heute seinen Entwurf anhebe und die untere Ebene abschraube, dann sehe ich genau die gleiche Welt wie beim Cayin CS-150A. Das dürfen wir nie vergessen: Das Fertigungs- und Schaltungskonzept eines guten Röhrenverstärkers hat sich seit Jahrzehnten nicht verändert. Auch bei Cayin Audio wird alles nach bester Väter Sitte gestrickt.

Beim Blick unter die Haube wird mir warm ums Herz. Das Schaltbild und die Innenansicht wirken weitestgehend symmetrisch. On Top liegen natürlich die mächtigen Wicklungen in der Stromaufbereitung. Im Gehäuse selbst werden die dicken Transistoren an die Seiten geklemmt. Alles andere wird frei verdrahtet.

Cayin Audio CS-150A Innnenansicht
Feinste Fingerarbeit: Im Inneren des Cayin CS-150A wurden fast alle Kabelwege per Hand frei verdrahtet (Foto: H. Biermann)

Die Königsklasse liegt eine Ebene höher. Welche Trafos schließen wir an, für welche Röhren entscheiden wir uns? Cayin mischt hier nicht Wodka mit Whisky, sondern schießt sich auf ein einziges Ideal ein. Alle Röhren stammen von Tung-Sol. Das war einmal eine kleine Company in New Jersey, mittlerweile sind alle Rechte und alle Fertigungswege nach Russland gewandert. Die Company residiert in Saratow an der Wolga. Das ist irgendwo im Nirgendwo, knapp eine Millionen Einwohner im Süden des Riesenreichs, auf halber Strecke zwischen Moskau und dem Schwarzen Meer. Unnötiges Wissen. Auf jeden Fall entstehen hier die besten Röhren, derer sich auch Cayin bedient.

Was fällt uns zuerst ins Auge? Natürlich die vier großen KT150 für die Endstufe. Damit könnte man einen Weihnachtstisch beleuchten. Die Eingangs- und Treiberstufe wird von je zwei 6SN7GTB befeuert. Und was ist das da in der Mitte? Das ist eine 22DE4 NOS. Die wiederum hat nur einen Job – sie agiert als Spannungsgleichrichter.

Cayin Audio CS-150A KT 150
Die KT150 sorgt für die üppige Leistung des CS-150A. Cayin bezieht sie vom russischen Anbieter Tung-Sol (Foto: Cayin Audio)

Super. Das ist ein Fest für jeden Röhrenfan, der ein Gespür für die modernen Archaiker hat. Aber beim Blick auf die Rück- wie Vorderseite wirft uns Cayin aus der Bahn. Der Rücken ist einfacher zu lesen. Es gibt gleich drei Steck-/ Schraubverbindungen zu den Lautsprechern, in der Wahl zwischen vier und acht Ohm. Links davon die Eingänge: zwei Cinch-Paare, ein XLR und ein Cinch-Duo für einen möglichen Pre-In.

Cayin Audio CS-150A Rear
Die Kraft im Rücken. Mächtig erscheinen die drei verkapselten Trafos. An die Lautsprecher gelangt die Spannung wahlweise in vier oder acht Ohm. Ein XLR-Eingang steht drei Cinch-Ports gegenüber (Foto: Cayin Audio)

Der Cayin CS-150A in der Praxis

Wir wechseln die Sicht – und betrachten den CS-150A als Ganzes. Hier ist unsere ästhetische Vorliebe gefragt. Wir können die Röhren des Amps hinter einem passgenauen Gitter verbergen oder sie frei aufspielen lassen – was natürlich viel hübscher aussieht. Aber das ist ein Punkt, der sich je nachdem entscheidet, ob man interessierte Katzen im Haushalt hat – oder gleichfalls gefährdete Kinderfinger…

Cayin Audio CS-150A Gitter
Mit oder ohne? Eine Schutzhaube kann die heißen Röhren abschirmen. In Sekunden ist sie abmontiert. König Kunde bestimmt über das Erscheinungsbild des Cayin CS-150A. Ach ja: zwei Farben stehen zur Wahl – Silber oder Schwarz (Foto: Cayin Audio)

Sprechen wir über Leistung. Im Ultralinear-Betrieb bringt der kräftigste aller bisherigen Cayin-Amps gut 100 Watt pro Kanal an die Lautsprecherklemmen. Das ist enorm. Dementsprechend haben wir auch die Impedanz-kritischen Leisetreter aus dem LowBeats Boxen-Referenzregal angeschlossen, um festzustellen: Dieser Vollverstärker bleibt einfach unbeeindruckt. Die enorme Durchzugskraft bei Bassdrum-Attacken oder bei sehr lauter, tieffrequenter elektronischer Musik (bei der den meisten Röhren-Amps dann doch die Luft ausgeht) blieb einfach erhalten. Eine solche Stabilität ist selten.

Die Wahl der Entwickler fiel auf die KT150. Aber man ist nicht zwingend auf diesen Röhrentyp festgelegt. Thomas Deyerling vom hiesigen Cayin-Vertrieb erklärte, dass experimentierfreudige Röhrenfreunde auch die KT120 oder die neuen KT170 verwenden können. Man muss sie halt im Bias anpassen. Dafür nutzt man einen kleinen Schraubenzieher und das mittige Anzeige-Instrument. Mit ihm kann und muss man die Röhren von Zeit zu Zeit einstellen.

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Cayin Audio CS-150A Bias-Anzeige
Das Bias-Anzeige-Instrument macht viel her und macht viel Sinn: mit ihm wird der Ruhestrom der einzelnen Leistungsröhren optimal angepasst (Foto: H. Biermann)
Cayin Audio CS-150A Bias-Select
Über die kleinen Kippschalter wird eingestellt, welche Leistungsröhre gerade im Bias angepasst werden soll (Foto: H. Biermann)
Bias-Einstellung
Über das Drehen der versenkten Schrauben werden die Ruhestrom-Werte so lange verändert, bis der optimale Wert auf der mittigen Bias-Anzeige eingependelt ist (Foto: H. Biermann)
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Prinzipiell ist das eine kinderleichte Geschichte, wenn man nicht einen zu kurzen Schraubendreher nimmt – denn dann drohen schmerzliche Berührungen mit den sehr heißen Röhren. Und hier ist deshalb auch Kritik angebracht: Es gibt schone etliche Röhren-Amps, die mit einer automatischen Bias-Einstellung arbeiten. Das ist natürlich sehr viel komoder und der Bias regelt dann nach, wenn es technisch erforderlich ist – nicht, wenn man gerade mal daran denkt.

Trioden- oder Ultralinear-Schaltung? Feine Ohren sind gefragt

Beim Cayin CS-150A dürfen wir zwischen gut 50 Watt sinus im Trioden-Modus oder bemerkenswerten zwei mal 100 Watt im Ultralinear-Modus wählen. Ist mehr besser? Nicht unbedingt. Ich habe mir beide Modi lange angehört. Der Trioden-Modus bringt mehr Eleganz und Körperlichkeit ins Klangbild. Per Ultralinear-Modus wird alles schlanker. Die Musik wird mit mehr Muskeln bedacht. Das sind zwei höchst unterschiedliche Wahrheiten. Die schöne Botschaft: Beide haben ihren Reiz und ein simpler Klick genügt, um zwischen den beiden hochwertigen Klangphilosophien zu walten.

Bedienelemente
Drei kleine Schalter – sie bestimmen darüber, ob wir im Trioden- oder Ultralinear-Modus unterwegs sind, dazu ist unsere Entscheidung bei Ruhestrom und dem Ausmaß der Gegenkopplung gefragt. Tatsächlich habe ich den Einfluss der Gegenkopplung kaum gehört… (Foto: Cayin Audio)

Der Hörtest

Ich starte wieder einmal mit Paul McCarney. Der hat sich über die schrecklichen Corona-Tage in sein Heimstudio zurückgezogen. Einmal alles aufnehmen, was man schon immer der Musikwelt sagen wollte. Jedes Instrument spielt der Meister selbst, zudem greift er in die Regler für den idealen Mix. McCartney III ist ein Geniestreich ohne praktische Kompromisse. Und der Cayin ist der perfekte Gefährte. Er bringt das Archaische mit – die Wahrheit jenseits aller Moden. Erstaunlich, wie viele Stile Sir Paul in seinem neuen Album zu mixen versteht. Wir leben ein komplettes Komponisten-Leben nach. In „Deep Deep Feeling“ sind wir in den finalen Tracks der Beatles angekommen. Was für ein mächtiger Bass, wie fein die Struktur der Aufnahme.

Seit neuestem gibt es ja eine Art Lieblingsverstärker in der Redaktion: den Supravox Vouvray. Der Franzose verbindet die Kraft des Transistors mit samtigem Röhren-Sound aus der Vorstufe – ein wunderbar rund und kraftvoll klingender Spitzen-Amp. Doch der Cayin kann noch mehr. Er bietet einen ungemein kernigen Bass mit bestem Impulsverhalten. Die Elektropop-Klassiker von Yello habe ich mit einem Röhrenverstärker in dieser mitreißenden Art noch nie gehört.

Aber fast noch genialer ist die Präsenz der Singstimmen: Hier hört man alles, eine Durchzeichnung und elegante Feinheit, die ihresgleichen sucht. Sollten wir auf Triode oder Ultralinear schalten? Schwierige Frage. Wer den Push liebt, nimmt Ultralinear. Wer sich am Bauch kraulen lassen will, und den Samt der Höhe liebt, nutzt eher die Triode. Das Schöne: Nichts hindert uns daran, zwischen A und B mal schnell umzuschalten.

Holen wir noch einen weiteren Lieblingsverstärker aus dem Regal: den Neukomm CPA155S. Der ist spartanisch aber zielgerichtet. Ein lupenreiner Transistor-Verstärker mit so viel smarter Klangeleganz, als wolle er ein Röhren-Amp sein. Kann er es mit dem Cayin CS-150A aufnehmen? Ja. Aber da mischen sich zwei Welten. Der Neukomm bringt einige Kubikzentimeter mehr an sattem Bassdruck und eine annähernd perfekte Genauigkeit im wichtigen Grundtonbereich. Das Gesamtbild des Cayin ist vor allem in den Mitten und den Höhen eleganter, feiner, „schneller“.

Der CS-150A klingt für eine Röhre ungewöhnlich lebendig und strukturiert. Charakterlich geht er in die Richtung eines Octave V80 SE oder eines Westend Audio Monaco. Beide sind ja ebenfalls ungewöhnliche Röhrenverstärker: Wie auch dem Cayin fehlt ihnen jeglicher Hüftspeck und der Hang zur gemütlichen Wiedergabe. Bei diesen Röhren-Amps stehen die Zeichen nicht auf Schmuse-Sound, sondern auf ereignisreiche Authentizität.

Supravox Vouvray im LowBeats Hörraum
Der Cayin CS-150A im Wettstreit mit seinen ärgsten Vollverstärker-Konkurrenten: dem Supravox Vouvray (links) und dem Neukomm CPA155S (Mitte) (Foto: H. Biermann)

Ich mache noch einen Klassik-Durchgang. Da gibt es eine Neu-Aufnahme, die sich unbedingt vorzustellen lohnt. Aus zwei Gründen: Kirill Petrenko ist endlich als neuer Chef der Berliner Philharmoniker angekommen. Und er vertreibt mit aller Macht die Klang-Philosophie seines Vorgängers. War der Klang der Berliner unter Sir Simon Rattle nett-agil, so wird er jetzt kantig-blutig. Natürlich im Beethoven-Jahr. Und nicht nur irgendeine Symphonie hat Kirill Petrenko eingespielt. Sondern die ganz Große, die Neunte.

Der erste Satz jagt, als ob es um alles ginge. Dann das Finale mit Chor. Hier ist der Trioden-Modus die bessere Wahl. Großartig der Raum. Da wirft mich die Präzision der Berliner Philharmoniker um. Man hört jedes noch so kleine Detail, jedes Ächzen im Orchester. Genau für diese vielschichtige Klangästhetik scheint der Cayin CS-150A gebaut worden zu sein.

Fazit

„Seid umschlungen, Millionen“: Bei dieser Stelle der Partitur muss es uns aus den Schuhen hauen. Ideal im Konzertsaal. Doch in Corona-Zeiten kann den Zauber auch über die Anlage kommen. Nur: die meisten Vollverstärker transportieren so wenig von diesem Zauber. Der Cayin CS-150A sehr wohl. Er verbindet Kraft mit Charisma. Ganz persönlich: Ich kenne keinen Vollverstärker, der diese wunderbare Körperlichkeit bei immerhin noch erträumbarem Preis aufbringt. Ein zutiefst erfüllendes Klangfest.

Cayin CS-150A
2020/12
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERRAGEND
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Enorm dynamischer, sehr feiner und detallierter Klang
Für einen Röhren-Amp extrem kräftig
Einstellbare Modi: Triode, ultralinear, Gegenkopplung
Gute Preis/Klang-Relation

Vertrieb:
Cayin Audio Distribution GmbH
An der Kreuzheck 8
61479 Glashütten-Schlossborn
Telefon: 06174-9554412
www.cayin.com

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Cayin CS-150A: 5.800 Euro

Technische Daten

Cayin CS-150A
Prinzip:Röhren-Vollverstärker
EingängeXLR symmetrisch, Line 1, Line 2, PRE-IN
Röhrenbestückung4 x 6SN7GTB, 1 x RCA 22DE4, 4 x KT150
Speicherplatz:bis zu 1 TB
max. Leistungsaufnahme:520 Watt
Ausgangsleistung:2 x 55 Watt (Triode), 2 x 100 Watt ultralinear
Besonderheiten:zwischen Trioden- und Ultralinear-Betrieb umschaltbar
Abmessungen (H x B x T):42,0 x 21,8 x 38,9 cm
Gewicht:34,0 Kilo
Alle technischen Daten
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Autor: Andreas Günther

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Der begeisterte Operngänger und Vinyl-Hörer ist so etwas wie die Allzweckwaffe von LowBeats. Er widmet sich allen Gerätearten, recherchiert aber fast noch lieber im Bereich hochwertiger Musikaufnahmen.