Die neue Naim Audio Uniti-Linie mit dem hier getesteten Top-Modell Naim Uniti Nova (5.000 Euro) und dessen kleineren Geschwistern Star (4.000 Euro) und Atom (2.200 Euro) bedeuten für die Naim Geschichte eine Zäsur. Sie markiert den Punkt, an dem Lifestyle und High End endgültig verschmelzen und etwas Neues, Selbstverständliches daraus entsteht.
Die neuen Uniti-Modelle von Naim – das sind komplette Anlagen in einem Gehäuse, denen nur noch passsende Lautsprecher fehlen. Audiophile Verstärker mit oder ohne integriertes CD-Laufwerk, aber stets mit vollwertigen Streaming-Fähigkeiten, in einem neuen, selbstbewussten Look, der sich deutlicher als bisher von den Einzelkomponenten des Herstellers unterscheidet.
Was sich nicht verändert hat, ist die Naim-typisch perfekte Fertigungsqualität mit fast schon obsessiver Kontrolle jedes Details – vom Biegeradius der einzelnen Äste eines Kabelbaums bis zum Anzugsdrehmoment jeder einzelnen Gehäuseschraube.
Um der zunehmenden Komplexität der neuen, innerlich hochverdichteten Modelle gerecht zu werden, haben die Engländer im Werk in Salisbury eine komplett neue Abteilung eingerichtet. Deren Arbeitsplätze sind mit einem Touchscreen-basierten Leitsystem ausgestattet, das die Mitarbeiter Schritt für Schritt beim Zusammenbau unterstützt.
Ein Naim Uniti Nova wandert dabei nicht von Platz zu Platz, sondern wird jeweils von einer Person komplett aufgebaut und getestet. Das wirkt zwar auf den ersten Blick nicht sonderlich rationell, muss es angesichts der relativ kleinen Stückzahlen aber auch gar nicht sein. Andererseits verbessert sich die Qualität dadurch nachweislich, weshalb auch andere High-End-Hersteller wie etwa Linn auf diese Art der Fertigung setzen, wie auch einige Autohersteller in ihren Luxusbaureihen.
Man spürt am Naim Uniti Nova sofort, dass der Kampf der Streaming-Amps um Akzeptanz als vollwertige HiFi-Geräte in weiten Teilen der HiFi-Welt als gewonnen betrachtet werden kann. Nun dürfen sie auch noch gut aussehen, ohne gleich den Argwohn der Klangpuristen auf sich zu ziehen. Die Trennung zwischen schön und gut war ohnehin immer künstlich und unsinnig: Es gibt keinen technischen Grund, warum überragend klingende Player und Verstärker hässlich aussehen oder umständlich zu bedienen sein müssen.
Eher schon berechtigt waren und sind Bedenken ob der hohen Verdichtung von Funktionen, von sensiblen Playern und brachialen Endstufen, digitaler Intelligenz und analogen Muskeln in einem gemeinsamen Gehäuse.
Naim selbst hat die akribische Trennung einzelner Funktionsbereiche einst in einzigartiger Gründlichkeit durchexerziert und zum Beispiel Vorverstärker gleich mit zwei externen Netzteilen ausgestattet, von denen eines nur der Versorgung der Umschaltrelais, der Motor-Potis und der Fernbedienungs-Logik diente. Aber gleichzeitig haben die Entwickler dabei vieles über die gegenseitige Einflussnahme der Baugruppen gelernt, was sich jetzt auch bei den hochintegrierten Modellen sinnvoll anwenden lässt.
Das alles und noch viel mehr: die Ausstattung des Naim Uniti Nova
Und andererseits gibt es für ganz Kompromisslose ja immer noch die hochgradig ausdifferenzierten High-End-Einzelkomponenten – man kann also nach wie vor für die beiden Funktionen „Digital-Player“ und „Verstärker“ ein sechsstöckiges Full-Size-Rack füllen, wenn man das denn will und sich leisten kann.
Die kleinen, erschwinglicheren Vor-Endstufenkombis sind dagegen spurlos aus dem Portfolio verschwunden. Das ist aus Sicht des HiFi-Artenschutzes zwar schade, wäre aber ohne eine deutlich rückläufige Nachfrage nach diesen Komponenten sicher nicht passiert. Es lässt auch Rückschlüsse zu, ab welchem Anspruchs-Level die klassische Kette aus vielen schwarzen Quadern noch wirklich sinnvoll oder notwendig ist. Nämlich erst ganz weit oben.
Das ist der eigentliche Fortschritt: dass phantastische Klangqualität nicht nur irgendwie möglich, sondern mit einem Minimum an Verwaltungs-, Verkabelungs- und Platzaufwand viel leichter zu erreichen ist als früher.
Viel schöner ist die neue HiFi-Welt sowieso. Mit seinen gussrauen Einheitsgehäusen und olivgrünen Fronten war Naim einst die HiFi-Entsprechung des Land Rover. Heute leuchtet nicht einmal das Firmenlogo am unteren linken Gehäusewinkel noch im vertrauten Grün.
Dafür wird das Logo aus einer raffiniert versteckten Lichtquelle von oben illuminiert, als stünde es auf einer kleinen Bühne. Ein Halbkreis aus Licht fällt dabei auch auf die Stellfläche und unterstreicht den Firmennamen noch – eine schicke, dennoch dezente Inszenierung, wie so viele andere Details des Naim Uniti Nova, an dem kein Millimeter gestalterisch dem Zufall überlassen wurde.
Da teilen geschickt angeordnete Längs- und Querfugen den massiven, 13 Kilo schweren Gehäusequader in kleinere, leichter wirkende Einheiten. Die Front ziert in der rechten Hälfte ein brillantes, hochauflösendes Display, das Menüs und Covermotive nahezu rahmenlos über die volle Bauhöhe präsentiert – hinter dickem Echtglas.
Buchstäblich gekrönt wird das Ganze von dem riesigen, im Gehäusedeckel versenkten Lautstärkeregler, den die Uniti-Geräte – wie vor ihnen bereits die MuSo One-Box-Systeme – vom Flaggschiff-Vorverstärker NAC S1 geerbt haben. Der bierdeckelgroße, gerändelte Alu-Drehring ist absolut präzise gelagert und wird in dezentes Licht getaucht, sobald man sich mit der Hand dem Gerät nähert. In seiner Mitte finden sich – auch hier unter Glas – ein Ring aus Leuchtsegmenten für die Anzeige der Lautstärke.
Auf der Fernbedienung des Naim Uniti Nova findet sich eine kleinere Ausgabe des Anzeige-Leuchtrings, der dank bidirektionalem Funkkontakt stets zu dem am Gerät synchron ist. Die Funktechnik bringt aber auch handfeste praktische Vorteile, denn die Fernbedienung braucht damit keinen Sichtkontakt mehr zum Gerät.
Sie funktioniert aus jeder Position, um die Ecke und sogar durch Wände. Ich konnte so wunderbar vom Schreibtisch aus Musik hören, ohne bei jedem Änderungswunsch aufstehen zu müssen, um auf den vom Arbeitsplatz aus nicht direkt sichtbaren Nova zu zielen.
Natürlich kann man dafür auch die Naim App verwenden, deren Reichweite nur durch die des WLAN begrenzt ist. Apps sind aber für so simple, spontane Dinge wie Leiserdrehen, Muting oder Skippen nicht ideal – da will man einfach schnell auf einen Knopf drücken können und nicht erst das Tablet entriegeln und/oder zur App wechseln und warten, bis sie sich wieder verbunden hat.
Insofern volle Punktzahl für Naim, die das Thema „physische Fernbedienung“ beim Naim Uniti Nova nicht mit einem billigen OEM-Gummiknubbeldrücker abhaken, sondern es als wichtigen Teil des Gesamtpakets erkennen und auch entsprechend würdevoll und durchdacht umsetzen.
Mit dem Kauf des Naim Uniti Nova ist man sämtliche Quellgeräte- und Verstärkersorgen los, es sei denn, man braucht noch einen Plattenspieler. Denn der ist im Nova natürlich nicht eingebaut – ebensowenig wie der dafür nötige Phono-Vorverstärker.
Auf der digitalen Seite dagegen hat man mit dem neuen, extrem leistungsfähigen Naim-Streamingboard viel mehr als nur einen modernen CD-Player-Ersatz. Seine Fähigkeiten reichen sowohl qualitativ als auch in puncto Vielfalt weit über alles hinaus, was man noch im vergangenen Jahrzehnt für den Stand der Digitaltechnik hielt.
Für das klangliche Ergebnis ist es dabei sekundär, ob die Musikbibliothek auf einem im Heimnetzwerk erreichbaren PC, einem NAS, einer USB-Festplatte oder einem SSD-Speicher residiert – der Nutzer des Naim Uniti Nova kommt, unterstützt von der erstklassig programmierten, absolut stabil laufenden Naim App, stets komfortabel und zuverlässig an die Musik heran.
Umfasst die Bibliothek weniger als 20.000 Titel, muss man nicht mal einen externen DLNA-Server bemühen, sondern kann seine Sammlung einfach auf SD-Karte oder USB-Speicher direkt am Nova einstecken, der dann die Sortierung übernimmt und nicht nur sich selbst, sondern auch anderen Netzwerkplayern im gleichen Haushalt als Server dienen kann.
NAS, Tidal & Co: der Naim Uniti Nova in der Praxis
CDs rippen und eigene NAS-Bibliotheken pflegen ist aus heutiger Sicht ja fast schon retro: Wer will, kommt mit dem Nova auch ganz ohne eigene Musikbestände aus, indem er einen der integrierten Musikdienste abonniert – also Spotify oder TIDAL, die beide jeweils über -zig Millionen sofort abrufbare Titel verfügen. Hinzu kommen Hunderte weiterer aktueller und zukünftiger Musiklieferanten-Apps, die über das Chromecast-Protokoll nahtlos mit dem Nova zusammenspielen.
Der Vorteil gegenüber dem – ebenfalls möglichen – Streaming von mobilen Geräten per Airplay oder Bluetooth liegt dabei in der sowohl qualitativ als auch vom Komfort her besseren Arbeitsteilung: Die Chromecast-fähige App auf dem Tablet oder Smartphone dient dabei nur als Auswahl- und Steuerwerkzeug, während der eigentliche Abspielvorgang komplett an den Nova abgegeben wird.
Das vermeidet unnötiges Hin- und Herschaufeln von Daten übers WLAN, schont den Akku des mobilen Geräts und das Album läuft auch dann weiter, wenn Smartphone samt Besitzer mal Bier holen und damit außerhalb der WLAN-Reichweite sind. Zudem gibt es kaum Einschränkungen bei der Qualität – oder sagen wir neutral: Datenrate – des gestreamten Materials.
So kann etwa der Musikdienst Qobuz via Chromecast sogar in HiRes-Qualität genutzt werden (zumindest, wenn man das entsprechende, nicht ganz billige „Sublime“-Abo hat), ohne die bei Airplay und erst recht bei Bluetooth notwendige, klanglich wenig hilfreiche Umrechnung auf das jeweils einheitliche Transportformat (Apple Lossless in CD-Auflösung bei Airplay, irgendwas Datenreduziertes bei Bluetooth).
Die höchsten Auflösungen jedoch sind mit klassischem DLNA-Streaming möglich, wo bis zu 384kHz Samplingrate bei 32bit Wortbreite oder DSD mit doppelter Rate (also 5,6MHz) in den mit Naim-eigenen Algorithmen programmierten, FPGA-basierten Digitalfilter geschoben werden. Das bedeutet schwindelerregende Datenraten (384/32 etwa bringt sogar klassisches Kabel-LAN ans Limit), jedoch nicht automatisch eine proportional höhere Qualität.
Wichtiger ist dabei, dass man in den Weiten des Internet kaum eine Datei finden wird, die der Naim nicht in nativer Auflösung spielt. Er tritt damit, wie es sich gehört, gegenüber der Musik zurück und tut einfach was er soll, unabhängig davon, welche Formate, Wiedergabewege und Bedien-Szenarien der Nutzer bevorzugt oder gewohnt ist.
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