Der neue BMW M140i xDrive gleitet mit dem leisen Brummeln einer entfernten Hummel mit Landstraßentempo über die Schwäbische Alb. Dazu wähle ich über die Sprachsteuerung des im Stil des neuen 7er BMW neugestalteten iDrive-Menüs aus meinem iPhone den Titel “Heathens” von den Twenty One Pilots aus, der richtig satt, klar und kraftvoll aus den Lautsprechern kommt. Anschließend wechsele ich in das Fahrinfo-Menü und starre ungläubig auf die Verbrauchsanzeige. Als ich für einige Minuten hinter einem Lastwagen festhänge, fällt der Durchschnitt dieser 77 Kilometer langen Tour gar unter 6 Liter auf 100 Kilometer (im Ziel soll der Bordcomputer später 7,4 Liter Durchschnitt ausweisen).
Meine Gedanken kreisen um eine Frage: Wie wäre mein Autofahrerleben verlaufen, wenn ich dieses Gerät in der Garage gehabt hätte? In zwei Dingen bin ich mir sicher: Weniger Zoff mit meinen Öko-Frauen und bestimmt ein oder zwei Clubsport-Pokale mehr im Schrank.
Schließlich kann sich der brave Brummer in Sekundenbruchteilen in eine zornige Hornisse verwandeln, die mit ihren 500 Nm Drehmoment unter dem Blechkleid des zierlichen “Frauenautos” fast jeden Machosportler auf diesem Planeten demütigen kann – wenn der Fahrer will.
Aber der will nicht. Der Fahrer träumt von einem Vierteljahrhundert Freude am Fahren und dreht die Musik auf, nicht die Drosselklappe des 340-PS-Triebwerks.
Da bin ich dann doch überrascht, denn ich hatte eher mit dem Gegenteil gerechnet. Aber, wenn du nur die Daten des BMW M140i xDrive anschaust, die in Verbindung mit der hohen Traktion des Allradantriebs eine vergleichbare oder sogar bessere Performance als beim feuerwilden 1M Coupé erwarten lassen, bekommst Du ein völlig falsches Bild von diesem doppelten Flottchen.
Der BMW M140i xDrive kann vom Antriebsstrang so sanft sein, wie man es nur einer 5er-Limousine zutrauen würde. Er ist zwei Fahrzeuge in einem: Vernünftiges, sparsames Alltagsauto und Sportwagen. Genau das war für mich immer die Essenz der Autos, bei denen das BMW-Sondereinsatzkommando aus Garching seine Finger im Spiel hatte. Nehmen wir mal den M3GT E36.
Zwar sieht der neue Star im Kompaktsegment zum Glück viel dezenter aus, was meiner Vorstellung von Understatement auch sehr entgegenkommt, doch es gibt einige Gemeinsamkeiten. BMW machte zum M3GT (kaum zu glauben, wofür BMW heute das Gran-Turismo-Kürzel verwendet) kein Aufheben – weder in der Presse noch in der Werbung.
Der heute als Highlight gerne präsentierte Extremsportler fehlte sogar im großen M Power Buch und jeder bei BMW hat dir damals eine andere Stückzahl der limitierten Serie genannt. Das hatte schon etwas von einer Droge, die unterm Ladentisch gehandelt wird.
Mit dem neuen BMW M140i xDrive verhält es sich ganz ähnlich. Du findest keine Tests im Netz, nur Videoblogger, die jammern, weil es keine Testwagen gibt. Heute wollte ich Pressebilder herunterladen.
Da gibt es gerade ein Motiv und selbst auf der Homepage vom BMW Deutschland ist auf der Startseite der 1er-Reihe noch vom Vorgänger M135i die Rede, der mit seinen 50 Nm und 14 PS weniger jetzt bereits in Rente geschickt wurde.
Verkehrsberuhigte Zone
Man könnte sagen, das HiFi-System sei schuld, dass ich die ersten Tage mit dem BMW M140i xDrive überwiegend wie mein eigener Großvater unterwegs war, das greift aber eindeutig zu kurz.
HiFi macht im 140er nicht nur deshalb so einen Heidenspaß, weil das System für seine knapp 800 Euro sowas von breitbandig, ausgewogen und hochauflösend ist.
Auch der Motor gibt eine Steilvorlage zum Musikhören und zum relaxten Cruisen. Es ist schon einige Zeit her, dass ich den direkten Vorgänger M135i gefahren bin, aber es blieb auch nach einer kurzen Runde haften, dass der rundum sehr viel kerniger agierte. Und auch andere Autos, die mir so einfallen, sind da deutlich lauter.
Inzwischen weiß ich auch warum. BMW hat durch eine neue quellennahe Dämmung des Aluminium-Triebwerks und einen drehzahlabhängig wirkenden Schwingungstilger am immer noch unübertroffenen Achtgang-Automatikgetriebe ZF 8HP den gesamten Antriebsstrang des BMW M140i xDrive so was von ruhig gekriegt, dass er akustisch kaum in Erscheinung tritt, solange man cruist.
Selbst zu Zeiten der – von der effizienteren, aber im Verbrennungsablauf härteren Direkteinspritzung verdrängten – Saugrohreinspritzung liefen die Reihensechszylinder nicht so smooth.
Für Ohrenmenschen ist der BMW M140i xDrive DAS Auto. Von innen und von außen. Selbst, wenn Du ihn mal im Sportmodus trittst, bleibt er Gentleman. James Bond haut auch nicht drauf wie Rambo. Er macht das elegant, effizient und lautlos, mit einem coolen Spruch.
Sorry, aber ich muss in diesem Zusammenhang mal etwas loswerden. Wenn Du dieser Spätsommertage in Straßenkaffees sitzt und sensible Sinne hast, könntest Du als ausgewiesener PS-Freak zum Autohasser mutieren und schärfere Gesetze fordern.
Diese allgegenwärtigen Diesel hinterlassen abgesehen von Duftmarken eine Kakophonie aus schroffen Klängen. Ein regelrechtes Gemetzel für audiophile Ohren mit Sinn für Motorensounds.
Vorhin hat ein anfahrender Diesel-Van mit seinem Genagel den vor ihm startenden Porsche Carrera komplett übertönt – und der ist alles andere als leise, aber er klingt nach Musik.
Das kann man von den ganzen Downsizing-Turbo-Benzinern im sportlichen Segment kaum behaupten, zumal die Entwickler der meisten Hersteller auch noch meinen, durch prollige Fehlzündungen nachwürzen zu müssen, um ihren Kunden das Fertigmenü aus dem Konzernregal schmackhaft zu machen.
Das wirkt wie Geschmacksverstärker oder viel Zucker in Naschereien: Die Fahrer solcher “Sportwagen” können den Hals nicht voll genug kriegen, legen vor allem an belebten Ecken, ja sogar in 30-Zonen von Wohngebieten peinliche Kavalierstarts hin. Sie bringen die hochgezüchteten Miniatur-Motoren in absolut schwachsinnige Betriebszustände, um es hinten raus richtig knallen zu lassen. Das klingt mit Verlaub nach Furzkissen und wirft die Entwicklung des Automobils sehenden Auges um Jahrzehnte zurück.
BMW M140i xDrive: Sound aus 12 Boxen und 6 Töpfen
Der BMW M140i xDrive enthält sich solcher Effekthascherei, brummt kurz dezent auf beim Motorstart, um dann in ein leises, aber umso souveräneres Summen zu verfallen, dass es einem richtig Lust auf die anstehende Fahrt macht, wenn man aussteigt, um das Tor der Tiefgaragenbox zu schließen.
In diesem Umfeld verkörpert das Harman HiFi-System das Sahnehäubchen. Ich hatte weder die Stoppuhr noch den Pegelmesser dabei, doch über Auto und Anlage kann ich unzweifelhaft sagen, dass sie auf einem Level spielen, welches sie auf Grund des Preises eigentlich niemals erreichen dürften.
Der TwinPower-Turbo des BMW M140i xDrive, intern B58 genannt – alle, die noch mit Baukästen von Revell oder Airfix aufgewachsen sind, denken dabei natürlich an einen sauschnellen strategischen US-Düsenbomber – ist brutal, aber niemals zornig und wirkt erst recht nicht angestrengt.
Zahlen wie der 0-auf-100-Sprint (4,4 Sekunden) interessieren mich seit Mitte 20 wenig. Was mir dagegen immer noch richtig Spaß macht: Voll aus der Kurve beschleunigen oder Vollgas geben, wenn Du ohnehin schon schnell unterwegs bist.
Über einen Schulfreund, der bei Saab im Vertrieb arbeitete, konnte ich in den 80ern und 90ern die ganzen aufgeladenen Saabs fahren. BMW hatte zwar mit dem 2002 Turbo Anfang der 70er Jahre das erste Serienauto mit Abgasturbolader auf die Straße gebracht und bereits Mitte der 40er-Jahre mit dem revolutionären 803-Flugzeugmotor mit Turbo-Unterstützung eine Benchmark in Sachen Leistungsabgabe von Kolbenmotoren gesetzt.
Aber es waren die Schweden, die Zwangsbeatmung durch Abgasturbinen flächendeckend für normale Autofahrer verfügbar machten.
Werde nie vergessen, wie ich den kultigen 900er aus dem Stand voll ausbeschleunigte, um nach mehreren explosionsartigen, von Reißen in der Lenkung begleiteten Turboschüben kurz vor dem nächsten Schaltvorgang wunder zu glauben, wie schnell ich war.
Nur um dann festzustellen, dass es gerade mal knapp über 100 waren, was mit meinen damaligen BMWs ganz unspektakulär im zweiten Gang möglich gewesen wäre.
Mit dem BMW M140i xDrive verhält es sich diametral entgegengesetzt. Du fährst 120, drückst auf die Tube, schaust wieder kurz nach vorne und wenn Du das nächste Mal auf den Tacho blinzelst, stehen da Werte an, die Du fast nicht glauben magst: 200 – echt jetzt?
Und das Ganze geschieht gleichmäßig, ohne Rucken, Drücken oder jegliches Drama. Du hast weniger das Gefühl, aus einer Kanone geschossen zu werden, auch wenn das die objektiven Beschleunigungswerte nahelegen.
Es ist eher so, als ob die Welt um Dich schlagartig abgebremst, ja fast schockgefrostet wird. Am ehesten beschreibt es das Gefühl der Ruhe im Auge des Sturms, das ich sonst nur aus weit größeren Autos wie dem Porsche Panamera oder dem Rolls-Royce Dawn kenne.
Der 1er BMW ist erwachsen geworden
Der BMW M140i xDrive wurde offensichtlich gebaut für Leute, die einfach gerne flott unterwegs sind und die Souveränität scheinbar unerschöpflicher Reserven goutieren können. Vor allem ist er ein Wagen für jene, die für dieses erhabene Gefühl keine über fünf Meter lange Karosserie mit sich herumschleppen möchten. Er ist kein Auto für spätpubertäre Möchtegern-Rennfahrer, die sich auf der Flaniermeile wie Vettel oder Rosberg auf dem Nürburgring vorkommen wollen.
Keine Frage, der Turbo ist sehr erwachsen geworden, ähnlich wie das Düsentriebwerk, das anfangs seiner Entwicklung von unerschrockenen Jetfighter-Piloten gezähmt wurde und heute besoffene Partyanimals und brave Familien mit kleinen Kindern ohne Spektakel nach Mallorca kutschiert.
Mit dem B58-Motor im BMW M140i xDrive hat der Turbo aber zweifellos ein neues Level erreicht. Kein Wunder, dass sich zwei Freunde, die bei den Münchnern in der Entwicklung arbeiten, gleich beide einen M240i xDrive (den schönen Bruder des M140i) bestellt haben – begleitet von einer Vorfreude, wie man sie eigentlich eher von kleinen Jungs kennt.
Im übertragenen Sinne zeichnen die Eigenschaften des Gefährts auch das Sound-System aus. Nur sind seine Papierdaten nicht so eindrucksvoll. Harman gibt gerade mal 360 Watt an; das beeindruckt heute nicht mal mehr einen Kleinwagenfahrer.
Doch wie schon im Mini ist die Wirkung in der Summe aller Teile gewaltig. Schließlich entscheiden andere Punkte über das Ergebnis. Allein der Unterschied zwischen einem guten oder schlechten Einbaupunkt eines Treibers kann bis zu 12 dB im Schalldruck betragen. Das holst du mit einem größeren Verstärker kaum noch auf.
Auch der Mini Cooper S beeindruckte schon im letzten Jahr mit den 400 Watt seines Harman/Kardon-Systems, das nicht nur innerhalb des Kleinwagensegments ein Ausrufezeichen setzte. Trotz 40 Watt Leistungsdefizit auf den Briten mit bayrischen Genen wirkt die Anlage des BMW M140i xDrive nicht minder kraftvoll als das Auto.
So wie die BMW-Ingenieure bei Motor und Fahrwerk ganz genau kalkulierten, was sie tun, spürt man auch die Routine der Harmänner. Vorne, wo es bei einem meist von nur einer Person benutzen Kompakten am meisten darauf ankommt, gaben sie alles. Hinten, wo gewöhnlich höchstens der von Ohrstöpseln an den Rande des Tinitus gerappte Nachwuchs hockt, wurde improvisiert.
Leistung ist nicht alles
Es klingt im verhältnismäßig geräumigen Fond des BMW M140i xDrive nicht mal wirklich schlecht. Zumindest, wenn man ohne audiophile Ansprüche herangeht. Der Bass ist richtig gut, der Rest auch ganz ordentlich.
Du sitzt halt nur mit dem Rücken zu Bühne. Und das, obwohl ich mit dem Fader den Fokus ein ganzes Stück nach vorne geschoben hatte, was sich auch für Fahrer und Beifahrer als beste Wahl erwies.
Ich glaube, Harman/Kardon hat die beiden hinteren 2-Wege-Systeme nur seitlich hinter der Rückbank des M140i eingebaut, um damit Fahrer und Beifahrer mehr Räumlichkeit zu bieten. Dort machen sie einen tollen Job als eine Art-Surround-Lautsprecher, obwohl es nur Stereo gibt. Der räumliche Abstand sorgt automatisch für eine Art Raum-Echo.
Im Mini sitzen die Fond-Lautsprecher dagegen direkt hinter den Vordersitzen, mit dem Effekt, dass sie bei seiner reinen Stereo-Ansteuerung viel zu dominant in Erscheinung treten. Deshalb klingt es in dem kleinen britischen Bruder auch wie unter einem riesigen Kopfhörer, was eine jüngere Zielgruppe vielleicht sogar toll findet.
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