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40 Jahre Canton, neuer Geschäftsführer Christoph Kraus
Canton war schon oft seiner Zeit voraus. Mit dem neuen Geschäftsführer Christoph Kraus werden die Weichen wieder auf Zukunft gestellt. LowBeats hatte den neuen Canton Chef im Interview (Foto: R. Vogt)

Neuer CEO und + neue Ideen bei Canton: Interview mit Christoph Kraus

Der Generationswechsel ist in der HiFi Branche eine große Herausforderung, die nicht jedes Unternehmen – sei es Hersteller, Vertrieb oder Händler – gut bewerkstelligt. Häufig fehlt es an Nachwuchs. Und da die meisten HiFi Firmen in den 1970er oder 1980er Jahren gegründet wurden, rollt jetzt eine Welle von altersbedingten Veränderungen auf die hiesige HiFi-Szene zu. Bei Deutschlands bekanntestem Lautsprecherhersteller Canton sind diese Sorgen vom Tisch. Im Juni dieses Jahres wurde offiziell der 42-Jährige Christoph Kraus zum Nachfolger von Canton-Gründer und -Geschäftsführer Günther Seitz berufen. Seitz hat hier doppeltes Glück: Christoph Kraus hat wegen seines Vorlebens als Banker ein gutes Händchen für die Finanzen und ist als Schwiegersohn zudem ein Mitglied der Familie. 100 Tage nach seiner Amtseinführung war LowBeats für ein Interview vor Ort.

LowBeats: Man sagt, nach 100 Tagen kann man schon einmal sagen, wo die Reise hinführt. Wie fühlt sich Christoph Kraus als frisch gebackener Geschäftsführer von Deutschland bekanntestem Lautsprecher-Anbieter?

Christoph Kraus: Bestens. Zum einen, weil ich das Unternehmen und die Umstände ja kenne, zum anderen weil alle im Team an einem Strang ziehen. Schwieriger finde ich eher den Umstand, jeden Tag 45 Minuten für die Fahrt von Frankfurt hierher im Auto verbringen zu müssen. Früher hatte ich einen Arbeitsweg von 5 Minuten. Aber ich wusste ja, worauf ich mich einlasse…

Canton Geschäftsführer Christoph Kraus
„Ich fühle mich hier sehr wohl“: Canton Chef Christoph Kraus nach 100 Tagen an der Spitze (Foto: R. Vogt)

Natürlich ist für mich vieles neu. Und natürlich sind die Fußstapfen, in die ich trete, sehr groß. Aber ich habe das große Glück, dass Günther Seitz beratend immer noch dabei ist. Er kommt jeden Tag – was ich sehr begrüße. Das versetzt mich in die glückliche Lage, alles von ihm lernen zu können. Er unterstützt mich tatkräftig dabei, meinen Weg zu finden. Ich könnte ja Dummheiten machen, die er mit seiner Erfahrung sofort erkennt. Es gibt also keinen harten Schnitt, das wollten wir in der Familie nicht.

LowBeats: Aber Sie sind nicht nur viele Jahre jünger als Günther Seitz, Sie haben als Banker auch einen ganz anderen Background – und damit einen anderen Blick und einen anderen Ansatz?

CK: Günther Seitz ist Techniker. Er kennt in diesem Betrieb jede Schraube. Ich sehe mich eher als Anwender und möchte wie unsere Kunden begeistert werden. Und ja: Als jemand, der noch vor kurzem mit Wertpapieren gehandelt hat, bin ich ein Zahlenmensch und schaue darauf, dass diesbezüglich auch weiterhin alles in Ordnung ist. Wir müssen, das ist die Devise, unsere Finanzkraft behalten – was aber nicht ausschließt, manchmal etwas zu wagen…

Günther Seitz, Canton Gründer und Schwiegervater von Christoph Kraus
Auch nach 47 Jahren immer noch dabei: Günther Seitz war Mitbegründer im Jahre 1972, machte Canton zum bekanntesten deutschen Lautsprecherunternehmen und berät das Team auch nach seinem offiziellen Ausstieg (im Sommer 2019) noch eine Zeit (Foto: Canton)

LowBeats: So wie mit der neuen Smart-Technologie…?

CK: So wie mit unserer neuen Smart-Technologie. Unser Entwicklungsleiter Frank Göbl saß eines Tages bei mir im Büro und schwärmte von den Möglichkeiten. Davon habe ich mich schlussendlich überzeugen und anstecken lassen. Die Smart-Plattform ist sehr vielfältig und einfach zu bedienen. Die Entwicklung erforderte von uns allen einen hohen Einsatz. Mittlerweile zeichnen sich schon die ersten Erfolge ab und außerdem beflügelt Smart ja auch unser klassisches Lautsprecher-Programm. Wir haben damit unsere Zukunfts-Technologie selbst entwickelt, die wir nun auch sukzessive in viele Lautsprecher unseres Portfolios einbauen wollen – wie beispielsweise in die Smart Reference 5K.

Canton Entwicklungsleiter Frank Göbl
Einer der hellsten Köpfe der HiFi-Branche: Canton Entwickler Frank Göbl, der mit der neuen Smart-Technologie eine Canton-eigene, mehrkanalfähige und HiRes-taugliche Elektronik-Plattform für Lautsprecher, Verstärker und vieles mehr entwickelt hat (Foto: R. Vogt)

Christoph Kraus: „Mit Smart haben wir unsere Zukunfts-Technologie selbst entwickelt.“

LowBeats: Gibt es denn überhaupt einen Grund, warum nicht jeder Lautsprecher aktiviert werden sollte? Bei diesen Möglichkeiten…?

CK: Wenn wir in 5 Jahren wieder über das Thema sprechen sollten, hoffe ich sagen zu können: Nein, es gibt keinen Grund, Lautsprecher nicht zu aktivieren. Der Kunde will keine Kabel mehr verlegen, außerdem möchte er seine Musik vom Streaming-Dienst möglichst einfach abspielen. Gleichzeitig nutzt er die Multiroom-Möglichkeiten und genießt vielleicht sogar den 3D-Klang. All das und noch viel mehr bietet unsere neue Smart-Technologie. Auf was der Kunde aber nicht verzichten möchte, ist guter Klang. Dieser kommt bekanntlich aus Standboxen und Canton ist ein Hersteller, der qualitativ hochwertige Standboxen baut.

LowBeats: Das bedeutet aber auch, Canton hat einen neuen Kundentypus im Visier?

CK: Auch. Wir wollen auch der neuen Art, Musik zu hören, Rechnung tragen – Stichwort: Smart-Generation. Die Hörer haben eine andere Art des Musik-Konsums. Wir werden natürlich auch in Zukunft passive Lautsprecher bauen; das können wir, das ist unser Kerngeschäft. Aber es ist ein bisschen wie in Ihrem Gewerbe: Gedruckte HiFi-Magazine haben ja immer noch ihre Berechtigung. Aber die Auflage wird halt beständig kleiner

Canton Geschäftsführer Christoph Kraus
Will neue Vertriebswege beschreiten, aber gleichzeitig den aktiven Fachhandel unterstützen: Christoph Kraus (Foto: R. Vogt)

LowBeats: Es erscheint wie ein Paradigmenwechsel: Früher konkurrierte Canton mit Elac, Heco und Magnat, heute mit Sonos, Yamaha & Co. Müssen sich dann nicht auch die Vertriebskanäle – Stichwort Direktvermarktung – ändern?

CK: Ich bin mir sicher, dass wir auch weiterhin mit den genannten Herstellern im Wettbewerb stehen werden. Allerdings sehen wir, dass die Menschen in den Industriestaaten immer mehr online kaufen, weil das ja auch bequem ist. Mir geht es ja selbst nicht anders. Und es wäre fahrlässig, uns nicht an das neue Käuferverhalten anzupassen. Das soll aber in keinem Fall heißen, dass wir den Fachhandel ab jetzt links liegen lassen. Im Gegenteil: Ich ermuntere unsere Händler dazu, die Chancen mit uns gemeinsam zu ergreifen und unterstützen dies auch mit Aktionen vor Ort.

LowBeats: Wie muss ich mir das vorstellen?

CK: Kürzlich hatten wir eine Aktion mit den HiFi Profis in Frankfurt. Wir haben gemeinsam diese Aktion im Laden veranstaltet und Kunden eingeladen. Auf einer abgegrenzten Fläche konnten wir die Vorzüge der neuen Smart-Technologie zeigen und vorführen. Das bietet uns als Hersteller die Chance, uns den Kunden zu präsentieren und die Nähe zum Fachhändler zu zeigen. Solche Aktionen sind perfekt. Sie binden den Kunden enger an den Händler, aber auch an den Hersteller.

LowBeats: Reicht das aus, um den Unmut der Händler über den Canton-Webshop zu dimmen?

CK: Natürlich bekommen wir Gegenwind, weil wir die Produkte aus der 45 Anniversary-Line exklusiv online vermarkten. Ich betrachte die Kritik aber immer gerne von allen Seiten und aus Händlersicht verstehe ich den Ärger: Da kommt ein Kunde und konfrontiert mich mit einem Canton-Lautsprecher, den ich als Händler nicht vertreiben kann.

Aber es gibt eben immer mehr Kunden, die aus verschiedenen Gründen gar nicht erst in den Fachhandel gehen. Das sind die klassischen Online-Kunden. Für den Fachhändler sind diese Kunden schwer zu erreichen. Ich als Canton Geschäftsführer möchte diese Kunden aber für uns gewinnen. Über unser Online-Angebot habe ich die Möglichkeit, sie an die Marke Canton zu binden. Deshalb steht mittlerweile unser gesamtes Programm zum UVP online. Ausnahme ist Reference: Unsere Top-Serie ist exklusiv dem autorisierten Fachhandel vorbehalten.

LowBeats: Zusätzlich gibt es seit neuestem bei Canton aber auch Showrooms…

CK: Das stimmt. Wir haben uns als Hersteller den Kunden geöffnet und bieten ihnen die Möglichkeit, uns zu erleben. Der Kunde kann nach Voranmeldung zu uns kommen und unsere Lautsprecher probehören. Gleichzeitig ist es mir ein Anliegen, uns auch erlebbar zu machen. Deshalb geben wir Einblicke in unsere Produktion. Die Kunden können gerne sehen, dass wir in Weilrod alles von Hand produzieren und prüfen.

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Canton Stereo-Hörraum
Der Kamin ist zwar nur auf dem Bild, trotzdem wirkt Cantons Stereo-Showroom sehr gemütlich und großzügig. Hier kann der Besucher (nur nach Voranmeldung unter [email protected] oder +49 (0)6083 287-77) nach Herzenslust die Linien miteinander vergleichen (Foto: R. Vogt)
Canton AV-Showroom
Im AV Showroom von Canton werden überwiegend die Mehrkanallösungen gezeigt. Der Raum ist großzügig gestaltet und bietet alle Möglichkeiten bis hin zu Dolby Atmos  (Foto: R. Vogt)
Effektsprecker@Lichtleiste
Pfiffige Lösung: Die Effektspeaker werden im Canton AV-Showroom von der Lichtleiste gehalten und mit Signalen versorgt (Foto: R. Vogt)
Canton Entwicklungs-Hörraum
Neben den beiden Showrooms hat die Entwicklungsabteilung noch einen eigenen, ebenfalls sehr großen und akustisch fein getunten Hörraum, in dem alle Modelle bis zur finalen Abstimmung entwickelt werden (Foto: R. Vogt)
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„Showrooms in Hamburg oder München? Das wäre ein gangbarer Weg.“

LowBeats: Neue Technologie, neue Produkte, neuer Käufer-Typus: Schreit das nicht alles nach weiteren Showrooms in Berlin, Hamburg, München oder anderen urbanen Zentren?

CK: Denkbar ist vieles und die Ideen gehen uns nicht aus. Ja: Das wäre ein gangbarer Weg.

LowBeats: Gibt es denn noch weitere Punkte, die Sie gern verändern würden?

CK: Ja. Zum Beispiel möchte ich die Zusammenarbeit mit Škoda noch weiter intensivieren. Bislang entwickeln wir ja „lediglich“ gut klingende Carhifi-Systeme. Bei einer Volkswagen-Niederlassung kann ich alles Mögliche bis hin zum Kinderwagen kaufen. Warum sollte man im Škoda-Verkaufsraum nicht auch spezielle smarte Canton Produkte erwerben können?

Skoda mit canton Car HiFi System
Škoda bietet einen Teil seiner Flotte mit hochwertigen Canton Carhifi-Systemen an. Diese Zusammenarbeit soll noch ausgebaut werden (Foto: S, Schickedanz)

Es gibt noch viele weitere Dinge, die ich verändern möchte. Woran wir zum Beispiel gerade arbeiten, ist der Ausbau unserer Kundenkommunikation. Dazu holen wir uns Unterstützung von unserer neuen Video-Agentur. Ein Ergebnis daraus sind die Tutorials zur neuen Smart Technologie. Wir kennen das doch auch aus anderen Branchen. Wer heutzutage etwas nicht weiß, läßt es sich per Tutorial erklären. Dabei gilt, je einfach und authentischer, desto besser.

LowBeats: Und wie sieht es mit der Vertriebs-Ausweitung in andere Länder aus? Canton wird ja immer noch als sehr deutsches Unternehmen am deutschen Markt wahrgenommen.

CK: Das ist tatsächlich ein starkes Thema. Zumal in Deutschland die Handelsstrukturen im Umbruch sind. Da müssen wir uns nach anderen Märkten umschauen und da spielt das Ausland natürlich eine Rolle. Wir analysieren gerade, welche der Märkte für uns interessant sein könnten.

LowBeats: Kommt deshalb auch ein neuer Vertriebschef?

CK: Es kommt zum 01.01.2020 ein neuer Vertriebsleiter. Doch bevor hier irgendwelche Gerüchte aufkommen: Wir sind mit der Arbeit unseres Vertriebsleiter Heribert Dohr mehr als zufrieden. Allerdings ist Herr Dohr 67 Jahre alt und scheidet deshalb altersbedingt aus dem Unternehmen aus. Ich habe in den vergangenen Wochen nach einem Nachfolger gesucht und bin fündig geworden. Für die Zukunft bin ich also bester Hoffnung, mit ihm zusammen die Herausforderungen zu meistern.

Canton Vertriebschef Heribert Dohr
Führte viele Jahre erfolgreich die Vertriebsgeschäfte bei Canton und steigt nun altersbedingt aus: Heribert Dohr (Foto: Canton)

LowBeats: Herr Kraus, wir danken für das Gespräch.

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Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.