Während meines beinahe 25-jährigen Daseins als HiFi-Testredakteur gab es drei nachhaltig prägende Klang-Initiationen, bei denen stets der Zufall im Spiel war. Die erste erlebte ich im Jahre 1991, als mein damaliger stereoplay-Kollege Hans-Ullrich Fessler während eines CD-Spieler-Tests die Kleinsignalkabel gegen andere austauschte. Bis dato gab es für mich als rechtschaffenen Nachrichtentechniker und Toningenieur keinen Kabelklang, was sich von dem Tage an schlagartig änderte und bis zum heutigen Tage so geblieben ist. Die zweite war vor etwa neun Jahren, als ich – ebenfalls zufällig – reichlich überrascht erlebte, dass die sündhaft teuren Edelmetalltiegelchen von Acoustic System einen durchaus hörbaren Klangunterschied bewirken können. Bis dato hatte ich mich strikt geweigert, dieses Produkt jemals zu testen. In diese Verlegenheit bin ich zum Glück auch noch nicht gekommen, doch seit diesem Ereignis bin ich der festen Überzeugung, dass man sehr viel mehr hören als messen kann – oder besser gesagt, bei letzterem zumindest noch nicht bis zu allen klangentscheidenden Aspekten vorgedrungen ist. Womit wir beim nächsten Thema wären, dem Digitalklang.
Meine dritte Initiation liegt erst knapp drei Monate zurück – ebenso wie die beiden anderen hat sie mich wieder unglaublich neugierig auf das Thema „Klangqualität“ gemacht. Ich sage jetzt mal bewusst nicht „HiFi“, weil es ebenso auch mein anderes Arbeitsfeld, das Tonträger-Mastering betrifft.
Alles begann mit einem Telefongespräch: Mein Freund Roberto Fratta, Percussionist der Leipziger Global-Pop-Band Annuluk, rief mich eines Samstag abends an und fragte, ob ich vielleicht noch ein älteres Audio-Interface hätte, was ich ihm überlassen könnte. Bestückt mit A/D- und D/A-Wandlern, kombinierten Mikrofon-Hochpegelvorverstärkern sowie Kopfhörer-Amps sind solche Audio-Interfaces wichtige Schnittstellen für all diejenigen, die mit dem Computer Musik aufnehmen, machen, oder wie ich, fürs Mastering verwenden.
Und weil in Sachen Digitalklang das Beste grad gut genug ist, habe ich mich vor nunmehr fünf Jahren für das Fireface UC vom deutschen Hersteller RME entschieden. Wegen erstklassiger Technik und seiner bislang unerreichten Flexibilität stellt das Fireface UC eine Art Industriestandard dar, das im Live-Bereich ebenso zuhause ist wie im Studio.
Diese Entscheidung habe ich denn auch noch keinen Tag bereut – im Gegenteil: Absolute Zuverlässigkeit und tadelloser Digitalklang machen die Arbeit damit wirklich zum Vergnügen und dank regelmäßiger Treiberupdates für den integrierten Signalprozessor finden sich immer wieder neue Kleinigkeiten, die mir die tägliche „Arbeit“ erleichtern – so zum Beispiel ein in der Lautstärke einstellbarer S/P-DIF-Ausgang oder aber die parallele Ausgabe von Signalen über mehrere, separat pegelbare Analogausgänge, sehr praktisch unter anderem für Kopfhörer-Tests.
Angeregt durch Robertos Anruf holte ich also mein altes Interface hervor: ein Edirol UA-25 von Roland, was ebenso wie das Fireface ein Quasi-Branchenstandard war und mir viele Jahre gute Dienste leistete, doch seit meinem Umstieg auf RME nun schon länger arbeitslos im Schrank ruhte. Hoppla, da gab’s doch noch eins: Natürlich – die Avid Mbox Mini!
Vor rund zwei Jahren habe ich bei der Recording-Software auf Pro Tools 11 umgestellt, was mir ein günstiges Paket-Angebot von Software einschließlich einer Mbox Mini 3rd seinerzeit sehr schmackhaft machte. Wegen meiner heißgeliebten RME habe ich die Avid Mbox allerdings gar nicht erst eingesetzt: Drum wanderte sie nach einem kurzen Funktionstest wieder sorgfältig verpackt in ihrem Karton.
Nach einigem gedanklichem Hin- und Her entschied ich mich schließlich dafür, meinem Freund das Roland-Interface zu überlassen, weil es im Gegensatz zur Avid Mbox zwei Mikrofoneingänge, eine S/P-DIF-Schnittstelle sowie ein MIDI-Interface besitzt und damit deutlich universeller einsetzbar ist. Außerdem wandelt das UA-25 bis 96 Kilohertz, während die Mbox Mini 3 maximal 48 Kilohertz unterstützt. So ganz leicht fiel mir die Trennung daher verständlicherweise nicht.
Doch vielleicht war dieser Samstagabend nun wirklich der richtige Moment, die kleine Avid Mbox Mini als „Roland-Ersatz“ mal richtig auszuprobieren. Schließlich arbeitet sie wie diese „USB Bus powered“, braucht also keine separate Stromversorgung, was beispielsweise für mobile Akustik-Messungen recht praktisch ist – und für solche Zwecke reichen auch ein Mikrofoneingang und 48 Kilohertz Abtastrate.
Meine absolute Lieblingsbeschäftigung an ruhigen Abenden ist derzeit, bei Independent Musikportalen auf musikalische Entdeckungsreise zu gehen – was ganz bestimmt auch ein eigenes Thema bei LowBeats sein wird. So erfuhr ich an besagtem Abend beim Streifzug auf Juno Download, dass das deutsche Ambient-Label Lemongrassmusic demnächst die nunmehr 18. Folge seiner Lounge du Soleil-Compilation veröffentlicht.
Das machte mich ausgesprochen neugierig, denn ich habe bereits die Folge 12 aus dem Jahre 2011 – eines meiner unverzichtbaren „Für die Insel“-Alben, auf der sich nicht ein schwächelnder Titel findet. Entsprechend gern und oft habe ich dieses Album denn auch in den zurückliegenden vier Jahren gehört, und ausgelöst durch die Newsmeldung hatte ich auch diesmal wieder richtig Lust drauf.
Zum Ausprobieren verkabelte ich also die Avid Mbox Mini anstelle von meinem RME Fireface mit meinem Mac mini und Nahfeldmonitoren. Und weiter ging’s mit meinem spontanen Digitalklang-Hörtest mit Lounge Du Soleil Vol 12, die ja bereits im Audirvana-Software-Player lief. Es begann gerade der Track „Illusions“ von der russischen Musikerin und Produzenten Jane Maximova – und in den nachfolgenden Minuten habe ich diesen wunderschönen Song in seiner ganzen emotionalen Tiefe erstmalig wirklich „erlebt“– das ist doch genau das, was wir Musikbegeisterten eigentlich wollen.
Geradezu unglaublich, welchen Klangrausch die kleine Mbox Mini da bei mir auslöste. Der Raum öffnete sich in die Tiefe und das Klavier klang dermaßen voll und präsent, dass es mir wirklich die Sprache verschlug. Eine solche musikalische Intensität hatte ich mit meinem geliebten RME Fireface bislang noch nicht erlebt, was mir der „Rückbau“ auf letzteres auch bestätigte.
Um aber wirklich ganz sicher zu gehen, habe ich diesen Digitalklang-Vergleich in den darauffolgenden Tagen mit allem möglichen Musikmaterial wiederholt – immer mit dem gleichen Ergebnis: Vom musikalischen Ausdruck her war die Avid Mbox Mini meinem bislang „unantastbaren“ RME Fireface in der Tat überlegen.
Weil man sich in der eigenen Wahrnehmung jedoch auch schon mal verlaufen kann, habe ich dieses Experiment in Sachen Digitalklang später dann auch mit Freunden durchgeführt, die von HiFi & Co bislang völlig unbeleckt waren. Das Spannende daran: Sie waren problemlos in der Lage, die klanglichen Unterschiede ebenso präzise zu schildern, wie ich sie wahrgenommen habe – das betraf vor allen Dingen die Aspekte Räumlichkeit, Unmittelbarkeit und tonale Fülle.
Jetzt fragen Sie sich wahrscheinlich, warum ich Ihnen diese Geschichte erzähle. Ganz einfach: Weil ich mittlerweile fest davon überzeugt bin, dass man auf digitale Weise Musik ebenso emotional tiefschürfend und mitreißend erlebbar reproduzieren kann wie über den analogen Weg – man muss es halt nur richtig machen. Mich hat dieses Ereignis jedenfalls zu einer überraschend spannenden Reise zu den Digitalklang-Geheimnissen der Audiotechnik inspiriert, auf die ich Sie gern mitnehmen wollte.
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