Das Goodwood Festival of Speed ist so etwas wie das Woodstock für Petrol-Heads, auch wenn sich im Schlossgarten des Earl of March inzwischen immer mehr Elektro-Autos tummeln. Am besten stellt man es sich als eine Mischung aus Mad Max, Rush und einem Ritterturnier vor. Natürlich wollte ich schon immer mal dabei sein. Aber das ist nichts für spontane Menschen wie mich, weil die Hotels in der südenglischen Provinz schon ewig im voraus ausgebucht sind. Es bedurfte erst des 40. Geburtstags eine Freundes, dem wir die Reise schenkten. So genau lässt sich nicht mehr rekonstruieren, wie ich auf die Liste der Begleiter kam, aber bereut habe ich es keine Sekunde – im Gegenteil.
Während ich diese Zeilen schreibe, habe ich noch ein breites Grinsen auf dem Gesicht. Es war eine Reise mit autoverrückten Freunden aus München zu Freunden, die bei einem örtlichen Unternehmen angestellt sind und sich bestens auskennen. Die Stimmung war wie auf einer Klassenfahrt, das Erlebnis so außergewöhnlich, dass ich nach einem sehr chilligen ersten Tag am Samstag mit der Kamera auf Jagd gehen musste, um dieses Spektakel für die LowBeats Leser in voller Farbe einzufangen.
Goodwood Festival of Speed: Kindergeburtstag für Motor-Maniacs
Diese Jahr feierten zugleich zwei Marken ihre Jubiläen mit den Fans auf dem Goodwood Festival of Speed: Mercedes-Tochter AMG wurde 50 Jahre alt, Ferrari sogar 70. Die Roten aus Maranello beanspruchten daher gleich einen eigenen Programmpunkt und ließen ihre Flotte aus vielen Jahrzehnten mit lautem Getöse auf die jubelnden Fans los.
Der Bogen der Starter reicht beim Goodwood Festival of Speed inzwischen von Vorkriegsrennwagen über Formel 1 und Le Mans, inklusive neuerer Autos, über brüllende US-Stockcars bis zu Driftmobilen. So unterschiedlich wie die Fahrzeugkonzepte sind entsprechend auch die Sounds. Sie reichen von V8-Geböller und hysterisch heulenden F1-Triebwerken über das Gebratzel der Vorkriegs-Oldies bis zum leisen Pfeifen von Nick Heidfelds Formel E.
Dessen Elektro-Flitzer ließ zwar die meisten Verbrenner auf der Zeitenjagd hinter sich. Doch, was Sound und Spektakel betrifft, wirft das High-Tech-Effizienzwunder einen dunklen Schatten auf die Zukunft des Motorsports. Das äußert sich nirgendwo so drastisch wie in Goodwood, wo man den direkten Vergleich hat und wo Pretiosen aus der Motorsport-Historie, die man sonst nur statisch und dröge im Museum bestaunen kann, richtig Stoff geben. Goodwood ist so etwas wie der Jurassic Park des Motorsports mit freilaufenden Exponaten in paradiesischer Umgebung.
Speed ist nicht alles: The need for Sound
Der wieselflinke, von direkten Emissionen befreite Formel E ging wie der Wind, klang dabei allerdings wie eine Straßenbahn, die mit Gewalt 20 Minuten Verspätung aufholen will. Da kommen bei mir beim besten Willen keine Emotionen auf, da kannst du auch ein paar Jungs beim Rennen mit ihren RC-Cars auf dem Parkplatz an der Ecke zuschauen.
Sorry, aber gerade wenn in den nächsten Jahrzehnten Fahrzeuge mit konventionellen Antrieben immer mehr aus unserem Stadtbild verschwinden, was ich als Stuttgarter durchaus begrüße, sollte man ihnen im Motorsport ein Denkmal für die Ewigkeit setzen und Rennstrecken als Freilichtmuseen begreifen, auch wenn sie nicht wie das Goodwood Festival of Speed mit so malerischen Kulissen wie dem Schlosspark des Earl of March dienen können.
Für mich ist Goodwood in erster Linie ein Sound-Spektakel, zu dem sich in niedriger Flughöhe auch noch spektakuläre Jets gesellen. Ein Fest für die Ohren, eine Ode an den Verbrennungsmotor. Der Eurofighter, dem wir Freitag und Samstag gespannt bei seinen spektakulären Flugmanövern zusahen, entfachte einen Höllenlärm, der etwas Beängstigendes, aber auch etwas geradezu Magisches hatte. Beim Blick in die rot glühenden Flammen der Nachbrenner und beim markdurchdringenden Fauchen der beiden Turbinen bekommst du ein Gefühl von endloser Power, wie es sie sonst allenfalls in Form träger Schiffsdiesel gibt.
Die Flugmanöver solcher modernen Kampfjets sind haarsträubend, denn die Dinger werden – das habe ich als Flugzeugbegeisterter einmal gelesen – so konstruiert, dass sie sich ständig in einem instabilen aerodynamischen Zustand befinden und vom Piloten nur mit Hilfe permanenter Korrekturen aus dem Computer beherrschbar sind. Dadurch kann man sie aber in atemberaubende Loopings, Rollen oder Kurven zwingen. Dennoch wirkte das Höllenspektakel gleichzeitig wie ein flammendes Plädoyer gegen Militäreinsätze.
Red Arrows auf dem Goodwood Festival of Speed
Da waren die knallroten Schulflugzeuge der legendären Kunstflugstaffel der RAF, den Red Arrows, schon deutlich sympathischer. Die gewagten Flugmanöver der vergleichsweise zierlichen und leisen Jets erinnern eher an einen Luftzirkus als an Luftkämpfe.
Doch auch am Boden ging es auf der Jagd nach Bestzeiten im Einzelzeitfahren (“Hill Climb”) nicht annähernd so verbissen zu, wie man es sonst aus dem Motorsport kennt. Die Gentleman Driver, zu denen alte Heroen wie Emerson Fitipaldi, Jochen Maas oder Motorrad-Weltmeister Freddie Spencer gehörten, flanierten eher am Publikum vorbei, statt ans Limit von Mann oder Maschine zu gehen. Beim Goodwood Festival of Speed kann es schon mal passieren, dass ein Formel 1- oder Stockcar vor den Haupttribünen Donuts mit qualmenden Reifen hinlegt, selbst wenn er sich dabei einen Plattfuß holt.
Die Entspanntheit und Entrücktheit vom Festival of Speed endet auch nicht jenseits der Haftungsgrenze. Die wenigen Abflüge auf dem Goodwood Festival of Speed gingen glimpflich aus, die außer Kontrolle geratenen Renner stachen ins Heu, wirbelten dabei eine Menge Staub auf, aber ernsthafte Beschädigungen oder gar Personenschäden waren dank der perfekten ökologischen Streckensicherung durch Heuballen nicht zu beklagen.
Fliegende Lady trifft Royal Airforce
Die Prototypen
Die Formel-1-Parade
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Die moderne Formel 1
Ferrari feiert seinen 70. auf dem Goodwood Festival of Speed
50 Jahre und kein bisschen leise: AMG feierte ebenfalls
Elektro-Power beim Goodwood Festival of Speed
Der Abflug
Die Flugshow
Weitere Infos zum Goodwood Festival unter www.goodwood.com
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