Die Berliner Studio- und HiFi-Manufaktur HEDD schickt einen sehr speziellen Kopfhörer auf die Studio- und HiFi-Bühne: Hinter HEDD steckt das High-End-Urgestein Klaus Heinz. Ehemals gab der Klang-Pionier bei Arcus oder ADAM Audio den Ton. Und er gilt in Deutschland als der beste Kenner des Air Motion Transformer Prinzips, das er seit Jahren als Mittel- oder Hochtöner in Studiomonitoren und HiFi-Lautsprechern einsetzt. Und nun in einem Kopfhörer: dem HEDD HEDDphone.
HiFi-Kenner wissen um die theoretischen Vorteile dieses Prinzips, das auf Dr. Oskar Heil zurückgeht. Der deutsche Wissenschaftler studierte Chemie, Mathematik – sowie Physik und Musik. Ein Glücksfall und eine exzellente Kombination, die den 1994 verstorbenen Lautsprecher-Pionier zu äußerst vielversprechenden Forschungsergebnissen führen sollte: Heil war sehr interessiert an den praxisnahen Charakteristiken des menschlichen Gehörs und entwickelte in den 1960er Jahren den „Heil-AMT“-Hochtöner.
Diesem bis dato unerhörtem Prinzip des „Air Motion Transformer“ folgten nach Auslaufen des Patentschutzes eine Handvoll Hersteller wie ELAC (auch mit Hilfe von Klaus Heinz) oder eben Adam Audio und HEDD: Firmenchef Klaus Heinz war schon früh angetan von dem Prinzip und tauschte sich mit Oskar Heil aus. „Oskar Heil lernte ich 1985 kennen,” erzählte Klaus Heinz: im Interview. „Ich war fasziniert von dieser Idee und den klanglichen Ergebnissen seiner “ESS”-Lautsprecher. Für mich klang dieser Hochtöner so akkurat und brillant, als ob jemand einen Vorhang von all meinen Lieblingsaufnahmen wegzog.”
Klaus Heinz traf Heil in dessen Haus in San Mateo, nahe San Francisco im Silicon Valley. „Ich erfuhr seine Lebensgeschichte, wir diskutierten über Elektronen (seine Lieblings-‚Tiere’) und natürlich über Lautsprecher. Ich bewunderte Heils offenes Denken und seine permanente Suche nach alternativen Wegen, um guten Klang zu erzeugen.”
HEDD HEDDphone mit AMT-Power
Und nun implantiert Heinz die Technologie in seinen ersten Kopfhörer, dem HEDDphone. Damit wandelt der Neuling fast allein auf der HiFi-Welt. Immerhin: Auch die kleine (und kaum bekannte) Schweizer Manufaktur Precide mit Mastermind Martin Dürrenmatt, der übrigens schon den berühmten Elektrostaten „Jecklin Float“ produzierte, verfolgt das Prinzip mit seinem „Ergo A.M.T.“
Die Funktion des AMT ist genauso simpel wie effizient: Anders als bei herkömmlichen dynamischen, magnetostatischen oder elektrostatischen Exemplaren legt sich die Membran quasi wie bei einem Akkordeon in dezente Fältchen. Darin verlaufen Leiterbahnen, die die Membrane beim Stromdurchfluss bewegen. Ein im Wortsinn äußerst wirksames Prinzip. „Die Membran presst die Luft heraus und saugt sie wieder ein; das erlaubt es, die Luft mit dem Faktor drei bis vier schneller zu bewegen,“ so Klaus Heinz. Die Luft schießt also blitzschnell aus den Membranfalten und zurück – eine geringe Membranbewegung kann so verhältnismäßig viel Schalldruck erzeugen. Teampartner für diese akustischen Aktionen ist ein permanentes Magnetfeld.
Die Vorteile liegen vor allem beim besseren Impulsverhalten und dem höheren Wirkungsgrad. „Die Membranflächen von klassischen und planaren Kopfhörern sind maximal so groß wie die Kopfhörermuschel, sie arbeiten als 1:1-Kolben zur Luftkompression. Der nach hinten gefaltete AMT hingegen bringt ungefähr dreimal soviel an aktiver Membranfläche ins Spiel. Das heißt: Zum einen muss die Folie sich bei gegebenem Schalldruck weniger bewegen, zum anderen ermöglicht es eine höhere Dynamik, wenn der Verstärker dafür die notwendige Leistung hat“, erklärt Klaus Heinz. Kein Wunder also, dass der AMT derzeit einen Siegeszug durch die höherwertigen Lautsprecher führt.
Doch was beim Lautsprecher-Hochtöner bewährt funktioniert, musste für die Dimensionen und Aufgaben eines Kopfhörers neu gedacht werden – mit der „VVT“-Technologie, dem „Variable Velocity Transformer“, der das volle Audiospektrum, im Falle vom HEDDphone von 10 bis 40.000 Hertz abdecken soll. Klaus Heinz: „Während der Entwicklung des HEDDphone wurde es notwendig eines der Schlüsselmerkmale des AMT neu zu überdenken.“ Die Falten im Treiber mussten in unterschiedlichen Dimensionen ausgelegt werden – sowohl in der Weite als auch in der Tiefe, ein evolutionärer Schritt. Und den ließ sich der audiophile Pionier patentieren. „Air Motion“ soll quasi offiziell für Berliner Luft vom Feinsten stehen…
Zum Unboxing: Das HEDDphone kommt in einer üppig dimensionierten, hübsch gemachten Kartonbox, in der Hörer und Kabel separiert und gepolstert ruhen. Die steckbaren 4-pin-Mini-XLR-Kabel liegen in einem Extra-Schächtelchen und enden nach 2,2 Meter an einer 6,3-Millimeter-Klinke.
Das Anstöpseln geht kinderleicht. Allerdings muss das Auge zunächst suchen und genau hingucken, welches Kabel rechts oder links korrekt Kontakt aufnimmt. Das kennt man. Das beinahe Verstecken von „Links“- oder „Rechts“-Markierungen zählt unverständlicher Weise zu den Mysterien vieler Kopfhörer.
Die Verarbeitung zählt dank Handarbeit zur Oberliga, da gibt’s nichts zu mäkeln. Die Konstruktion ist von vernähtem Kunststoffleder und wertigem Metall geprägt, gemäß dem Gesamtmotto „stabile Akustik, Langlebigkeit, gute Verarbeitbarkeit und attraktive Optik.“ Produziert wird in Berlin am Salzufer 13/14 – eine sehr passende Adresse.
Praxis
Trotz des stattlichen Gewichts von 718 Gramm fühlte sich das HEDDphone von Anfang an beinahe wie ein guter Bekannter an. Die weichen Hörmuscheln liegen mit sanftem Druck um die Ohren an, auch der Kopfbügel legt einen Schongang ein dank der flexiblen Lagerung. Der Sitz wirkt recht selbstverständlich, wenn auch nicht als Dauer-Accessoire akzeptiert. Will heißen: Der Tragekomfort fällt trotz Masse recht klasse aus, vorausgesetzt man pausiert ab und an. So ähnlich eben wie bei einem klassischen Konzert. Den Grund für das Gewicht benennt Klaus Heinz „wegen der benötigten Magnete und Polplatten – das versuchen wir in einer nächsten Generation besser zu machen, es ist aber ein ins Prinzipielle reichendes Problem.“
Aber nicht nur vom Gewicht und dem wuchtigen Auftritt her ist das HEDDphone ein stationärer Hörer, sondern auch elektrisch. Entgegen den Hocheffizienz-Verheißungen des AMT-Prinzips, ist dieser Kopfhörer tatsächlich eher leise und braucht amtliche Kopfhörer-Verstärker. Im Messlabor forderte das HEDDphone zum Erreichen der Kennungsspannung von 94 dBspl / 500 Hz (gemäß IEC 60268-5) stattliche 0,831 V an 41 Ω. Das entspricht = 17 mW und überfordert damit alle Smartphones und Tablets gehörig. Nicht, dass er an den kleinen Alleskönnern nicht auch spielen würde. Aber deren Power reicht bei weitem nicht aus.
Hörtest
Derr Test verlief in zwei Etappen und an zwei Anlagen. Zunächst stand ein Polizeieinsatz auf dem Programm: Das HEDDphone ging am exzellenten Kopfhörer-Amp Lehmann Linear SE mit SACD-Versionen von bewährt-bekannten Police-Hits (SACD „The Police: Every Breath You Take – The Classics“) auf Klangstreife. Erstes Fazit: Ich habe „Wrapped Around Your Finger“, „King of Pain“ und „Walking On The Moon“ selten derart gut und detailreich gehört. Wahnsinn, wie viele Mikro-Ereignisse der Berliner Hörer noch aus der Aufnahme freilegt…
Als Vergleichs-Hörer hatten sich der dynamische Sennheiser HD 800S und der Magnetostat Hifiman Edition X warmgelaufen. Schnell war klar: Alle drei spielen in einer Liga. Aber mit unterschiedlichen Talenten. Der Air Motion Transformer „formte“ das Klanggeschehen unerhört fein auflösend und verlieh Stimmen und Instrumenten einen unerhört zarten akustischen Schmelz, der an manch erquickliche Hörerlebnisse mit Top-Hörern der Marke Stax erinnerte. Zudem heizte er im Basskeller tüchtig ein ohne aber – wie so oft bei Kopfhörern so oft zu finden – die Bässe aufzudicken. Das HEDDphone verbindet Tiefgang mit Präzision
Der Sennheiser punktete hier als vehementer Feingeist mit teils etwas filigraneren Strukturen und superber Raumdarstellung, allerdings ohne diese Detailschärfe und den erwähnten Basstiefgang. Den Mittelweg beschritt der Hifiman Edition X mit rundem, stimmigem, zu etwas Wärme tendierendem Klangbild.
Der Hifiman X spielte schön durchhörbar und prägnant auf. Auch beim hervorragend aufgenommenen „Someone Saved My Life Tonight“ von Elton John (im Original auf dem Album „Captain Fantastic and the Brown Dirt Cowboy“). Das HEDDphone allerdings inszenierte die Songs noch feiner ziseliert, farbechter und bestach einfach mit dieser herausragenden Durchhörbarkeit.
In der Klassikabteilung führte das Südwestdeutsche Kammerorchester mit Pianist Matthias Kirschnereit und Violinistin Lena Neudauer Felix Mendelssohn Bartholdy beeindruckend auf („Concerto For Violin, Piano & String Orchestra; Violin Concerto in D minor“). Während der Sennheiser ein etwas leicht raues Timbre anstimmte, dabei jedoch schön aufgelöst und durchhörbar klang, hatte das HEDDphone ein Händchen für Körper und Schmelz. Der Hifiman gab sich insgesamt homogener. Ein Plus fürs HEDDphone.
Im nächsten Durchgang wechselten wir auf den (nochmals deutlich besseren) Kopfhörer-Verstärker HA 200 von T+A und auch die Sparrings-Partner wurden ausgetauscht. Die hießen nun: T+A Solitaire P-SE und Final D8000 Pro (bald im Test). Die Umstände hatten sich nun also geändert, der Eindruck aber blieb: dieser HEDD HEDDphone ist ein herausragend guter Kopfhörer.
Wir legten nach und den UHQ-CD-Sampler „Tribute To A Legend – Thorens TD 124 DD“ (Vertrieb in-akustik) in den Player. Die Musik von Charlie Rouse geriet dabei ganz nach dem Geschmack des HEDDphone: Extrem fein aufgelöst, mit strahlendem Saxofon und Besen malte er in Elektrostat-Manier mit schönsten Klangfarben. Der T+A agierte hier dezenter, weniger griffig-akkurat und spielte auch in den oberen Basslagen fülliger und wärmer. Der Final D8000 Pro hingegen entpuppte sich als noch dynamischer und knackiger als der HEDD. Während der T+A auf HiFi-Kultur und lange, Rotwein-geschwängerte Abende macht, lassen HEDD und Final sehr wohl erkennen, dass sie auch als unbestechliche Instrumente im Studio bestehen wollen.
Wer aber nun meint, das Berliner Schwergewicht sei ein preußisch-penibler Wiedergabe-Vermesser, dem lege ich „Cool Struttin’“ vom Sonny Clark Memorial Quartet über das HEDDphone ans Herz: Das rollte das AMT-Hörer klanglich einfach nur wunderschön aus: Ein Genuss wie sich Bass, Saxofon ohne jegliche Schärfe entfalten konnten. Oder „88 Basie Street“ von Count Basie & His Orchestra: Wer es via HEDDphone hört und von diesen feinst ziseliertem Anblasgeräuschen, der fantastischer Auflösung und dem souveränem Bass nicht begeistert ist, dem ist nicht zu helfen.
Fazit HEDD HEDDphone
Er ist groß, schwer, hängt am Kabel und braucht einen amtlichen Kopfhörer-Verstärker. Das liest sich nicht, als handle es sich hier um einen modernen Kopfhörer. Und doch ist dieser eigenwillige Over Ear sehr modern: Er klingt nämlich überragend gut und ist für all jene, die auf Feindynamik, Auflösung, Detailreichtum und Luftigkeit stehen, eine akustische Großtat, die auch von deutlich teureren Modellen nicht getoppt wird.
Das HEDDphone ist dabei kein Kuschelhörer. Manch einem wird seine Gangart vielleicht einen Tick zu forsch und offen sein. Für uns aber ist dieser Kopfhörer Gold wert: Außer mit dem großen Stax L-700 haben wir die Unterschiede unserer Aufnahmen zum Klang-Orakel noch nie so differenziert hören können. Damit setzt er nicht nur in seiner Preisklasse Maßstäbe und bekommt bei LowBeats den Referenz-Status. Apropos Preis: Klaus Heinz scheint hier auf die im Studio üblichen, “überschaubaren” Margen geachtet zu haben. Ein klassischer HiFi-Hörer mit diesen Meriten wäre wohl um einiges teurer geraten…
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Äußerst fein auflösendes, präzises, farbechtes und bass-souveränes Klangbild |
| Erstklassige Verarbeitungsqualität |
| Exzellente Preis-/Klang-Relation |
| Recht schwer, braucht kräftige Kopfhörer-Verstärker |
Vertrieb:
HEDD Audio GmbH
Salzufer 13/14
10587 Berlin
www.hedd.audio
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
HEDD HEDDphone: 1.700 Euro
Technische Daten
HEDD Type 07 Mk2 | |
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Konzept | Stationärer “offener” Over Ear Kopfhörer mit AMT Wandler |
Ausstattung: | 2,2 Meter, auf 6,3-mm-Klinke im Lieferumfang; austauschbar mit 4-pin-Mini-XLR auf XLR (HEDD HPC 2 – gegen Aufpreis, 200 Euro) |
Wandler-Prinzip: | Air Motion Transformer; Membranen wellenförmig angelegt |
Übertragungsbereich: | 10 – 40.000 Hertz |
Nennimpedanz: | 42 Ohm |
Gewicht: | 718 Gramm (ohne Anschlusskabel) |
Alle technischen Daten |
Mit- und Gegenspieler:
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