Lange war es bei JBL, immerhin der größte und wohl auch bekannteste Lautsprecherhersteller der Welt, in Bezug auf HiFi-Lautsprecher irritierend ruhig. Man hätte fast den Eindruck bekommen können, JBL zöge sich aus dem HiFi zurück und würde stattdessen nur noch auf Bluetooth-Boxen, Soundbars & Co setzen. Aber weit gefehlt. Nachdem die Amerikaner im Sommer 2020 die HDI-Serie vorgestellt hatten und außerdem sukzessive die originelle (vor allem fürs Wohnzimmer gedachte) Classic-Serie – Beispiel: L 100 Classic oder L 52 Classic – immer weiter ausbauen, legen sie auch bei der (durchaus HiFi-tauglichen) Monitor-Line kontinuierlich mit neuen Modellen nach. Der neueste Streich ist die JBL 4309, eine 2-Wege Kompaktbox mit allen Dynamik-Genen aus 75 Jahren Beschallungs- und Studio-Technik.
Die Nachfahren der klassischen JBL Studio-Monitore erkennt man schon am Namen: Er besteht einfach nur aus vier Ziffern. Auch die Optik ist seit den 1970er Jahren quasi unverändert: Auffällig ist der kantige Auftritt und die blau gefärbte Schallwand.
Und natürlich ein Horn im Hochton. Wer sich schon immer gefragt hat, ob die Kombination eines hoch effizienten Hochtonhorns mit einem Tieftöner ohne Horn überhaupt einen Sinn ergibt, der wird bei JBL drei starke Argumente für eine solche Kombination finden. Erstens: Ein hoher Wirkungsgrad ist fast immer gleichbedeutend mit niedrigen Verzerrungen. Ist ja klar: Wenn schon Zehntelwatt reichen, um den gewünschten Pegel zu gewinnen, wird das System wenig klirren. Zweitens: Wenn man einen sehr hohen Wirkungsgrad im Hochtonbereich hat – sagen wir: vielleicht 10 dB höher als der Tieftöner – eröffnet das die Möglichkeit, viele (in der Regel Wirkungsgrad-senkende) Linearisierungen und Korrekturfilter einzubauen. Wer je die Frequenzweiche einer größeren JBL gesehen hat, weiß, dass die Ingenieure davon ausgiebig Gebrauch machen…
Und drittens: Hochtonhörner haben immer eine berechenbar-eingeschränkte Abstrahlung. Im Studio oder in sehr hallenden Hörräumen kann das durchaus von Vorteil sein.
Die Besonderheiten der JBL 4309
Das auffällige Hochtonhorn des 4309 ist breiter als hoch – ein Hinweis auf eine breitere Schallabstrahlung in der Horizontalen: JBL beziffert das im Bereich zwischen 3.000 – 17.000 Hertz mit horizontal 100 Grad und vertikal 80 Grad. Die stärkeren Einschränkungen in der Vertikalen sind gewollt, denn gerade die Reflektionen von Boden und (manchmal) Decke gelten als eher klangschädlich. Also ist es clever, diese Reflektionen künstlich zu verringern.
Den Schall im Horn erzeugt ein 25-Millimeter–Kompressionstreiber mit der Typenbezeichnung 2410H-2. Er stammt aus dem einzigartigen JBL Beschallungs-Programm und steigt recht tief in die Übertragung ein: bei etwa 1.500 Hertz.
Den Tieftöner indes kauft JBL bei den Spezialisten von Easttech ein. Die Wahl hätte schlechter ausfallen können. Der Magnet ist deutlich größer als das, was gemeinhin bei HiFi-Bässen dieser Größe geboten wird, die 38 mm große Schwingspule sorgt für eine hohe Belastbarkeit. Und auch wenn Papiermembranen im HiFi nicht mehr en vogue zu sein scheinen: Für die JBL-Ingenieure verkörpern sie immer noch die beste Kombination aus neutraler Wiedergabe und bester Impulsivität.
Ebenfalls äußerst solide ist das Gehäuse. Aufgebaut aus 18 mm starken MDF-Wänden und mehrfach versteift, fügt der furnierte Korpus eine Menge zum Gesamtgewicht von 11 Kilo bei.
Alles in allem ist die 4309 ordentlich verarbeitet. Vielleicht nicht ganz auf dem Niveau einer Canton, einer KEF oder anderer exzellenter HiFi-Lautsprecher. Aber das Rustikale an ihr macht ja irgendwie auch den Charme dieses Lautsprechers aus
Praxis
Wie fast alle JBL-Modelle hat auch die 4309 einen Pegelregler für den Hochton. Der allerdings arbeitet so dezent (+/- 1 Dezibel oberhalb 7.000 Hertz) dass echte Klang-Beeinflussungen damit kaum möglich sind. Es ist die Wahl zwischen etwas mehr Luft und etwas weniger. Im kleinen LowBeats Hörraum, in dem die meisten der Kompaktboxen-Tests laufen und wo wir mit einem Hörabstand von etwa 2,5 Meter hören, haben wir den Pegel um 1 dB abgesenkt. Es ist also auch in der Linear-Stellung ausreichend Energie vorhanden.
Tendenziell ist die JBL amerikanisch abgestimmt. Das heißt: Ihr nicht einmal 17 Zentimeter großer Tieftöner bringt ein sattes Pfund mit. Unsere Empfehlung lautet deshalb: Eine möglichst freie Aufstellung (Abstand zu jeder Wand > 50 Zentimeter) auf einem Ständer, der den Hochtöner in etwa auf Ohrhöhe bringt – in der Regel also mit etwa 60 Zentimeter Bauhöhe.
Wie wir es von JBL kennen, ist auch die 4309 erfreulich pegelfest: 99 dB ermittelte das LowBeats-Mess-System für einen maximalen Dauer-Schalldruck. Kurzfristig können das bis zu 12 Dezibel mehr sein. Und damit lässt sich schon ganz schön auf die Tube drücken – beziehungsweise auch größere Räume adäquat beschallen…
Der Wirkungsgrad der JBL ist mit knapp 85 Dezibel geringer als man ihr unterstellen möchte. Für das pegelmäßige Ausreizen der JBL 4309 bedarf es daher eines kräftigen Verstärkers. Empfehlenswert wären Modelle der 2 x 100 Watt Klasse – wie dem Atoll IN100 Signature, dem Rotel RA14 und Ähnliche. Die Auswahl der Verstärker ist dabei groß: Denn außer höherer Leistung stellt die kompakte Amerikanerin kaum Ansprüche an das angeschlossene Kraftwerk. Ihr Impedanz- und Phasen-Verhalten ist so gutmütig, dass sie kaum einen Verstärker an seine Grenzen bringen wird.
Hörtest
Kräftiger Bass trifft auf kernige Höhen: Die JBL 4309 ist ein Energie-Bolzen, der aus kleinem Motor verdammt viel Drehmoment herausholt. Bei geschlossenen Augen klingt die Amerikanerin deutlich größer als eine 2-Wege-Box mit einer Bauhöhe von gerade einmal 42 Zentimetern: Zum einen, weil sie im Bass etwas mogelt und mehr vorgibt, als im Original vielleicht vorhanden ist. Und zum anderen, weil sie bei Wohnzimmer-Pegeln so wenig verzerrt.
Wer das von mir sehr geschätzte Yello-Album „Touch“ über die 4309 hört, wird echt erstaunt sein, wieviel Dynamik und Verve aus so einem kleinen Böxchen kommen kann. Die Basslinien mächtig und druckvoll, die feinen Details energiegeladen wie von einem guten Beschallungs-Speaker. Und das – bitteschön – ohne, dass es selbst bei ambitioniert hohem Pegel anstrengend wird. Die Bässe kommen souverän von unten heraus; das Zwerchfell wird aufs Angenehmste stimuliert. Auch die Hoch- und Mitteltonsignale kommen mit einer so herzhaften Attacke, wie es man es in dieser Größen- und Preisklasse nicht gewohnt ist. Hinzu kommt eine nicht sehr tiefe, gleichwohl sehr stabile Abbildung.
Da ich vor nicht allzu langer Zeit auch die charakterlich ähnlichen L52 Classic und die größere L100 Classic im Test hatte, kann ich sicher sagen, dass die 4309 beiden in Bezug auf Transparenz und tonaler Richtigkeit eindeutig überlegen ist. Den vielschichtigen Gesang der King Singers in “Honey Pie” löste sie viel besser auf als die Schwestern: Die einzelnen Sänger waren genauer umrissen, die Stimmen klarer, die ganze Wiedergabe war leichter und luftiger. Ich persönlich könnte mit ihr sehr viel länger Musik hören als mit den Schwestern der Classic-Linie. Für Freunde des JBL-Sounds ist sie deshalb der womöglich heißeste Tipp.
Die L100 Classic und L52 Classic haben in den Mitten eine auffällige Nasalität. Die ist auch bei der 4309 zu hören – wenn auch stark abgemildert. JBL verfolgt hier eine tonale Philosophie, die ich nicht genau verstehe, von der ich aber weiß, dass sie woanders auf der Welt weniger kritisch gesehen wird als bei uns.
Doch dieser Wesenszug sorgte dafür, dass sich die 4309 gegen die Top-Schallwandler dieser Klasse nicht so mühelos durchsetzen konnte. Im Vergleich zu einer Inklang Ayers One, einer KEF LS50 Meta oder einer ATC SCM 19 (Bild) wurde schnell deutlich, dass die Mitten- wie die Hochton-Auflösung der JBL nicht ganz auf dem Niveau dieser Vergleichs-Speaker ist. Sowohl die ATC als auch die Inklang spielten in allen Frequenzbereichen genauer und selbstverständlicher.
Es erforderte einen beherzten Dreh am Lautstärke-Steller, um wieder ein Unentschieden herzustellen. Denn im gehobenen Pegelbereich hat die JBl eindeutig die Lufthoheit…
Fazit JBL 4309
Innerhalb des JBL-Kosmos ist die 4309 sicherlich eine der gelungensten Konstruktionen: Viel Pegel, viel Bass und viel Klangbild für einen durchaus noch erreichbaren Preis. Hinzu kommt das originelle Retro-Design der JBL und ihr gutmütiges Verhalten, das viele Verstärker für die Kombination empfiehlt. Im Vergleich zu den Besten dieser Klasse bis 2.000 Euro gibt es zwar einige, die natürlicher und offener spielen. Aber nur bei Wohnzimmer-Pegeln: Wird es lauter, wird das Pendel wieder für die 4309 ausschlagen…
Im Grunde erinnern mich die aktuellen JBL-Lautsprecher an die Motorräder von Harley Davidson: Kein Hightech, aber die Magie von viel Kraft und dem robusten Charme einer Marke, die seit über 75 Jahren in den Bereichen Studio und Beschallung die Maßstäbe setzt.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Lebendiger, erstaunlich voller Klang, Optimal für Rock und Pop |
| Hohe Pegelreserven |
| Anpassbarer Super-Hochtonbereich |
| Abbildung nicht sehr tief, in den Mitten mit einer leichten Färbung |
Vertrieb:
Harman Deutschland GmbH
www.jblsynthesis.com
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
JBL 4309: 2.000 Euro
Technische Daten
JBL 4309 | |
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Konzept: | passive 2-Wege Standbox mit Bassreflex-Gehäuse |
Bestückung: | TT: 1 x 16,5 cm, HT: 1 x 25 mm Kompressionstreiber (2410H-2) |
Besonderheiten: | Hochton-Pegelregler auf der Front |
Max. empf. Raumgröße | 30 Quadratmeter |
Min. empf. Leistung des Verstärkers | 2 x 50 Watt |
Abmessungen (H x B x T): | 41,9 x 26,0 x 22,7 cm |
Gewicht: | 11,0 Kilogramm |
Alle technischen Daten |
Mit- und Gegenspieler:
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