Nein, niemals wollte ich mich in ein Auto setzen, dessen Kürzel in der Jetpiloten-Sprache für „killed in Action“ steht – drei Buchstaben, die ich in Zeiten regelmäßiger Nutzung des Mac-Flugsimulators nach Abstürzen oder Bruchlandungen des Öfteren zu sehen bekam. Ganz abgesehen davon fand ich damals die Fahrzeuge aus Südkorea als „Petrol Head“ alles andere als spannend. Das änderte sich auf einen Schlag mit der Vorstellung des eleganten Gran Turismos Kia Stinger GT.
Nachdem auch noch Grand Tour, die von Urgestein Jeremy Clarkson geleitete Nachfolgesendung von BBC Top Gear, voll des Lobes über den fernöstlichen Sportsmann war, stand für mich fest: Den will ich auch mal fahren.
Der passende Schlüssel dazu war schnell gefunden. Der überwiegend durch Klein- und Kompaktwagen bekannte Hersteller war bei seinem Aushängeschild Stinger nicht nur bei der durch einen 3,3 Liter großen Sechszylinder-Motor gekrönten Antriebspalette in die Vollen gegangen, sondern auch beim Audio-System. Das stammt von Harman Kardon und fährt 15 Hochleistungslautsprecher auf.
Wie beide Partner stolz verkünden, begann die enge Zusammenarbeit beider Unternehmen schon mit dem Design der Lautsprechergrills, deren gebürstete Edelstahloberflächen perfekt mit den Premiummaterialien des Interieurs harmonieren.
Ein weiteres Zeichen der nahtlos verzahnten Kooperation sind die beiden Subwoofer, die, erstmals in einem Kia, unter den Vordersitzen angebracht wurden. Das Prinzip kennt man von BMW als Zentral-Bass. Die Lösung zeichnet sich durch geringe Laufzeitunterschiede gegenüber den übrigen Lautsprecher-Kanälen aus und wirkt gleichzeitig noch ein wenig wie ein Bass-Exciter, der tiefe Töne fühlbar macht.
Großer Sound im Gran Turismo
Unter den 15 Hochleistungslautsprechern findet sich ein 10-cm-Mitteltöner als Center im Armaturenbrett. Dazu kommen jeweils ein 2,5-cm-Hochtöner, ein 8-cm-Mitteltöner und ein 16-cm-Tieftöner in allen vier Türen sowie die beiden 20 cm durchmessenden SVC-Doppel-Schwingspulen-Subwoofer. Zusammen mit dem 720 Watt starken 12-Kanal-Verstärker sollen sie einen vollen, hochauflösenden Klang und eine 360-Grad-Klangbühne im Kia Stinger ermöglichen.
Mit an Bord der 4,83 Meter langen Sportlimousine sind zwei Schlüsseltechnologien aus dem Hause Harman: Clari-Fi verleiht digital komprimierter Musik wieder Glanz, Kick und Dynamik, indem verlorene Audiodetails in Echtzeit rekonstruiert werden. QuantumLogic erzeugt aus jeder Mono-, Stereo- oder Mehrkanal-Signalquelle einen 7.1- Surround-Sound.
Und das beste von allem: Die Serienausstattung des Kia Stinger GT beinhaltet neben dem Premium-Soundsystem – das für schwächere Stinger-Varianten optional erhältlich ist – und neben diversen Komfort-Extras gleich die passende 8-Zoll-Kartennavigation samt Kia Connected Services, Apple CarPlay und Android Auto.
Auch eine Smartphone-Ladestation, Head-up-Display, LED-Scheinwerfer, dynamisches Kurvenlicht, adaptive Geschwindigkeitsregelanlage mit Stop-and-go-Funktion, Rundumsichtkamera und elektrische Heckklappe sind an Bord.
Kia Stinger sticht gegen das Mittelmaß
Trotz aller Features bleibt der 366 PS starke, allradgetriebene Kia Stinger GT 3.3 T-GDI V6 AWD im Vergleich zum heimischen Mittelklasse-Einheitsbrei mit 55.900 Euro ausgesprochen erschwinglich und fühlt sich trotz aller High-Tech-Accessoires so wunderbar direkt und Old School an. Dazu tragen nicht nur die klassischen analogen Rundinstrumente bei.
Ebenfalls überzeugend: Die Sitzposition in den für mich perfekt geformten, lederbezogenen Sportsitzen, die einem mit ihren aufblasbaren Seitenwangen in schnellen Kurven perfekten Seitenhalt geben. Dazu kommen eine harmonisch abgestimmte, gefühlsechte Lenkung und ein heißer, röchelnder 6-Zylinder-Sound.
Dass beim Sound nicht alles echt ist, sei bei diesem ursprünglichen, authentischen Fahrerlebnis zu diesem Preis glatt verziehen. Kia nutzt das Sound-System dazu, den Motorklang des Stinger nach Belieben zu manipulieren. Als erstes Fahrzeug der Koreaner ist der Stinger mit dem neuen, in Europa entwickelten „Active Sound Design“ ausgestattet.
Es kommt ohne Sound-Aktuator aus und nutzt das Premium-Sound-System von Harman Kardon, um den Motorklang in schaltbaren Stimmungs-Stufen mehr oder weniger scharf wirken zu lassen. Dabei hilft die Harman-Technologie HALOsonic internal Electronic Sound Synthesis (iESS), deren Manipulationen nicht zu einer Beeinträchtigung der Musikwiedergabe führen.
Man kennt ähnliche Active-Sound-Management-Lösungen aus Sportwagen wie dem Nissan GT-R (Bose), der mit dem Kia Stinger neben seinem wohlklingenden V6-Bi-Turbo-Benziner ein für mich wesentliches Detail gemeinsam hat: perfekt abgestimmte Brembo-Bremsen aus Europa.
Überhaupt kam mir das gesamte Fahrerlebnis im Kia Stinger GT 3.3 T-GDI V6 AWD ausgesprochen vertraut und europäisch vor. Entsprechende Nachfragen nach der Testfahrt sollten ergeben, dass Albert Biermann (nicht verwandt mit unserem Chefredakteur) für die Abstimmung der Sportlimousine verantwortlich zeichnet.
Seine Handschrift kenne ich noch aus den Neunzigerjahren von diversen überaus geschätzten Fahrzeugen der BMW M GmbH aus Garching. Dort arbeitete Biermann lange Zeit als stellvertretender Entwicklungsleiter. Heute steht er in den Diensten von Kia und Hyundai, für die er im neu geschaffenen Testcenter am Nürburgring die Sport-Modelle abstimmt.
Der Koreaner kann Hochdeutsch
Nicht nur die Abstimmung von Lenkung, Fahrwerk und Bremsen erinnert mich an die Fahrzeuge seines früheren Arbeitgebers. Auch das Sound-System des Kia Stinger braucht keinen Vergleich mit deren Harman-Kardon-Anlagen zu scheuen. Die Neutralität, Präzision und Impulsivität folgt dem gleichen Ideal und lässt die Handschrift des weltumspannenden Harman-Netzwerks erkennen, das unweit der BMW M GmbH in Garching ein großes Soundlabor betreibt.
Die Impulse kamen perfekt getimt ans Ohr. Es bereitete einen Heidenspaß, den auf hohe Drehzahlen ausgelegten V6 – er erreicht seine Nennleistung erst bei 6000 U/min – 0rgeln zu lassen und dabei eine perfekte Untermalung mit Klassikern der Rockgeschichte zu goutieren.
Klar, dass man in einem derart wohlige Gänsehaut erzeugenden Ausnahme-Auto wie dem Kia Stinger GT 3.3 T-GDI V6 AWD Sachen wie „Highway Star“ von Deep Purple erleben muss. Doch es bereitete auch mächtig Spaß, Titel vom Album Amused To Death vom Roger Waters mit ihren zum Teil abgrundtiefen Bässen zu hören.
Ob in Stereo oder Surround, ist dabei von Stimmung und Musikrichtung abhängig. Das Sound-System spielte in jedem Fall auf sehr hohem Niveau und besaß die Fähigkeit, nicht nur die Höhen fein aufzulösen, sondern blieb auch ausgesprochen differenziert in den unteren Oktaven. Die Tonalität und das Zeitverhalten bei Impulsen zählen zum Besten, was man auf der Straße erleben kann – noch dazu für knapp über 55.000 Euro in Verbindung mit einem sehr gelungenen Fahrzeug, das mir fast wie ein kleiner Bruder des Maserati Quattroporte vorkam.
Die einzige Eigenart, die ich dem geschmackvoll verpackten Premium-System von Harman Kardon nachsagen kann, ist eine gewisse Mittenlastigkeit in räumlicher Hinsicht. Der Center-Kanal erschien mir mitunter reichlich dominant, während die Harman-Systeme von Volvo oder BMW die Bühne etwas gleichmäßiger, aber nicht unbedingt stabiler vor den Vordersitzen aufbauen. Ansonsten würde ich nicht davor zögern, das Sound-System des Kia Stinger GT als High End zu bezeichnen.
Fazit: Kia Stinger GT 3.3 T-GDI V6 AWD mit Harman Kardon
High-End-Sound und unlimitierter Fahrspaß zu diesem Preis? Kia kann’s. Zwar kann der Stinger GT 3.3 T-GDI V6 AWD sein Gewicht von knapp 2 Tonnen fahrdynamisch und auch beim Verbrauch nicht völlig kaschieren. Doch er ist eine wohltarierte Mischung aus Sportwagen und Limousine, wie man sie eher von italienischen Heroen wie Maserati oder Alfa Romeo erwarten würde.
Freilich lassen sich die objektiven Fahrleistungen wie die 5,5 Sekunden von 0 auf 100 auch mit manchem einheimischen Kompaktsportler toppen, nicht aber das unnachahmliche Gran-Turismo-Feeling. In Verbindung mit einem Klang, den viele nicht einmal von ihrer HiFi-Anlage im Wohnzimmer, geschweige denn von irgendwelchen Bluetooth-Dosen kennen. Am Ende meiner Dienstfahrt wurde die Akte dank des berechenbaren, wohl balancierten Fahrverhaltens der Stinger-Rakete nicht mit dem Vermerk K.I.A. geschlossen, sondern mit den Worten „Thrilled in Action.“
Bewertung
AutoAnlageFahrspaßGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Natürliche Stimmwiedergabe, sehr gute Auflösung, tiefreichender, differenzierter, satter und sauberer Bass |
| Breite, tiefe und dabei stabile Hörbühne |
| Harman Kardon Sound im Kia Stinger GT serienmäßig |
| Perfekt dosierbare und standfeste Brembo-Bremsen |
Vertrieb:
Kia Motors Deutschland
Frankfurt/Main
www.kia.com
Preis (Herstellerempfehlung):
Kia Stinger GT 3.3 T-GDI V6 AWD ab 55.900 Euro inklusive Harman Kardon Premium Sound.
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