Aller guten Dinge sind drei. Die Tests von Ford Fiesta und Ford EcoSport förderten erstaunliche Fähigkeiten von Auto und Anlage ans Licht – Ford baut richtig tolle Fahrwerke und sparsame Triebwerke. Allerdings zählten die Testfahrten mit den 100 respektive 150 PS starken, dazu ziemlich vernünftigen Kleinwagen nicht unbedingt zu den Erlebnissen, bei denen ein Motorenfreak ins Schwärmen gerät. Statt einer Traumwagen-trifft-Traum-Anlagen-Story, die sich quasi von selbst schreibt, war das richtige Arbeit, die aber immerhin manifestiert, dass der Trend zu Marken-Car-Audio ab Werk von Audi, Porsche oder Aston Martin inzwischen auch die kleinsten Klassen erfasst hat. Doch jetzt kommt die ausgleichende Gerechtigkeit: Ich darf in Nizza den neuen Ford Mustang fahren. Der bekommt zwar sein maßgeschneidertes B&O Play System erst mit dem Jahrgang 2019 Bullitt. Dafür hat er aber einen 5.0-Liter-V8 unter der Haube. Das ist für Petrol Heads wie mich noch stimulierender als jeder Subwoofer im Kofferraum.
Der Ford Mustang ist neben dem Porsche 911 Carrera eine der wenigen übergebliebenen Sportwagenikonen, die meine Generation schon als Matchbox-Auto im Kinderzimmer begeisterten. Zwar hat das amerikanische Idol im Laufe seiner Evolution nicht so ein Riesenwachstum wie der Carrera durchgemacht, dafür gibt es Brüche in seiner Biographie: Dunkle Stellen mit spießigen Stilentgleisungen, die an die Abstürze von Rockstars erinnern, die zwischendurch weg vom Fenster waren und sich eine Auszeit in der Reha nahmen. Eben die Dinge, über die sie heute nicht mehr gerne sprechen. Für den Mustang begann diese Phase Anfang der 70er Jahre und endete erst mit dem Mustang V von 2004. Der steht stilistisch in einer direkten Linie mit der Mutter aller Mustangs von 1964.
Seit seinem Comeback ist der Sportler wieder auf der Überholspur und ich kann es kaum erwarten, ihn zu testen. Das Testerleben ist also diesmal gerade bei Ford wieder ein Pony-Hof. Stell dir vor: Du stehst auf einem Hof mit lauter nagelneuen Ford Mustang. 2,3 Liter EcoBoost und Mustang GT 5.0 Ti-VCT-V8, Handschalter und 10-Gang-Automaten. Ein schneller Ami darf bunt sein, denke ich mir. Das macht sich auch spektakulärer auf den Fotos. In Dunkelblau oder Schwarz sieht das viersitzige Sportcoupé nämlich fast so gediegen wie ein 70er Jahre Aston Martin aus.

Also fahre ich mit dem dicksten Motor vom Hof, den ich mit Handschaltung kombinierte. Auf diese Kombination schwören verständlicherweise wollgefärbte Mustang-Fans. Doch vor das Vergnügen hat das Schicksal eine harte Prüfung gestellt. Zunächst kriege ich relativ drastisch vor Augen geführt, warum ich vor sieben Jahren auf Automatik umstieg und auch die meisten Testwagen inzwischen keine Handschaltung mehr besitzen. In dem von unübersichtlichen Kreisverkehren und Abzweigungen geprägten Stadtverkehr von Nizza darf ich zur Gewöhnung an die alten Sitten einige Extra-Runden drehen. Das Navi – Sync 3 mit AppLink 8-Zoll-Touchscreen – ist nicht unbedingt der Burner. Es bietet gute Smartphone-Konnektivität, aber die Routen-Führung ist nicht immer ganz eindeutig.
Shaker kann sich hören lassen
Das Sound-System überrascht dagegen positiv. Es heißt Shaker, was irgendwie halbstark nach volle Dröhnung auf dem Parkplatz klingt. Doch die 12 Lautsprecher des Premium-Sound-Systems machen einen erstaunlich guten Job. Außerdem gehört es mit 1.200 Euro im Paket mit dem dicken Navi zu den günstigen Sound-Optionen im Vergleichsumfeld. Die visuelle Darstellung bleibt allerdings hinter B&O und Co. deutlich zurück. Die akustisch günstig weit oben in den A-Säulen untergebrachten Hochtöner verstecken sich hinter einem schlichten schwarzen Gitter.
Im Verkehrsgewühl sorgt das Shaker-System für gute Unterhaltung. Es erzeugt eine erstaunlich hohe und breite Bühne und klingt erfreulich ausgewogen. Stimmen besitzen zwar keinen audiophilen Schmelz, sind aber tonal sehr ausgewogen. Der Bass kommt recht tief in den Frequenzkeller und ist ordentlich konturiert – nicht nur über CD-Player, sondern auch vom Smartphone. Keine Frage, mit der Anlage kann man gerade Rock und Pop wirklich genießen. Wenn man nicht lieber dem Motor lauscht…
Endlich offene Landstraße. Man glaubt zu wissen, was als kommt. Doch weit gefehlt. Zum Glück fällt meinem Co-Piloten auf, dass vor uns die Gendarmerie fährt – in einem Kleinbus, der wie ein Wagen der einheimischen Stadtwerke auf mich wirkt. Ich harre nämlich schon ungeduldig und übermütig einer Möglichkeit zum Überholen. Doch nicht alles hat sich heute gegen uns verschworen: Die Flics biegen ab und ich gebe dem Pony Car erstmals die Sporen. Artgerechter Auslauf für 450 PS.
Was folgt, ist ein Fest für die Sinne: Der V8-Motor röhrt, der Ford Mustang schießt los, drückt mich in den perfekt geformten Schalensitz von Recaro, während ich mit nach vorne über die lange, zerklüftete Motorhaube den Blick auf Berge und Meer, im Rückspiegel auf ein Testerkollegen in einem weiteren gelben Mustang GT genieße.
Das 4,8 Meter lange, knapp 2 Tonnen schwere Sportcoupé fühlt sich kompakter und leichter an, als es ist. Die Rückmeldung der in jeder Lage direkten Lenkung überzeugt ebenso wie die Traktion der 19-Zoll-Pirelli-Reifen, die mit den 529 Nm Drehmoment bei 4.600 U/min zumindest bei Trockenheit unter strahlend blauem Himmel gut fertig werden.
Der Mustang erweist sich auf einer zügigen Etappe als verlässlicher Sportsfreund. Das über Magnetfluid in Zug- und Druckstufe in Sekundenbruchteilen automatisch anpassbare MagneRide-Aktivfahrwerk ist für meinen Geschmack sehr gut abgestimmt. Das leichte Springen der Hinterachse in Kurven mit unebenem Straßenbelag fällt unter Entertainment. Es sorgt für eine Extraportion Drama, was das Fahrerlebnis noch intensiver macht.
Die Bremsen wecken den (später bestätigten Verdacht), dass sie von meinem Lieblingsausrüster Brembo stammen. Die Sechs-Kolben-Sättel der vorderen Scheiben lassen sich gut dosieren und werden mit dem recht schweren Sportler spielend fertig.
Auch der Motor lässt bei einem Ohrenmenschen mit Benzin im Blut einen Verdacht aufkeinem: Hat Ford hier die klassische, rustikale Bauweise nach amerikanischer Art aufleben lassen? Gerade beim starken Beschleunigen entfacht er ein Stakkato, wie ich es sonst nur aus dem Rennfahrer-Epos „Tage des Donners“ kenne, welches ich mit seinem fetten Sound und seiner dünnen Handlung gerne für Surround-Lautsprecher-Tests heranziehe.
Nachfragen beim Entwickler der mit einer Flüster-Funktion für ein friedliches Verhältnis zur Nachbarschaft ausgerüsteten Vierrohr-Klappen-Auspuffanlage schafft Gewissheit. Die Amis setzen beim aktuellen 5.0 l Ti-VCT-V8, einem modernen Vierventiler mit variablen Steuerzeiten auf eine Cross-Plane-Kurbelwelle, bei der die Hubzapfen jeweils um 90 Grad zueinander versetzt sind. Das bedingt eine andere Zündfolge als bei Flat-Plane-Kurbelwellen wie im McLaren 507s, bei denen sich immer zwei gegenüberliegende Zylinder einen Zapfen teilen: ist der eine Kolben am oberen Totpunkt, befindet sich der andere gleichzeitig am unteren Totpunkt.
Daraus ergibt sich auch eine andere Zündfolge als beim 5,2 l des Shelby GT350. Daher böllert der neue Mustang GT gerade bei hohen Drehzahlen animalisch, während Flat-Plane-V8s mit steigender Drehzahl nicht selten an ein Duett aus zwei Vierzylinder-Aggregaten erinnern. Erfreulicherweise verzichtet Ford auf alberne, mutwillig herbeigeführte Fehlzündungen, mit denen die deutschen Premiumhersteller sogar ordinäre Vierzylinder aus dem Limousinen-Baukasten mit Gewalt auf sportlich trimmen wollen.

Statt dessen traut sich Ford, die digitalen Instrumente nicht nur als virtuelle Fortsetzung der Analoganzeige oder für eine paar mehr oder weniger nützliche Zusatzinformationen zu nutzen. Die Amerikaner sprudeln vor Kreativität. Passend zum wählbaren Fahrmodus wechseln die Instrumente zwischen Drag-Strip und Formel 1.
Der Zeitplan ist allerdings so knapp, dass ich mich mit solchen netten Gimmicks nicht aufhalten kann. Ich fahre einfach und genieße das amerikanische Auto in den französischen Bergen.
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