Pssst, nicht weitersagen; Eigentlich war der BMW 540i xDrive mit seinem Harman Kardon System nur mein Plan B. Wegen des Runs auf die wenigen Testwagen war vorerst kein 600 PS starker M5 mit B&W System zu kriegen. Der 462 PS starke M550i (AMS nennt ihn treffend “Ersatz-M5”) wird vorübergehend nicht hergestellt, um die aufwendige Umrüstung auf Otto-Partikel-Filter (OPF) für den neuen WLTP-Zyklus durchzuführen. So entschloss ich mich für meine ganz spezielle weißblaue Winter-Story zu antizyklischem Handeln. Ich bestellte alles eine Nummer kleiner und schon konnte mein Tripp in die Berge beginnen.
Die Idee war eine musikalische Winterreise in die Vergangenheit von Auto, Autor und Anlage. Vor fast zwei Jahrzehnten wurde es mir zu wohl und ich ging mit meinem BMW M5 E34, einem ehemaligen Top-Modell der 5er-Reihe aus der Vor-ESP-Zeit des Automobilbaus aufs Eis tanzen. Auf dem Rettenbachgletscher fand ich mich beim Winterspektakel der Zeitschrift sportauto flankiert von zwei weiteren Hecktrieblern – natürlich beides BMWs – inmitten einer Übermacht aus allradgetriebenen Audis, Subarus und Mitsubishis wieder. Das war reichlich verwegen, lief aber ohne Blessuren oder Blamage ab und machte vor allem einen Heidenspaß.
Doch die Freude wurde durch etwas überschattet, das mich bis zum heutigen Tag total wurmt: Um einen Wimpernschlag wäre ich auch noch mit einem Pokal nach Hause gefahren. Ich holte den traktionsbedingt schlechten Start und den anschließenden Volles-Risiko-Dreher in der vereisten Spitzkehre in den schnellen Drift-Passagen wieder auf und verlor das Halbfinale gegen den späteren Gesamtsieger in einem Foto-Finish. Doch genau diese Knapp-vorbei-ist-auch-daneben-Erlebnisse beschäftigen einen manchmal länger als eine klare Niederlage.
Mit dem Berg noch eine alte Rechnung offen
Allerdings habe ich die dramatische Halbfinalausscheidung gegen den auf diesem Terrain konzeptionell haushoch überlegenen Seat Leon Cupra komplett als On-Board-Video. Das bietet die einmalige Chance, nach einer halben Ewigkeit in 3.000 Metern Höhe nochmal gegen sich selbst anzutreten und virtuelle Kreise um die Gegner zu fahren. Schließlich war ich nach den ersten Drifts im BMW M140i xDrive vom Glauben abgefallen, was mit hinterradbetontem Allradantrieb und starkem Sechszylinder auf Schnee und Eis möglich ist. Nach ein paar Minuten mit dem Testwagen nachts auf einem verschneiten Parkplatz hielt ich mein iPhone aus dem Fenster und filmte Drift-Selfies. Die Zeit schien reif, meine alte Rechnung mit dem Berg zu begleichen.
Der BMW 540i xDrive ist in Gewicht und Leistung mit meinem M5 E34 aus den 90ern vergleichbar. Und beim sich aufdrängenden Vergleich der Sound-Systeme ist im Grunde das für 1.100 Euro angebotene Harman Kardon auch die perfekte Wahl, denn das Bowers & Wilkins ist mit 3.500 Euro und 1.400 Watt so weit weg, dass man Vergleichbares in den frühen 90er Jahren nur im damals noch vitalen Nachrüst-Markt bekommen hätte. An Online-Entertainment, DVD, DAB, USB usw. – für den aktuellen 5er selbstverständlich – war damals nicht zu denken. DAB steckte noch in den Kinderschuhen, die anderen Quellen fielen unter die Rubrik Science Fiction.
Soviel zur Theorie. Doch Plan B läuft von Anfang an völlig aus dem Ruder. Nach einer konzertierten Rüpel-Aktion von einem 7er und einem 5er Touring mit Münchner Kennzeichen, die mich auf der Fahrt zur Abholung des BMW 540i xDrive in Garching von zwei Seiten in die Zange nehmen, als ich mich schön brav hinter einem Pulk langsamerer Autos auf der Autobahn anstelle, tendiert mein Interesse an einem durch reichlich Euphorie getriebenen BMW-Test gegen Null.
Doch bereits das Einsteigen in den knapp 5 Meter langen schwarzen Wagen hebt spürbar meine Stimmung. Die Fahrertür erinnert an einen Safe und der Sound, mit dem sie ins Schloss fällt, setzt den BMW 540i xDrive sehr deutlich vom 2016 getesteten BMW 140i xDrive ab, mit dem er sich Motor, 8-Gang-Wandler-Automatik und Allrad-Antriebskonzept teilt.
Drinnen legt die Luxury-Line Ausstattung mit ihrem aus dem BMW 740Ld xDrive bekannten hochwertigem, mokkafarbenem Nappa-Leder mit Steppnähten noch eine Schippe drauf. Und die Einblendung der virtuellen Instrumente beim Start ist wirklich großes Kino. Das hilft mir auch, die nächste Probe sehr entspannt über mich ergehen zu lassen. Die bayerische Boom-Metropole München lässt vom Verkehrsfluss selbst den Stuttgarter Kessel als Mobilitäts-Paradies erscheinen. Und ich muss einmal quer durch die Stadt von Garching im Norden zur Autobahn Richtung Garmisch im Süden, weil das mit Real Time Traffic Informationen (RTTI) operierende Navigationssystem diese Route angesichts des chronisch verstopften Autobahnrings als kleineres Übel betrachtete. Ich nutze die Gelegenheit, sämtliche Einstellungen von Auto und Harman Kardon Surround Sound System an meine Gewohnheiten anzupassen.
Das Setup dauert einen Moment, auch wenn BMW hier inzwischen mit dem iDrive-Konzept Maßstäbe für intuitive Bedienung setzt und obwohl mir fast alles aus den anderen BMWs bekannt ist. Der Grund liegt schlicht in der Fülle der Features und Individualisierungsmöglichkeiten für Fahrprogramme oder Assistenzsysteme. Um die noch bequemer zu bändigen, hat BMW jetzt zum Dreh- und-Drücksteller, dem Touchpad zum Malen von Buchstaben mit dem Finger und der exzellenten Sprachsteuerung sogar den zentralen 8,8-Zoll-Bildschirm als Touch Screen ausgeführt. So kann jeder nach seinem Gusto je nach Funktion die beste Variante wählen.
Dabei entdecke ich kleine Unterschiede zum 1er von 2016. Es gibt ein neues, an Smartphones angelegtes Kachel-Design, das bestens mit dem Touchscreen harmoniert, sich aber auch über die Tasten sehr gut bedienen lässt. Unter den Fahrzeug-Apps gibt es jetzt eine für das von BMW mit ins Leben gerufene ParkNow. Damit kann man nach Anmeldung in ausgewählten Parkhäusern und beim Parken am Straßenrand den Parkvorgang automatisch aus dem Auto starten und beenden. Die Rechnung wird dann am Monatsende abgebucht. Total smart, dumm nur, dass ausgerechnet am BMW Stammsitz in München nur einige Parkhäuser, nicht aber die besonders lästigen Parkscheine am Straßenrand bezahlt werden können. Außerdem bin ich nicht gekommen, um zu parken. So spare ich mir die Eingabe meiner Zugangsdaten.
Zudem verfügt der Testwagen über die auch für andere Baureihen per Download aus dem BMW-eigenen App Store buchbare On Street Parking Information, die über Einblendungen auf der Navigationskarte das Auffinden freier Parkplätze erleichtern soll. Das System, das im letzten Jahr im neuen Fünfer debütierte, nutze ich auch in meinem eigenen BMW. Daher kann ich sagen, dass es noch in den Kinderschuhen steckt, aber ein toller Ansatz ist, der im Moment aber nur in zentralen Bereichen großer Städte überhaupt funktioniert.
Das Sound-System des BMW 540i xDrive
Das erste Menü, dass ich nach der Bluetooth-Kopplung meines in der praktischen, induktiven Ladeschale verstauten iPhones aufsuche, sind die Klangeinstellungen des Harman Kardon Systems. Das hat so einen fetten Bass, dass mir sofort der Verdacht kommt, dass jemand den Regler auf Anschlag gedreht hat. Das kommt gewöhnlich immer dann vor, wenn man sich in einen nicht ganz jungfräulichen Testwagen setzt. Fehlanzeige. Sogar der 10-Band-Equalizer ist in Neutralstellung.
Nebenbei entdecke ich das Logic7-Surround-Verfahren, das sich abschalten lässt, was dann auch zu einem besseren Fokus führt. Der Klang des Harman Kardon Systems hat etwas Anspringendes, das gerade Otto Normalverbraucher sofort suggeriert, einer Superanlage zu lauschen.
Abgesehen vom mächtigen Bass erinnert mich der Klang sehr an die exzellente Harman Anlage im M140i. Stimmen klingen sehr neutral, die Höhen lösen wie gewohnt von Harman Kardon gut auf. Die Bestückung ist schließlich zumindest in der ersten Reihe auch ähnlich wie im 1er, doch hier sind unzweifelhaft mehr Watt im Spiel und die edleren Abdeckungen der 16 Lautsprecher machen unmissverständlich klar, dass man hier zwei Klassen höher unterwegs ist.
Das gleiche gilt für die Umsetzung des Fahrerlebnisschalters, dessen drei drei Programme sich zudem direkt anwählen lassen, während man im 1er immer durch die Menüs scrollen muss.
Endlich auf der an diesem Freitagabend erfreulich freien Autobahn angekommen, wechsele ich von dem für die Stadt auch vom smoothen Fahrgefühl perfekten Eco-Pro-Modus zunächst auf die Komfort-Einstellung. Auch in diesem Standard-Modus bleibt das adaptive Fahrwerk mit Wankstabilisierung zwar ganz schön weich, führt alle vier Räder aber sehr gut und vermeidet weitgehend Karosseriebewegungen. Grundsätzlich fühlt sich der BMW 540i xDrive sehr ähnlich an wie der im letzten Herbst gefahrene Mercedes E 400 4Matic Cabriolet. Allerdings verkneift sich der Bayer selbst in der weicheren Einstellung Führungsschwächen an der Hinterachse, die beim Schwaben auf Bodenunebenheiten im Komfort-Modus mitunter zu leichtem seitlichem Versetzen führten. Diese Angewohnheit war zwar absolut harmlos, bewog mich im Mercedes allerdings dazu, für flottere Fahrt zum Sport-Modus zu greifen. Der 5er BMW macht dagegen auch im weichen Fahrwerks-Setup klaglos einige Späße mit.
Der BMW 540i xDrive ist wendig wie ein kleineres Auto
Auch wenn die Gemeinsamkeiten mit Daimler grundsätzlich immer größer werden, darf man nicht vergessen, dass der 5er-BMW nicht mit dem sportlicher abgestimmten Coupé oder Cabriolet, sondern mit der Limousine konkurriert, die mit 4,92 Metern auch 10 cm länger als ihre beiden Derivate ist. Und in diesem Vergleich setzt der 4,94 Meter lange BMW 540i xDrive eindeutig die sportlicheren Akzente gegenüber dem im Dezember 2016 getesteten Mercedes E 220 d – auch jenseits der höheren Motorleistung.
Doch nachts allein auf einem Alpenpass zählen die (gerade im Sport-Modus) beherzt anschiebenden Pferdestärken weniger als die gute Sicht. Und die ist dank der bei dieser Übung perfekt in Szene gesetzten LED-Scheinwerfer mit adaptivem Fernlicht exzellent. Diese smarte Leuchttechnik holt auch bei Gegenverkehr oder in Kurven immer ein Maximum an Sicht heraus – ein wichtiges Sicherheitsdetail, das mit zunehmendem Alter immer wichtiger wird. Denn während das Popometer sich stetig weiterentwickelt und mangelnde Motorleistung spielend ausgleicht, nimmt das Sehvermögen gerade bei Blendung immer weiter ab. Da der BMW 540i xDrive guten Anzug in jeder Lage bietet und er die Straße sensationell gut ausleuchtet, macht der Pass unglaublich Spaß. Allerdings zappelt der Lichtstrahl bisweilen herum, als wenn ein Lotse mit einem Bündel extrastarker Taschenlampen vor dir herrennt. (Das heißt, bei mir müsste er im Moment gerade fliegen können).
Das Ziel meiner Reise gilt einer kleinen Pension in Sölden, die ich einige Stunden vor der Abreise erst über ein Internetportal gebucht habe. Doch durch die verkehrsbedingten Verzögerungen in München bin ich spät dran und mein Magen meldet sich mit Hungergefühl. Weil ich gerne etwas Vernünftiges essen und trinken möchte, beschließe ich, durchzuhalten und erst den Wagen am Hotel abzustellen, bevor ich mit dem noch gemütlicheren Teil des Abends beginne. Auf der Autobahn kann ich immerhin etwas Zeit gutmachen und kurz vor 21 Uhr sollte sich im Touristenort Sölden problemlos noch etwas auftreiben lassen, wenn man nicht noch ewig laufen und suchen muss.
Eigentlich wäre das jetzt der ideale Moment, den Concierge Service zu nutzen und diese in Connected Drive integrierte Killer App im Rahmen des Tests zu beleuchten. Doch ich bin bereits über der Grenze und nicht sicher, ob dieser für 100 Euro pro Jahr buchbare Dienst auch in Österreich funktioniert.
Aber angesichts meiner Lage und dem Nutzen für meinen Fahrbericht des BMW 540i xDrive entscheide ich mich, einen Versuch zu wagen. Kurz nach dem Anklicken der Funktion meldet sich ein freundlicher Herr, der fragt, wie er mir behilflich sein kann.
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