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Klipsch Jubilee auf HIGH END 2023
Die Jubilee ist die mit Abstand größte Box bei Klipsch und überragt in Pegel und Verzerrungsarmut sogar das legendäre Klipschorn. Der Preis liegt bei 50.000 Euro (Foto: H. Biermann)

Klipsch Jubilee: zur Privat-Audienz auf der HIGH END 2023

Wir hatten die Klipsch Jubilee ja schon in unserer Messe-Vorankündigung vorgestellt. Die Jubilee ist ein Monster von einem Lautsprecher – weitaus größer noch als das eh schon stattliche Klipschorn. In diesem Jahr kam die Jubilee erstmals nach Deutschland – genauer: auf die HIGH END 2023. Und dort ergab sich die seltene Gelegenheit, nach Messeschluss nicht nur Menschen aus der Klipsch Führungsriege zu treffen, sondern und vor allem diesen Ausnahme-Lautsprecher intensiv zu hören. Es wurde zu einem Erlebnis der ganz besonderen Art …

Holger Biermann + Paul Jacobs
Das Bild zeigt LowBeats Chefredakteur Holger Biermann mit Paul Jacobs. Jacobs ist Präsident der gewichtigen Premium Audio Company, die unter anderem Klipsch, Pioneer, Onkyo, Jamo, Magnat und Heco unter einem Dach vereint (Foto: S. Fischer)

Es ist kein Geheimnis, dass Paul W. Klipsch, Lautsprecher-Ikone und Gründer des derzeit größten (HiFi-) Lautsprecherherstellers der Welt, stets die Meinung vertrat, ein Schallwandler müsse nicht größer sein als sein Klipschorn. Und im Grunde hatte der Mann Recht. Das „Orn“ bekommt ja durch seine prinzipbedingte Eckaufstellung so viel Abstrahlfläche durch die Wände hinzu, dass es zu abenteuerlichen Pegeln – auch im Bass – in der Lage ist. Zur Erinnerung: Das Klipschorn wird mehr oder minder unverändert seit 1946 gebaut.

Und dennoch fanden sich nach dem Tod des Meisters Skizzen und Unterlagen von einem System, das ein Klipschorn locker in den Schatten stellt. Zum 75. Jubiläum der Firma (siehe auch LowBeats History Report) holten die Klipsch-Entwickler die alten Studien noch einmal hervor und schufen damit die Jubilee. Das ist ein 2-Wege-Lautsprecher mit den Abmessungen von 175,26 x 127 x 76,2 cm (H x B x T), einem echt großen Mittelhochtonhorn (O-Ton Kollege Bernhard Rietschel: „groß wie eine Badewanne“) und einem Gewicht von 185 Kilo pro Seite. Und gemessen an dem, was sonst auf der HIGH END geboten wurde, ist die Jubilee dafür erfreulich „günstig“: Sie kostet 50.000 Euro pro Paar. Allerdings lauern verdeckte Kosten …

Die Besonderheiten der Klipsch Jubilee

Denn die Jubilee ist eine Aktivbox ohne eingebaute Endstufen und ohne eingebaute (aber mitgelieferte) Frequenzweiche. Letztere verpackt Klipsch in flachen Zusatzkästen im 43-Zentimeter-Format. Wer jetzt Fantasien für eine Vielzahl von Einstellungen und Anpassungen bekommt, die eine solche Weiche ja womöglich bieten würde: Nein. Man ist bei Klipsch. Es gibt eine Übergangsfrequenz (bei 340 Hertz) mit der genau richtigen Flankensteilheit im Überlappungsbereich von Tief- und Mittelhochton. Einzig den Pegel der beiden Zweige kann man anpassen – für den Fall, dass die beiden Endstufen unterschiedlich hohe Ausgangsspannung haben.

Es werden also für den Betrieb der Jubilee zwei Endstufen benötigt, wobei man sich bei deren Leistung eigentlich keine Gedanken machen müsste: Der angegebene Katalog-Wirkungsgrad von 105 Dezibel wurde zwar auch von den Klipsch-Leuten vorsichtig „als etwas zu hoch“ bezeichnet, aber über 100 dB (1 Watt / 1 Meter) sind sowohl für den Bass als auch für den Mittelhochton locker drin. Da reichen bereits Kofferradios für gediegene Partypegel.

Klipsch Jubilee Aktivweiche
Wie gesagt: Viel einstellen kann man an der aktiven Jubilee-Weiche nicht… (Grafik: Klipsch)

Aber wir sind ja bei Klipsch. Und es ist Messe. Also holte man sich etwas, das in allen Belangen standesgemäß ist: die neue McIntosh MC901 Dual-Mono-Endstufe – in Deutschland natürlich immer in der AC-Version des Audio Components-Vertriebs. Diese Endstufe ist wie für die Jubilee geschaffen. Sie vereint einen 300-Watt-Röhrenblock und eine 600 Watt Transistor-Endstufe in einem (natürlich ziemlich großen) Gehäuse und mit den üblichen McIntosh Insignien: brutal hohes Gewicht, die blauen VU-Meter und natürlich dem bekannt-satten McIntosh-Klang.

McIntosh MC 901
Eine ultimative Lösung für 2- Wege Aktiv-Boxen oder Bi-Amping: die McIntosh MC 901 mit dem 2in1-VU-Meter, das gleichzeitig die Leistungsabgabe der Röhre als auch des Transistors anzeigt. Allein schon optisch ein Hammer! (Foto: McIntosh)

Selbstredend ist so ein Bolide nicht eben günstig: 55.550 Euro kostet ein Pärchen. Wie gesagt: Man kann Endstufen-technisch auch bescheidener herangehen. Aber das Ergebnis mit diesen Amps war eindrücklich …

Auch zur Konstruktion der Jubilee habe ich vor Ort einiges gelernt. Das Basshorn wird von zwei 30 Zentimeter Tieftönern angetrieben – aber nicht nur. Die beiden Bässe arbeiten nämlich auf ein Bassreflexsystem, dessen Bassreflex-Ports das Horn zusätzlich befeuern. Dieser Kniff erweitert den Frequenzbereich noch einmal nach unten.

Klipsch Jubilee Funktion
Eine Grafik des Bass-Horns: Zwei 30er Bässe sitzen übereinander in einem Bassreflexgehäuse (Mitte) und arbeiten gemeinsam mit den Bassreflex-Ports auf die Druckkammer direkt vor den Membranen (Foto: Klipsch)

Das gut ein Meter breite Mittelhochtonhorn wird von einem riesigen 7 Zoll (also fast 18 Zentimeter) großem Druckkammertreiber befeuert. Klipsch hat das Horn als Breitbandhorn konstruiert – theoretisch könnte es auch den Bass noch mitübernehmen. Das klänge aber wahrscheinlich nicht so schön und man verlöre Wirkungsgrad und Verzerrungsarmut. Deshalb kommt dieses Konstrukt erst ab 340 Hertz zum Zuge.

Klipsch Jubilee von hionten
Die Rückansicht lässt die Größe des Mittelhochton-Treiber erahnen: es sind satte 18 Zentimeter. Zugriff auf die beiden Bässe hat man – wie nach alter Väter Sitte – über eine verschraubte Rückwand (Grafik: Klipsch)

Höreindruck: fasten your seatbelts

Dynamik ist ein Wert an sich. Einer, den die meisten HiFi-Lautsprecher nicht gut beherrschen. Ich höre gerade wieder sehr viel mit dem BBC-Monitor LS3/5a. Der klingt bezaubernd, beherrscht aber diesen Punkt so gut wie gar nicht. Er ist halt für den Übertragungswagen oder für das kleine Wohnzimmer gedacht. Die irrwitzig hohe Dynamik der Klipsch aber zieht den Hörer sofort in die Musik.

Klipsch Jubilee auf HIGH END 2023
Malte Ruhnke, ehemaliger stereoplay-Chefredakteur und heute bei der rührigen RTFM Presse-Agentur, führte nach Messeschluss durch das pegelstarke Jubilee-Programm (Foto: H. Biermann)

Malte Ruhnke, der hier durchs Programm führte, spielte zu Beginn absichtlich lauter Musik, die man nie und nimmer über solche Monster hören wollte: Violinkonzerte, zerbrechlich dünne Frauenstimmen, so etwas in der Art. Nur um zu zeigen, dass die Jubilee auch so ein Programm meistern könne.

Das klang auch aus dem Stand beeindruckend, weil jede Art von Musik so viel Kraft bekam und die Jubilee doch sehr viel feiner auflösen kann als man es ihr nach ihrem breitschultrigen Auftritt vielleicht zugetraut hätte. Auch die Bühnendarstellung war bei richtigem Hörabstand (ab 4 Meter) bemerkenswert tief. Was aber neben der unfasslichen Dynamik ebenfalls sofort auffiel: Wie viel besser und richtiger Musik klingt, wenn kein aufgeblähter Bassbauch unten anhängt – was ja im HiFi eher die Regel als die Ausnahme ist. Die Klipsch Jubilee aber hat kein Gramm Fett zu viel. Der Bass kommt schnell, knochentrocken und trotzdem tief und mit viel Saft – genau so wie ich mir das immer wünsche, aber so gut wie nie bekomme. Ein Bass dieser Qualität ist im HiFi extrem selten und wohl leider nur mit Hörnern zu erzielen.

Doch bei aller Begeisterung: Bei all der gespielten Musik lag auch immer so eine kleine Lästigkeit in den Mitten über dem gefälligen Gesamteindruck. Prinzipbedingt? Wahrscheinlich ja. Kann man da was machen? Eigentlich nein. Aber weil das Musikprogramm über Roon lief, wagte ich den Vorschlag, den Frequenzgang minimal zu korrigieren – was der Room-Equalizer ja erlaubt. Minus 2 Dezibel bei 3 KHz würden die Sache doch vielleicht noch ein bisschen gefälliger gestalten?

Nach einiger Diskussion – den Einsatz des EQ hatte man wohl schon ausprobiert und für nicht gut befunden – willigten die Klipsch-Leute ein und nahmen die sogenannte „Biermann-Kurve“ mit in die Presets auf. Et violà: In meinen Ohren klang das sofort um einiges besser und kultivierter. Sie Lästigkeit war fast vollkommen weg, die Darstellung einzelner Details gelang nun feiner und auch die Plastizität der Abbildung wurde greifbarer.

Das war der Moment, an dem ich mich zurücklehnen und nur noch genießen konnte. Denn zum Ende meiner Privat-Audienz legten wir die Musik auf, von der man unterstellen darf, dass die Jubilee hier ihre Feste feiert. Wir sprechen vor allem von elektronischer Musik à la Yello, Underworld & Co., die mir augenblicklich ein Grinsen ins Gesicht festtackerte. Derart sauber und laut habe ich all diese Stücke noch nie gehört. Die Bässen schlagen in den Magen, dass es nur so eine Freude ist und der gesamte Mittelhochtonbereich wird einem gleichermaßen mühelos wie kraftvoll um die Ohren gehauen. Es ist, als säße man vor einer riesigen PA – nur dass es einfach viel kultivierter und feiner klingt.

Ruhnke hatte für den Abschluss eine Aufnahmen herausgekramt, die ich schon verdrängt hatte: Charly Antollinis „Knock Out“. Man muss sich über den künstlerischen Wert dieses Werks keine Gedanken machen. „Repertoirewert Null Sterne“ hieß es in der LowBeats Musikredaktion. Aber was die Jubilee aus dieser streng auf Dynamik gezüchteten Aufnahme machte, war schlicht brutal: Jeder Schlag auf die Snare war ein ultrapräziser Hieb in Richtung Trommelfell, jeder Bassdrum-Impuls ein körperintensives Erlebnis. Ich fühlte mich, als würde eine riesige Dynamik-Lokomotive über mich hinwegbrausen und mich direkt ins Schlagzeug setzen. So echt klang es. Nur, dass es im Aufnahmeraum wohl so laut nicht gewesen sein dürfte …

Charly_Antollini_Knock_Out
Knallharte Drumkicks von 1979: Charly Antolini (Jahrgang 1937) spielte schon mit Wolfgang Dauner und Benny Goodman. Seine eigenen Scheiben sind berühmt berüchtigt …

Quintessenz: Die Jubilee kann erstaunlich gut leise und spielt erstaunlich kultiviert. Aber wenn man sie loslässt, beherrscht sie Punkte wie Basspräzision, Maximalpegel und mühelose Dynamiksprünge, von der 99% aller HiFi-Boxen nur träumen können. Kurz: Ich habe diese Stunde nach Messeschluss sehr genossen.

Technische Daten

Klipsch Jubilee
Konzept:2-Wege Aktivbox (Horn)
Bestückung:MHT: 1 x 18 cm Druckkammertreiber + Horn
TT: 2 x 30,5 cm Bassreflex/Horn
Wirkungsgrad:> 101 Dezibel
Maximalpegel (Dauer):125 Dezibel
Min.-Leistung für Max-Pegel:
>240 Watt
Empfohl. Hördistanz
> 4 Meter
Farben:Satin Black Ash und American Walnut
Abmessungen (H x B x T):175,26 x 127,0 x 76,2 cm
Gewicht :185 Kilo
Alle technischen Daten
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Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.