Mit den kleinen The Fives hatten wir ja schon mal einen Blick in die Welt der aktiven Smartspeaker von Klipsch geworfen. Aber Klipsch und “klein” passt irgendwie nicht zusammen. Da ergibt die brandneue Klipsch The Nines mit ihrer Bauhöhe von fast einem halben Meter und einer Bestückung mit 20 Zentimeter Bass und großem Tractrix Hochtonhorn ein sehr viel schlüssigeres Bild. Damit jedenfalls lassen sich die klassischen Rock’n’roll-Tugenden der Amerikaner schon recht beherzt umsetzen: Wir nutzten sie im großen LowBeats Büro (60 Quadratmeter) als besseren Soundbar Ersatz und hatten sehr viel Freude dabei…
Und das ist ja auch exakt das Thema: Ein Lautsprechersystem wie The Nines hat zwar (mit Ausnahme einer eventuellen Mehrkanalwiedergabe) alle Möglichkeiten eines Soundbars, bietet aber aufgrund der breiteren Aufstellung das sehr viel imposantere Stereo-Panorama.
Die Klipsch The Nines …
… ist wie alle Mitglieder dieser speziellen Klipsch Familie ein System aus Haupt- und Nebenlautsprecher. Im Hauptlautsprecher sitzt die gesamte Elektronik mit den vier Endstufen, dem DSP und allen Anschlüssen. Für die korrekte Konfiguration kann man per Schiebeschalter (Primary) festgelegen, ob der Hauptlautsprecher links oder rechts stehen soll. Kleine Besonderheit, die man bei Soundbars wohl nie findet: Man kann den Line-Eingang mittels Kippschalter auf Phono (MM-) umschalten. Wir haben diesen Eingang natürlich ausprobiert und ich muss sagen: Weil es doch reichlich matt und wenig detailreich klingt, ist diese Vorstufe eher etwas für Leute, die selten Phono hören. Ausgewiesene Vinyl-Freunde nutzen lieber eine externe Phonostufe. Trotzdem: nice to have.
Wie üblich bei diesen Systemen werden alle eingehenden Signale erst einmal auf die digitale Ebene gehievt, auf der sie dann entsprechend ver- oder bearbeitet werden. Erst zum Schluss erfolgt die D/A-Wandlung über einen nicht benannten DAC-Chip mit 24 Bit/192 kHz, um die vier Endstufen mit analogem Musikmaterial zu versorgen. Für die hoch effizienten Hochtonhörner sind die beiden 20-Watt-Endstufen wahrscheinlich schon überdimensioniert, aber für die 20-Zentimeter Tieftöner finden sich hier zwei stattliche 100-Watt-Endstufen – also ebenfalls reichlich Power.
Was die Verarbeitung angeht, ist man halt bei Klipsch. Wie auch bei den großen Modellen der Heritage Serie (wie zum Beispiel der bei LowBeats bereits getesteten Klipsch Forte IV) wirkt alles solide, aber auch etwas rustikal:
Praxis
Verbunden werden beide Lautsprecher mit einem sehr robusten, vierpoligen Kabel, wovon Klipsch ein Vier-Meter-Stück sowie eine Zwei-Meter-Verlängerung beilegt. Sechs Meter klingt zunächst viel, aber diese Länge ist bei The Nines durchaus angemessen. Wir werden noch darauf zu sprechen kommen.
Man kann The Nines auf dreierlei Arten bedienen: 1.) direkt am Gerät. Dafür hat der Hauptlautsprecher zwei Drehregler auf der Oberseite eingebaut. 2. über die Fernbedienung und 3.) über die App.
Gemessen am letzten Test mit The Fives hat die App ordentlich zugelegt und man ist klug beraten, viel über sie zu hantieren. So gibt es beispielsweise einen Nacht-Modus, wie ihn auch viel Soundbars bieten. Der reduziert nicht nur die Dynamik, sondern auch den Ärger mit den Nachbarn.
Der dynamische Bass hingegen sorgt bei sehr geringen Pegeln für die Extraportion Bass. Mir war es immer ein bisschen zu viel. Aber auch hier: nice to have. In der folgenden Slideshow haben wir die wichtigsten Funktionen der App aufgeführt:
Meine Lieblingsfunktion der App allerdings ist diese: Wenn man den Lautstärkepegel auf der App großzügig nach rechts schiebt, fragt die App fürsorglich: “Das ist sehr laut. Wollen Sie das wirklich?” Na klar! Weil die The Nines auch laut ziemlich klasse klingt.
Das belegen übrigens auch die LowBeats Messungen. Die Verzerrungs-Artefakte bei sehr hohem Pegel (zweite Messung) sind absolut in Ordnung. Es kommen immerhin 98 Dezibel dauerhaft und entsprechend fast 110 Dezibel kurzfristig zusammen. Klassische HiFi-Boxen dieser Preis- und Größenklasse schaffen das normalerweise nicht.
Die Aufstellung …
… ist vergleichsweise einfach. Auf dem Ständer, auf einem Sideboard oder auch im Regal kommt man mit Hilfe der Einstellungen in der App recht schnell zu einem klanglich erfreulichen Ergebnis. Wichtig allerdings ist dieser Punkt: Die The Nines ist ein Hochpegel-Lautsprecher mit großem Hochtonhorn. In kurzer Hördistanz will sich mit ihr kein schlüssiges (also auch räumliches) Klangbild einstellen. Wir haben mit verschiedenen Hörsituationen experimentiert, aber richtig gut klingt es erst mit einem Abstand oberhalb 3,5 Meter.
Die Botschaft also lautet: Das The-Nines-System ist – wie es auch im Klipsch Katalog (Bild unten) suggeriert wird – ein Lautsprecher für große Räume. Da sind selbst 60 Quadratmeter nicht zu viel. Aber ganz sicher wird The Nines in Räumen unterhalb von 20 Quadratmetern nicht wirklich gut klingen…
Hörtest
Richtig eingestellt, kommt mit The Nines sofort Freude auf. Zum einen hat man das bei Klipsch quasi per DNA eingebaute Rock’n’Roll-Feeling. Wir hatten das Gefühl, sofort ZZ Top, Seasick Steve oder Ähnliches auflegen zu müssen. Bei Seasick Steves “Clock Is Running” kam alles genau so, wie man es sich vorstellt: Die Aufnahme ist standesgemäß wahrscheinlich in irgendeinem muffigen Keller entstanden, was dem Schlagzeug auch genau diesen minimal muffigen Ton verleiht. Gleichwohl kommen die verzerrte Gitarre und auch die Stimme des Meisters wunderbar direkt und knochig – einfach so, wie es sein muss.
Klassik geht, ist aber nicht das Lieblingsfutter der Klipsch. Im “Danse Macabre” von Camille Saint-Saëns konnten die Kompaktboxen den Dynamiksprüngen zwar mühelos folgen, die Streicher hatte ich aber schon etwas natürlicher gehört. Das hat nichts mit horntypischer Härte oder Nasalität zu tun – da haben die Klipsch-Entwickler in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Es fehlt der The Nines einfach nur das letzte Quäntchen Auflösung, wie man sie vielleicht mit einer – im Konzept ähnlichen, aber in der Realität komplett unterschiedlichen – KEF LS 50 Wireless erleben kann.
Was klassischen HiFi-Lautsprecherm aber abgeht, ist die hohe Verzerrungsarmut und die stattlichen Pegelmöglichkeiten. Der ungemein energetische Hörtest-Klassiker “Deeply Disturbed” vom Infected Mushroom brachte das gar nicht so kleine Büro zum Beben – und die Kollegen und mich zum Staunen. Brutal, was da an Tiefton rauskommt und mit welcher unangestrengten Mühelosigkeit der Hochton folgt. Da schloss sich gleich nach dem Testabend eine spontane Afterwork-Party an…
Und weil The Nines den Dauerpegel so bravourös meisterte, war anzunehmen, dass sie mit den noch härteren Anforderungen des Filmtons ebenfalls in ihrem Element sein dürfte. Richtig. Beim kürzlich erschienen “Bullet Train” (Sony) mit Brad Pit wechseln – wie üblich in diesem Genre – ständig ganz leise mit sehr lauten, hochdynamischen Ballerszenen ab. Nicht nur, dass The Nines eine enorme Detailvielfalt und hohe Sprachverständlichkeit zeigte: Auch bei Tiefton-Exzessen wie der Moment, in dem die beiden Shinkansen Schnellzüge ineinanderfahren, bleibt The Nines erstaunlich souverän. Nur wirklich große Soundbars, wie der Nubert nuPro XS-8500 RC, können da in etwa mithalten.
Fazit Klipsch The Nines
“Alles, nur kein Bullshit” titelten wir bei unserer Story zum 75. Klipsch-Jubiläum. “Alles, nur nicht langweilig” könnte die Überschrift zu The Nines lauten. Klipsch schwimmt zwar mit diesem Aktivsystem recht gekonnt auf der Smartspeaker-Welle, doch die großen Kompaktboxen sind dabei alles andere beliebig smart. Sie bleiben trotz vieler moderner, sehr angenehmer Funktionen angenehm knurrig und kantig. Das Gehäuse ist so schnörkellos schlicht, wie man es von Klipsch eben kennt und der erreichbare Pegel liegt weit über dem, was aus üblichen Smartspeakerchen herauszuholen ist. Wir können hier ohne rot zu werden eine gehobene Party-Tauglichkeit attestieren – einfach, weil wir es ausprobiert haben.
Also: Menschen, die vor allem Rock und Pop hören, die aber auch gern actionreiche Filme schauen und das alles in einem größeren Wohnraum machen wollen, haben hier ihr Wunschsystem gefunden. Denn mehr kluge Ausstattung, mehr Erlebnis und mehr Party gibt es derzeit für 2.000 Euro nicht.
Bewertung
Gesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Anspringender, kraftvoller und basspotenter Klang |
| Vielseitige, praxistaugliche Anschlüsse, schlüssige App |
| Hohe Pegeltauglichkeit, auch für größere Räume geeignet |
| Rustikale Klipsch-Verarbeitung |
Vertrieb:
Klipsch
www.klipsch.com
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Klipsch The Nines: 2.000 Euro
Technische Daten
Klipsch The Nines | |
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Konzept: | aktive Kompaktbox, BR-Gehäuse + Hochtonhorn |
Bestückung: | 1 x 20 cm Bass, 1 x 25 mm Hochtöner mit Tractrix Horn |
Leistung der eingebauten Endstufen: | 100 Watt( Bass), 20 Watt (Hochton) |
Empfohlener Hörabstand: | >3,5 Meter |
Maximalpegel (Dauer / kurzfristig): | 98 dB / 110 dB |
Eingänge: | 1 x HDMI (ARC), 1 x optisch, 1 x USB, 1 x analog Cinch, 1 x analog 3,5 mm Klinke, Bluetooth 5.0 (A2DP Codecs: SBC, AAC, aptX, aptX HD) |
Ausgänge: | 1 x Subwoofer |
Besonderheiten: | dynamische Bassanpassung bei sehr geringen Pegeln |
Abmessungen (H xB x T): | 48,6 x 24,1 x 33,8 cm |
Gewicht: | 12,9 Kilogramm |
Alle technischen Daten |
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