Wir leben in aufregenden Zeiten. In vielerlei Hinsicht. In der Welt des Digital-Audio erleben wir zum Beispiel gerade eine wahre Innovationsflut und fast täglich kommen mir hoch interessante Produkte auf den Testertisch. Und dann gibt es welche, die ragen einfach heraus. Die Rede ist vom brandneuen Linn Selekt DSM, einem digitalen All-in-One Musiksystem der Extraklasse. Ich weiß gar nicht, wann ich über eine HiFi-Komponente so viel zu erzählen hatte. Also: Noch schnell ein leckeres Heißgetränk organisieren und dann kann’s losgehen…
Früher war alles viel einfacher. Anlage verkabeln > einschalten > Musik auswählen > genießen. Der Nutzer musste sich zwar in einigen Bereichen auch etwas eingehender mit der Materie beschäftigen, etwa, um den Plattenspieler korrekt zu justieren. In der Welt digitaler, vernetzter Musiksysteme ist jedoch alles weitaus komplizierter, weil komplexer geworden. Wer nicht von klein auf den Umgang mit Computer- und Netzwerktechnologie gelernt oder ein IT-Studium absolviert hat, steht nicht selten wie der Ochs vorm Berg, wenn es darum geht, einen Streamingplayer in Betrieb zu nehmen. Lange Zeit war das nur was für Nerds und auch heute klappt es noch längst nicht mit jedem Gerät reibungslos. Als Tester kann ich davon ein Lied singen.
Die meisten Hersteller begegnen dem Netzwerkfrust heute mit sogenannten Einrichtungsassistenten, die den Besitzer Schritt für Schritt durch die notwendigen Prozeduren leiten, was mal mehr, mal weniger gut funktioniert. Bei meinem heutigen Testkandidaten ist das aber komplett anders.
Den gut informierten LowBeats Lesern brauche ich wohl nicht zu erklären, dass der schottische Hersteller Linn zu den absoluten Digital-Audio-Pionieren zählt – auch wenn die Marke ursprünglich mit einem Plattenspieler berühmt wurde. Und wer mit Linn schon Erfahrung hat, wird vieles von dem, was es hier zu lesen gibt, vielleicht schon wissen. Doch mit dem Selekt DSM schlagen die Schotten ein neues Kapitel auf, weshalb es auch für eingefleischte Linn-Fans womöglich die eine oder andere Neuigkeit zu erfahren gibt.
Zunächst die Basis-Fakten: Der Linn Selekt DSM ist ein hochintegriertes System zur Musikwiedergabe zahlreicher digitaler und analoger Quellen. Dazu gehören u.a. Streamingdienste wie Spotify Connect, Tidal, Qobuz, Webradio via TuneIn-Account, Musik aus dem heimischen Netzwerk (z.B. von einem NAS), Wiedergabe von lokalen digitalen Quellen per USB-Audio vom Computer, S/PDIF (2x Coax und 2x Toslink), HDMI ARC sowie analoge Quellen, inkl. Phono MM und MC. Was fehlt, ist eine Abspielmöglichkeit von lokal angeschlossenen Massenspeichern wie USB-Festplatte, -Stick oder SD-Karte.
Momentan ist beim Selekt alles auf kabelgebundene Zuspielwege ausgelegt. Die gängigen drahtlosen Optionen WLAN und Bluetooth sind zwar bereits im Gerät vorhanden, aber noch nicht aktiviert. Bluetooth soll bald per Software-Update freigeschaltet werden, bei WLAN ist jedoch noch einiges in der Schwebe. Ist der Selekt DSM per LAN-Kabel mit dem Router verbunden, kann Musik aber auch „semi-drahtlos“ via Apple AirPlay von einem Mac oder iDevice zugespielt werden. Also per WLAN bis zum Router und von dort per LAN in den Selekt. Oder man verwendet einen handelsüblichen WLAN-Adapter.
Übrigens: Im Lieferumfang ist nur die Fernbedienung und ein Netzkabel enthalten. Das derzeit zwingend zum Betrieb erforderliche LAN-Kabel (CAT5 oder höher) muss man sich in passender Länge selbst organisieren. Wäre wohl auch Verschwendung, ein 1 oder 2 Meter langes Kabel beizulegen, da bei den meisten Nutzern der Router höchstwahrscheinlich viel weiter entfernt steht.
Die Ausbaustufen des Linn Selekt DSM
Eine große Besonderheit des Linn Selekt DSM ist sein modulares Konzept. Der Kunde hat schon beim Kauf die Wahl zwischen verschiedenen Ausstattungsoptionen – daher vermutlich auch der Name „Selekt“. Momentan sind das:
• Linn Selekt DSM mit Vorstufenausgang 4.760 Euro
• Linn Selekt DSM mit integrierter Endstufe 6.250 Euro
• Linn Selekt DSM mit Vorstufenausgang und Katalyst 6.545 Euro
• Linn Selekt DSM mit Endstufe und Katalyst 8.035 Euro
Die Varianten mit oder ohne Endstufe sind selbsterklärend. Die Optionen mit Katalyst bedeuten eine Steigerung in Sachen Wandlerqualität. Wer klanglich keine Kompromisse eingehen will, kreuzt ohne mit der Wimper zu zucken das Katalyst-Modul mit an.
Auch der Rest des Aufbaus ist modular. Die primären internen Baugruppen lassen sich mit wenigen Schrauben ausbauen und tauschen. So ist beispielsweise bei der Ausstattung mit Endstufe neben dem entsprechenden Verstärkermodul auch ein leistungsstärkeres Schaltnetzteil verbaut als bei der Version nur mit Vorstufenausgang. Werfen wir mal einen Blick unter die Motorhaube, bevor wir uns mit dem schönen Äußeren befassen:
Für die Zukunft ist noch einiges in Planung. Beispielsweise ist für Anfang 2019 ein Kopfhörermodul angekündigt. Darüber hinaus stehen später ein 5.1-Modul mit Multikanal-Endstufe sowie ein Videoboard mit diversen HDMI-Ports an. Außerdem ist der Selekt DSM für Linns Exakt-Technologie vorbereitet. Diese ermöglicht zukünftige Endstufenmodule mit aktiven Frequenzweichen.
Innen hui, außen auch – das Design des Linn Selekt DSM
Wer beim Anblick des Selekt DSM eine gewisse Ähnlichkeit zum kürzlich getesteten Naim Audio Uniti Atom ausmacht, ist nicht allein. Auch mir kam das in den Sinn. Allerdings sind die Unterschiede im Detail dann doch ziemlich groß, was schon bei den Gerätedimensionen anfängt. Der Selekt DSM ist voluminöser als der Atom, sein Controller aber kleiner, mit mehr Funktionen ausgestattet und nicht mittig, sondern zur Gerätefront hin positioniert. Ganz wegdiskutieren kann man gewisse Parallelen aber nicht. So bietet der Linn wie auch der Naim einen Annäherungssensor, der das Display einschaltet, sobald man sich mit der Hand dem Drehsteller nähert.
Apropos Display. Die großzügig dimensionierte Anzeige des Selekt DSM ist zwar recht hochauflösend, aber kein Farbdisplay, kann also keine Cover-Art anzeigen. Was mich persönlich überhaupt nicht stört. Dafür gibt es ja die App. Es handelt sich hier um ein OLED-Display, das einen perfekten Schwarzwert bietet. Im Gegensatz zu den weit verbreiteten LC-Displays mit permanenter Hintergrundbeleuchtung heben sich die Displaygrenzen des Selekt DSM dadurch nicht von der tiefschwarzen Kunststoff-Front ab.
Aber die OLED-Technologie hat auch Nachteile. So besteht bei längerer statischer Anzeige die Gefahr des „Einbrennens“, sodass die Anzeige auch im abgeschalteten Zustand geisterhaft sichtbar bleibt. Aus diesem Grund schaltet sich das Display nach 20 Sekunden ab, was sich auch über die Konfiguration nicht ändern lässt. Mir persönlich kommt das sehr entgegen, denn so lenkt nichts vom Musikgenuss oder vom TV-Bildschirm ab. Irgendeine Aktion, z.B. Einstellung der Lautstärke, ein Druck auf die „i“-Taste, oder Annäherung an den Drehregler am Gerät schaltet die Anzeige ein. Und die zeigt, dank großer, fein aufgelöster Lettern, auch aus der Entfernung alle wichtigen Informationen sehr gut lesbar. Neben Titel und Interpret kann durch mehrfaches Drücken der „i“-Taste auch der Album-Name und die Auflösung des Eingangssignals eingeblendet werden.
Treten wir mal einen Schritt zurück und betrachten das Gesamtkunstwerk…
Der Linn Selekt DSM wirkt mit seiner quadratischen Grundfläche von 35 x 35 cm und der von sehr feinen Kantenlinien geprägten Gehäuseform in Schwarz (keine anderen Farben erhältlich) äußerst modern und für meinen Geschmack sehr ästhetisch. Der Blick konzentriert sich auf ein paar hervorstechende Details, wie den an der Oberseite positionierten Dreh-/Drücksteller mit integriertem LED-Ring und Logo, die davor an der Kante eingelassenen sechs Pin-Tasten (dazu später mehr) und – als symmetrisches Gegengewicht zum Controller oben – einen mittig platzierten silbernen Gerätefuß. Der Selekt ruht auf drei Füßen an der aus massivem Alu gefrästen Unterseite. Der Gehäusedeckel, welcher sich mit nur zwei Schrauben lösen lässt, ist ebenfalls aus dickem Alu, mit gefrästen Lüftungsschlitzen und sehr präzise in U-Form gebogen. Der Controller an der Oberseite ist aus Glas. Lediglich die pechschwarze Front ist aus Kunststoff. Unter dem Drehknopf befinden sich 100 ringförmig angeordnete LEDs – für jeden Lautstärkeschritt eine. Gruppen dieser LEDs dienen auch als Orientierungshilfe, wenn der Controller zum Navigieren im Menü verwendet wird. In der Mitte erstrahlt das Linn-Logo. Im Standby dient dies als Statusanzeige, was ich mir persönlich abschaltbar/dimmbar wünschen würde.
An der Rückseite gibt es je nach Modulbestückung zahlreiche Anschlüsse für die bereits weiter oben beschriebenen Quellenoptionen. Und so sieht die Rückseite bei dem getesteten Modell mit Katalyst und Endstufe aus:
Auf geht’s! – Inbetriebnahme mal anders
Bereits auf dem Karton des Linn Selekt DSM findet sich – wenn auch etwas klein – ein wichtiger Hinweis darauf, dass hier etwas anders ist als bei anderen All-in-One Systemen:
Womit wir bei dem Grund für meine Einleitung wären. Der Linn Selekt DSM hat keinen Installations-Assistenten. Es gibt auch keine im Karton liegende Schnellanleitung zur Inbetriebnahme. Und wer anfängt nachzuforschen, findet bald heraus, dass es mehrere unterschiedliche Programme gibt, die für verschiedene Aspekte wie Setup und Steuerung zuständig sind. Als da wären:
• Kazoo App – Steuerung per iDevice oder Mac/PC
• Linn Konfig (Setup via Mac/PC; derzeit noch für Firmware-Updates erforderlich)
• Einrichtung eines Nutzerkontos bei linn.co.uk, um das Gerät per Web-Applikation von überall in der Welt via Internet konfigurieren zu können.
• Songcast App
Allein damit wären Laien schnell überfordert, geschweige denn mit der Raumkorrektur Space Optimisation, zu der ich später noch komme.
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