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Neil Young
Neil Young hat zwei seiner Klasiker remastered: "Young Shakespeare "und "Way Down In The Rust Bucket" sind beides hervorragende Werke – und unsere Alben der Woche...

Neil Young Young Shakespeare: das Album der Woche

Bei Neil Young müssen nicht viele Worte fallen. Der Kanadier gilt als ein Mastermind des Folk-Rock, der mit seinen 75 Lenzen nach wie vor eifrig potente Songs schreibt – und gerne unermüdlich aus seinen prall gefüllten Archiven elektrisierende Musik ausgräbt. Neuester Coup: Der Meister ließ eine famose Live-Einspielung aus dem Jahr 1990 (Way Down In The Rust Bucket) sowie das Live-Folk-Solo-Frühwerk Neil Young Young Shakespeare remastern und beschert uns so nicht wie üblich ein, sondern gleich zwei Alben der Woche…

Der Mann ist ein Meister im Vertonen. Viele seiner Kurzgeschichten, lyrischen Anekdoten und politischen Anklagen, die in ihrer musikalischen Seele eigentlich lammfromme Gesellen sind, umbaut Neil Young gerne mit einer harsch rockendem Rhythmus-Rüstung. Damit konterkariert er seine Botschaften clever und schafft es, dass selbst zehnminütige Stücke so kurzweilig tönen, dass man sie in Endlosschleifen gerne bis zum Sankt-Nimmerleinstag hören möchte.

So hört sich zumindest ein Teil seiner Songs an. Denn auf seinem Gitarrenkoffer kleben imaginär mehrere Genre-Aufkleber: Singer-Songwriter, Folk-Rock, Country-Rock, Psychedelic-Rock und wenn man so will Westcoast- oder sogar Indie-Rock.

In den 60er Jahren spielte der junge Young im kanadischen Winnipeg an der Schule, aber auch in lokalen Folk-Clubs und Cafés – wo er Joni Mitchell und Stephen Stills traf. Dieser sollte zusammen mit David Crosby und Graham Nash eine Etappe als Viertel der Megaband Crosby, Stills, Nash & Young bilden (siehe auch die Alben der Woche mit David Crosby vom 25. Augst 2020  sowie vom 8. November 2018).

Doch unabhängig von dieser Gruppierung soll Youngs Label Geffen Records ihn angehalten haben „uncharakteristische“ Alben aufzunehmen. Und auch deshalb entstand wohl eine illustre Rock-Bandbreite, die er regelmäßig mit seiner Band Crazy Horse packend aufmöbelte.

Anfang der 70er Jahre schrieb Young nach seiner Zeit bei Buffalo Springfield als Folk-Troubadour herzerwärmende Folk-Häppchen wie „Heart Of Gold“ mit Stolperbeat und Mundharmonika. Ein Dauerbrenner auf einer meiner 15-Zentimeter-Tonbandspulen, die sich auf einer Grundig TK 146 drehten. Ein Mix-Tape eines Teens, als weitere Tonband-Herzstücke beschallten das Kinderzimmer damals John Lennon mit seinem zart schmelzendem „Imagine“, bevor Bread mit „Guitar Man“ zu Tränen rührte.

Spätestens 1978 rüstete Young dann rockig auf und ließ das Hammer-Album „Rust Never Sleeps“ vom Stapel, gefolgt vom phänomenalen Live-Doppel-Album „Live Rust“. Auch „Ragged Glory“, eingespielt auf Youngs „Broken Arrow Ranch“ im kalifornischen Redwood City mit Crazy Horse und veröffentlicht am 11. Oktober 1990, ging als packendes Power-Werk in die Geschichte ein. Am 13. November ließen sie die frischen Songs erstmals aufs Publikum los – in Nummer 1011, Pacific Avenue, im kalifornischen Santa Cruz. Im Nightclub „The Catalyst“ spielten Young und seine drei Bandmates ausufernde Rocknummern. Seine patenten „verrückten“ Mitstreiter der Crazy-Horse-Truppe waren Ralph Molina (Drums, Gesang), Frank Sampedro (Gitarre, Saiteninstrumente, Gesang) und Billy Talbot (Bass-Giarre, Gesang).

John Hanlon, seines Zeichens auch für die Aufnahmen von „Ragged Glory“ zuständig und seit 1983 für Young tätig, steht für die Technik. Zudem spielte Hanlon Songs für R.E.M. oder The Beach Boys ein.

Ein wichtiger Punkt ist der Klang. Denn Young ist bekannt als Verfechter des guten Tons, als Rächer der durch die Compact Disc klanglich Enterbten Analogfreunde, nölte er bereits in den 90ern schnell mal herum, wenn die Tontechnik nicht nach seinen Vorstellungen ausfiel. Damals waren Begriffe wie mp3 und Streaming noch Zukunftsmusik und allenfalls in den Laboren von musikbegeisterten Wissenschaftlern en vogue – siehe auch Reportage vom Fraunhofer IIS in Erlangen.

Kein Wunder also, dass Young vor einigen Jahren seinen eigenen HiRes-Player „Pono“ vorstellte, der jedoch nicht zuletzt wegen des Streaming-Zeitalter zurück in den Entwickler-Stall musste und sein audiophiles Gnadenbrot bekam. Dennoch öffnete sich der umtriebige und geschäftstüchtige Kanadier erneut und vermarktet sein opulentes Ouevre selbst, nämlich auf seiner Seite www.NeilYoungArchives.com. Dort finden Fans einen riesigen Fundus an Audio- und Video-Content nebst Merchandising-Artikeln. Viele Aufnahmen gibt’s in 24Bit/192kHz. Ein Mitgliedszugang kostet 19,99 US-Dollar pro Jahr und beinhaltet dafür sogar „meine selbst geschriebene Zeitung“.

Neil Youn Archives
Die Archives des Meisters. Hier findet der Fan alles zum Thema Neil Young – auch Aufnahmen in HiRes.

Der alte Mann und das Mehr: Zudem verkaufte Young – wie mittlerweile auch andere Musikpromis – einen guten Teil seiner Songrechte an den Investmentfonds „Hipgnosis Songs Fund“. Der Deal: angeblich 50 Prozent der Rechte an über 1000 Neil-Young-Songs. Ende 2020 soll Bob Dylan rund 600 Songs an Universal für geschätzte 300 Millionen Dollar verkauft haben.

Ausgerechnet unter dem Namen „Hipgnosis“ sammelt der auf den Kanalinseln registrierte Fonds weltweit Songs. Der Name steht ja ursprünglich für ein britisches Grafik-Atelier, dass die Alben-Cover für Pink Floyd, Led Zeppelin oder Genesis entwarfen. Macher dahinter soll laut „Die Zeit“ Merck Mercuriadis sein, ein Ex-Manager von Elton John und den Pet Shop Boys. Bleibt zu hoffen, dass Umweltschützer Young zumindest einen Teil seiner Millionen investiert, um dem Planeten zu helfen, bessere Zeiten zu erleben.

Übrigens: Laut einer Meldung der „Wirtschaftswoche“ will der französische Medienkonzern Vivendi seine Tochter Universal Music Group an die Börse bringen. Damit kommen deren Katalog-Größen Beatles, Lady Gaga oder Rihanna ins handelbare Big Business.

Die Musik von Neil Young Young Shakespeare

Zwei erstklassige Live-Alben, zwei unterschiedliche Charaktere. Young Shakespeare zeigt den jungen Musiker solo, begleitet von Akustikgitarre und Piano am 22. Januar 1971 im „Shakespeare Theatre“ in Stratford/ Connecticut. Dabei soll er damals 16 Songs gespielt haben, das Album und die DVD (übrigens mit Bildern einer Produktion für das damalige Deutsche Fernsehen) vereinen lediglich 13 Stücke in anderer Reihenfolge als es zum Beispiel das Portal setlist.fm angibt. Es „fehlen“ „On The Way Home“, „Love in Mind“ sowie „See The Sky About To Rain“.

Überblendungen zwischen Titeln wie vom Medley „A Man Needs A Maid / Heart Of Gold“ auf „Journey Through The Past“ zeigen zudem ein anderes Zuschauerklatschen und Raumgefühl. Will heißen: Anscheinend war das Basismaterial aus dem Archiv stark restaurierungsbedürftig und wurde so für die Produktion 50 Jahre später quasi durchgeschüttelt. Dennoch: Die Songs klingen teils schön aufgelöst, nuanciert und klar. Und schließlich beeindrucken diese frühen Stücke durch zarte Reduktion und innere Stärke. Neil Young selbst sagt zu dem Album: „Eine ruhigere Performance, ohne die feierliche Atmosphäre der Massey Hall in Toronto, gefilmt live auf 16mm. Young Shakespeare’ ist ein ganz besonderes Event. An meine Fans sage ich: Das ist das Beste überhaupt… klanglich eine der pursten Akustik-Performances, die wir im Archiv haben.“  

Die Musik von Way Down In The Rust Bucket

Anders der „Rosteimer“ – passend zum Titel „… Rust Bucket“ plärren und scheuern sandgestrahlte E-Gitarren an den verzückten Ohren. Was Young mit seinem „verrückten Pferd“ alias Band Crazy Horse wie aus einem Guss, ja quasi aus einer musikalischen DNA stammend live raushauten, macht teils beinahe fassungslos. Im positiven Sinn natürlich. Eine beinahe orgiastische Symbiose von Rock-Salven, rauen E-Gitarren-Solis und nimmer enden wollenden Dauerakkorden warten auf die Fans. Darunter eher selten gespielte Stücke wie „Surfer Joe“, „Farmer John“ oder „Love To Burn“. Ausufernd, ohne atemlos zu werden, knacken viele Stücke locker die Zehnminuten-Linie. Da ist die Rede von der Champagner-augenfarbgenen „Farmer’s Daughter“:

Farmer John, I’m in love with your daughter
Yeah the one, with the champagne eyes
I love the way she walks, I love the way she talks

Oder das süße Cinnamon Girl“, umrankt von drängenden, harschen Gitarrensalven:

Ten silver saxes
A bass with a bow
The drummer relaxes
And waits between shows
For his cinnamon girl

Oder „Sedan Delivery“, ein hüpfendes Rock’n’Roll-Häppchen, das für bunte Abwechslung zwischen den gerne über zehnminütigen Long-Playern sorgt. Die DVD enthält übrigens als Zugabe die Performance von „Cowgirl In The Sand” (13 Minuten!), die nicht auf den Vinyl- oder CD-Editionen enthalten ist. Das Stück findet sich dafür als puristische Solo-Nummer auf dem 71er Album Neil Young Young Shakespeare. Insofern ergänzen sich die beiden rund 30 und 50 Jahre „alten“ Aufnahmen vortrefflich. Mal sehen, welche Schätzchen good old Young noch so aus seinen Archiven hebt.

Neil Young With Crazy Horse und „Way Down In The Rust Bucket“ Cover
Neil Young With Crazy Horse Way Down In The Rust Bucket bei Reprise / Warner als Doppel-CD, Vierfach-LP, limitiert-nummeriertes Boxset (2 CDs, 4 LPs, 1 DVD), MP3-Download oder Stream (Cover: amazon)

 

 

 

 

Neil Young Young Shakespeare
2021/03
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Musik
Klang
Repertoirewert

Gesamt

Zusätzlich bietet Young die Alben auf seiner eigenen Seite www.NeilYoungArchives.com an (Infos dazu siehe oben im Text). Käufer, die das Album über den angeschlossenen „Greedy Hand Store“ erwerben, erhalten zudem kostenlose Hi-Res-Audio-Downloads aus Young’s „XstreamStore“.

Weitere Top-Alben von Neil Young:

After The Gold Rush (1970)

Harvest (1972)

Rust Never Sleeps (1979)

Freedom (1989)

Ragged Glory (1990)

Weld (1991)

Homegrown (2020)

Videoclip:
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Autor: Claus Dick

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Musikfachmann seit Jahrzehnten, aber immer auch HiFi-Fan. Er findet zielsicher die best-klingenden Aufnahmen, die besten Remasterings und macht immer gern die Reportagen vor Ort.