de
Die Canton Vento 896 DC (hier im Treppenhaus zum LowBeats Headquarter) war lange Zeit eine unser Preisklassen-Referenzen bis 4.000 Euro. Nun werden die letzten ihrer Art für 1.798 Euro pro Paar verkauft. Ein super Kauftipp (Foto: H. Biermann)

Test Canton Vento 896 DC: Top-Standbox um 3.000 €

Zäumen wir doch einmal das Pferd von hinten auf. Vor vier Wochen haben wir (und damit ist in erster Linie unser Mess-Chef Jürgen Schröder gemeint) damit begonnen, jeden getesteten Lautsprecher aufzunehmen – also in Bild und vor allem in Ton. Für unsere Audio-Datenbank namens LowBeats Klang Orakel nutzen wir immer ein und dasselbe Stück (Mahlers 5. Symphonie unter Claudio Abbado) und die Lautsprecher stehen immer auf der für sie besten Position im LowBeats Hörraum. Es hatten sich 14 Paar Lautsprecher angesammelt, die wir nach und nach aufnahmen, aber bei einem merkten wir auf: „Hoppla, das klingt aber offen und lebendig.“ Das war die Canton Vento 896 DC.

Die schlanke Dreiwegebox hatte somit einen erstklassigen Einstand, wie man im nachfolgenden Originalton-Video prima nachvollziehen kann.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Vor allem, weil wir ja die Vento 896 DC vorher auspacken mussten. Denn was Canton hier unter „Vento“ mittlerweile anbietet, sucht in dieser Preisklasse seinesgleichen.

Das geschwungene Gehäuse – gut, das kennen wir schon von den Vorgänger-Ventos. Aber die Lackierung ist noch einmal besser geworden: Acht Schichten, jede mit Schleifen und Polieren, machen das Finish perfekt. Das ist nicht mehr so weit weg von Klavierlack.

28,6 Kilo wiegt eine Canton Vento 896 DC – das ist auch noch eine Menge Holz, das da Schicht für Schicht in die elegante Form gebracht wird.

Die drei Finish-Varianten der neuen Vento-Serie
Die drei Finish-Varianten der neuen Vento-Serie (Fotos: Canton)

Rein von der Statur her hat sich – wie gesagt – im Vergleich zu der Vorgängerin Vento 890.2 wenig getan. Man muss schon genauer hinschauen, um Unterschiede zu erkennen.

Der massive Sockel wird nun über nach oben zulaufende Kegel vom eigentlichen Gehäuse auf Abstand gehalten. Diese Sockelkonstruktion ist mehr als ein elegantes Gimmick.

Wie im Grunde alle Canton-Modelle ist auch die Vento 896 DC eine Bassreflexbox. Und bei der Vento sitzt das Austrittsrohr auf der Unterseite des Gehäuses. „Downfiring“ heißt das neudeutsch und hat zwei echte Vorteile. Erstens: Man sieht kein Loch. Und zweitens: Der Abstand zur angrenzenden Fläche ist bekannt und kann so in der Entwicklung berücksichtigt weden.

An dieser Stelle muss ich kurz auf das Kürzel „DC“ eingehen, weil es direkt mit der Bassreflex-Konstruktion zusammenhängt. „DC“ steht für einen passiven Hochpassfilter, der die Frequenzen im Falle der Vento 896 DC unterhalb 30 Hertz unterdrückt.

Im Zusammenspiel mit der Übertragungsfunktion der Bassreflex-Konstruktion ergibt sich ein sehr effizienter Schutz gegen tiefste Frequenzen und ein zusätzlicher Energieschub oberhalb 30 Hertz.

Diese „DC“-Technik wendet Canton schon seit Anfang der 1990er Jahre; man darf den Hessen also unterstellen, ausreichend Erfahrung mit dieser komplexen Schaltung zu haben, um ein solches System auch richtig satt und sauber abzustimmen.

Die entscheidenden Neuerungen an der Canton Vento 896 DC aber sind die Treiber. Den Hochtöner mit 25 Millimeter großer Keramikkalotte kennt man bereits aus der Referenz-Serie, die 20 Zentimeter Bässe und der 18 Zentimeter Mitteltöner aber sind komplett neu. Das liegt vor allem am Membranmaterial.

Man blickt ja nicht mehr durch. Früher waren Membranen aus Papier: Punkt. Heute bestehen sie aus exotischen Materialmixen wie Altima (Quadral) oder Aerofoil (B&W) oder oder…

Bei Canton Vento heißt das Konus-Material nun Titanium und ist ein Komposit aus Aluminium mit Titan-Überzug.

Vorwärts Zurück
Die Unterseite der Canton Vento 896 DC
Das Anschlussfeld der Canton Vento 896 DC ist natürlich als Bi-Wiring ausgeführt. Die Kontakte sollen mit 24 Karat vergoldet sein. Man sieht die kegelförmigen Abstandshalter des Sockels (Foto: H. Biermann)
Der Mitteltöner der Vento 896 DC
Die Treiber sind exakt in der Schallwand eingefräst. Die Schallwandstärke beträgt 22 Millimeter. Das Gehäuse für den hier abgebildeten 18 Zentimeter Mitteltöner ist luftdicht gegen die Schallwellen der Tieftöner abgedichtet und mit weißer Polyesterwatte zur Unterdrückung von Hohlraumresonanzen gefüllt (Foto: H. Biermann)
Der Vento Tieftöner mit 20 Zentimeter Membran aus Aluminium und Titan
Der Vento Tieftöner mit 20 Zentimeter Membran auf Aluminiumbasis mit Titan-Überzug ist sehr steif. Der Korb des Tieftöners ist aus Kunststoff, der von einer Metallblende verstärkt wird. Verankert wird der Bass über solide Gewindeschrauben  (Foto: H. Biermann)
Die seperate Bass-Frequenzweiche der Canton Vento 896 DC mit dem zusätzlichen "DC"-Hochpass
Die separate Bass-Frequenzweiche mit dem zusätzlichen „DC“-Hochpass. Dieser besteht aus einem großen Kondensatorwert im Signalweg und einem ebenso recht großen Spulenwert im Parallelzweig (Foto: H. Biermann)
Vorwärts Zurück

Ich bin mir nicht sicher, ob solche Komposit-Membrane immer der klanglich überlegene Weg sind – in diesem Falle aber schon: Diese Canton Membrane sind steifer und besser bedämpft als klassische Materialien. Der eigentlich Clou der neuen Tief- und Mitteltöner aber ist deren Aufhängung: die Sicke.

Canton experimentiert ja schon seit einigen Jahren mit mehrfach gefalteten Wave-Sicken, wie man sie aus dem Beschallungsbereich kennt. Normalerweise sind solche Sicken extrem robust, haben aber große, mechanische Verluste, was die Feindynamik beeinträchtigt.

Bei Canton hat man diese Problematik längst im Griff. Das ist halt der Vorteil, wenn man nicht nur die Entwicklung sondern auch die Fertigung der Treiber im eigenen Haus hat und sie so exakt auf die Bedürfnisse der einzelnen Lautsprecher-Modelle zuschneiden kann.

Im Falle der Canton Vento 896 DC verlangte das Anforderungsprofil einen breitbandigen Mitteltöner, der von 250 – 3.000 Hertz pegelfest, verzerrungsarm und ausgesprochen linear spielen sollte.

Betrachte ich mir den Frequenzgang der Vento 896 DC, ist das bestens gelungen, die Linearität ist bemerkenswert. Der 25 Millimeter große Hochtöner mit Keramikkalotte stammt – wie gesagt – aus der Referenz-Linie und gilt ebenfalls als überragend klirrarm und linear.

Die beiden 20 Zentimeter Tieftöner komplettieren das Quartett. Sie sind nicht nur wegen der vorgeschalteten DC-Schaltung kaum aus dem Tritt zu bekommen.

Laut und dennoch sehr klar und fein: die Canton Vento 896 DC im Hörtest

Cover Yello "Touch"
Musikalisch und klanglich ganz stark: Touch von Yello kann man gut hören und ist zum Boxentesten bestens geeignet (Cover: amazon)

Ich weiß nicht, warum, aber die Canton Vento 896 DC verführten mich von Beginn des Hörtests an, sehr laut zu hören. Es liegt womöglich an ihrer Verzerrungsarmut oder an dem satten Bass. Aber als nach einer guten Stunde Hörens Kollege Schröder hinzukam, meinte der: „Das ist aber ganz schön laut hier.“ Und ich hatte es nicht gemerkt …

Aber es war einfach großartig, wie die Vento 896 DC beispielsweise diese fetten Basslinien von Yellos Touch in den Hörraum hämmerten oder den knackigen E-Bass in Marcus Millers „Panther“ lebendig werden ließen.

Da stimmte alles: Die Obertöne der Bass-Saiten waren gut zu hören, die ganze Aufnahme wurde dreidimensional und brach nicht – wie bei vielen anderen Lautsprechern bei diesem hohen Pegel – zusammen.

Selbst bei Lautstärken, die der Ohrenarzt mit besorgter Mine quittieren würde, war den Mittel- und Tieftönern kein Stress anzumerken. Und dann eine Erkenntnis, die, gerade vor dem Hintergrund des zuvor Erlebten ganz und gar nicht selbstverständlich ist: Man kann mit dieser Canton auch wunderbar leise hören.

Weil sie ein bisschen mehr Bass macht als das lineare Ideal und weil sie im Mittelhochtonbereich a.) ein exzellentes Auflösungsvermögen und b.) eine tolle Feindynamik hat, bleibt auch bei Flüsterlautstärken fast alles hörbar, das Klangbild ist auch bei kleinen Pegeln komplett und vollmundig.

Das Rondo Finale aus Mahlers 5. Symphonie unter Claudio Abbado ist ein sehr dynamisches, von der Energie sehr schön ausbalanciertes Stück – wie gemacht für das lowBeats Klang Orakel (Cover: Amazon)
Das Rondo Finale aus Mahlers 5. Symphonie unter Claudio Abbado ist ein sehr dynamisches, von der Energie sehr schön ausbalanciertes Stück – wie gemacht für das LowBeats Klang Orakel (Cover: Amazon)

Es fällt schwer, der Canton Vento 896 DC einen klanglichen Charakter zuzuweisen. Satt im Bass – OK. Aber nach oben hinaus eher zurückhaltend, fein, aufgeräumt, nie vordergründig oder harsch.

Es ist der einzige Punkt, an dem ich Kritik anmelden wollte: Nach meinen Geschmack hätten die Mitten etwas mehr Energie vertragen.

Doch die meisten Musikhörer schätzen eine Kombination aus Detailvielfalt und dezenter Zurückhaltung – und diese Gratwanderung haben die Entwickler bei Canton hier wirklich bravourös gelöst.

Mir sind bislang nur wenige Schallwandler untergekommen, von denen ich überzeugt bin, dass die meisten Musikliebhabern so gut mit ihnen zurecht kämen wie mit der Canton Vento 896 DC.

Ein weiterer Vorzug dieser tonalen Gleichmütigkeit: Man kann mit vielen unterschiedlichen Elektroniken experimentieren. Wir haben ja immer verschiedene Verstärker für optimale Kombinationen im Hörraum.

Unter anderem den erstklassigen Yamaha A-S 1100. Früher hieß es immer: Canton und Yamaha, zusammen geht das gar nicht. Diese Zeiten sind vorbei, wenngleich der bärenstärke Yamaha für die Vento immer noch nicht die allererste Wahl ist, aber auch keine schlechte.

Noch etwas besser war die Kombination mit dem Musical Fidelity M5 si. Der hat ja fast ebenso viel Dampf, aber gerade bei klassischer Musik wie Mahlers 5. Symphonie unter Claudio Abbado brachte diese Kombination noch etwas mehr Farbe und Leben in die Aufnahme, schien der Raum auch nach hinten noch etwas weiter aufzugehen.

Aber letztendlich ist die Canton Vento 896 DC gut genug, um auch noch bessere Elektronik würdigen zu können. Am Referenz Vollverstärker Octave V 80 SE oder an der SPL Kombination Director/Performer S wurde das Klangbild noch offener und feiner.

Wichtiger scheint mir an dieser Stelle, dass der zukünftige Vento-896-DC-Besitzer der schlanken Dreiwegebox genügend Platz einräumt.

Denn dieser Hochleistungs-Lautsprecher ist basskräftig und für Räume unterhalb 18 Quadratmeter und für eine Aufstellung in Wandnähe nicht gemacht; damit würde man ihm auch nicht gerecht. Oder kaufen Sie sich einen Porsche 911 für die Stadtfahrten?

Fazit: viel Bass, viel Klangfülle, viel Pegel – und das alles zum fairen Preis

Lassen wir also die Vorzüge der Canton Vento 896 DC noch einmal Revue passieren: Hohe Effizienz und hohe Belastbarkeit, ein ausgereiftes, dezent-natürliches Klangbild mit sattem Bassfundament bis unter 30 Hertz und eine Verarbeitung plus Lack-Finish, bei dem so mancher Klavierbauer neidisch wird.

Es ist ein im besten Sinne mehrheitsfähiger Lautsprecher und mir fällt nicht wirklich viel ein, was man hier für 3.400 Euro pro Paar noch ernsthaft besser machen könnte.

Canton Vento 896 DC
2016/08
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERRAGEND
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Satter, fein-ausgewogener Klang
Enorm pegelfest
Fantastisch verarbeitet
Exzellente Preis/Klang-Relation

Vertrieb:
Canton Elektronik GmbH + Co. KG
Neugasse 21 – 23
61276 Weilrod
www.canton.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Canton Vento 896 DC: 3.400 Euro pro Paar

Alles zur Canton Vento Familie:

Test Standlautsprecher Canton Vento 886 DC
Test Standlautsprecher Canton Vento 876 DC
Test Kompaktlautsprecher Canton Vento 836
Test Kompaktlautprecher Canton Vento 826
Test Kompaktlautsprecher Canton Vento 816
Familien-Test Canton Vento Serie
Hintergrund: Canton DC – mehr Bass, weniger Verzerrungen
LowBeats Klang Orakel Standlautsprecher

Die Mitspieler im Test:

Test Vollverstärker Yamaha A-S 1100
Test Musical Fidelity M5 si: Der Alleskönner-Verstärker
Test Octave V 80 SE: Der Referenz-Vollverstärker
Test SPL Verstärker-Kombination Director/Performer S

Autor: Holger Biermann

Avatar-Foto
Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.