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Mit 6.000 Euro kein Schnäppchen, aber eines der weltbesten Kopfhörer-Systeme: Sonoma M1 (Foto. Sonoma)

Test ESL-Kopfhörer Sonoma M1: absolute Spitzenklasse

Da ich immer auf der Suche nach neuen und überzeugenden Kopfhörer-Konzepten bin, machte mich Carsten Hicking vom deutschen Vertrieb audionext auf den Norddeutschen HiFi-Tagen 2018 (Februar) auf eine mir bis dato völlig unbekannte Marke aufmerksam: Sonoma Acoustics. Dabei handelt es sich um einen britischen Hersteller, der seit kurzem mit dem „Model One“ (kurz: M1) das elektrostatische Wandlerprinzip für Kopfhörer neu interpretiert und dies in einer geschmackvoll gestalteten Kombination aus DAC/High-Voltage Kopfhörerverstärker und Bügelkopfhörer anbietet. Dass ich mich nicht schon früher mit dem Sonoma M1 beschäftigt habe, liegt, wie ich gestehen muss, an dem Preisschock. Als mir der UVP von rund 6.000 Euro genannt wurde, habe ich irgendwie erst mal dichtgemacht.

Ich will wirklich keine Preisdiskussion anzetteln. Klar ist aber, dass die Kosten für highendige Kopfhörer in den letzten Jahren förmlich explodiert sind. Der Sonoma ist bei weiten noch nicht das obere Ende der Fahnenstange. Der Grund dafür ist vor allem, dass mit steigendem Anspruch der Entwicklungsaufwand immer größer wird.

Es ist eine Sache, einen Kopfhörer mit bewährter Wandlertechnik gut abzustimmen und damit ein sehr ordentliches Ergebnis abzuliefern. Ganz anders sieht es aus, will man mit innovativen neuen Ansätzen die Grenzen weiter nach oben verschieben. Dabei ist massiver Entwicklungsaufwand ohne Rücksicht auf die Kosten noch lange kein Garant für Erfolg.

Sonoma M1 Ensemble
Netzteil, DAC/Verstärker, Kopfhörer, Kabel: Mit Ausnahme der Quelle handelt es sich beim Sonoma M1 um eine audiophile Komplettlösung (Foto. F.Borowski)

Dass ich den Sonoma nun doch auf dem Prüfstand (heißt: Kopf) habe, hat einen einfachen Grund: Auf der CanJam im Rahmen der High End 2018 in München im vergangenen Mai habe ich ihn mir erstmals auch angehört. Das Preisschild trat damit sofort in den Hintergrund.

Als der Paketdienst klingelte, dachte ich erst mal an einen Fehler, oder dass ich mal wieder eine Lieferung für die Nachbarn annehmen sollte. Der Karton war so riesig, dass darin auch eine Monsterendstufe hätte sein können – oder ein neuer Sattel für die Pferde-verrückten Nachbarn. Nach Prüfung des Adressaufklebers konnte es sich aber nur um den Sonoma handeln. Des Rätsels Lösung: Der Sonoma M1 wird in zwei sehr voluminösen und edel gemachten Schatullen geliefert, die gemeinsam mit viel Polstermaterial in einem größeren Umkarton steckten.

Ein Karton enthält das Speiseteil mit Zubehör, der andere den Kopfhörer plus Kabel. Die Verpackung für jede der Komponenten ist sehr großzügig bemessen und für Freunde emotionaler Auspackzeremonien ein Hochgenuss. – Weshalb ich sie hier auch nicht zeige, um Käufern des M1 nicht die Vorfreude zu nehmen. Der Nachteil: Einmal ausgepackt verschwinden sie irgendwo im Keller oder auf dem Dachboden. Eine schicke „Garage“, in der man nach Genuss den Kopfhörer zum Schutz vor Staub parken kann (ohne die Kabel abnehmen zu müssen), wäre das Tüpfelchen auf dem „i“.

Sonoma M1: Systemlösung statt einfach nur Kopfhörer

Wichtig zu wissen: Der Sonoma ist als Komplettlösung konzipiert. DAC/Verstärker und Kopfhörer gehören untrennbar zusammen. Man kann den „One“ nicht an anderen Kopfhörerverstärkern verwenden und am Speiseteil keine anderen Hörer als den M1 betreiben.

Der Vorteil dieser Herangehensweise liegt auf der Hand: Sämtliche Komponenten, inklusive der Kabel, sind exakt aufeinander abgestimmt. Der Käufer soll sich um das „Matching“ keine Gedanken machen müssen und braucht nur noch eine digitale oder analoge Quelle zum Betrieb.

Das Gesamtkonzept ist recht puristisch gehalten. Wenige Eingänge, ein Kopfhöreranschluss, Ein/Aus, Lautstärke – fertig. Die Inbetriebnahme und Benutzung ist damit praktisch selbsterklärend. Das Netzteil ist als externer Teppichbrikett in samtschwarzem Mantel ausgelegt und eine Sonoma-Eigenentwicklung, nicht etwa ein umgelabeltes Laptop-Netzteil von der Stange.

Zum Lieferumfang gehört außerdem ein in Zusammenarbeit mit Straight Wire entwickeltes USB-Kabel. Sehr lobenswert, denn gerade an diesem Punkt wird meistens gegeizt. Wie oft habe ich schon High-End-Komponenten mit vier oder fünfstelligem Preisschild gesehen, denen ein 50 Cent USB-Kabel aus der Grabbelkiste beigelegt war? Beim Sonoma ist auch dieses Utensil Teil der Gesamtabstimmung.

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Sonoma M1
Das externe Netzteil ist kein verkapptes Laptop-Brikett, sondern eine speziell für den M1 entwickelte Lösung (Foto. F.Borowski)
Sonoma M1 Kabel
Zum Lieferumfang gehört auch ein hochwertiges USB-Kabel aus der Fertigung von Straight Wire (Foto. F.Borowski)
Sonoma M1 Kabelset
Äußerst präzise verarbeitetes, symmetrisches Kopfhörerkabel mit soliden Steckern (Foto. F.Borowski)
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Zum Kopfhörer gehört außerdem ein piekfein verarbeitetes, zwei Meter langes, symmetrisches Anschlusskabel mit sehr hochwertigen Steckverbindungen, das auf besonders niedrige Kapazität getrimmt wurde und ebenfalls aus der Schmiede des Kabelspezialisten Straight Wire stammt. Das Kabel ist nicht unbedingt die flexibelste aller Kopfhörerstrippen, aber biegsam und leicht genug, um den Tragekomfort nicht zu beeinträchtigen.

Sonoma M1 Amp: Energizer & DAC

Der in einem wunderschönen und desktoptauglichen Gehäuse aus Aluminium gebaute Sonoma Amp – der Hersteller nennt ihn „Energizer“ – ist zugleich auch ein anspruchsvoller D/A-Wandler. Digitale Signale werden über USB oder S/PDIF koaxial entgegengenommen, analoge über Stereo-Cinch oder 3,5 mm Klinke.

Die maximale Auflösung bei Digital beträgt 32 Bit, 384 kHz PCM (S/PDIF bis 24/192) und DSD 128 (DoP). Um die Wandlung kümmern sich zwei ESS Sabre Reference Stereo DAC-Chips in einer doppel-mono Konfiguration, die für einen Signal/Rauschabstand von 129 dB sorgen sollen. Die analoge Verstärkersektion ist als diskrete Class-A-Schaltung ausgeführt.

Das klingt bis hierhin weder besonders spektakulär noch andersartig. Die geheime Zutat liegt viel mehr im Zielfrequenzgang, bei dem sich Sonoma nicht an gängigen Mess-Standards, sondern an der (Hör-) Praxis orientiert. Auf der Produktwebseite hat Sonoma das ausführlich erläutert.

Etwas vereinfacht dargestellt, orientiert man sich zur Ansteuerung des „One“ an einem Lautsprecher mit idealem Frequenzgang in einem durchschnittlich bedämpften Wohnraum, anstatt wie sonst üblich an Freifeld- oder Diffusfeldentzerrung. Erreicht wird das auf digitaler Ebene durch 64 Bit Festkommaberechnung mit doppelter Präzision über einen Multicore XMOS-Prozessor.

Sonoma M1 DAC Platine
ie Platine des Speiseteils beinhaltet einen hochwertigen DAC (linkes Drittel) und eine Class-A-Stufe, die auch die hohe Gleichstrom-Vorspannung für die Membranen liefert (Foto: F. Borowski)

Darüber hinaus setzt Sonoma mit dem 64-bit DSP eine digitale Lautstärkeregelung ein, die allen analogen Pegelstellern weit überlegen sein soll – der „Attenuator War“, wie ich es mal in Anlehnung an den „Loudness War“ nennen möchte, in dem sich diverse Entwickler darüber streiten, ob nun digitale oder analoge Regelungen überlegen sind, ist aber ein weites Feld und meiner Meinung nach noch nicht eindeutig entschieden.

Jedenfalls betont Sonoma, dass ihre Lösung keinerlei Dynamikverluste, Kanalungleichheiten oder sonstige Nachteile habe, wie man sie von analogen Potentiometern kennt. Ich persönlich bin eher ein Verfechter von analogen Widerstandsleitern, wie im Auralic Vega G2 verbaut. Nichtsdestotrotz arbeitet die Lautstärkeregelung über den großen, gerasterten Drehknopf wie erwartet absolut einwandfrei und komfortabel.

Sonoma M1 Speiseteil von vorn
Vorderansicht mit Quellenschalter (analog/digital), Lautstärkeregler und Kopfhöreranschluss (Foto: F. Borowski)

Sind Kopfhörer und KH-Verstärker in ihrer Empfindlichkeit bzw. Ausgangsspannung nicht optimal aufeinander abgestimmt, kann es genau hier zu Problemen kommen: Ist der Kopfhörer sehr empfindlich, ist oft schon bei 10 oder 11 Uhr-Stellung des Reglers ein sehr hoher Pegel erreicht, sodass der Rest des Regelweges nicht mehr genutzt werden kann.

Im umgekehrten Fall, also wenn der Kopfhörer eher von der leisen Sorte ist, kann es passieren, dass man selbst bei Rechtsanschlag keinen ausreichend hohen Pegel erreicht. Deswegen statten manche Hersteller ihre KH-Verstärker mit Anpassungsschaltern aus. Beim Sonoma ist das überflüssig. Amp und Kopfhörer sind so aufeinander abgestimmt, dass der Lautstärkeknopf den vollen Regelweg nutzt – von Mute (Linksanschlag) über extrem leise, normale Hörpegel, bis hin zu höllisch laut (Rechtsanschlag).

Sonoma M1 DAC back
Die Rückseite mit (v.l.n.r.) Netzschalter, Netzteilanschluss, USB- und Coax-Digitaleingängen, Cinch und Klinke Analogeingängen plus Umschalter für die analogen Eingänge (Foto: F. Borowski)

Die Technik des Sonoma M1 – Elektrostat mal anders

Als ohrumschließender (zirkumauraler) Kopfhörer ist der Sonoma M1 naturgemäß relativ groß. Das liegt aber nicht allein an der Konstruktion als Over-Ear, sondern auch an den vergleichsweise riesigen Membranflächen, wie sie bei Elektrostaten üblich sind.

Das über 60 Jahre alte elektrostatische Funktionsprinzip ist im Grunde genommen genial einfach: Eine mit Leitermaterial beschichtete Folie wird unter hohe elektrische Spannung gesetzt und (beim herkömmlichen Gegentaktaufbau) zwischen zwei Gitter oder Lochbleche (Statoren) gespannt. Das Musiksignal wird in die Gitter gespeist. Durch die dabei entstehenden Potentialdifferenzen wird die Membrane mal in die eine, mal in die andere Richtung gezogen und so in Schwingungen versetzt.

M1 offen
Die Treiber des Sonoma M1: Gut zu erkennen sind die wabenförmigen Zonen, die als Bereiche mit unterschiedlichen Resonanzfrequenzen agieren (Foto: F. Borowski)

Der Sonoma M1 arbeitet mit elektrostatischen Wandlern nach dem weniger gängigen Eintaktprinzip. Dabei gibt es nur auf der Rückseite einen Stator, hier in Form eines Metallgewebes. Die zum Ohr zeigende Vorderseite ist völlig frei. Der Schall muss kein enges Gitter oder Lochblech passieren – wenn wir mal von den sehr offenen Schutzgittern gegen neugierige Finger absehen.

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Autor: Frank Borowski

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LowBeats Experte für Schreibtisch-HiFi und High End kennt sich auch mit den Finessen der hochwertigen Streaming-Übertragung bestens aus. Zudem ist der passionierte Highender immer neugierig im Zubehörbereich unterwegs.