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Test ESL-Kopfhörer Sonoma M1: absolute Spitzenklasse

Metallgewebe und Membran werden mit einem bienenwabenförmigen Isolator und Abstandshalter dazwischen zu einem Sandwich verklebt, das wiederum zum Schutz in einer „Kassette“ mit selbiger Wabenform steckt. Die einzelnen Waben werden zwar „parallel“ angetrieben (die Membran ist schließlich eine durchgehende Einheit), bilden aber individuelle Schwingbereiche. Diese haben aufgrund unterschiedlicher Größe auch unterschiedliche Resonanzfrequenzen.

Per Finite-Elemente-Analyse wurden die Flächen so berechnet, dass die Resonanzfrequenzen keinen starken Peak bei tiefer Frequenz bilden, sondern über einen größeren und höheren Frequenzbereich verteilt nur mit geringer Amplitude auftreten, was sich viel einfacher bedämpfen lässt und weniger Einfluss auf die Linearität des Frequenzgangs hat. Ein extrem verzerrungsarmer und ausgewogener Klang ist das Ergebnis. Natürlich hat das Kind auch einen Namen: HPEL – High-Precision Electrostatic Laminate.

Membran Aufbau
Explosionsdarstellung des Membranaufbaus (Bild: Sonoma Acoustics) (Foto. Sonoma)

Die Treiberkonstruktion stammt von der britischen Firma Warwick Audio Technologies Ltd. (WAT) und wurde ursprünglich im universitären Bereich für Ultraschall-Zwecke bei Frequenzen weit oberhalb von 20 kHz entwickelt. Es stellte sich heraus, dass sich das Prinzip leicht skalieren und für den hörbaren Frequenzbereich anpassen lässt. Dafür wurde vor rund zwei Jahren Sonoma Acoustics als Tochterunternehmen von WAT gegründet und die Entwicklung des M1 vorangetrieben.

Als Rahmen für die Treiber – ein Gehäuse im traditionellen Lautsprechersinne gibt es hier ja nicht – kommt Magnesium-Spritzguss zum Einsatz. Das ist im Vergleich zu dem heute häufig verwendeten Aluminium noch mal um ein Drittel leichter (siehe auch das Ergonomie-Kapitel weiter unten) und hat bessere Dämpfungseigenschaften. An den Außenseiten sind die Treiber noch mit einem gewellten Gitter gegen äußere Einflüsse geschützt. Dessen Design findet sich auch in den Lüftungsöffnungen an der Oberseite des DAC/Amp wieder.

Gitter vor Membran
Die wellenförmigen Gitter an den Außenseiten der Treibergehäuse. Das Design spiegelt sich in den Lüftungsschlitzen des DAC/Amp wider. Die Außengehäuse sind aus besonders leichtem Magnesium gefertigt (Foto: F. Borowski))

Einziger kleiner Kompromiss der enorm aufwändigen Konstruktion: Aufhängung und Bügel sind nicht aus Magnesium. Das wäre an diesen Stellen nicht flexibel genug. Der biegsame Bügel besteht aus unverwüstlichem Stahlblech und ist mit Kunststoff verkleidet, welches leider ein wenig zu Knirschgeräuschen neigt. Im Betrieb stört das zwar nicht, aber beim Handling fällt es auf. Optisch passen die silbernen Oberflächen der Kunststoff- und Magnesiumteile perfekt zusammen.

Ergonomie/Tragekomfort – Federleicht mit verbindlichem Sitz

Der Sonoma M1 ist die Art von Kopfhörer, die förmlich auf dem Kopf einrastet. Einmal die richtige Kopfbandlänge eingestellt – was übrigens in sehr festen Raststufen erfolgt – braucht man sich um eine „Justage“ auf dem Kopf keine Gedanken mehr zu machen. Einfach überstülpen – und sitzt.

Dank des erstaunlich geringen Gewichts für einen Kopfhörer dieser Größe von rund 310 g (ohne Kabel) macht der Sonoma auch ruckartige Kopfbewegungen mit und rutscht bei nach vorne oder hinten geneigtem Kopf nicht herunter. Der Preis dafür ist ein vergleichsweise hoher Anpressdruck. Der ist zwar nicht als unangenehm einzustufen, liegt jedoch für offen konstruierte Over-Ears etwas über dem Durchschnitt. Dank der weichen, mit hochwertigem Schafsleder verkleideten Ohrpolster aus Memory-Schaum, gepaart mit dem großzügigen Platzangebot für die Ohrmuscheln, ist der Langzeit-Tragekomfort ganz ausgezeichnet.

Das reicht aber noch nicht aus, um das Besondere an den Trageeigenschaften des Sonoma M1 zu beschreiben.

Eine offene Konstruktion heißt, im Gegensatz zu geschlossenen Kopfhörern dringen Außengeräusche beinahe ungehindert an die Ohren. Die Vor- und Nachteile offener und geschlossener Konstruktionen will ich an dieser Stelle nicht noch mal breittreten. Wer sich für einen Kopfhörer dieser (Preis-)Klasse interessiert, wird das vermutlich alles schon wissen. Der Sonoma ist diesem Punkt aber etwas anders als erwartet.

Ohrpolster Verarbeitung
Die dicken, mit äthiopischem Schafsleder verkleideten Ohrpolster sorgen für angenehmen Tragekomfort und ausreichend Platz für die Ohrmuscheln. Außerdem verhindern sie dank bündigem Sitz akustischen Kurzschluss der Dipol-Treiber (Foto. F.Borowski)

Ja, Außengeräusche gelangen beim Sonoma fast ungedämpft zum Gehör. Aber durch die recht voluminöse ohrumschließende Konstruktion und die ledernen Ohrpolster verändert sich das Niveau der Umgebungsgeräusche dennoch deutlich. So frei und offen wie der neulich getestete LB-acoustics MySphere ist der Sonoma nicht.

Kleines Beispiel: Setzt man den Hörer auf, ohne Musik zu spielen und unterhält sich dabei mit einer Person, dann hört sich das durch den Sonoma etwas diffus an, weil der Direktschall durch die das Ohr umschließenden Gehäuse geblockt wird. Man hört mehr indirekten Schall. Darüber hinaus fühlt es sich akustisch unter den Sonoma ein klein wenig wie unter geschlossenen Kopfhörern an, weil man durch den relativ festen Sitz manchmal auch körpereigene Geräusche vernimmt.

Ich weiß nicht, ob es dafür einen Fachausdruck gibt, aber jeder kennt das: Hält man sich die Ohren zu oder setzt sich einen Schall-isolierenden Kopfhörer auf, wird das akustische Ambiente dumpf und man hört u.U. sogar ein gewisses Rumpeln, bedingt durch die eigenen Bewegungen. Im Extremfall kann man sogar das eigene Blut durch die Adern pumpen hören. So schlimm ist es beim Sonoma zum Glück nicht! Aber insgesamt kommt mir der M1 in Bezug auf das ambientale Geräuschniveau eher wie ein halboffener Kopfhörer vor. In etwa wie der beyerdynamic T 1.

Vielleicht liegt darin auch ein Teil des Klanggeheimnisses des Sonoma, welches ihn befähigt, die besten Tugenden elektrostatischer und dynamischer Kopfhörer unter einen Hut zu bringen.

Womit ich der Klangbeschreibung schon etwas vorgreife…

Ganz typisch für offene Kopfhörer – insbesondere für Elektrostaten – ist hingegen der Effekt, dass sich der Klang der Musik stark verändert, wenn man die Hände in die Nähe der Hörergehäuse bewegt. Die nach außen „atmenden“ Treiber brauchen viel Luft. Schon in ca. 15-20 cm Entfernung vom Außengitter erzeugt eine Begrenzung (Handfläche, Sessellehne, Kuschelpartner etc.) eine merkliche Veränderung des Klangbilds. Auch ein Anlüften der Treibergehäuse hat erhebliche Auswirkungen.

Bereits eine relativ kleine Öffnung führt zu einem massiven Zusammenbruch der Bassenergie und zu Klangverfärbungen. – Was letztlich auch der Grund für den verbindlichen Anpressdruck und die Wahl von Leder- statt Stoffpolster sein dürfte. Eine „Abdichtung“ rund um die Ohren ist wichtiger Bestandteil der klanglichen Abstimmung. Dabei ist es aller Ehren wert, wie gut Sonoma alle Eigenschaften ausbalanciert hat und damit einen so hohen Tragekomfort erzielt.

Der Klang des M1 – Von allem nur das Beste

Die Beschreibung in der Einleitung, wie ich zum Test des Sonoma M1 gekommen bin, verriet schon, dass seine klanglichen Qualitäten den Preis in den Hintergrund treten lassen. Tatsächlich habe ich bislang noch keinen Kopfhörer wie diesen gehört. Und das ist absolut im positiven Sinne zu verstehen.

Wo soll ich nur anfangen?

Der erste Eindruck ist im Leben oft der Entscheidende. Beim Sonoma M1 traf das eindeutig zu. Als ich ihn auf der CanJam erstmals aufsetzte, war mir sofort klar, es hier mit einem Ausnahme-Kopfhörer zu tun zu haben. Jetzt, einige Monate später in heimischer Umgebung, mit eigener Musik, ohne Außenlärm und Messe-Termindruck, ändert sich an dieser Einschätzung nichts.

Zunächst einmal klingt der Sonoma im ersten Moment irgendwie gar nicht nach einem typischen Vertreter seiner Bauart. Die Elektrostaten, die ich kenne (Lautsprecher wie Kopfhörer), haben immer einen irgendwie leicht esoterischen Charakter. Also sehr locker, luftig, feinfühlig, aber auch nicht so zupackend und etwas zurückhaltend bei deftiger Kost. Gute offene, dynamische Kopfhörer, wie beispielsweise ein Focal Elear, sind demgegenüber weniger zimperlich, was sie aber auch etwas unpräziser und grobschlächtiger macht – überspitzt ausgedrückt. Elektrostaten sind „eloquenter“, also präziser, kommen damit aber nicht immer direkt auf den Punkt. Ein bisschen zu akademisch vielleicht.

Dies ist natürlich nur als Analogie zu verstehen, um subjektiv wahrgenommene Tendenzen zu verdeutlichen. Der Punkt ist, dass beide Charaktere ihre Vor- und Nachteile haben und sich damit für unterschiedliche Musikrichtungen empfehlen. Dem Sonoma M1 gelingt das Kunststück, die positivsten Eigenschaften beider Arten zu einer köstlichen Melange zu vereinen.

In der musikalischen Praxis manifestiert sich das unter anderem in einem wunderbar zupackenden, habhaften Bass, der für ordentlich Volumen in der Musik sorgt, ohne dafür auch nur das geringste bisschen Präzision und Schnelligkeit zu opfern. Der Sonoma „rockt“ wie ein guter dynamischer Kopfhörer, verschluckt dabei aber kein noch so feines Detail und übertreibt es nicht, wie man es von gezielt bassbetonten Hörern kennt. Einen solch raumfüllenden, sonoren Bass, gepaart mit berauschender Schnelligkeit und Feinauflösung im gesamten Spektrum habe ich in dieser Kombination zuvor noch nicht erlebt.

Beispiel elektronische Musik: Yellos „Till Tomorrow“ kennt bestimmt jeder ambitionierte High-Ender, denn es gehört zu den am häufigsten auf Messen und Hörveranstaltungen gespielten Stücken der letzten Jahre. Bestimmte synthetisch erzeugte Feinheiten im Hintergrund kannte ich zwar schon, aber nicht, ohne Kompromisse in der Bassenergie feststellen zu müssen. Der Sonoma präsentiert zarte und komplexe Klangtexturen anstatt sie mit Bleifarben zu übertünchen, um Substanz vorzutäuschen. Muss er nicht, denn er behandelt Grob- und Feindynamik mit absolut gleich hoher Priorität. Und das mit einer Selbstverständlichkeit, die einem manchmal Tränen der Freude in die Augen treibt.

Beispiel Klassik: Ich bin ein Fan großer Symphonien, tragender Musik mit weiten Spannungsbögen, viel Dynamik, gerne auch mit etwas Pathos und Dramatik. Mahler, Wagner, oder auch Opern etc. Ideales Futter für den Sonoma. Nur zu ganz besonderen Anlässen wie diesem lege ich eine meiner Lieblingsinterpretation von Mahlers 8. auf.

Claudio Abado mit den Berliner Philharmonikern (Deutsche Grammophon; bei Amazon reinhören). – Dieses Finale! Ganz zum Schluss steigert sich die Dynamik auf ein Niveau, mit dem man bei dem leisen Einstieg nicht rechnet, weshalb man die Lautstärke in den meisten Fällen unweigerlich aus purer Angst um Wiedergabesystem und Gehör zurück dreht. Nicht so mit dem Sonoma, der souverän auch die größten Pegelspitzen ohne Härte und Aggressivität wiedergibt, wie sonst kein mir bekannter dynamischer oder elektrostatischer Kopfhörer – beeindruckend!

Als Sahnehäubchen obendrauf kommen lebensecht schillernde, aber niemals übertriebene Klangfarben – und das alles ohne jede Lästigkeit und bei jedem Pegel.

Am Klang gibt es nach meinem Dafürhalten nur eine Sache anzumerken. Keinem mir bekannten Kopfhörer ist es bisher gelungen, das Im-Kopf-Gefühl vollständig zu beseitigen, ohne mit massiv klangmanipulierenden Tricks zu arbeiten. Der Sonoma ist keine Ausnahme. Seine räumliche Abbildung ist insgesamt phänomenal gut.

Wie ein Lautsprecher klingt er trotz seiner besonderen Entzerrung dennoch nicht, weil eben das Klanggeschehen nicht deutlich vor den Hörer rückt. Dieses Schicksal teilt er aber mit praktisch allen anderen Kopfhörern. Sonoma kann auch nicht zaubern. – Eine regelbare Cross-Feed-Schaltung wäre vielleicht in manchen Situationen ganz nützlich.

Und noch ein wenig Erbsenzählerei: Weiter oben hatte ich noch lobend erwähnt, dass man mit dem Lautstärkesteller einen großen Regelweg hat. Ist auch so. Aber im Bereich ganz links ist der Sprung von ganz leise auf die nächsthöhere Stufe für meinen Geschmack etwas zu groß. Da fehlen ein, zwei Zwischenschritte.

M1 Speiseteil
Liebe zum Detail: Die Position des Schraubenlochs zur Befestigung des LS-Knopfes ist bewusst so gewählt, dass es bei gehobenen Pegeln (ab ca. 12 Uhr-Stellung) möglichst aus dem Blickfeld verschwindet. Wer lieber leise hört und rechts vom Amp sitzt, sieht es hingegen häufiger. Hmmm… (Foto: F. Borowski)

Weitere, bereits erwähnte Punkte sind der etwas knarzende Bügel (wie das besser geht, zeigt LB-acoustics mit dem MySphere), der für manchen Geschmack vielleicht etwas hohe Anpressdruck mit den ledernen und dadurch nicht so flauschigen Ohrpolstern (eher Geschmacksache) und das nicht so flexible Kabel wie beim MySphere. Doch keiner der zuvor genannten Punkte würde mich vom Kauf abhalten, wenn ich gerade das nötige Kleingeld über hätte…

Fazit – ganz großes Kopfkino

Mit Superlativen muss man vorsichtig sein. Insbesondere als Tester hochwertiger Audiokomponenten. Hatte ich erst kürzlich den LB-acoustics MySphere als persönliche neue Referenz für dynamische Kopfhörer eingestuft, muss ich diese Ehre nun ohne jeden Zweifel dem Sonoma M1 für Elektrostaten zukommen lassen. Allerdings sind die Konzepte nicht nur wegen der verbauten Treibertechnologie so unterschiedlich, dass eine klare Einstufung in „besser“ oder „schlechter“ kaum möglich ist.

Während mir der Tragekomfort des MySphere noch etwas besser gefällt, weil da einfach nichts auf den Ohren liegt, beeindruckt der Sonoma M1 mit seiner Unkompliziertheit, die gerade für Elektrostaten Maßstäbe setzt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemandem dieser Klang nicht gefallen könnte. Dabei ist er absolut kein Schönfärber, sondern einfach nur in allen Belangen nachhaltig überzeugend. Ein Kopfhörer, an dem man sich kaum satthören kann.

Sonoma M1
2018/07
Test-Ergebnis: 4,7
ÜBERRAGEND
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Klingt luftig und extrem fein auflösend, phänomenale Klangfarben
Ultra-tiefer und mächtiger, zugleich absolut präziser Bass
Exzellente Verarbeitung und Materialqualität
Innovative Treiberkonstruktion

Vertrieb:
audioNEXT GmbH
Isenbergstraße 20
45130 Essen
www.audionext.de

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Sonoma M1: 6.000 Euro

Weitere Super-Kopfhörer:

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Autor: Frank Borowski

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