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Test: Geniales 3D-Mikrofon Sennheiser Ambeo VR Mic

 

Sennheiser Ambeo VR Mic Scene with Zoom F4
Das Sennheiser Ambeo VR Mic bildet mit dem Fieldrecorder Zoom F4 ein hervorragendes Team für den mobilen Einsatz – ideal ergänzt mit dem geschlossenen Kopfhörer Sennheiser HD 25 (Foto: J. Schröder)

Da die Ambisonics-Konvertierung erst nach der Aufnahme in der DAW erfolgt, erhält man natürlich beim Kontroll-Abhören „vor Ort“ noch nicht den endgültigen Raumeindruck. Ein grobes Abschätzen der Qualität ist dennoch möglich, stellt man entweder die Panorama-Steller (Panpots) aller Spuren am Recorder auf Mitte (Mono), oder aber die Panpots der Spuren 1 und 3 auf maximal links, sowie die der Spuren 2 und 4 auf maximal rechts – das entspricht dann zumindest in etwa einer Ambisonics-Stereo-Decodierung, allerdings mit klanglichen Einbußen – zum Kontroll-Abhören reicht’s jedoch allemal.

Bei der Ausrichtung des Sennheiser Ambeo VR Mic auf das Schallereignis kann man zwischen drei Alternativen wählen: Entweder aufrecht mit dem Kapselkopf nach oben und dem Logo nach von zeigend (upright), liegend mit Kapselkopf nach vorn ausgerichtet und Logo nach oben weisend (endfire) oder „hängend“ mit Kapselkopf nach unten und Logo nach vorn weisend (upside down).

Die jeweilige Position bei verschiedenen Takes sollte man sich unbedingt notieren – bei der späteren Konvertierung muss man diese nämlich im Sennheiser-A-B-Formatkonverter für eine korrekte Zuordnung der Signale entsprechend umschalten; ansonsten steht die 3D-Welt „Kopf“.

Sennheiser Ambeo VR Mic
Sennheiser empfiehlt für das Ambeo VR Mic wenn möglich die aufrechte Position mit dem Logo zur Schallquelle weisend (Foto: J. Schröder)

Wer 360⁰-Tonaufnahmen zur Einbindung in Videos machen möchte, montiert das Sennheiser Ambeo VR Mic am besten senkrecht zur Kamera-Achse, so, dass Bild und Ton gleichen Ursprung haben – ich habe hierfür einen Schwanenhals verwendet, der sich bei reinen Tonaufnahmen prima auch ohne Kamera auf dem DSLR-Halterahmen des Zoom F4 befestigen lässt.

Beim Einfangen von 360⁰-Schallfeldern für atmosphärische Aufnahmen hat man ziemlich freie Hand. Es lässt sich daher getrost per Gehör ein passender Aufstellungsort für das Sennheiser Ambeo VR Mic wählen. Wer es ganz puristisch möchte, sollte dabei nicht zu dicht an die Schallquelle(n) herangehen – das Ambisonics-Verfahren geht von einer ebenen Wellenfront aus, die sich naturgemäß erst in einigem Abstand vom Schallereignis einstellt.

Um bei kritischen, geräuschempfindlichen Aufnahmen störende Arbeitsgeräusche zu vermeiden, können die Signalkabel zwischen Fieldrecorder und Mikrofon unter Umständen recht lang ausfallen. Damit es diese problemlos antreiben kann, besitzt das Sennheiser Ambeo VR Mic sehr kräftige Ausgangsstufen.

Das hat zwangsläufig eine relativ hohe Stromaufnahme zur Folge, die bei etwa 7 Milliampere pro Kapsel liegt – die damit über die Phantomspeisung des Fieldrecorders aufgenommene Leistung von rund 1,3 Watt geht natürlich zu Lasten seiner Akkukapazität, was man bei der Einschätzung der verfügbaren Aufnahmezeit berücksichtigen sollte.

Einer der wesentlichen Vorzüge Ambisonics-codierter Aufnahmen ist, dass man bei der Wahl des Wiedergabesystems praktisch völlig freie Hand hat. Voraussetzung hierfür ist allerdings ein Ambisonics-Decoder, der das universelle B-Format-Signal entsprechend der Mehrkanal-Konfiguration der Wiedergabeanlage aufbereitet. Zu Michael Gerzons Zeiten waren Hardware-Decoder für diese Aufgabe zuständig – heutzutage kann man sie um einiges eleganter einem Software-Decoder überlassen, liegt doch das B-Format-Signal ohnehin bereits als digitale Aufnahme vor.

Wer 3D-Ton ausschließlich für YouTube-360⁰-Videos produzieren möchte, kann sich den Ambisonics-Decoder jedoch sparen: YouTube wandelt das hochgeladene B-Format-Signal in ein stereofones um, welches dann mit seiner Ausrichtung den Pfeiltasten für den aktuell angezeigten Bildausschnitt folgt – frei nach dem Motto: What you see is what you hear. in folgendem 3D-Video lässt sich das sehr schön nachvollziehen.

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Für den Hörtest der mit dem Sennheiser Ambeo VR Mic gemachten Aufnahmen entschied ich mich für die technisch wohl anspruchsvollste Variante – die binaurale Wiedergabe über Kopfhörer. Hierbei zählen nicht nur die klanglichen und räumlichen Fähigkeiten des verwendeten Mikrofons, auch muss der Decoder diese Informationen gehörrichtig zuordnen.

Sennheiser empfiehlt hierfür den optionalen B-Format-auf-Binaural-Konverter Ambi Head vom französischen Spezialisten NoiseMakers, der als Software-Plugin zum Einsatz in einer DAW vorgesehen ist (und somit dem Sennheiser-A-B-Formatkonverter sofort nachgeschaltet werden kann). Ambi Head fällt mit 189 Euro vergleichsweise preiswert aus – Besitzer des Sennheiser Ambeo VR Mic erhalten zudem 25 Prozent Rabatt.

Vimeo

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Ambi Head von Noise Makers bei Vimeo.

Hörtest

Zum Einleiten des Hörtests noch eine kurze Anmerkung: Ich persönlich glaube nicht, dass man die klanglichen Probleme eines Mediums dadurch lösen kann, dass man einfach einen oder mehrere Übertragungskanäle hinzunimmt. So machte Stereo die eigentliche Übertragungstechnik an sich keineswegs besser, auch wenn eine räumliche Dimension hinzukam. Gleiches gilt meiner Ansicht nach für jegliche Art von Mehrkanalwiedergabe, auch wenn Stereo in Sachen räumlicher Darstellung einige prinzipiell unumgängliche Einschränkungen aufweist.

Kombiniert man jedoch digitale Aufzeichnungstechnik nach aktuellem Stand mit einem dreidimensionalen Aufnahmeverfahren wie Ambisonics, kann man tatsächlich von einem Quantensprung sprechen. Das bewies der Hörtest mit dem Sennheiser Ambeo VR Mic absolut eindrucksvoll, denn die Realitätsnähe der Aufnahmen war schlichtweg atemberaubend – das Kürzel VR im Namen ist also definitiv keine hohle Marketing-Phrase.

Wie ließe sich das besser demonstrieren als mit einer zufälligen, ungestellten Aufnahme? Die nachfolgende (binaural decodiert – bitte mit Kopfhörer wiedergeben) entstand Sonntags nachmittags auf meinem Küchenbalkon: Eigentlich wollte ich nur die Windempfindlichkeit des Sennheiser Ambeo VR Mic bei einem lauen Frühlingslüftchen ohne den mitgelieferten Schaumstoff-Windschutz auszuprobieren.

Der Zeitpunkt hätte aus akustischer Sicht kaum besser sein können, wie sich schnell herausstellte: So war das Zweitliga-Spitzenspiel VfB Stuttgart – SG Dynamo Dresden gerade beendet und etliche Zuschauer bereits auf dem Nachhauseweg. Weil es zu Spielbeginn in Stadionnähe keine Parkplätze mehr gab, flüchteten sich einige Autofahrer in umliegende Innenhöfe – so auch in den unter meinem Küchenbalkon.

Während die Aufnahme bereits lief, kehrten die Fussballfans durch die Hofeinfahrt (unten links) zurück, um ihre Autos abzuholen. Mit dabei war auch ein Familienmitglied von meinem über mir wohnenden, portugiesischen Nachbarn: Der begrüßte seinen Angehörigen nicht gerade überschwänglich (deutlich vom Balkon oben sprechend zu hören), weil dieser ihm seine Garage zugestellt hatte und er deshalb sein Auto ebenfalls im Hof parken musste. Nach allgemeiner Verabschiedung aller Beteiligten begann unten im Hof ein furioses Rangiermanöver zweier SUVs, die so „echt“ klingen, dass man ihre Marken erraten könnte.

Zwischendurch vernimmt man immer mal wieder die zur Hofeinfahrt durchdringende Geräuschkulisse der nahen Straßenkreuzung, die durch die aufbrechenden Fußballfans und sich dazwischen mogelnde Obstlastzüge vom Großmarkt voller und voller wird. Von alldem lassen sich die in der Grünanlage der Nachbarhäuser spielenden Kinder (unmittelbar von rechts zu hören) kaum beeindrucken – ebensowenig wie vom überm nahen Stadion kreisenden Helikopter (rechts vorn), der den friedlichen Abzug der Dresdner Fans beobachtet.

Das Ganze endet damit, dass der Angehörige von meinem Nachbarn dessen Auto in die Garage fährt (halbrechts vorn) und hernach krachend das Holztor zuschlägt.

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Keineswegs braucht man das knapp 15 Minuten dauernde, akustische Stillleben komplett durchzuhören, um die unglaublich realistische Raumabbildung zu erkennen. Besonders beeindruckend fand ich dabei die Oben-Unten-Darstellung, die ich bislang noch nie so authentisch gehört habe. Bemerkenswert auch, dass trotz der vielfältigen Geräuschkulisse sämtliche Schallquellen, auch wenn sie sich bewegen, eindeutig und ohne Anstrengung zu orten sind.

Die hervorragende Steilvorlage für all das stammt freilich vom Sennheiser Ambeo VR Mic – das letzte Wort jedoch gehört dem verwendeten Ambisonics-Decoder. Der von Sennheiser empfohlene Ambi Head von NoiseMakers machte seine Sache bereits überzeugend – nochmals spürbar natürlicher und authentischer klang es dagegen mit dem aus Norwegen stammenden Ambisonics-Decoder-Plugin Harpex-B, weshalb ich obige Aufnahme auch mit diesem gerendert habe.

Allerdings kostet Harpex-B mit rund 600 Euro etwa viermal so viel wie Ambi Head – dafür ist Harpex-B jedoch auch deutlich flexibler, weil sich damit nahezu beliebige Ausgangsformate auch für Mehrkanal-Lautsprecherwiedergabe erzeugen lassen.

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Fazit

Mit dem Ambeo VR Mic lässt sich dem kommenden Virtual-Reality-Zeitalter gelassen entgegensehen. Für Film- und Ton-Profis mit entsprechender Ausrüstung ist es ein robustes, unkompliziert handhabbares 3D-Mikrofon mit ausgezeichnetem Klangeigenschaften und niedrigem Eigenrauschen. VR-Newcomer hingegen erhalten mit dem Sennheiser Ambeo VR Mic bei überschaubarem finanziellem Aufwand ein äußerst kreativ einsetzbares Werkzeug, das durchaus der Einstieg in die faszinierende Erlebniswelt Fieldrecording sein kann.

Verarbeitung und Finish des VR Mic sind – wie man es von einem Präzisionsinstrument erwartet – perfekt.
Egal, ob man das Sennheiser Ambeo VR Mic als Profi oder anspruchsvoller Prosumer einsetzt: Aufgrund seiner exzellenten Klangeigenschaften verdient es ein adäquates, technisches Umfeld, was speziell auch für die Ambisonics-Decoder-Software gilt.

Ganz sicher ist jedenfalls: Mit dem Sennheiser Ambeo VR Mic wird VR „real“ – wer einmal mit ihm gearbeitet hat, wird seine akustische Umgebung fortan deutlich bewusster wahrnehmen und erleben. Dafür gibt’s von LowBeats fünf Sterne.

 

Sennheiser Ambeo VR Mic
2017/04
Test-Ergebnis: 5,0
Überragend
Bewertungen
Klang:
Praxis:
Ausstattung

Gesamt:

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
sehr natürlicher Klang
geringes Eigenrauschen
sehr flexibel einsetzbar
kompakte und robuste Bauform

Vertrieb:
Sennheiser GmbH & Co. KG
Am Labor 1
D-30900 Wedemark
de-de.sennheiser.com

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Sennheiser Ambeo-VR Mic: 1.789 Euro

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Autor: Jürgen Schröder

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Toningenieur, R&D-Spezialist und das (mess-)technische Gewissen von LowBeats. Kümmert sich am liebsten um Wissens-Themen, Musik und den spannenden Bereich zwischen Studio und HiFi.