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Ultrasone Edition Veritas
Ultrasone hat mit seinem Edition 15 Veritas einen der teuersten (Preis: 3.000 Euro) geschlossenen Over Ear Hörer im Programm. Wird er dem hohen Anspruch gerecht? (Foto: Ultrasone)

Test geschlossener Over Ear Kopfhörer Ultrasone Edition 15 Veritas

Ultrasone hat mit der Edition 15 einen fantastischen stationären (kabelgebundenen) Over Ear Kopfhörer im Programm, der seit seinem Test bei LowBeats einen festen Platz im Referenzregal hat. Doch der ist – wie es sich für einen Klasse-Kopfhörer gehört – in offener Bauweise konzipiert. Das allerdings erschwert eine Verwendung unterwegs und in der Öffentlichkeit, weil er als offener Kopfhörer auch viel Schall nach außen abgibt. Deshalb haben die Bayern mit dem Ultrasone Edition 15 Veritas (Lateinisch: Wahrheit) noch eine Variante im Angebot, die quasi baugleich, aber halt geschlossen ist. LowBeats hatte auch diesen Edel-Kopfhörer für einige Woche im Test und beantwortet die Frage: Wie dicht liegt der geschlossene an dem überragenden (offenen) Edition 15?

Ultrasone Edition 15 Veritas vs Edition 15
Der Edition 15 Veritas (links) sieht aus wie eine 1:1-Kopie des Edition 15 – wäre das nicht die gelochte Abdeckplatte, die den Edition 15 eindeutig als „offenen“ Kopfhörer identifiziert (Foto: H.Biermann)

Felix Bavaria. Die bayerische Kopfhörer-Manufaktur Ultrasone ist in Deutschland einzigartig – nicht nur wegen des fantastischen Blicks auf die Alpen, der sich den Mitarbeitern bei der Arbeit bietet. Man achtet streng darauf, dass die Zulieferer aus der näheren Umgebung kommen und macht – so weit es geht – alles per Hand. Das gilt auch für die liebevoll erstellten Ohrkapseln aus Holz. Sie werden von einer Tischlerei im Umland gefertigt, die ich einmal besuchen durfte, um beim Entstehen der Holzkaseln dabei zu sein – siehe Slideshow:

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Ultrasone Kopfhörer Kapseln
Nach der sorgfältigen Auswahl des richtigen Holzes…
Vorbereitung für die Fräsarbeit
…wird das Holzstück auf die passende Größe gebracht, bevor es dann …
…mit großem Fräs-Gedeck in die richtige Form gebracht wird (Foto: H. Biermann)
Ultrasone Edition 15 Veritas Holzkapsel
Nach vielen Arbeitschritten wird die Kapsel als solche erkennbar…
Ultrasone Edition 15 Veritas Holzkapsel 4
…und anschließend per Hand lackiert (Foto: Ultrasone)
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Die Kapseln des Edition 15 Veritas werden, so heißt es bei Ultrasone, bewusst aus amerikanischem Kirschholz gefertigt, weil auch Instrumentenbauer auf dessen schönen Ton schwören. Mag sein. Aber es sieht auch klasse aus.

Ultrasone Edition 15 Veritas Verpackung
Da macht schon das Auspacken Spaß: Der Ultrasone Edition 15 Veritas kommt in einem edlen, Echtleder-gewandeten Etui und hat unterschiedliche Kabel mit Lemo-Steckern im Gepäck: eines für den Anschluss am großen Kopfhörer-Verstärker zu Hause und eines für den Anschluss an Smartphone & Co. (Foto: Ultrasone)

Ultrasone Edition 15 Veritas: Wertigkeit, wo man hinschaut

Ein Text über den Edition 15 Veritas muss sich zwangsweise so lesen wie unser Test über den Edition 15 – es ist fast das gleiche Gerät. Hier wie dort finden wir eine solide Aluminium-Bügelkonstruktion mit ausreichend feingerasterten Einstellungen für den perfekten Sitz, feinstes Merino Schafsleder als Überzug über den Bügel (im Falle des Edition 15 Veritas sogar über die Ohrpolster) und den ehrenwerten Versuch, über MU-Metallfolie die magnetische Strahlung der Treiber vom Kopf fernzuhalten.

Ultrasone Edition 15 Veritas Bügel
Die Metallteile sind mit hoher Präzision gefertigt und lassen ein langes Leben erwarten. Immerhin gibt Ultrasone fünf Jahre Garantie… (Foto: H.Biermann)

Natürlich darf auch in diesem Flaggschiff-Kopfhörer die von Ultrasone einst erfundene, spezielle Position des Breitband-Treibers (Ultrasone-Jargon: S-Logic) nicht fehlen: Als das Unternehmen 1990 von Florian M. König gegründet wurde, war dies eine der zentralen Ideen des damals jungen Kopfhörer-Tüftlers. Im Gegensatz zu allen andern Kopfhörerherstellern am Markt setzte er den Treiber leicht versetzt nach schräg unten. So entsteht zumindest eine Art von Räumlichkeit, während bei den meisten Hörern mit klassischem Aufbau die nur wenig spannende In-Kopf-Ortung entsteht. Heute wird das Prinzip – unter anderem Namen natürlich – von dutzenden Herstellern weltweit genutzt. Bei Ultrasone heißt es mittlerweile S-LogicEX®. Das Bild zeigt die typische asymmetrische Position des Treibers:

Ultrasone Edition 15 Veritas Bügel
Die „Schallwand „aus leichtem Aluminium ist so geformt, dass der Treiber in einem schrägen Trichter Richtung Ohr sitzt. Im äußeren Rand der Schallwand sitzen vier kleine Magnete, die die Polsterung festhalten (Foto: H.Biermann)

Bis zum Erscheinen des Edition 15 hatte ich häufig Vorbehalte gegen die bayerischen Edelhörer, weil sie doch sehr kernig und etwas hell abgestimmt waren. Mit dem Edition 15 änderte sich meine Haltung schlagartig. Es ist ein Hörer, der sehr präzise, aber auch ungemein geschmeidig spielt und den man deshalb über viele Stunden genießen kann. Ein Hintergrund für diese „Charme-Offensive“ der Bayern ist sicherlich der neue Treiber mit 40 mm großer Gold-Titanium-Compound Membran. Sie kam erstmals im Edition 15 zum Einsatz, ist aber auch zentraler Bestandteil des Edition 15 Veritas.

Ultrasone Edition 15 Veritas treiber von hinten
Der 40 mm Hightech-Breitbänder von hinten. Das Aluminium bildet hier – zusammen mit dem gefrästen Holzstück – eine Kammer, in welche die rückwärtige Schallenergie gestrahlt wird. Unter dem schwarzen Flies befinden sich zwei Öffnungen Richtung Ohr des Hörers. Sie sorgen für einen Druckausgleich (Foto: H.Biermann)

Wie schon beschrieben, ist der Ultrasone Edition 15 Veritas eine geschlossene Konstruktion. Dass heißt:  Die gesamte rückwärtige Schallenergie wird in die kleine Kammer der Kapsel gepumpt. Es ist das Dilemma eines jeden geschlossenen Kopfhörers, dass diese Energie nicht abgeführt werden kann. Beim Veritas versucht man es auch gar nicht erst – die Kammer ist unbedämpft. Das kann nicht ohne Rückwirkungen auf den Treiber und den Klang bleiben. Denn die sehr leichten (und damit dünnen) Membranen sind für einzelne Frequenzbereiche schalldurchlässig. Zu dem originär abgestrahlten Schall kommt also – über einige Umwege – noch der reflektierte Schall der Kammer hinzu.

Der Ultrasone Edition 15 Veritas in der Praxis

Die Nachteile geschlossener Kopfhörer sind ja schon oft beschrieben und machen sich auch im Falle des Veritas deutlich bemerkbar – siehe Hörtest. Aber sie haben ja auch einen relevanten Vorteil: Im Gegensatz zum offenen Edition 15 hatte der Veritas selbst bei hohen Pegeln so gut wie keine Schall-Emission. Heißt: Nachbarn in Bus & Bahn werden nicht belästigt.

Wie schon dem Edition 15, kann ich auch dem Veritas einen angenehmen Sitz bescheinigen. Einige Kollegen hätten etwas mehr Anpressdruck gewünscht, für mich passte es perfekt – man will ja länger damit hören. Der Veritas wiegt – wie auch der Edition 15 – 320 Gramm. Das ist angesichts der Größe und der wertigen Verarbeitung absolut OK. Als geschlossenes Modell zielt er ja auch auf Kunden, die mobil mit ihm unterwegs sein wollen. Seine 40 Ohm Impedanz sind dafür praxisnah niedrig.

Trotzdem ist der Betrieb eines solch ambitionierten Spitzen-Kopfhörers am Ausgang eines normalen Smartphones nur bedingt zu empfehlen. Ultrasone selbst empfiehlt für den mobilen Betrieb seiner großen Kopfhörer den immer noch handlichen Kopfhörer-Verstärker Ultrasone Panther (Preis: 400 Euro), einen HiRes-DAC im Westentaschenformat, der Musiksignale bis zu 384 kHz/ 32 Bit verarbeitet. Seitdem ich den Panther habe – und das ist schon über ein Jahr – gehe ich nicht mehr ohne ihn aus dem Haus. Ein in meinen Ohren geniales Stück Mobil-High-End.

Ultrasone Panther Aufsicht
Der mobile DAC/Kopfhörer-Amp Panther ist mit seinen Abmessungen von 11,6 x 5 5 x 1,2 cm (L x B x H) angenehm klein, nur 110 Gramm leicht und mit 400 Euro – gemessen am Edition 15 Veritas – geradezu günstig (Foto: Ultrasone)

Hörtest

Trotzdem haben wir die Hörtests an einem richtig dicken Kopfhörer-Verstärker gemacht, weil der doch noch so einiges mehr an Musik, aber auch an Unterschieden zutage förderte. Der T+A HA 200 ist vielleicht sogar der beste Kopfhörer-Verstärker unserer Tage. Kurzum: Für diesen Test kam er wir gerufen.

Ultrasone Edition 15 Veritas mit T+A HA200
Die beiden Ultrasone Editions-Hörer mit dem T+A HA 200 DAC/Kopfhörer-Amp (Foto: H.Biermann)

Der erste Test war der oben schon angekündigte: zwischen Edition 15 und Edition 15 Veritas. Ich würde gern Positiveres berichten, aber unter rein klanglichen Aspekten spielt der Edition 15 wenigstens eine Klasse höher. Im Bass und Grundton klingt er um einiges präziser (der Veritas zeigt bei tiefen Männnerstimmen eine eigenartige Wolkigkeit) und im gesamten Mittelhochtonbereich spielt er luftiger, feiner, leichter. Ja sogar die Illusion von Räumlichkeit wird bei ihm greifbar, während der Veritas ein eher verengtes Panorama bietet.

So wie halt die meisten geschlossenen Kopfhörer. Der Vergleich eines „offenen“ Kopfhörers mit einem geschlossenen ist daher eigentlich einer von Äpfel und Birnen und damit nicht statthaft. Aber im Falle von Edition 15 und Veritas drängt er sich auf, weil beide so ähnlich sind und zudem das Gleiche kosten. Es ist wohl wie bei Tonabnehmern: Will man die höchsten klanglichen Weihen erreichen, wird man ein MC wohl immer einem MM vorziehen…

Insofern heißen die Gegenspieler hier nicht Edition 15, sondern Focal Stellia und Sennheiser HD 820. Beide sind in einer ähnlichen Preisklasse zuhause (3.000 beziehungsweise 2.400 Euro) und beide gehören mit zum Besten, was die „geschlossene Gesellschaft“ zu bieten hat. Und hier spielt der Veritas auch eher auf Augenhöhe. Der Focal Stellia zeigt ebenfalls diese leichte Grundton-Unklarheit, weist aber im Hochton die noch genauere, etwas feinere Detailarbeit auf.

Die Sennheiser Entwickler wiederum haben es geschafft, den HD 820 auch im Bass und Grundton gar nicht als „geschlossen“ erkennen zu lassen. Er ist trotz des prinzipiellen Nachteils eine Ausgeburt an Ausgewogenheit und Neutralität. So ausgewogen und natürlich klingt der Veritas nicht, hat aber das etwas herzhaftere, charmantere Klangbild.

Fazit Ultrasone Edition 15 Veritas

Mit einem Ultrasone Editions-Hörer bekommt man immer etwas Einzigartiges. Die Wertigkeit ist hoch (nicht umsonst gibt Ultrasone 5 Jahre Garantie), genauso wie das Vergnügen, die Kopfhörer anzufassen und aufzusetzen. Allerdings ist dieses Vergnügen mit gut 3.000 Euro auch nicht ganz billig.

Es ist der gleiche Kurs, zu dem auch der Edition 15 zu haben ist – der allerdings in allen Belangen besser klingt. Der einzige Vorteil des geschlossenen Veritas gegenüber dem etwas älteren Edition 15 ist die Möglichkeit, mit ihm auch reisen zu können, ohne Mitreisende zu stören.

Ich bin da zwiegespalten. Es gibt jede Menge guter Reisekopfhörer, die kleiner, günstiger und leichter, womöglich auch noch kabellos sind und Noise-Cancelling haben. Ob man auf Reisen tatsächlich das letzte Quentchen Neutralität und Feinauflösung braucht…?

Wahrscheinlich ist doch, dass man einen solchen Edelhörer für die schönen Musik-Stunden zu Hause erwirbt. Und dann hat der Veritas gegenüber der Edition 15 keine guten Karten. Es sei denn, der Musikhörer ist nicht allein im Raum und muss Rücksicht auf weitere Anwesende nehmen. In diesem Fall schlägt die Stunde des Veritas.

Ultrasone
Edition 15 Veritas
2020/08
Test-Ergebnis: 4,1
SEHR GUT
Bewertungen
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Substanzieller, ausgewogener und lebendiger Klang
Perfekt verarbeitet; MU-Metall-Abschirmung
Hohe Geräuschdämmung nach außen
Nicht ganz billig

Vertrieb:
ULTRASONE AG
Gut Raucherberg 3
82407 Wielenbach
Ultrasone Webshop: ultrasone.com

Preis (Hersteller-Empfehlung)
Ultrasone Edition 15 Veritas: 2.999 Euro
Ultrasone Panther: 399 Euro

Weitere Ultrasone Kopfhörer:

Test Ultrasone Performance 880 mit BT: genial für unterwegs
Test Ultrasone Edition 15: der offene Spitzen-Over-Ear
Test Ultrasone Edition eleven: Over Ear mit S-Logic

Mit- und Gegenspieler:

Test Over Ear Kopfhörer Focal Stellia + HP-Amp Focal Arche
Test Over-Ear-Kopfhörer Sennheiser HD 820 – der Geniestreich

Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.