Nach dem überragenden Auftritt der großen Standbox KEF R11 war dieser Test überfällig. Selten hat eine Standbox fast alle Mitglieder der Redaktion so elektrisiert. Aber es gibt ja auch die kleine KEF R3 und damit stellt sich die Frage: Wie viele dieser überragenden Fähigkeiten des R-Serie-Flaggschiffs sind im kleinen Gehäuse und zu einem Drittel des Preises zu haben? Antwort: erstaunlich viele. In jedem Fall ist die KEF R3 eine der herausragenden Vertreterinnen der Klasse unter 2.000 Euro und nicht nur akustisch ein Leckerbissen.
Zu Einführung der neuen R-Linie klopften die Briten ja ganz schön auf den Busch. Mehr als 1.000 Bauteile seien gegenüber der Vorgänger-Serie verändert worden. Der aufmerksame Beobachter reibt sich bei solchen Aussagen erst einmal die Augen: Gibt es überhaupt so viele Bauteile in einer Serie? Offenkundig ja: Die KEF-Leute haben für uns alle Veränderungen an der Wand genagelt. Hübsch.
Das Konzept der KEF R3
Viel wichtiger als die Masse sind allerdings die kleinen, gleichwohl klangrelevanten Änderungen im Detail. Zum Beispiel wurden die Tieftöner weitestgehend neu entwickelt. Und der koaxiale Mittelhochtöner (KEF nennt ihn Uni-Q) wurde so stark verbessert, dass die Entwicklungsabteilung um Dr. Jack Oclee-Brown von ihm als “12. Generation” spricht. Und da gibt es kein Besser oder Schlechter in der Familie: Die KEF R3 ist zwar die Kleinste der Serie, arbeitet aber haargenau mit den gleichen Uni-Qs und den gleichen Tieftönern wie die große R11. Nur hat sie halt im Vergleich zum Flaggschiff nur einen statt vier Bässe pro Box.
Tatsächlich ist – wie wir schon beim Test der KEF Reference Linie beobachten konnten – der Bass-Hubraum der wichtigste Unterschied zwischen den Modellen. Vier Bässe im 16,5 Zentimeter Format bewegen natürlich einiges mehr und kommen in Summe auch weiter runter.
Aber braucht man das? Um im Bild des Automobils zu bleiben: Muss es denn immer die 4-Liter Maschine der aktuellen Mercedes Benz E-Klasse sein oder reicht nicht auch die 2-Liter Variante? Und hier sind wir wieder bei der KEF R-Linie. Denn abgesehen vom Bass ist die Ausstattung von R3 und R11 weitgehend gleich. Vor allem zu nennen ist hier der koaxiale Uni-Q, der wie beim Flaggschiff R11 den gesamten Bereich oberhalb 400 Hertz abbildet.
Bei KEF arbeitet und forscht man seit 1988 zum Thema Koax. Damals war hier noch der junge Andrew Jones (fraglos einer der wichtigsten Lautsprecherentwickler unserer Tage) die treibende Kraft und brachte das Konzept schon zu einer erstaunlichen Reife.
Das Prinzip des koaxialen Treibers, bei dem der Hochtöner im Schwingspulenspalt des Tiefmitteltöners sitzt, hat immense Vorteile – vor allem in Bezug auf die Zeitrichtigkeit der Wiedergabe und die Abstrahlung. Gut konzipiert erfüllt er das Ideal der Punkschallquelle, die zu allen Seiten die gleiche Schallenergie abstrahlt. Theoretisch kann man die R3 also auch ohne Klangeinbußen quer ins Regal legen. Das sollte man mit klassischen Mehrwegeboxen nicht machen…
Allerdings hat das Prinzip auch folgenschwere Nachteile – zum Beispiel, dass die Tiefmitteltonmembran mit ihren Bewegungen fast zwangsweise die Signale des eingebetteten Hochtöners moduliert. Auch der Übergang zwischen Hoch- und Mittelton sorgt fast immer für unschöne Resonanzen. Im neuen Uni-Q (rechts) werden diese Schallanteile abgeleitet und mit einer Bedämpfung im Luftkanal (im Magneten grün) deutlich reduziert.
Wer sich den Frequenzgang klassischer Koax-Systeme anschaut, wird erschrocken feststellen, dass die meisten ziemlich wellig sind. KEF ist hier um Generationen voraus. Der in der KEF R3 eingebaute Uni-Q der 12. Generation erfüllt höchste audiophile Ansprüche und hat – im Vergleich zu den ersten Generationen – jegliche Nasalität und Schärfe abgelegt.
Weitere Gemeinsamkeiten mit dem Flaggschiff finden sich auf der Frequenzweiche. Weil der Übergang zwischen Bass und Uni-Q auch bei der KEF R3 bei 400 Hertz liegt und KEF schon immer ein Verfechter steilflankiger Frequenzweichen war, ist der Bauteile-Aufwand bei allen Modellen der neuen R-Linie hoch – auch beim kleinsten.
Und natürlich gibt es Gemeinsamkeiten beim Gehäuse. Das KEF Design ist ja schon seit einigen Jahren sehr edel und modern. Auch die R-Linie gefällt in Anlehnung an die Reference-Serie mit höchster Geradlinigkeit (gerundete Kanten waren gestern) und überragender Lack-Qualität. Es gibt die R3 in Schwarz, in Weiß und in Nussbaum (Echtholz-Furnier), das weltweit offenkundig seine Renaissance feiert.
Und natürlich – da war KEF ebenfalls Vorreiter – stören auf der Front keine Schrauben den noblen Auftritt. Perfekt sitzende Zierringe, die beim Uni-Q sogar noch eine akustische Funktion haben, überdecken die Halterungen der Treiber. Optisch und verarbeitungstechnisch liegt KEF damit ziemlich weit vorn.
Zumal sich die Designer noch einen Clou haben einfallen lassen: Weil KEF mittlerweile alle seine Aluminium-Membranen beliebig einfärben kann, gibt es bei der R-Linie die Treiber in der gleichen Farbe wie das Gehäuse. Was bei Schwarz und Weiß sehr edel und dezent wirkt, gelang bei Nussbaum nicht ganz so perfekt…
Insgesamt macht das Gehäuse einen hervorragenden Eindruck. Das liegt womöglich auch an der neuen Art der Versteifung, die KEF mit der aktuellen Reference-Linie einführte. Die Holzverstrebungen sind nicht starr mit den Wänden verbunden sondern über flache Stücke eines elastischen Kunststoffs.
Das hat den großen Vorteil, dass die Schwingungen der einen Wand nicht auf die andere übertragen wird. Den obligartischen Klopftest per Fingerknöchel meisterte die kleine KEF bestens: das Gehäuse klang von allen Seiten fast “tot”.
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