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Questyle CMA800P front view
Line-Preamp Questyle CMA800P Golden; 3.000 Euro (Foto: Questyle)

Test Line-Preamp Questyle CMA800P – der Purist

Waren es früher stets die teuersten HiFi-Komponenten, die mit den meisten Features aufwarteten, verhält es sich heutzutage eher umgekehrt. Auch das Questyle Golden Reference System verfolgt dieses „Reduced To The Max“-Prinzip recht konsequent. Das gilt besonders für den Line-Hochpegel-Preamp Questyle CMA800P: Zum Anschluss analoger Tonquellen bietet er einen asymmetrischen Hochpegeleingang via RCA-Buchsenpaar sowie eine elektronisch symmetrierte Variante mit XLR-Armaturen – das war’s dann auch schon.

Ebenso verhält es sich auch mit den analogen Ausgängen, deren Pegel natürlich vom Lautstärkesteller abhängig ist: So können Endstufen oder Kopfhörerverstärker sowie Aktivmonitore auch hier asymmetrisch via RCA- oder über elektronisch symmetrierte XLR-Buchsen andocken.

Entsprechend übersichtlich geht es denn auch auf der soliden Frontplatte zu. Hier finden sich neben einigen Status-LEDs lediglich zwei Bedienelemente: Zum einen der Eingangswähler, der auch eine Stummschalt-Funktion mitbringt, sowie der Lautstärkesteller.

Zunächst mal für Kopfhörer-Systeme gedacht, ist Fernbedienung beim Questyle CMA800P nicht von Haus aus vorgesehen: Als Volume-Steller verwendet er jedoch bereits ein hochwertiges Alps-Motor-Potenziometer, das sich mit einem optional erhältlichen Einbau-Kit (ca. 150 Euro) fernbedienbar aufrüsten lässt.

Damit der Sensor die Kommandos der IR-Fernbedienung empfangen kann, erhält der CMA800P darüber hinaus eine dekorative, durchsichtige Plexiglas-Abdeckung – was ihm natürlich die oberste Etage im Questyle Gold Tower sichert.

Questyle CMA800P open top
Der Questyle CMA800P mit abgenommener Abdeckplatte: Gut erkennbar die vier CMA-Verstärker mit den dazugehörigen Gain-Schaltern zur Verstärkungsumschaltung. Links der üppig dimensionierte Ringkerntrafo, der vom kanadischen Spezialisten Plitron stammt. Ist die Option zur Lautstärke-Fernbedienung installiert, ermöglicht eine Plexiglasabdeckung den Blick ins Innere (Foto: Questyle)

Weil echte HiFi-Freaks ihre Vorstufen ohnehin niemals ausschalten, befindet sich der Netzschalter beim Questyle CMA800P denn auch auf der Rückseite. Ein weiteres, nicht täglich gebrauchtes Feature findet sich unter dem abgenommenen Gehäusedeckel: Jeder der insgesamt vier identischen Verstärkerzüge besitzt einen kleinen Umschalter zum Anwählen niedriger oder hoher Signalverstärkung (0/+6dB).

Das ermöglicht ein stets optimales Pegelniveau im mittleren Bereich des Lautstärkestellers – unabhängig vom Kennschalldruckpegel des verwendeten Kopfhörers oder der Eingangsempfindlichkeit von Leistungsverstärken und Aktivmonitoren. Wichtig hierbei: Alle vier Schalter müssen stets die gleiche Position aufweisen – entweder alle „low“ oder alle „high“.

Questyle CMA800P: die Technik

Wie der Name schon andeutet, arbeiten die vier Verstärkerzüge im Questyle CMA800P nach dem hauseigenen Current-Mode-Amplification (CMA-)-Prinzip. Das verschafft dem Preamp eine ausgesprochen hohe Bandbreite, die laut Bedienungsanleitung auf 100kHz durch ein Eingangs-Tiefpassfilter absichtlich nach oben hin begrenzt ist (Wer’s genau wissen möchte: Gemessen habe ich eine obere Grenzfrequenz von 117kHz/-3dB – diesen Wert erreichen viele Verstärker nicht mal ungefiltert).

Den Grund für das Tiefpassfilter nennt Questyle allerdings nicht. Schade, denn er ist nicht nur triftig, sondern auch unbedingt wert, mal kommuniziert zu werden. Ausgangspunkt sind erneut die bereits in der Übersicht erwähnten transienten Intermodulationsverzerrungen (TIMD).

Um diese sicher zu verhindern, darf die Anstiegsgeschwindigkeit eines Verstärkers (Slew Rate, angegeben in V/μs) an seinem Ausgang nicht niedriger sein als die höchste im Eingangssignal vorkommende – ansonsten kann die Gegenkopplung nicht mehr folgen.

Je höher die Ausgangsspannung eines Verstärkers ist, desto höher muss seine Slew Rate für eine gegebene Bandbreite sein. Im Klartext heißt das: Ein „schneller“, breitbandiger Preamp, vorgespannt vor einen langsameren, schmalbandigeren Endverstärker, kann diesen definitiv nicht „beschleunigen“.

Vielmehr gerät nunmehr bei steilflankigen Signalen die Gegenkopplung des Endverstärkers aus dem Tritt, weil sie dem schnellen Ausgangssignal des Preamps nicht mehr folgen kann. Ergebnis: Der Endverstärker produziert TIM-Verzerrungen.

Daher sollte der Preamp in der Regel eine geringere Bandbreite aufweisen als der nachgeschaltete Leistungsverstärker. Genau das bewirkt das eingangsseitige Tiefpassfilter im Questyle CMA800P: Es reduziert seine Bandbreite und verhindert somit TIM-Verzerrungen in den nachgeschalteten Amps.

Questyle CMA800P: Hörtest

Unter Audiophilen wird oft die Frage diskutiert, ob man Line-Preamps mit geringer Spannungsverstärkung wie den Questyle CMA800P nicht besser gleich durch einen passiven Abschwächer ersetzen sollte. Auf den ersten Blick scheint der passive Weg in der Tat konsequenter, spart er doch eine potentielle Verzerrungsquelle ein.

In der Praxis ist die passive Lösung jedoch keineswegs frei von Verlusten – die noch zunehmen, berücksichtigt man nicht peinlich genau die Impedanzverhältnisse der zu verbindenden Komponenten.

Auch kommen bei einer passiven Lösung schnell Schaltungskapazitäten von 1000 Pikofarad und mehr zusammen. Die müssen von der Quelle zunächst mal geladen werden – wobei sich die daraus resultierende Filterwirkung bei bestimmten Lautstärkepositionen sogar noch verstärken kann.

Beim Arbeiten mit dem Questyle CMA800P stellte sich diese Aktiv-oder-Passiv-Frage jedoch erst gar nicht. Der nämlich spielte so durchgezeichnet und transparent, dass man noch nicht mal auf die Idee kam, hier müsse man irgendetwas verbessern.

Angetan von seinem überragenden Nicht-Klang, habe ich den Questyle CMA800P in einem Weltklasse-Setup im Beisein eines erlauchten, audiophilen Zirkels mit einem Line-Preamp im fünfstelligen Preisbereich vergleichen können. Das Lächeln aller Anwesenden sprach Bände, wobei ein (prominenter) Zuhörer abschließend meinte: „Das Ding spielt außer Konkurrenz.“

Fest steht denn auch: Wir hatten bei LowBeats noch keinen Hochpegel-Vorverstärker zu Gast, der dem Questyle CMA800P in klanglicher Hinsicht das Wasser reichen kann.

Fazit

Der Questyle CMA800P ist ein puristisch konzipierter Hochpegel-Vorverstärker, der seinen konstruktiven Schwerpunkt klar auf maximale Audioqualität legt. Er klingt vorbildlich transparent und konturiert, ohne dabei die Klangfarben zu vernachlässigen und folgt damit dem Ideal des verstärkenden Drahtes ausgesprochen konsequent.

Dank seiner niederohmigen Ausgänge kann er sein gesamtes Klangpotenzial problemlos auch über längere Kabelwege hinweg ausspielen, wie sie beispielsweise beim Anschluss von Aktivlausprechern erforderlich sein können.

Wer den Questyle CMA800P als zentralen Line-Preamp in seinem HiFi-System einsetzten möchte, sollte ihm auf jeden Fall das Update auf den fernbedienbaren Lautstärkesteller gönnen.

Damit werden für den schnuckeligen Preamp insgesamt rund 3.500 Euro fällig. Das ist ohne Frage viel Geld – aber im Vergleich zur Liga, in der der Questyle CMA800P mitspielt, fast schon ein Schnäppchen.

Questyle CMA800P Golden
2018/01
Test-Ergebnis: 4,8
Referenz
Bewertung
Klang:
Praxis:
Verarbeitung:

Gesamt:

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Vorbildlich durchlässiger Klang
schaltbare Spannungsverstärkung
äußerst rauscharm
überragende Verarbeitung

Vertrieb:
NT Global Distribution GmbH
Waller Heerstraße 104
28219 Bremen
www.nt-global.com

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Questyle CMA800P Golden: 3.500 Euro

Die anderen Beiträge zum Familientest:

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Autor: Jürgen Schröder

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Toningenieur, R&D-Spezialist und das (mess-)technische Gewissen von LowBeats. Kümmert sich am liebsten um Wissens-Themen, Musik und den spannenden Bereich zwischen Studio und HiFi.