Der Octave V70 Class A versucht den besonderen Spagat: Er will ein Vollverstärker sein, der die Exaktheit des Transistors mit der klanglichen Schönheit der Röhre und der Class-A-Schaltung verbindet. Das ist ziemlich gut gelungen…
Der Röhren-Spezialist Octave hat in der Welt des HiFi seine eigene Liga geschaffen: Röhren-Verstärker, die eben nicht nur “schön” klingen, sondern vielmehr besonders authentisch. Das war schon immer der Ansatz von Octave-Chef Andreas Hofmann, der lange über den heutigen Klang-Zeitgeist lamentieren kann. Hofmann: “Heute muss ja vieles einfach nur schön klingen. Das ist nicht mein Weg. Für mich muss es richtig klingen. Denn schön klingende Röhrenverstärker haben meist eine viel zu hohe Abhängigkeit von den angeschlossenen Lautsprechern. Octave-Vollverstärker müssen an allen guten Lautsprechern gut klingen.”
Diese Universalität hat Hofmann vielfach bewiesen; sein V80 SE war lange Zeit Verstärker-Referenz bei LowBeats. Und obwohl (oder eben weil) er ein absoluter Röhrenspezialist ist und ein Wickelwerk für Übertrager sein Eigen nennen darf, vertraut Hofmann nicht ausschließlich auf die Glaskolben. Wo es Sinn macht, kommen auch Halbleiter zum Einsatz – einfach, weil sie bisweilen viel besser für langzeitstabile Arbeitsbedingungen sorgen.
Und genau das macht einen Octave aus: Man weiß immer, dass man mit ihm einen Freund fürs Leben bekommt. Ich selbst hatte in den vergangenen Jahrzehnten zwei Octave-Komponenten: die Vorstufe HP 200 und den Vollverstärker V40. An denen war nie etwas…
Für diese Langlebigkeit hat der hier vorgestellte Octave V70 Class A ein paar Eigenheiten, die auch seine Brüder auszeichnen. Beispielsweise gibt es einen elektronisch überwachten Überlastschutz, das kontrollierte Hochfahren aller Heiz- und Anodenspannungen und nicht zuletzt den sogenannten ECO-Modus, der nach wenigen Minuten ohne Signal abschaltet, um mit Signal sanft wiederhochzufahren. Man kennt das von modernen Subwoofern. Aber für Röhren ist ein solcher Leben-verlängernder Modus besonders sinnvoll.
Die Besonderheiten des Octave V70 Class A
Der V70 SE ist ein langjähriges Mitglied der Octave-Familie. Der größte Unterschied zur neueren Class-A-Variante trägt der Verstärker bereits im Namen und lässt Highender aufhorchen: Class-A.
Prinzipiell hat Class-A bei Röhrenschaltungen zunächst einmal Nachteile – nämlich mehr Bauteile im Signalweg. Das Konzept mit dem höheren Ruhestrom klingt dementsprechend auch anders, häufig sogar etwas weniger dynamisch als ein klassischer Push/Pull-Aufbau – auch, weil es zwangsweise weniger Leistung hat. Doch die meisten Musikfreunde empfinden den Class-A-Klang als angenehmer, runder, feiner. Hofmann: “Es ist technisch eigentlich ein Schritt nach hinten, klanglich aber nach vorn…”
Deshalb geht er diesen Schritt gern, garniert seine Class-A-Schaltung aber mit einigen Feinheiten. So entwickelte Hofmann die “Dynamische Arbeitspunkteinstellung” (DBC). Dahinter steckt ein sich selbst regelnder Class-A-Verstärker, der im Falle des Falles seinen Class-A-Bereich verlässt, um dann mit deutlich geringerem Ruhestrom im Class-B-Bereich weiterzuarbeiten.
Wird da etwa geschummelt? “Ein bisschen schon”, erwidert Hofmann schmunzelnd. “Aber es ist doch besser, wenn der V70 Class A die oberen Dynamikspitzen nicht abrunden muss, oder…? Da hat er Recht, zumal die Übernahme-Verzerrungen klassischer A/B-Schaltungen bei Röhren eh kein so großes Thema sind wie bei Transistoren-Amps, bei denen diese Übernahmeverzerrungen von Halbwelle zu Halbwelle unangenehm klingen. Das DBC-Konzept jedenfalls hat sich hat sich so gut bewährt, dass Hofmann diese Linie schon sehr bald weiterverfolgen will.
Praxis
Allein der Umstand, dass ich hier einen Abschnitt zum Thema Praxisfreundlichkeit bei einem (eigentlich simpel ausgestatteten) Röhrenverstärker anfüge, zeigt die Ausnahmestellung des V70 Class A. Zum Beispiel wäre da die Auto-Bias-Schaltung: Ein Controller im Verstärker kann sich selbstständig auf die vier eingesetzten Leistungs-Röhren einstellen. Das ist löblich. Wer Octave-Geräte kennt: Die lang bewährte BIAS-Messung, die mit der farbigen LED-Ampel den Status anzeigte und per Schraubenzieher eingestellt wurde, gibt es immer noch, allerdings nur zur Funktionsüberprüfung.
Die Funktion des V70 Class A sind vergleichsweise vielfältig. Er bietet 6 x Hochpegel-Eingänge, einen geregelten Vorstufenausgang sowie die Möglichkeit, den Verstärker in ein Heimkino-System einzubinden. Auf der Rückseite finden sich ebenfalls die Einstellungen für den ECO-Mode und den Leistungsbereich (Low/High).
Und damit sind wir bei einer weiteren Besonderheit des Octave. Man kann den V70 Class-A in zwei optimierten Leistungs-Zuständen betreiben: im “Power High-” oder im “Power Low Modus”. Da es sich hier um einen Class-A-Amp handelt, ist die Leistungsausbeute naturgemäß geringer als bei üblichen Gegentakt-Schaltungen. Unser Testmodell war mit der leistungsstarken KT 120 bestückt; mit ihr (oder einer KT 150) ist das Maximum an Leistung (etwa 50 Watt pro Kanal) herauszuholen. Ist weniger Leistung gefordert (also etwa 20 Watt pro Kanal), schiebt man auf der Rückseite des Verstärkers den roten Schalter auf “Low” und damit wird auch eine schwächere Röhre wie die 6550 optimal angesteuert. Hofmann: “Gerade die 6550 von JJ sind vergleichsweise günstig und klingen richtig gut.”
Ich habe es natürlich ausprobiert und fand glücklicherweise in meinem Röhren-Lager noch ein Pärchen 6550 von JJ. Ergebnis: Hofmann hat Recht. Der V70 Class-A klingt mit der 6550 im Low-Modus noch einen Tick feiner. Die KT 120 ist eine exzellente Röhre, aber es gibt halt noch klangstärkere. Und wenn 20 oder 25 Watt ausreichen…
Und dann ist da noch die Ausbau-Möglichkeit über die sogenannten Black Boxes. Zum Ausprobieren schickte mir Hofmann gleich die große Super Black Box (Preis 2.790 Euro) mit. Durch eine Batterie von zwölf Hochleistungs-Kondensatoren vervierfacht sie die Sieb-Kapazität des V70 Class A. Durch diesen Ausbau des Netzteils erhöht sich nicht nur die Impulsleistung, sondern auch die Fähigkeit elektrisch schwierige Lautsprecher deutlich besser zu treiben.
Während der Hörtests haben wir überwiegend mit unseren beiden Lautsprecher-Referenzen, der FinkTeam Borg und der AudiaZ Opera gehört. Beide trieb der V70 Class A souverän bis zu erwartbaren Pegelgrenzen. Allerdings war sein Auftritt mit angeschlossener Super Black Box in beiden Lautsprecher-Fällen spürbar besser. Da geht es keineswegs nur um die bessere Bass-Kontrolle – die kommt natürlich auch hinzu. Nein: Vielmehr öffnet sich auch der Raum weiter nach oben und das gesamte Klangbild scheint noch einen Tick müheloser zu entstehen. Wohlwissend, dass der V70 Class A dadurch noch einmal um gut 25 % teurer wird, lautet meine dringliche Empfehlung: bitte “mit”! Die Hörtests liefen dann fast ausschließlich mit angeschlossener Super Black Box und mit den leistungsstärkeren KT 120 Röhren. Und in dieser Konstellation klang der V70 Class A ziemlich genau so, wie ich es erwartet hatte. Trotz Röhren (die ja wegen ihrer Hochohmigkeit prinzipiell etwas weniger Basskontrolle als Transistor-Amps haben) und trotz der noch einmal etwas “schöner” und wärmer klingenden Class-A-Schaltung bot der Octave eine geradezu erfrischende Bass-Performance. Beim Elektro-Pop-Klassiker “Oh Yeah” von Yello drückte er die Subbässe via Audiaz Opera so habhaft in den Hörraum, dass wir uns zunächst ungläubig anschauten: Spielt so eine Röhre mit gerade einmal 50 Watt? Normalerweise nicht. Zumal es ja nicht nur um den Bass geht: Der Octave zelebrierte ein wunderbar fein ziseliertes, sehr offenes Klangbild, in dem alle Details präzise, aber nicht vordergründig aufgefächert werden. Ich bin ja ein großer Freund von Andrea Kleinmanns “Saitenwind”, einer klanglich großartig eingefangenen Solo-Harfenaufnahme in der Klosterkirche zu Lorch. Die Aufnahme aus dem Sommer 2023 machte seinerzeit LowBeats Kollege Jürgen Schröder. Deshalb war ich relativ dicht dran und weiß, wie es dort klang. Und ich kann nur sagen, dass die Aufnahme mit der Kombination aus V70 Class A und AudiaZ Opera dem Aufnahme-Moment schon verdammt nah kam. Die Saiten schwangen so natürlich, so fein, so mühelos und gleichzeitig so körperhaft aus; das ganze Instrument stand spürbar im Raum. Ich kann mich nicht entsinnen, das Werk überhaupt schon mal so authentisch gehört zu haben. Ich war so begeistert, dass ich die ganze CD der Harfenistin durchhörte – obwohl die CD durchaus kleine Längen aufweist. Um mich ein bisschen zu erden, holte ich unseren McIntosh Klassiker aus dem Regal. Der MA 7900 ist ja nicht mehr der Allerneueste und längst nicht mehr im Programm der Amerikaner. Und doch repräsentiert er diesen speziellen American Way Of Sound, der immer noch sehr beeindruckend ist: Stets wohlig warm von unten tourend, aber immer bärenstark, wenn man aufs Gaspedal drückt. Aber obwohl der Mac mindestens viermal so Leistung hat wie der Octave, wurde das nur bei sehr hohen Lautstärken spürbar. Bei normalen bis höheren Pegeln schien nicht selten der Röhren-Amp ein bisschen schneller und kerniger. Und er klang immer um einiges offener und feiner in den Mitten: Stimmen hatten mit dem Octave einen ganz besonderen (soll ich sagen: “schönen”?) Flair. Alles hatte so eine gleichermaßen angenehme Klarheit wie Samtigkeit. Das ist außergewöhnlich. Natürlich haben wir den V70 Class A auch gegen unsere aktuelle Verstärker-Referenz, den Westend Audio Monaco gehört. Der ist mit seinen 2 x 100 Watt tatsächlich noch etwas agiler unterwegs und ließ die Bassdrums noch straffer knallen. Auch vermittelte er den noch stabileren Raumeindruck. Der Octave klingt nicht ganz so griffig, gibt aber an vielen Stellen den etwas kultivierteren Feingeist – zum Beispiel, wenn er die Harfensaiten noch etwas feiner zeichnet. So oder so: Man bewegt sich hier auf einem sehr hohen Niveau. Class-A: HiFi-Kenner wissen um die Vorzüge dieses Schaltungskonzepts, das aufgrund der fehlenden Übernahme-Verzerrungen gemeinhin feiner und reiner klingt. Allerdings steht Class-A auch für hohe Leistungsaufnahme und geringe Leistung und so hat Octave Chef Andreas Hofmann eine eigene Art Class-A ersonnen, die im Zweifelsfall auch mal Fünfe gerade sein lässt und einen größeren Leistungsspielraum aufmacht. Ein anderes Beispiel für die “deutsche” Herangehensweise an das Thema Röhrenverstärker zeigt sich in der vielfältigen und klugen Ausstattung sowie dem Umstand, dass diesem Verstärker dank makelloser Verarbeitung und lang bewährter “schonender” Schaltungen ein langes Leben beschert sein dürfte Letztendlich und vor allem aber ist der Octave V70 Class A ein hervorragend natürlich klingender Röhren-Vollverstärker, der in seiner Klasse fraglos eine Sonderstellung einnimmt und durch mannigfache Optionen zum Ausprobieren und Klangtuning auch noch den audiophilen Spieltrieb wachhält… Gesamt Vertrieb: Preis (Hersteller-Empfehlung): Test McIntosh MA 7900 AC – Power & PassionHörtest
Fazit Octave V70 Class A
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. Enorm feine, musikalisch-natürliche Abstimmung Exzellente Verarbeitung Automatische Einmessung, ECO-Modus Tuning mit Black Box und Low-Pegel-Röhren möglich
Ocatve Audio
Reutaeckerstraße 5
D-76307 Karlsbad
www.octave.de
Octave V70 Class A: 10.000 Euro
Octave Super Black Box: 2.790 EuroTechnische Daten
Octave V70 Class-A Konzept: Röhrenvollverstärker Push-Pull mit Class-A Leistung (High/Low): 2 x 50 Watt / 2 x 25 Watt Röhren-Bestückung: 4 x KT 88-S4A-Carbon Eingänge: 5 x Line Level Cinch (davon ist einer ein Heimkino-Bypass-Eingang), 1 x XLR Ausgänge: 1 x Pre-Out geregelt / 1 x Record Ausgang Cinch Besonderheiten: Bias Control, Eco Mode, Heimkino-Bypass-Funktion, Soft Start Mögliche Erweiterungen:
Black Box für höhere Kapazität, Phono-Karte Abmessungen (B x H x T): 45,1 x 15,0 x 41,5 cm Gewicht: Alle technischen Daten Mit- und Gegenspieler:
Test Röhrenvollverstärker Westend Audio Monaco
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