Der McIntosh MA 7900 AC ist nicht einmal das größte Gedeck im Programm und doch einer der beeindruckendsten Vollverstärker, die im HiFi zu haben sind. Ein Vollverstärker-Statement, das mit seinen fast 20 Zentimeter Höhe über 34 Kilo wiegt. Eine Maschine, die schon auf der Front zeigt, was sie alles kann und ihre Leistungsabgabe mit den großen, bezaubernden blauen VU-Metern mitteilt.
Ein Kraftwerk, das von oben aussieht wie der V8 Motorblock eines 7er BMW unter der Motorhaube. Nur, dass hier keine Haube vorhanden ist: Der McIntosh MA 7900 trägt alles öffentlich zur Schau, auf der Phalanx seiner verkapselten Bauelemente stehen halbe Romane. McIntosh ist eben besonders. Und für Leute wie mich mit meiner HiFi-Biografie auch besonders schön. Zu Einstimmung hier eine Slideshow mit einigen ästhetischen Aufnahmen aus dem Fotostudio eines befreundeten Fotografen:
Auch die stattliche Grundfläche von 44,5 cm (Breite) x 56 cm (Tiefe) ist außergewöhnlich und macht deutlich, dass man den McIntosh MA 7900 AC nicht irgendwo im 08/15-Regal verräumen kann: Er verlangt nach sehr viel Platz.
Der Zusatz “AC” ist übrigens eine rein deutsche Geschichte. Der hiesige Vertrieb Audio Components (AC) veredelt die Macs – unter Zustimmung von McIntosh – mit einzelnen Kondensatoren an klangsensiblen Stellen sowie mit den sehr gut klingenden, auch optisch auffälligen (blauen) Shunyata Netzkabeln.

Die Ausstattung des McIntosh MA 7900 AC ist derartig propper, dass ich mir fast nicht vorstellen kann, wie man alles nutzen soll. Neben 6 Cinch-Eingängen gibt es auch einen XLR-Eingang sowie einen optischen und einen koaxialen Digitaleingang.
Und auch für den Anschluss eines Computers ist alles gerichtet. Die auf der Rückseite befindliche USB-Buchse, der dritte Digitaleingang, unterstützt Signale bis zu 32/192, ist allerdings nicht DSD-fähig.
Für den Betrieb mit Apple Rechnern sind die Treiber schon vorinstalliert, den entsprechenden Treiber für Windows-Geräte gibt es auf der Website von McIntosh Labs. Als Apple User musste ich diesen Schritt nicht gehen, sondern konnte einfach einstöpseln.
Das klangliche Ergebnis ist über jeden Zweifel erhaben. Man kann über die Traditionalisten von McIntosh sagen, was man will: Die Digitalsektion ist zwar von der Auflösung her nicht auf allerletztem Stand, aber klanglich seit vier, fünf Jahren erste Sahne. Jedenfalls klangen die auf meinem Rechner gespeicherten HiRes-Aufnahmen wunderbar natürlich, offen und substanziell-souverän. So muss es sein.

Auch die Phonostufe ist ambitioniert. Sie ist sowohl für MM- wie MC-Systeme umschaltbar und eröffnet die Möglichkeit, die jeweiligen Tonabnehmer anzupassen. Das Ergebnis ist so gut, dass man auf externe Phonstufen durchaus verzichten kann: Der Klang der Mac-Phonostufe ist substanziell-relaxed – im Grunde so, wie der gesamte Verstärker klingt. Das letzte Quäntchen Auflösung liefern allerdings andere Top-Komponenten noch überzeugender…
Drei weitere Ausstattungsmerkmale halte ich für erwähnenswert:
1.) Den “pass through modus”, der den McIntosh MA 7900 AC und die angeschlossenen Stereo-Lautsprecher per Knopfdruck zu einem wichtigen Teil eines AV-Systems macht.
2.) Der 5-Band-Equalizer auf der Front. Als ich den Mac auspackte, habe ich mich auf nichts mehr gefreut, als endlich einmal wieder an den Reglern eines solchen Equalizers zu drehen. Und tatsächlich ist es irgendwie auch ganz nett, aber man muss nicht glauben, mit diesem EQ ernsthaft akustische Raumprobleme oder Ähnliches lösen zu können.
Im LowBeats Hörraum habe ich lange damit experimentiert, aber wirklich besser wurde es nicht. Die Dröhnfrequenzen, die in deutschen Wohnräumen am häufigsten auftreten und am meisten stören, sind jene zwischen 60 und 80 Hertz. Die erwischt man mit dem EQ des McIntosh MA 7900 AC nur am Rande. Den EQ nutzte ich vor allem, um alte Cassettenaufnahmen und LPs aus den frühen 1980er Jahren aufzumöbeln; dafür ist die Funktion klasse.
Fehlen noch 3.) die Vorstufenausgänge. Braucht ein derart kräftiger Vollverstärker tatsächlich Vorstufenausgänge, um daran noch kräftigere Endstufen anzuschließen? In der McIntosh Welt offenkundig schon.
Immerhin haben die Amerikaner auch Endstufen mit 2.000 Watt (MC 2KW) im Programm. Und außerdem kann man bei zwei Vorstufenausgängen auch herrlich mit Bi- oder Tri-Amping experimentieren.
Der McIntosh MA 7900 AC begnügt sich angeblich mit 200 Watt pro Kanal. Sinus natürlich. Und das an jeder Impedanz-Last zwischen 8 und 2 Ohm. Angeblich deshalb, weil alle McIntosh Verstärker bei allen Leistungs-Messungen immer weit oberhalb ihrer Angaben liegen.
Es ist wie bei Rolls Royce in den 1970er Jahren, wo die Frage nach der Leistung immer mit “genug” angegeben wurde. Dass der 7900er seine Leistung so konsequent stabil an allen Impedanzen bereitstellt, liegt vor allem an zwei Bauelementen, die in seiner beeindruckenden Architektur von oben gut zu sehen sind: die Autoformer.

McIntosh MA 7900 AC: Von Autoformern und Röhren-ähnlichem Klang
Der Autoformer, wie McIntosh dieses Bauteil nennt, ist – ähnlich einem Übertrager – eine Spule mit mehreren Anzapfungen. Der Audioformer gehört zur DNA aller größeren McIntosh-Endstufen und wurde erstmals im MC 2505 eingesetzt. Übrigens ist das auch jene Endstufe, mit der McIntosh die Glasfront und die später charakteristischen, blauen Leistungsanzeiger einführte.
Zur Funktion: Der Autoformer liegt zwischen Endstufen-Transistor und Lautsprecher; er entkoppelt also die Endtransistoren von der (Lautsprecher-) Last. Das macht die Arbeit der Endstufe sehr viel leichter, denn sie arbeitet nun auf einem weitgehend konstanten Widerstand. Wegen der verschiedenen Anzapfungen des Autoformers bietet der McIntosh MA 7900 AC auf der Rückseite drei Anschlussmöglichkeiten für die Lautsprecher an: 8 Ohm, 4 Ohm und 2 Ohm.
Da die Katalog-Angaben moderner Lautsprecher in Bezug auf Impedanz und Wirkungsgrad oft eher dem Wunschdenken denn der Realität entsprechen und man dementsprechend nur selten genau weiß, wie es um die Impedanz der Lautsprecher im relevanten Bass- und Grundtonbereich aussieht, muss man es einfach ausprobieren.
Und das ist einer der ganz großen Vorzüge dieser McIntosh-Amps: Sie geben dem Musikfreund wenigstens die Möglichkeit dazu. Die Autoformer aber machen noch mehr. Sie haben einen speziellen Klang und verändern das Verzerrungsspektrum der McIntosh Verstärker in eine ganz bestimmte, fast röhrenähnliche Richtung.
Ein wesentlicher Teil des satt-natürlichen McIntosh Klangs steckt in diesen Autoformern. Und so etwas wie eine Versicherung für den Lautsprecher. Entsteht in der Endstufe Gleichspannung am Ausgang, stellt die Wicklung des Autoformers eine Schutzfunktion dar. Zusammen mit der „Sentry Monitor“-Schutzschaltung, die den Strom durch die Endtransistoren regelt, sorgen die Autoformer dafür, dass McIntosh Verstärker so betriebssicher und laststabil sind.


Der MA7900 AC im Hörtest
Wie gesagt: “Nur” 200 Watt pro Kanal sollen es sein. Aber es klingt nach mehr. Ich hatte jedenfalls nie den Eindruck, der McIntosh MA 7900 AC ginge in die Knie – nicht einmal, wenn die Zeiger der VU-Meter rechts am Limit hingen.
Der LowBeats HiFi Hörraum erlaubt wegen seiner Größe und seiner Lage das Hören der Musik in SEHR großen Lautstärken – eben so, wie es die Lautsprecher noch verkraften. Und genau an diesem Punkt war es meist nicht der McIntosh, der noch einige Dezibel mehr verhinderte…
Mit der Dynaudio Contour 20, einem meiner derzeit absoluten Lieblingslautsprecher, zeigte der Mac, was in ihm steckt: Die bärige Kraft bei den Schlägen auf die großen Kodo Trommeln (Heartbeat Drummers Of Japan/Sheffield Lab) und die große Natürlichkeit bei Stimmen (Van Morrisson, “Keep Me Singing”). Die Dynaudio ist vor allem im Grundtonbereich außergewöhnlich präzise: Sie zeigt alles auf, was in der Kette vor ihren Lautsprecherklemmen passiert. Bei dem McIntosh MA 7900 AC ist das einiges.
Er verliert auch bei den wuchtigsten Schlägen nie die Kontrolle, nichts wird schwammig oder – wie es den meisten Verstärkern in dieser Pegelhöhe geht – dünn. Aber Mac lässt auch die Feinheiten durchblitzen: Wie die Felle nachschwingen oder mit welcher Energie und Leidenschaft, manchmal aber auch mit vielen leisen Tönen Van Morrisson sein neuestes Album eingesungen/eingespielt hat. Das ist prachtvoll und so gut wie nie anstrengend.
Denn der tonale Grundcharakter des 7900ers ist eher gemütlich. Der in vielen anderen McIntosh Tests bereits bemühte Vergleich zur Motorrad-Marke Harley stimmt: Richtig schnell geht hier nichts, kraftvoll immer. Im Vergleich zu einer unserer favorisierten Vor-/Endstufenkombination, dem Gespann aus Vorstufe SPL Director, und SPL Performer s800 erwiesen sich die beiden Komponenten aus dem Professionell-Fidelity-

Bereich als agiler, knackiger und besser durchzeichnet – ohne jedoch ganz an die satte Klangfarbenstärke des McIntosh heranzureichen. Auch hatte der Mac den kräftigen Bassbereich der Monitor Audio Gold 200 noch einmal vehementer im Griff.
Doch beide Lautsprecher, Dynaudio wie auch Monitor Audio, sind für den 7900er natürlich wenigstens eine Nummer zu klein. Eine Traumkombination mit dem Mac ist die mit der neuen B&W 802 D3. Tonal und von der Kraft her passt da einfach sehr viel zusammen.
Gut gefallen hat mir auch die Kombination mit der Tannoy Canterbury GR. Nicht nur, dass Tannoy Prestige und McIntosh ja eigentlich das schönste HiFi mit Retro-Anleihen sind. Auch klanglich hat das einen extrem hohen Sex-Appeal, weil die Canterbury GR im Grundton einen Hauch zu schlank ist – was der Mac von Haus aus egalisiert – und am Ende (für hohe Pegel) doch sehr viel mehr Leistung zieht, als die Wirkungsgradangabe im Katalog glauben machen will. Mit der Tannoy kann man fast 120 Dezibel laut hören. Wenn der McIntosh MA 7900 AC davor hängt, bleiben keine Fragen mehr offen und kein Auge trocken.
Fazit
Es ist die unverwechselbare Optik, der charakterstarke, wohlige Klang und die immens stabile, hohe Leistung, durch die sich der McIntosh MA 7900 AC von der Mehrheit der Vollverstärker seiner Klasse abhebt. Aber man darf ihn nicht darauf reduzieren. Denn sein Ausstattungspaket ist um einiges praller als das der meisten Mitbewerber. Ein Vollverstärker, der seinen Retro-Charme mit anspruchsvollster Technik und Klang lebt und so viele Möglichkeiten bietet, dass er für den zukünftigen Besitzer wahrscheinlich der letzte Verstärkerkauf gewesen ist.

Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Angenehm satter, natürlicher Klang |
| Stabil auch an niedrigen Impedanzen |
| Pralle Ausstattung |
| Sehr hohe Bautiefe |
Vertrieb:
Audio Components Vertriebs GmbH
Harderweg 1
22549 Hamburg
www.audio-components.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
McIntosh MA 7900 AC: 8.950 Euro
Test SPL Director: ProFi DAC-Preamp für zuhause
Erster Test Stereo Endstufe SPL Performer s800
Test Dynaudio Contour 20: Absolute Natürlichkeit
Test B&W 802 D3: Die Referenz
Exklusivtest Tannoy Canterbury GR
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