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Paradigm Audio SE Atom Ambiente4
Die Paradigm Audio SE Atom ist eine bezaubernd kleine und erstaunlich audiophil klingende Kompaktbox zum Freundschaftspreis: 450 Euro kostet ein Paar (Foto: H. BIermann)

Test Paradigm Audio SE Atom: kompaktes Highend zum Schnupperpreis

In den letzten Jahren mischte Paradigm Audio den Markt mit ihren außergewöhnlichen Lautsprechern der Persona-Linie auf. Deren besondere Spezialität sind Hoch-, aber eben auch Tiefmitteltöner aus dem (klanglich hervorragend geeigneten) Beryllium. Dementsprechend leicht und transparent klingen diese Schallwandler. Aber sie sind halt auch nicht eben billig. Dass die Kanadier aber auch anders können, demonstrieren sie mit den Paradigm Audio SE Atom. Die kleinen Kompakten kosten nur 450 Euro pro Paar und sind in dieser Preisklasse klanglich kaum zu toppen.

Paradigm Audio SE Atom – das Konzept

Es ist bisweilen kaum zu glauben, was man heutzutage für 450 Euro bekommen kann. In diesem Fall eine echt schicke 2-Wege Bassreflexbox, die mit einer erstaunlich hochwertig aussehenden Folie bezogen ist. Auf den ersten Blick wirkt das fast wie Klavierlack – weil von vorn und von der Seite keine Übergänge zu sehen sind. Man kommt den Kanadiern erst auf die Schliche, wenn man die kleine SE Atom von hinten anschaut. Aber wer macht das schon? Denn von der Idee her soll dieser Kompaktlautsprecher eher im Regal oder dicht an der Rückwand stehen.

Paradigm Audio SE Atom im Regal
Ungewöhnlich, aber es geht: Die Bauhöhe von 32 cm erlaubt der SE Atom auch die Unterbringung im klassischen IKEA Regal. Allerdings sollte man unbedingt flache Entkoppler – Plättchen aus Kork bieten sich an – unterlegen (Foto: H. Biermann)

Das Design der Paradigm Audio SE Atom folgt der schlichten Quaderform, abgerundete Kanten, geschwungene Seitenwände oder Ähnliches kommen hier nicht vor. Das Gehäuse selbst ist ordentlich verarbeitet und besteht durchgängig aus 18mm starken MDF-Platten; die Boxen sind mit 5,4 Kilo daher schwerer, als man ihnen zutrauen würde. Zum dezent-edlen Design passt, dass sowohl der Hoch- und der Tiefmitteltöner vorne als auch das Bassreflexrohr auf der Rückseite ordentlich versenkt sind.

Paradigm Audio SE Atom Kante
Die Kanten sind geradlinig, die Oberfläche ist perfekt gelungen (Foto: H. Biermann)

Die Treibertechnik wird bei Paradigm immer groß geschrieben. Die Firma, unter deren Konzerndach auch der Elektronik-Spezialist Anthem und die Elektrostaten-Legende Martin Logan zu finden sind, haben spätestens mit dem außergewöhnlichen Tiefmitteltöner aus Beryllium (das nutzen einige Firmen als Hochtonkalotte, gilt aber für größere Membranen als äußerst schwierig zu produzieren) ein dickes, technologisches Ausrufezeichen gesetzt. Und noch etwas ist bei den Kanadiern auffällig: sie arbeiten viel mit akustischen Linsen – was allerdings bei der SE Atom nur im Hochtonbereich zum Tragen kommt.

Paradigm Audio SE Atom Hochtöner mit Linse
Der Hochtöner ist eine 25 mm Aluminium-Kalotte, die von einem Waveguide in ihrem unteren  Übertragungsbereich unterstützt wird. Vor der Kalotte sitzt ein gut berechneter gelochter Schutz, der wie eine Schallverteilerlinse wirkt (Foto: H. Biermann)

Schallverteilerlinsen haben natürlich den Nachteil von Reflektionen auf der Rückseite. Klug berechnet aber sorgen sie für eine optimale Abstrahlung und für eine Filterung spezieller Frequenzbereiche.

Paradigm Audio SE Atom Tiefmitteltöner
Dere Tiefmitteltöner ist recht klassisch: ein Modell mit 14 cm Durchmesser und einer resonanzarmen Polypropylen-Mermbran (Foto: H. Biermann)

Praxis

Die schnuckeligen SE Atom machen ziemlich genau das, was man von Lautsprechern dieser Preisklasse erwarten muss: Sie sind elektrisch nicht besonders anspruchsvoll und daher auch für die Kombination mit günstigeren Verstärkern geeignet. In Bezug auf Impedanz und Phase liegen die Kleinen voll im grünen Bereich, sodass auch kleinere Verstärker nicht sofort aus der Puste kommen. Allerdings ist der Wirkungsgrad eher bescheiden. Bei den verschiedenen – natürlich in der Preisklasse passenden – Verstärkern, die wir  ausprobiert haben, hatten die meisten einfach zu wenig Power. Unsere Maßgabe daher: Unter 50 Watt an 8 Ohm wird das nichts…

Paradigm Monitor SE Atom – Impedance and Phase
Paradigm Audio SE Atom – Impedance and Phase (Messung: J. Schröder)

Die LowBeats Messungen dokumentieren die Gutmütigkeit: Die Impedanzkurve unterschreitet nie das 4-Ohm-Niveau und auch die Phasenverzerrungen halten sich im angenehm kleinen Rahmen.

Die Pegelfestigkeit ist erwartungsgemäß nicht sehr hoch. Die Messungen zeigen, dass bei 96 Dezibel Schalldruck (auf einem Meter Abstand, rotes Diagramm) bereits das Ende des Fahnenmastes erreicht ist. Wir sprechen hier von gehobener Zimmerlautstärke.  Es geht lauter, aber halt mit Verzerrungen.

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Paradigm Monitor SE Atom – IM-Spektrum 94dBspl / 1m
Paradigm Audio SE Atom bei 94 dBspl / 1m. Das entspricht gehobener Zimmerlautstärke  (Messung: J. Schröder)
Paradigm Monitor SE Atom – IM-Spektrum 96dBspl / 1m
Paradigm Audio SE Atom bei 96dBspl / 1m. Hier ist verzerrungsmäßig schon der vertretbare Pegel erreicht – also nur 2 dB oberhalb der Grundmessung (Messung: J. Schröder)
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Das liegt an der vergleichsweise tiefen Abstimmung der SE Atom. Es gilt die Gleichung: je tiefer der Bass, umso leiser der Lautsprecher. Und hier liegt eine gewisse Crux: Die Paradigm Audio SE Atom ist zwar nicht sonderlich hoch belastbar, braucht aber – um den maximalen Pegel zu erreichen – einen ziemlich kräftigen Verstärker. Der aber ist in der Preisklasse der SE Atom nicht zu haben. Wir haben super Erfahrungen mit dem getunten Rotel A11 Tribute gemacht: Der hat viel Kraft und Frische, kostet mit 600 Euro aber etwas mehr als ein Pärchen SE Atom.

Rotel A11 Tribute
Die Kombination mit dem getunten Rotel A11 Tribute klang überragend gut (Foto: H. Biermann)

Zur Aufstellung: Die Paradigm Audio SE Atom ist für kleine Wohnräume gemacht, das heißt: viel Platz zur Rückwand wird nicht gegeben sein. Im großen LowBeats Hörraum (70 qm) war sie komplett überfordert, da klang sie im Bass doch sehr schlank. Aber den kleinen Hörraum (16 qm) „füllte“ sie sehr beeindruckend mit Tiefton. Wir haben die SE Atom auch mal ins Plattenregal gestellt: das funktioniert ebenfalls prächtig.

Aufstellung im Regal
Ein echter Vorteil der Paradigm Audio SE Atom: Sie passt mit ihrer Bauhöhe von 32,0 cm so gerade in die klassischen IKEA-Regale. Man sollte allerdings flache Entkoppler verwenden (kleine Kork-Plättchen eigen sich hervorragend) (Foto: H. BIermann)

Die Paradigm Audio SE Atom im Hörtest

Wer sich schon mit Lautsprechern vom nordamerikanischen Kontinent beschäftigt hat, weiß um den zu erwartenden Klangcharakter: in jedem Fall mit einem warmen, sehr vollen Grundton. Die SE Atom garniert die hörbare Fülle und Wärme mit einem sehr feinseidigen Mittelhochton. Die kleine Paradigm schafft elegant den Spagat zwischen hoher Durchhörbarkeit und angenehmer Lässigkeit.

Das ist eine Fähigkeit, die in dieser Preisklasse nur selten zu finden ist. Beim Durchhören der LowBeats Musikdatenbank blieb ich mal wieder bei David Sylvian (Secrets Of The Beehive) hängen und stellte verdutzt nach über einer halben Stunde fest, dass ich, ohne darüber nachzudenken, das gesamte Album gehört hatte – einfach, weil es so schön war.

Die SE Atom klingt auch wirklich betörend: Die Gitarrenobertöne flirren leicht und zart, die Stimme des Sängers hat viel „Brust“ und auch die räumliche Abbildung ist frappierend. Vergleicht man die kleine Paradigm mit den üblichen Verdächtigen dieser Preisklasse, also der Dali Oberon 3, der Monitor Audio Bronze 100 oder der Nubert nuBox 383, bekommt man deutlich weniger Box, weniger Bassfläche, damit auch weniger Tiefbass-Fähigkeiten und weniger Maximalpegel. Allerdings liegt die Kanadierin mit ihrer spielerischen Eleganz doch ziemlich weit vorn.

B&W 607AE
Wir hörten die Paradigm auch an dem neuen 300B Röhrenverstärrker Fezz Audio Lybra. Auch das ging hervorragend (Foto: H. Biermann)

Ein Vergleich mit dem Primus der nächsthöheren Preisklasse (600 Euro) ist interessant. Die Bowers & Wilkins 607 AE ist der Paradigm vor allem im Bereich Präzision überlegen, die Paradigm klingt beispielsweise bei kernigen Snaredrum-Schlägen etwas weicher. Im direkten Vergleich bekam die B&W von uns daher mehr Punkte aufs Konto. Dennoch überzeugte die SE Atom hier mit ihrer wunderbar elegant-angenehmen Spielweise; die B&W wirkte bisweilen etwas übereifrig.

Fazit Paradigm Audio SE Atom

Ein toller Lautsprecher. Die SE Atom ist zwar nicht sonderlich pegelfest und geht auch etwas verschwenderisch mit zugeführter Energie um – was leider kräftige Verstärker jenseits der 50 Watt (an 8 Ohm) erfordert. Aber wer nicht viel Geld hat (oder für HiFi ausgeben möchte), mit gehobener Wohnzimmer-Lautstärke zufrieden ist und einen Hörraum unterhalb 18 qm Quadratmeter hat, ist mit diesem kanadischen Zauberböxchen allerbestens bedient. Quantitativ gibt es etliche starke Alternativen. Aber im Kleinen, Feinen ist sie schon verdammt stark…

Paradigm Audio SE Atom
2020/10
Test-Ergebnis: 4,5
ÜBERRAGEND
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Sehr natürlicher, angenehm warmer und feiner Klang
Erstaunlich tiefer Bass
Erfreulich impedanzlinear
Geringer Wirkungsgrad

Vertrieb:
Audio Components
Harderweg 1
22549 Hamburg
www.audio-components.de

Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Paradigm Audio SE Atom: 450 Euro

Technische Daten

Paradigm Audio SE Atom
Konzept:2-Wege Bassreflex
Bestückung:15 mm Hochtonkalotte, 14 cm Tiefmitteltöner
Breitbandigkeit:61 Hz – 21 kHz
Abmessungen (H x B x T):32 × 18 × 27 cm
Gewicht:5,4 Kilo
Alle technischen Daten
Mit und Gegenspieler:

Erster Test: Kompaktbox Monitor Audio Bronze 100
Test Kompaktbox Nubert nuBox 383: viel Bass, wenig Geld
Test Kompaktbox Dali Oberon 3: modernes Wohnen
Erster Test Vollverstärker/CD-Player: Rotel A11 Tribute / CD11 Tribute


Autor: Holger Biermann

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Chefredakteur mit Faible für feinste Lautsprecher- und Verstärkertechnik, guten Wein und Reisen: aus seiner Feder stammen auch die meisten Messe- und Händler-Reports.