In den letzten Jahren mischte Paradigm Audio den Markt mit ihren außergewöhnlichen Lautsprechern der Persona-Linie auf. Deren besondere Spezialität sind Hoch-, aber eben auch Tiefmitteltöner aus dem (klanglich hervorragend geeigneten) Beryllium. Dementsprechend leicht und transparent klingen diese Schallwandler. Aber sie sind halt auch nicht eben billig. Dass die Kanadier aber auch anders können, demonstrieren sie mit den Paradigm Audio SE Atom. Die kleinen Kompakten kosten nur 450 Euro pro Paar und sind in dieser Preisklasse klanglich kaum zu toppen.
Paradigm Audio SE Atom – das Konzept
Es ist bisweilen kaum zu glauben, was man heutzutage für 450 Euro bekommen kann. In diesem Fall eine echt schicke 2-Wege Bassreflexbox, die mit einer erstaunlich hochwertig aussehenden Folie bezogen ist. Auf den ersten Blick wirkt das fast wie Klavierlack – weil von vorn und von der Seite keine Übergänge zu sehen sind. Man kommt den Kanadiern erst auf die Schliche, wenn man die kleine SE Atom von hinten anschaut. Aber wer macht das schon? Denn von der Idee her soll dieser Kompaktlautsprecher eher im Regal oder dicht an der Rückwand stehen.
Das Design der Paradigm Audio SE Atom folgt der schlichten Quaderform, abgerundete Kanten, geschwungene Seitenwände oder Ähnliches kommen hier nicht vor. Das Gehäuse selbst ist ordentlich verarbeitet und besteht durchgängig aus 18mm starken MDF-Platten; die Boxen sind mit 5,4 Kilo daher schwerer, als man ihnen zutrauen würde. Zum dezent-edlen Design passt, dass sowohl der Hoch- und der Tiefmitteltöner vorne als auch das Bassreflexrohr auf der Rückseite ordentlich versenkt sind.
Die Treibertechnik wird bei Paradigm immer groß geschrieben. Die Firma, unter deren Konzerndach auch der Elektronik-Spezialist Anthem und die Elektrostaten-Legende Martin Logan zu finden sind, haben spätestens mit dem außergewöhnlichen Tiefmitteltöner aus Beryllium (das nutzen einige Firmen als Hochtonkalotte, gilt aber für größere Membranen als äußerst schwierig zu produzieren) ein dickes, technologisches Ausrufezeichen gesetzt. Und noch etwas ist bei den Kanadiern auffällig: sie arbeiten viel mit akustischen Linsen – was allerdings bei der SE Atom nur im Hochtonbereich zum Tragen kommt.
Schallverteilerlinsen haben natürlich den Nachteil von Reflektionen auf der Rückseite. Klug berechnet aber sorgen sie für eine optimale Abstrahlung und für eine Filterung spezieller Frequenzbereiche.
Praxis
Die schnuckeligen SE Atom machen ziemlich genau das, was man von Lautsprechern dieser Preisklasse erwarten muss: Sie sind elektrisch nicht besonders anspruchsvoll und daher auch für die Kombination mit günstigeren Verstärkern geeignet. In Bezug auf Impedanz und Phase liegen die Kleinen voll im grünen Bereich, sodass auch kleinere Verstärker nicht sofort aus der Puste kommen. Allerdings ist der Wirkungsgrad eher bescheiden. Bei den verschiedenen – natürlich in der Preisklasse passenden – Verstärkern, die wir ausprobiert haben, hatten die meisten einfach zu wenig Power. Unsere Maßgabe daher: Unter 50 Watt an 8 Ohm wird das nichts…
Die LowBeats Messungen dokumentieren die Gutmütigkeit: Die Impedanzkurve unterschreitet nie das 4-Ohm-Niveau und auch die Phasenverzerrungen halten sich im angenehm kleinen Rahmen.
Die Pegelfestigkeit ist erwartungsgemäß nicht sehr hoch. Die Messungen zeigen, dass bei 96 Dezibel Schalldruck (auf einem Meter Abstand, rotes Diagramm) bereits das Ende des Fahnenmastes erreicht ist. Wir sprechen hier von gehobener Zimmerlautstärke. Es geht lauter, aber halt mit Verzerrungen.
Das liegt an der vergleichsweise tiefen Abstimmung der SE Atom. Es gilt die Gleichung: je tiefer der Bass, umso leiser der Lautsprecher. Und hier liegt eine gewisse Crux: Die Paradigm Audio SE Atom ist zwar nicht sonderlich hoch belastbar, braucht aber – um den maximalen Pegel zu erreichen – einen ziemlich kräftigen Verstärker. Der aber ist in der Preisklasse der SE Atom nicht zu haben. Wir haben super Erfahrungen mit dem getunten Rotel A11 Tribute gemacht: Der hat viel Kraft und Frische, kostet mit 600 Euro aber etwas mehr als ein Pärchen SE Atom.
Zur Aufstellung: Die Paradigm Audio SE Atom ist für kleine Wohnräume gemacht, das heißt: viel Platz zur Rückwand wird nicht gegeben sein. Im großen LowBeats Hörraum (70 qm) war sie komplett überfordert, da klang sie im Bass doch sehr schlank. Aber den kleinen Hörraum (16 qm) “füllte” sie sehr beeindruckend mit Tiefton. Wir haben die SE Atom auch mal ins Plattenregal gestellt: das funktioniert ebenfalls prächtig.
Die Paradigm Audio SE Atom im Hörtest
Wer sich schon mit Lautsprechern vom nordamerikanischen Kontinent beschäftigt hat, weiß um den zu erwartenden Klangcharakter: in jedem Fall mit einem warmen, sehr vollen Grundton. Die SE Atom garniert die hörbare Fülle und Wärme mit einem sehr feinseidigen Mittelhochton. Die kleine Paradigm schafft elegant den Spagat zwischen hoher Durchhörbarkeit und angenehmer Lässigkeit.
Das ist eine Fähigkeit, die in dieser Preisklasse nur selten zu finden ist. Beim Durchhören der LowBeats Musikdatenbank blieb ich mal wieder bei David Sylvian (Secrets Of The Beehive) hängen und stellte verdutzt nach über einer halben Stunde fest, dass ich, ohne darüber nachzudenken, das gesamte Album gehört hatte – einfach, weil es so schön war.
Die SE Atom klingt auch wirklich betörend: Die Gitarrenobertöne flirren leicht und zart, die Stimme des Sängers hat viel “Brust” und auch die räumliche Abbildung ist frappierend. Vergleicht man die kleine Paradigm mit den üblichen Verdächtigen dieser Preisklasse, also der Dali Oberon 3, der Monitor Audio Bronze 100 oder der Nubert nuBox 383, bekommt man deutlich weniger Box, weniger Bassfläche, damit auch weniger Tiefbass-Fähigkeiten und weniger Maximalpegel. Allerdings liegt die Kanadierin mit ihrer spielerischen Eleganz doch ziemlich weit vorn.
Ein Vergleich mit dem Primus der nächsthöheren Preisklasse (600 Euro) ist interessant. Die Bowers & Wilkins 607 AE ist der Paradigm vor allem im Bereich Präzision überlegen, die Paradigm klingt beispielsweise bei kernigen Snaredrum-Schlägen etwas weicher. Im direkten Vergleich bekam die B&W von uns daher mehr Punkte aufs Konto. Dennoch überzeugte die SE Atom hier mit ihrer wunderbar elegant-angenehmen Spielweise; die B&W wirkte bisweilen etwas übereifrig.
Fazit Paradigm Audio SE Atom
Ein toller Lautsprecher. Die SE Atom ist zwar nicht sonderlich pegelfest und geht auch etwas verschwenderisch mit zugeführter Energie um – was leider kräftige Verstärker jenseits der 50 Watt (an 8 Ohm) erfordert. Aber wer nicht viel Geld hat (oder für HiFi ausgeben möchte), mit gehobener Wohnzimmer-Lautstärke zufrieden ist und einen Hörraum unterhalb 18 qm Quadratmeter hat, ist mit diesem kanadischen Zauberböxchen allerbestens bedient. Quantitativ gibt es etliche starke Alternativen. Aber im Kleinen, Feinen ist sie schon verdammt stark…
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Sehr natürlicher, angenehm warmer und feiner Klang |
| Erstaunlich tiefer Bass |
| Erfreulich impedanzlinear |
| Geringer Wirkungsgrad |
Vertrieb:
Audio Components
Harderweg 1
22549 Hamburg
www.audio-components.de
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Paradigm Audio SE Atom: 450 Euro
Technische Daten
Paradigm Audio SE Atom | |
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Konzept: | 2-Wege Bassreflex |
Bestückung: | 15 mm Hochtonkalotte, 14 cm Tiefmitteltöner |
Breitbandigkeit: | 61 Hz – 21 kHz |
Abmessungen (H x B x T): | 32 × 18 × 27 cm |
Gewicht: | 5,4 Kilo |
Alle technischen Daten |
Mit und Gegenspieler:
Erster Test: Kompaktbox Monitor Audio Bronze 100
Test Kompaktbox Nubert nuBox 383: viel Bass, wenig Geld
Test Kompaktbox Dali Oberon 3: modernes Wohnen
Erster Test Vollverstärker/CD-Player: Rotel A11 Tribute / CD11 Tribute