Seit über 25 Jahren steht die Serie 600 bei B&W für möglichst erschwingliche B&W-Werte. Nun haben die Briten die 6. Generation ihrer 600er Serie vorgestellt und LowBeats hatte die Erschwinglichste unter den Erschwinglichen im Test: die kleine Kompaktbox B&W 607.
Anfang der 90er Jahre führte im B&W Entwicklungszentrum Dr. John Dibb das Kommando. Bei uns Redakteuren war Dr. John immer gern gesehen: zum einen wusste er sehr viel über Lautsprecher und zum anderen hatte er diesen unschlagbaren, trockenen Humor, den wohl nur Engländer so pointiert zelebrieren.
So kam er irgendwann mit einer chinesischen Kopie seiner damaligen Lieblingsbox CDM1 vorbei. “Die Brüder sind schnell”, sagte er damals schmunzelnd. “Und gut. Beim Vergleich der Kopie mit einer originalen CDM1 habe ich glatt die Kopie für die echte gehalten…”
Die B&W Verantwortlichen konnten über die Geschichte weniger herzlich lachen als John Dibb, denn die Kopie kostete lediglich ein Drittel des damals aufgerufenen Neupreises von 2.000 Mark. Die Geschichte wurde jedenfalls immer wieder herangezogen, um die Argumentation für die – innerhalb der B&W Familie ja gar nicht so beliebten – 600er Serie zu unterfüttern.
Tenor: Es gibt eine große Schar von Musikfreunden, die zwar B&W hören möchten, sich aber die klassischen Linien nicht leisten können. Daraufhin gab John Dibb für die 600er Linie folgende Marschroute aus: “Wir sparen am Gehäuse, aber nicht an der Technik und am Klang.”
So war es in den frühen 90er Jahren und so ist es heute noch. Und über all die Zeit wurden die 600er gut verkauft. Aktuelles Beispiel: Von der nur vier Jahre laufenden Vorgänger-Generation (die fünfte) brachte B&W über 300.000 Stück an den Kunden. Nicht übel. Allerdings glaube ich, dass die neue 600er Serie keineswegs schlechter laufen wird, denn sie ist richtig gut. Jedenfalls die B&W 607.
Das kleinste Modell der neue 600er Serie hätte auch John Dibb besonders gut gefallen. Das Gehäuse, beziehungsweise dessen Finish in Schleiflack-Ausführung (weiß oder schwarz) wirkt nicht sonderlich edel oder raffiniert. Aber es genügt den Gegebenheiten dieser Klasse.
Schaut man genauer hin, erkennt man die aufgesetzte Schallwand, die nach vorn einen schönen Abschluss ohne jede Schraube bildet. Und schaut man noch genauer hin und öffnet die B&W 607 (was ich wegen Garantieverletzung aber nicht empfehlen möchte), erkennt man, dass die Schallwand deutlich stärker ist, als vermutet: die B&W Tischler haben hinter der Front noch eine 22 mm starke MDF-Platte aufgesetzt. Damit addiert sich die Stärke der 607-er Schallwand auf erfreuliche 30 Millimeter. Das ist resonanzmindernd und in dieser Größen- und Preisklasse sehr, sehr selten.
Ein weiteres Detail, das bei mir sofort Vertrauen schafft: der kleine Tiefmitteltöner ist mit Gewindeschrauben festgezogen. Die in dieser Klasse oft benutzten Holzschrauben vibrieren, werden über die Zeit lose und lassen dann das Klangbild immer unpräziser werden.
Der Tiefmitteltöner der B&W 607 ist ein Modell mit 13 cm großem Korb, sehr kräftigem Magnet und der schon angesprochenen Continuum-Membran. Im Gegensatz zu dem gelben Kevlar, das für B&W fast 40 Jahre lang zum Erkennungszeichen wurde, ist Continuum nicht nur optisch gefälliger, sondern vor allem sehr viel resonanzärmer. Nicht wenige HiFi-Fans unterstellten den früheren B&W-Modellen ja einen leicht artifiziellen Klang. Womöglich nicht ganz zu Unrecht, denn die Kevlar-Mitteltöner hatten tatsächlich einen erkennbaren Eigenklang.
Der Fortschritt steckt aber auch in den deutlich gesenkten Verzerrungen des Antriebs. Oder anders gesagt: So laut wie mit der B&W 607 habe ich mit einem Lautsprecher dieser Größen- und Preisklasse noch nie gehört.
Der Hochtöner der B&W 607 trägt natürlich ebenfalls zu der hohen Belastbarkeit und “Klarheit” selbst bei höheren Pegeln bei. Er ist der Vorgänger-Generation entliehen. Es handelt sich dabei um eine 25 mm große, doppellagige Aluminiumkalotte, deren rückwärtig abgestrahlte Energie in einem angeflanschten, sich verengenden Aluminiumröhrchen ihre Kraft verliert und so unschädlich wird.
Man muss es sich so vorstellen: Die Kalotte gibt nach hinten die gleiche Energie ab wie nach vorn. Wenn man diese Energie nicht irgendwie abführt, bewirkt sie nicht nur gute Dinge… Seit der Ur-Nautilus aus dem Jahre 1993 geht B&W diesen Weg der dezenten Neutralisierung. Aus meiner Sicht die beste Art, mit diesem Problem umzugehen.
Der Übergang vom Tiefmittel- auf den Hochtöner liegt bei etwa 3.000 Hertz. Diese Filterfunktion übernimmt die Frequenzweiche mit impulsgenauen, aber “flachen” Filtern mit nur geringer Sperrwirkung. Einer der Vorteile einer solchen 6-dB-Schaltung: Sie braucht nur wenig Bauteile, die dann von der Qualität her besonders gut sein können.
Der Nachteil: Damit eine solche Weichenschaltung gut funktioniert, braucht es Treiber mit großer Bandbreite und ausgewogenem Frequenzverlauf. Anforderungen, denen die Hoch- und Tiefmitteltöner der B&W 607 offenkundig souverän genügen.
Die B&W 607 im LowBeats Messlabor
Die kleine 607 ist ja mit 530 Euro Paarpreis vergleichsweise günstig und wird in der Praxis wohl auch eher mit günstigeren Verstärkern (mit nicht ganz so stabilen Netzteilen) kombiniert. Deshalb ist für guten Klang ein gutmütiger Impedanzverlauf elementar wichtig. Diesen Punkt haben die B&W Entwickler sauber gelöst: über den gesamten Bereich verläuft die Impedanz recht linear und rutscht nie unter 4 Ohm.
Wie gut die Entwickler und die Treiber aber wirklich sind, zeigt sich häufig erst bei den Verzerrungs-Messungen. Und hier darf man applaudieren: bei einem Schalldruck von 94 dB SPL auf einem Meter Abstand (das entspricht einer Durchschnitts-Lautstärke von etwa 87 dB auf 3 Meter Hörabstand) zeigt die B&W 607 quasi keine Verzerrungen – dargestellt durch die dickeren Striche am unteren Rand des Diagramms.
Und selbst bei 4 dB plus (siehe Messung unten) bleiben die Verzerrungen auf niedrigem Niveau. Ein Grund, dass selbst im Tiefton die Verzerrungen so niedrig sind, ist die schlaue Abstimmung: unterhalb 60 Hertz kommt bei der 607 nur noch wenig, weshalb der kleine Tiefmitteltöner keine so großen Hubbewegungen machen muss, die zwangsweise zu Doppler-Verzerrungen führen würden. Dieser Tiefgang bis 50 oder 60 Hertz reicht in den meisten (kleineren) Räumen allemal und hat halt den Vorteil der klaren Mitte…
Während der Tests haben wir die B&W 607 auch mit kleineren Verstärkern wie dem NAD C316BEE V2 kombiniert; das klappte und klang alles wunderbar. Selbst mit dem kleinen 300B-Röhrenverstärker Mira Ceti von Fezz Audio (sehr bald im LowBeats Test), ein Vollverstärker von gerade mal 2 x 9 Watt, klang die B&W 607 erstaunlich erwachsen und wunderbar komplett. Richtig laut wurde es in dieser Kombination natürlich nie…
Die Aufstellung
B&W empfiehlt für die 607 aus dem B&W-Programm die FS-CM S2 Ständer für 450 Euro pro Paar. Das ist sicherlich eine gute Lösung, für all jene, die einen Ständer hinzukaufen möchten. Die Ständer aus Metallplatte (oben) plus rechteckigem Metallschaft plus Bodenplatte aus MDF sind ausgesprochen solide gemacht und sehen wirklich top aus – auch oder erst recht mit den kleinen 607 obendrauf. Der Aufbau ist in weniger als 15 Minuten gemacht. Allerdings verwässern die Ständer mit ihrem Paarpreis von 450 Euro das überragende Preis/Leistungsverhältnis der 607 nicht unerheblich…
Vor allem klang die B&W 607 im LowBeats Hörraum wie einer jener Lautsprecher, der für die Aufstellung auf dem Sideboard oder im Regal entwickelt wurde: im Bass knackig und mit etwas mehr Hochton versehen. Das heißt: Für alle Musikfreunde, die eine Lösung für das Regal (Vorsicht: wegen des Bassreflex-Ports auf der Rückseite ist ein Abstand zur Rückwand von mindestens 5 Zentimetern unerlässlich) oder für das Sideboard suchen, ist dieser Lautsprecher eine superbe Lösung. Außerdem: Während der Hörtests hatte ich mit den 607 auch auf den Ständern im Nahfeld überwältigende Erlebnisse…
Die B&W 607 im LowBeats Hörraum
Nachdem die Durchgänge mit den kleineren Verstärkern abgeschlossen waren, entschieden wir uns, für die nun folgenden Hörtests den Hegel H590 zu nutzen – ein gleichermaßen neutraler wie extrem kraftvoller Vollverstärker. Natürlich ist eine solche Kombination aus einem Paar Lautsprecher für 500 Euro und einem Vollverstärker für 10.000 Euro etwas realitätsfern. Aber wir wollten diesem Kleinlautsprecher ja alles abfordern…
Das gilt auch für den Hörraum: Eigentlich ist das Hören eines Lautsprechers dieser Größe in einem 70-Quadratmeter-Raum ein Unding; die Hörabstände sind viel zu groß und ein 13 cm Tiefmitteltöner wird den Raum nie füllen können. Oder doch? Doch! Zumindest schaffte es diese neue B&W erstaunlich souverän. Auf dem Ständer FS-CM S2, knapp 10 Zentimeter vor einer festen Rückwand, entlockte uns die 607 erst einmal ein “Boah – glaubst du nicht.” Fast ohne Anstrengung zog sie ein großes, sehr überzeugendes Klangbild auf und klang dabei nie nach “kleinem Lautsprecher” – was Boxen dieser Größe gern passiert, wenn sie überfordert sind.
Der Bass der Kleinen war dabei eher schlank und präzise – wie auch das gesamte Klangbild ungemein klar unaufgeräumt war. In Monty Alexanders Hochton-Spektakel “Hurricane Come And Gone” (Album: Caribbean Circle) funkelte und blitze es an allen Ecken und Enden. Das Triangel, von vielen Lautsprechern dieser Klasse schlicht ignoriert, ziselierte die kleine B&W mit viel Sinn für das Feine. Alles atmete, hatte Luft und Struktur und klang wunderbar lebendig.
Auch die Stimme von Sven Regner, Sänger und Trompeter bei Element Of Crime, (Album: Schafe, Monster und Mäuse) brachte die B&W 607 genau auf den Punkt. Sie klang sehr natürlich, dabei leicht nuschelig und trotzdem waren alle die kleinen Eigenheiten gut heraushörbar. Die 607 bewies hier echte Monitor-Qualitäten. Andere Lautsprecher mussten zum Vergleich her.
Seit ihrem überragenden Test müssen sich Boxen dieser Größe mit dem Q-Acoustics Einsteigermodell 3010i (Paarpreis: 250 Euro) messen – und oft kann einem dabei Angst und Bange auch um deutlich teurere Schallwandler werden. Um die B&W musste sich in diesem Vergleich keiner Sorgen machen: Sie spielte offener, feiner und viel dynamischer als die 3010i.
Ebenfalls ein Energiebündel ist die Magnat Quantum 723, die immer losspielt wie die Feuerwehr. Doch selbst im Vergleich zu diesem preislich vergleichbaren Energiebündel lag die B&W mit höherer Transparenz und besserer Artikulation vorn – die Räumlichkeit der 607 ist eben atemberaubend groß und luftig. Nicht einmal die deutlich größere und auch teurere Elac Uni Fi BS U5 konnte die kleine B&W wirklich in ihre Schranken weisen, so natürlich und frisch, aber auch so dynamisch klang es mit ihr.
Normalerweise ist ein Stück wie das hochdynamische “Crying” von James Blood Ulmer (Album: Live at The Bayerischer Hof München) keine Kost für einen Lautsprecher dieser Größe. Alles Dynamisch-Erhabene klingt mit solchen Kleinlautsprechern meist genau so: klein. Aber die B&W ist halt kein normaler Kleinlautsprecher. Der angeschlossene Hegel H590 stellt an 4 Ohm locker 600 Watt zur Verfügung und von denen pumpte er eine Menge in die 607, ohne dass ich den Eindruck hatte, sie sei überfordert. Mit einer festen Wand im Rücken drückte sie auch die Bassdrum-Schläge mit unfassbar hoher Wucht in den Raum – das machte einfach Spaß.
Und dann, es war schon spät am Abend, zog ich die 607 auf den Ständern Schritt für Schritt näher an den Hörplatz. Der Bass wurde mit jedem Schritt etwas schlanker, aber die Intensität des Hörens nahm zu. Bei knapp 2 Metern Hörabstand und einer vergleichsweise großen Basisbreite von 3 Metern wurde es auf einmal noch viel besser. Was ich dann hörte, war atemberaubend: ein dreidimensionales Klangbild, wie man es nur selten hinbekommt. Ich war nicht mehr Zuhörer, sondern mitten im Geschehen. So unmittelbar dabei zu sein, hat man mit HiFi selten. Das war magisch.
Ich wollte sicher gehen, dass ich nicht einfach der Faszination des Nahfeld-Hörens aufsaß und machte das gleiche Experiment mit der ebenfalls superben Elac Uni Fi BS U5. Nur, der gleiche Zauber wollte sich nicht einstellen. Nicht mit dieser Unmittelbarkeit. Nicht mit dieser Offenheit. Erst als ich die kleinen B&Ws wieder auf die Ständer stellte…
Fazit
Auch an Lautsprechern merkt man, dass man älter wird. Fünf Generation 600er habe ich in den letzten 25 Jahren getestet. Jede war auf ihre Art gut. Aber als so mitreißend und für dieses Erlebnis so unverschämt günstig wie diese neue B&W 607 der Generation 6 empfand ich noch keinen Vertreter dieser Einsteiger-Serie.
Die 607 ist ein unkomplizierter Kleinlautsprecher, wie er im Buche steht. Er harmoniert mit kleinen wie mit großen Verstärkern gleichermaßen und ist auch in Bezug auf die Aufstellung nicht sehr anspruchsvoll. Wer sich allerdings die Mühe macht, einen passenden (bitte nicht zu günstigen) Verstärker zu finden und mit der Aufstellung etwas experimentiert (Nahfeld ist sehr empfehlenswert), bekommt mit der kleinsten und erschwinglichsten B&W einen Schallwandler mit einem so erwachsenen, präzisen, offenen und räumlichen Klang, wie er in der 500-Euro-Preisklasse nicht zu vermuten war.
Vielleicht werden einige Musikfreunde den frischen Hochton der 607 kritisieren. Geschenkt: Denn in ihrer wahrscheinlichen Umgebung (nämlich im Regal oder auf dem Sideboard) werden Bass und Grundton etwas angehoben und dann ist diese Abstimmung genau richtig.
Zudem sorgt die leichte Höhenanhebung auch für diesen ungemein offenen Monitor-Klang, der begeisternd ist und aus jeder Aufnahme so viele Feinheiten herausdestilliert. Außerdem ist da noch ihr erstaunlich hoher, unverzerrter Maximalpegel. Die kleine 607 kann lauter rocken, als so manchem Nachbarn lieb sein wird…
Ich wiederhole mich an dieser Stelle gern: Die B&W 607 ist eine außergewöhnliche Box. In kleineren Räumen und an einem richtig guten Verstärker wird sie wohl nur selten den Wunsch nach sehr viel teurerem High End aufkommen lassen.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Lebendiger, transparenter Klang mit knackigem Bass |
| Klang löst sich komplett von der Box |
| Prädestiniert für wandnahe Aufstellung/im Regal, auf dem Sideboard |
| Überragende Preis/Klang-Relation |
Vertrieb:
B&W Group Germany GmbH
Kleine Heide 12
33790 Halle / Westfalen
www.bowers-wilkins.de
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
B&W 607: 530 Euro
FS-CM S2: 450 Euro
Mit- und Gegenspieler:
Test Kompaktboxen Q Acoustics 3010i und 3020i
Test Magnat Quantum 723 – der Kraftzwerg
Test Elac Uni Fi BS U5: Koax für 700 Euro
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