Man muss sich nur mal aktuelle Prospekte des finnischen Lautsprecherherstellers anschauen, dann kommt man leicht drauf, welche Anforderungen der kompakte Power-Monitor Genelec S360 erfüllen musste: “Baut was Kompaktes, das klanglich und dynamisch mit unseren großen Lautsprechern mithalten kann. Den Rest machen wir mit ‘nem Subwoofer”, könnte man da herauslesen.
Was genau das bedeutet, wird einem klar, wenn man schon mal mit den großen Modellen von Genelec zu tun hatte. Beim Test der Genelec 1238A fing es im LowBeats Testkino an zu schneien – sprichwörtlich, weil die Deckenpanele unter dem hohen Schalldruck zu zerbröseln begannen. Kein Scherz. Schaut man dann in die vergleichende Schalldrucktabelle von Genelec, dann spielt eine S360 im Raum nur 3 Dezibel leiser als der Riesen-Brummer 1238A! Und das bei kaum einem Drittel der Gehäusemaße. Da muss also ordentlich in die Trickkiste gegriffen worden sein.
Der für Genelec wohl auffälligste Punkt als Schalldruck-steigernde Maßnahme, die kein besonderes Gehäusevolumen erfordert, ist der Hochtöner. Erstmals setzen die Finnen – wie schon zuvor ihre amerikanischen Kollegen bei JBL mit der LSR708P – einen Kompressionstreiber statt einer offenen Kalotte ein. Hier arbeitet eine 44 mm Titankalotte auf einen Hornkanal.
Ein Schutzgitter plus Textil schützt die Konstruktion vor eindringendem Schmutz. Mehr ist von außen nicht zu sehen. Neu ist aber auch eine deutlich ausgeprägte Schallführung. Wo vor praktisch allen Genelec Hochtönern eine sanfte Senke vor allem eine Phasenanpassung an die Tief- und Mitteltöner bewirkt, ist hier ein tiefes Horn eingefräst.
Auch der 10 Zoll Tieftöner stammt nicht aus dem regulären Sortiment. Seine sehr steife, dämpfend beschichtete Papiermembran wird außen von einer doppelten Textilsicke geführt. Das erlaubt einen vergrößerten linearen Hub.
Erstmals führen die Genelec Ingenieure die Bassreflexöffnungen zum Boden des Gehäuses. Damit diese beim Aufstellen frei bleiben, spendierten sie der Genelec S360 einen fest verschraubten Fuß. Die Reflextunnel sind in einer Richtung parallel und in der anderen geschwungen, um Strömungsgeräusche zu mindern. Das funktioniert hervorragend, die oft lästigen Schnaufgeräusche oder andere mechanische Störungen konnte ich den Reflexöffnungen auch bei extremen Pegeln nicht entlocken.
Die Rückseite zeigt das typische Bild einer Genelec Aktiv-Box aus dem GLM-Programm mit digitaler Signalverarbeitung. Alle Eingänge sind senkrecht und versenkt verbaut, um eine wandnahe Aufstellung zu ermöglichen. Es gibt einen symmetrischen analogen Eingang, einen digitalen mit Durchschleif-Möglichkeit und zwei Netzwerkbuchsen zur Steuerung und Kalibrierung des Setups. Den Einmess-Prozess und seine Möglichkeiten hat Kollege Schröder im Test der Genelec 8331A ausführlich beschrieben. Dem habe ich nur wenig hinzuzufügen…
Wie aufwändig die Verarbeitung ist, zeigt die Rückseite auch sehr beeindruckend. Wie bei fast allen digital-aktiven Monitoren mit Holzgehäuse steckt die gesamte Elektronik der Genelec S360 in einem komplett separaten Metallgehäuse. Das Metall ist mit Gummis mechanisch entkoppelt aufgehängt, um Mikrofonie-Effekte auszuschließen. Dank des hervorragenden Wirkungsgrades der Endstufen entwickelt sich zudem kaum Abwärme. Was ermöglicht, das Elektronikmodul mittels Adapter horizontal in ein 19-Zoll-Rack zu verschrauben – ohne Gefahr eines Hitzestaus.
Doch auch ohne das GLM-Modul lässt sich die S360 weiträumig konfigurieren und anpassen. Eine Batterie Mikroschalter erlaubt praktische Ortsfilter-Konfigurationen und andere praktische Eistellungen: etwa das Abschalten der Front-LED, ein Anpassen der Empfindlichkeit oder die Auswahl, welchen Kanal sich die Box aus dem Digital-Anschluss nimmt. Ein klassisches Drehpotentiometer erlaubt die analoge Feinanpassung des Pegels.
Messtechnisch wie aus dem Lehrbuch
Das wirkt sich in Summe alles sehr positiv auf die Performance aus, was die Messungen auch beeindruckend belegen. Die fanden im Raum bei 1m Abstand statt, was zu der Senke zwischen 100-200Hz führt, weil sich hier die Reflektionen der Rückwand mit dem Direktschall vermischen beziehungsweise auslöschen. Alle Korrekturen standen auf Einstellung “neutral”. Das horizontale Abstrahlverhalten zeigt sich extrem ausgewogen: eine sanfte Hochtonabsenkung, aber keinerlei Verfärbungen, nur der Hang zum Dunkleren hin.
Ein Phasengang mit vorbildlicher, sanfter Drift ohne Sprünge oder Dreher. Eine Gruppenlaufzeit, die bis weit unter 100 Hertz wie mit dem Lineal gezogen scheint, ist ohne digitale Korrekturen so gut wie nicht möglich. Und selbst das Ausklingen der Chassis ist praktisch ohne jede Auffälligkeit – von unter 100Hz bis an die Übertragungsgrenze ist fraglos sensationell. Einzig der Höhenabfall schon deutlich vor 20 kHz könnte bekrittelt werden. Und dem Ziel der maximalen Dynamik ist die Steilklippe bei 40Hz geschuldet, die den Tiefstbass verhindert und so unnötige Verzerrungen vermeidet. Ein typischer Einsatz der Genelec S360 dürfte ohnehin fast immer einen Subwoofer beinhalten.
Hörtest Genelec S360: Dynamik ohne Ende
Wie klingt das nun? Zunächst einmal, genau wie es die Messungen erwarten lassen: extrem auf den Punkt. Und wenn man den Lautstärkeregler nach rechts dreht, scheint es einfach ohne Limits lauter zu geben. Was da aus einem Kubus von typischer Regallautsprecher-Größe herauskommt, erstaunt immer wieder. Das ist mehr als partytauglich.
Dabei zeigen insbesondere Impulse wie Klavieranschläge, Drums oder Vibraphon, dass die Genelec S360 mit einer Dynamik und Attacke fasziniert, die man sonst gemeinhin nur in Live-Konzerten zu hören bekommt. Und sie zeigt realistische Raumgrößen: die Bühnenabbildung wirkt plastisch und Instrumente realistisch groß. Das ist schon ein ganz anderes audiophiles Niveau als es die konzeptionell ansonsten recht ähnliche JBL LSR708p mit ihrer etwas flachen Abbildung zeigt. Allerdings ist die Genelc ja auch Faktor 2 teurer….
Auch und gerade im Hochton unterscheiden sich Finnin und Amerikanerin erheblich. Gegenüber der JBL wirkt die Genelec fast zurückhaltend, insgesamt etwas dunkler abgestimmt und trotzdem feiner auflösend. Die Ami-Box groovte dafür mehr als die Skandinavierin, welche nüchterner klingt. In Sachen Dynamik sind allerdings beide ein echtes Phänomen. Man kann unfassbar laut damit hören – und gleichzeitig bleibt der Klang immer verzerrungsarm und entspannt.
Fazit Genelec S360: Knackige Dynamik, kompakter Lautsprecher
Potentielle Zielgruppen gibt es viele für die Genelec S360: Sie spielt sehr ausgewogen mit tollem Timing und knackiger Attacke, ist sehr kompakt und spielt für ihre bescheidenen Abmessungen unbeschreiblich dynamisch mit unfassbarem Grenzpegel. Wer das GLM-Set dazu bestellt, erhält auch eine der besten Raum-Einmessungen dazu. Dynamisch bringt der Powerzwerg viele Attribute eines Hornlautsprechers mit, ohne die meisten Nachteile. Wer ehrlichen Klang mit authentischer Dynamik realer Livemusik bei unauffälliger Technik sucht, trifft hier ins Schwarze. Am besten gleich einen passenden Subwoofer dazu stellen. Das sich die S360 in jedem potenten Heimkino hervorragend eignen, muss man dazu wohl kaum noch erwähnen.
Genelec S360 | 2019/07 |
Überragend |
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Impulsstarker, ausgewogener Klang |
| Gigantische Pegelreserven |
| Enorm flexibel konfigurier- und anpassbar |
| Robuste Bauweise, tadellose Verarbeitung |
Vertrieb:
Audio Pro Heilbronn Elektroakustik GmbH
Pfaffenstraße 25
74078 Heilbronn / Deutschland
Telefon: 07131 26360
E-Mail: [email protected]
www.audiopro.de
Paarpreis (Hersteller-Empfehlung):
Genelec S360: 8.120 Euro
Genelec Loudspeaker Manager (GLM)-Kit: 365 Euro
Im Beitrag erwähnt:
Test Genelec 8331 A – der unbestechliche Nahfeld-Monitor
Test Aktivmonitore Genelec 1238A + Subwoofer 7380A – Trio Grande
Test: digitaler Aktivmonitor JBL LSR708P – Das Pegelwunder