Unser Kollege Timo Wolters hat mal wieder einen besonderen Filmtipp und in Sachen Ready Player One von Steven Spielberg kann ich ihm nur zustimmen. Was im ersten Augenblick nicht nach Spielberg riecht, entpuppt sich bei genauem Hinsehen und genießerischem Zurücklehnen sehr wohl als typisch für den Regisseur. Obwohl nun auch schon über 70, ist er als einer der professionellsten Regisseure und Produzenten überhaupt gleichzeitig ein abenteuerliches, verträumtes Kind geblieben.
Ich durfte den Film im IMAX-Kino genießen und auch schon im LowBeats Testkino schauen: Ein herrliches Spektakulum zum Träumen und Abschalten, mit Spannung und vor allem im Ton von einer Komplexität und Qualität, die jede Anlage bis zum Äußersten fordert. Interessant, und das gelingt selbst Spielberg nicht immer, dass Ready Player One dabei etwas für Jung und Alt, Männlein und Weiblein ist, wie auch die Bewertungen in der IMDB zeigen. Das sind spannende und gleichzeitig entspannende 2 1/4 Stunden Abtauchen in die Fantasie der Games. Viel Spaß!
Spielberg begibt sich in Ready Player One auf ungewohntes Terrain
Das Jahr 2045: Die Welt ist eine Herberge voller Armut geworden und befindet sich fast beständig am Rande eines Kollapses. Doch es gibt eine Flucht aus den trostlosen realen Verhältnissen. Eine Flucht in das riesige virtuelle Universum OASIS. Das hatte seinerzeit ein gewisser James Halliday entwickelt – ein ebenso genialer wie seltsamer Programmierer. Einmal drin in der Virtual Reality kann der Spieler alles sein, was er will und alles tun, was er will.
Fünf Jahre zuvor war Halliday gestorben, was zu einer regelrechten Hysterie im Spiel führte. Denn Hallidays Vermächtnis versteckte er im Spiel – als Easter Egg. Wer in der Lage wäre, die drei Rätsel zu lösen und so das „Osterei“ zu finden, dem sollte zum einen die Kontrolle über das Spiel gegeben sowie das Vermögen des Programmierers (immerhin 500 Mrd. Dollar) vererbt werden. Doch schon an der ersten Aufgabe, einem Wettrennen zu einer bestimmten Ziellinie, scheiterten bisher alle Aspiranten. Dann jedoch kommt der junge Wade. Er, der das reale Leben in einer Gegend von Wohncontainern hasst, flüchtet immer wieder in die OASIS. Irgendwann dringt er tiefer in die Aufzeichnungen Hallidays ein und findet Hinweise, die ihn der Lösung des ersten Rätsels näherbringen. Doch sobald er dieses erfolgreich gelöst hat, ruft das jene auf den Plan, die notfalls auch mit unlauteren Mitteln zum Ziel kommen wollen. Vor allem der Konzern IOI ist hinter dem Geheimnis her. Dessen Chef Nolan Sorrento setzt alles daran, Parzival (so Wades Avatar-Name im Spiel) zu jagen, um ihm die Schlüssel abzunehmen …
Mit Ready Player One begibt sich Steven Spielberg auf ein ebenso mutiges wie für ihn ziemlich ungewohntes Terrain. Zwar ist er immer schon ein Regisseur gewesen, der gerne Effekte in seinen Filmen integriert – zunächst praktische, später auf revolutionäre Art und Weise in Jurassic Park auch digitale – doch was er hier tut, geht zwei Schritte weiter. Ready Player One basiert auf dem 2010er SciFi-Roman von Ernest Cline. Cline, der mit Zak Penn zusammen auch das Drehbuch schrieb, entwarf in seiner Vorlage eine Welt, in der alles möglich ist. Mit einem Jetpack auf den Himalaya düsen? Kein Problem. Batman bei seinen Verbrechensbekämpfungen helfen? Immer gerne.
In der OASIS ist alles möglich, was der Fantasie des Spielers entspringt.
Dafür war es klar, dass Spielberg ausgiebigst eintauchen musste in die Welt des Motion Capturing. Denn seine Darsteller betreten die virtuelle Welt als Avatar – also unter Umständen mit einem komplett veränderten Aussehen.
Spielberg, der auch heute immer wieder zeigt, dass das Kind in ihm ziemlich dominant ist, tobt sich in seiner virtuellen Welt aus. Fast schon anarchisch sind die Szenen und Abfolgen in der OASIS. Wie entfesselt ist Spielbergs Regie, der selten so frei und zügellos schien. Gerade seine Dramen folgen ja eher einem kontrollierteren Korsett.
Außerdem musste sich Spielberg – ein Regiekind der 80er – in der Geschichte einfach wohlfühlen, nutzt doch schon die Roman-Vorlage das Flair der 80er-Jahre ausgiebig. Halliday, der Programmierer der OASIS, war ein glühender Anhänger dieses Jahrzehnts und seiner Popkultur und Steven Spielberg zelebriert diese Atmosphäre. Hommagen sind an jeder Stelle der virtuellen Welt zu finden. Wer sämtliche Zitate auf das Jahrzehnt von Vokuhila und Zurück in die Zukunft finden möchte, wird dafür schon Tage brauchen.
So finden sich beispielsweise Querverweise auf Minecraft, Pacman oder Space Invaders. Dazu werden Filme oder Serien wie Shining, Star Trek, Batman oder Superman zitiert und Horrorikonen wie Jason Vorhees oder Freddy Krueger bekommen auf Planet Doom ihr Fett weg. Grandios, dass nicht einfach nur Werke der Popkultur genutzt werden, sondern auch damit verbundene Wertungen – wie im Falle von Stephen King und Shining.
Dass auch Schöpfungen von Spielberg als Referenz dienen, kann man dem Regisseur nicht als Arroganz auslegen. Tatsächlich hat er zahlreiche Zitate des Buches entfernt, die sich auf seine Werke bezogen – eben um genau NICHT in die Situation zu kommen, dass man ihm Selbstverliebtheit vorwirft.
Allerdings beschränkt sich Ready Player One nicht nur auf die 80er, sondern integriert auch moderne(re) Zitate. So rennt ein World-of-Warcraft-Hüne hier genauso durchs Geschehen wie der Big Daddy aus BioShock.
Es ist schon erstaunlich, wie viele Objekte, Firmen und kulturellen Beiträge man hier findet. Während manch ein Filmemacher schon Schwierigkeiten hat, Lizenzen für einen bestimmten Song zu bekommen, scheinen für Spielberg alle zügig den Daumen nach oben gegeben zu haben. Denn wie selbstverständlich hat man auch gleich noch die kultigsten Kultsongs der 80er im Soundtrack untergebracht. Was mit dem kongenial eingesetzten „Jump“ von Van Halen beginnt, geht weiter über George Michaels „Faith“ bis hin zu Twisted Sisters „We’re not Gonna Take it“.
Dass der Film nebenbei auch ziemlich witzig ist, verdankt er den humorvollen Elementen – oft durch den Kurator oder auch Bösewicht I-Rok vermittelt, der philosophischer ist, als man seinem von Skeletor entnommenen Äußerem zutrauen mag.
All diese Einzelheiten verbinden sich zu einem Film, dessen 140 Minuten Laufzeit nie auch nur den Hauch von Zähigkeit aufkommen lassen. Oft geht es derart rasant zu, dass man sich bestimmte Szenen noch mal anschauen möchte, weil man meint, etwas verpasst zu haben. So ist beispielsweise schon das erste Rennen nach etwa 14 Minuten eine derart mit Details vollgestopfte und virtuos inszenierte Sequenz, dass man verzückt und mit offenem Mund vor dem Bildschirm sitzt. Da verzeiht man sogar, dass Parzival aussieht, als wäre er aus Final Fantasy 7 direkt in der OASIS gelandet. Spaß und Unterhaltung kann Spielberg ohne Zweifel und Ready Player One bietet das in Reinkultur.
Natürlich versteht er es aber genauso, seine virtuelle Welt vom realen Gegenstück abzusetzen. Während es in OASIS bunt und kontrastintensiv abgeht, wirkt die verarmte Welt, in der Wade lebt, ausgewaschen, grau und trist. Das unterstreicht die Botschaft, die schon dem Buch innewohnte. Selbst wenn die Verfilmung bisweilen etwas zu selbstverliebt in den virtuellen Welten verharrt, benötigt man kaum einen Doktortitel, um die Essenz der Geschichte zu erfassen: Wenn man in der Lage ist, dermaßen realistische Welten im Computer zu entwerfen, sollte man auch in der Lage sein, die reale Welt nicht in den Abgrund stürzen zu lassen.
Schwachpunkte?
Ja, die gibt es. So sind die Rätsel selbst für den Zuschauer so leicht zu durchschauen, dass man sich fragt, warum in fünf Jahren nicht einer von Millionen von Spielern draufgekommen ist. Außerdem ist es schon sonderbar, dass sich Bad Guy Sorrento in der realen Welt mit seinen Schergen brutal und mörderisch verhält, wobei von einer kontrollierenden Staatsgewalt keine Spur zu sein scheint – bis diese im Finale dann plötzlich aus dem Hut gezaubert wird.
Tja, und dann sind da die Darsteller. Die sind nicht schlecht – im Falle von Ben Mendelsohn sogar ziemlich gut. Doch aufgrund der limitierten Zeit ihrer Auftritte wirkt es bisweilen wie verschenktes Potenzial. Gerade Mark Rylance, der nach Bridge of Spies und BFG zum wiederholten Male mit Spielberg zusammenarbeitet, wirkt als öffentlichkeitsscheue und schüchterne Antiversion eines Steve Jobs mit seinem zerzausten Haar irgendwie deplatziert. Auch Tye Sheridan, der schon in seinen frühen Rollen in Joe – Die Rache ist sein neben Akteuren wie Nicolas Cage und Matthew MacConaughey brillierte, bleibt unterfordert.
Man hat Spielbergs Virtual-Reality-Film außerdem bisweilen vorgeworfen, die Kritik an der virtuellen Welt zu kurz kommen zu lassen. Durch eine aufgesetzte Liebesgeschichte sei es am Ende der Aspekt des „Anfassens“, der für die reale Welt spreche. Das ist dann allerdings doch etwas plakativ kritisiert. Denn schon alleine durch die Figur des Sorrento und dessen Konzern IOI wird deutlich, dass der Virtual Reality eben auch die Gefahr der Verkommerzialisierung innewohnt. Sorrento möchte die Erfahrung über die VR-Brille quasi mit Werbung zupflastern – ein Aspekt, der gerade in der heutigen Zeit mehr als greifbar erscheint.
Trotz all der Süße, die Spielberg über das Buch von Ernest Cline legt, in der gerade die reale Welt viel düsterer und weniger hübsch war: Die Message, das Potenzial, beide Welten nebeneinander florieren lassen, wird deutlich. Man muss die Möglichkeiten nur nutzen. Dabei sollte uns die Technologie nicht das Leben diktieren, sondern im Einklang mit der realen Welt stehen.
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