Spätestens mit dem Test der Dynaudio Special Forty wurde wieder einmal deutlich, dass Dynaudio das Thema Kompaktboxen beherrscht wie kaum ein anderer Hersteller. Es scheint in der DNA dieser Firma verankert zu sein, dass sie aus einem Tieftöner mit 17 oder 18 Zentimetern Durchmesser und ihrer immer gleich erscheinenden 28-Millimeter-Hochtonkalotte ein phänomenal natürliches, farbenstarkes und räumliches Klangbild herausholt. Und das schon seit über 40 Jahren. Diese Fähigkeiten gipfeln in den Dynaudio SE (Special Edition) Modellen, die von den Dänen unregelmäßig auf den Markt gebracht werden; sie sind technisch/akustisch das Tüpfelchen auf dem “i” der konventionellen Linienware.
Jedes dieser Dynaudio SE Modelle hat in seiner Zeit die Musikfreunde begeistert. Die Special Forty ist derzeit in aller Munde, die Contour 1.3SE (Erscheinungsjahr: 1998) begleitete mich viele Jahre bei stereoplay als Kompaktboxen-Referenz und auch von der Special 25 (Erscheinungsjahr: 2002) schwärmen die Fans heute noch. Erst neulich schrieb uns Leser M. aus Nürnberg: “Gegen meine Dynaudio Special 25 ist dieses ganze neue Zeug kalter Kaffee.”
Als Tester ist man da immer etwas sprachlos. Ich hätte in meinen Studentenjahren für eine Contour 1.3 ein Bein gegeben. Aber ich habe in meiner über 25 Jahre währenden Testarbeit auch die Fortschritte gesehen und gehört, die im Lautsprecherbereich vor allem in den letzten Jahren gemacht wurden. Mit der Einführung moderner Analyse- und Entwicklungs-Software wie dem Klippel-System (das in den letzten 15 Jahren bei den größeren Herstellern vermehrt zum Einsatz kommt) konnten bei den Treibern in allen Bereichen bessere Resultate erreicht werden.
Aber wie groß sind diese Fortschritte tatsächlich? Wie wirken sie sich aus? Hat Leser M. womöglich Recht? Schaut man sich die Frequenzgänge und die (stets linearisierten) Impedanzverläufe von kompakten Dynaudio Lautsprechern an, so unterscheiden sich diese nur geringfügig. Wir haben also die Probe aufs Exempel gemacht und uns drei Dynaudio SE Modelle (die sich bestens eignen, weil sie sich so ähnlich sind) aus den letzten 20 Jahren besorgt. Als Vergleich diente die uns bestens bekannte “konventionelle” Contour 20 aus dem LowBeats Referenzregal.
Und weil wir bei LowBeats sind, endet der Vergleich nicht mit einem normalen Hörtest in der Redaktionsrunde. Wir haben die Ergebnisse für unsere Leser nachvollzieh- beziehungsweise nachhörbar gemacht. Dafür nahmen wir das Dynaudio Quartett mit in die renommierten MSM Studios in München, wo wir sie nach dem neuen, zum Patent angemeldeten LowBeats Verfahren namens “Virtueller Hörraum” aufgenommen und diese Aufnahmen in die Soundcloud (unter der Rubrik LowBeats Klang Orakel) hochgeladen haben. So kann jeder Interessierte diese Lautsprecher online miteinander vergleichen – und zwar so oft er möchte und ganz ohne Kabel umzustecken…
Der “Virtuelle Hörraum” basiert auf einem von LowBeats Tonmeister Jürgen Schröder ausgetüftelten Aufnahmeverfahren und unserem Wunsch, den Lesern mehr als warme Worte zum Lesen an die Hand zu geben. Das Verfahren ist mittlerweile so ausgereift, dass Unterschiede – so sie denn vorhanden sind – sehr gut hörbar gemacht werden können.
Der Vorteil des Verfahrens liegt darin, dass jeder Lautsprecher in einem perfekten Raum auf dem optimalen Platz steht und dass während der Messungen alle anderen Lautsprecher (welche die Wiedergabe immer beeinflussen) aus dem Studio geräumt werden. Es ist also die – beispielsweise auch von Linn immer geforderte – Single-Speaker-Demonstration. Anschließend werden die Messungen sorgsamst im Pegel angepasst, damit eine möglichst große, seriöse Vergleichbarkeit gegeben ist.
Ein Wort zu den MSM Studios: Münchens bekanntestes Master- und Remaster-Studio hat in der Theresienstraße einige ganz hervorragende Räume, von denen einer für die Aufnahmen im “Virtuellen Hörraum” wie gemacht ist. Das Studio hat eine perfekt gleichbleibende Nachhallzeit, so gut wie keine Bassüberhöhungen und eine derart gute Schalldämmung, dass draußen die Welt untergehen könnte, ohne dass die Aufnahmen davon behelligt werden würden.
Aufgenommen wird mit einem Kunstkopf-Mikrofon. Der Kunstkopf ist unter anderem deshalb nötig, um die Fähigkeiten der unterschiedlichen Modelle in Bezug auf ihre Räumlichkeit darstellen zu können. Der Bayerische Rundfunk in München fand unser Projekt “Dynaudio SE Modelle im Online-Klangvergleich” so spannend, dass er uns dafür ein Spezial-Modell lieh.
Die Dynaudio Verantwortlichen waren ebenfalls gespannt, was aus diesem Vergleich über zwei Jahrzehnte wohl herauskäme und schickten uns für das Projekt je ein Pärchen Contour 1.3SE und Special 25 – natürlich akustisch perfekt überholt. Die Special Forty hatten wir noch aus dem kürzlich veröffentlichten Test in der Redaktion und die Contour 20 ist seit ihrem Test im Jahr 2016 fester Bestandteil des LowBeats Referenzregals.
Im Folgenden stelle ich die drei Dynaudio Special Edition Modelle und die klassische Contour kurz vor:
Dynaudio SE 1: Contour 1.3 SE (Markteinführung: 1998)
Die Dynaudio Contour 1.3 SE basiert auf der Contour 1.3 aus dem Jahre 1993 und kam 1998 auf den Markt. Das Gehäuse beließ man gleich, aber die Treiber wurden – wie von Dynaudio bei solchen Projekten üblich – weitgehend überarbeitet. Der Tiefmitteltöner bekam eine neue Schwingspule und ein leistungsstarkes Hybrid-Magnetsystem (Neodym/Ferrit), hat aber – wie die anderen beiden Dynaudio SE Modelle – ebenfalls eine sehr große (75mm) Schwingspule um den innenliegenden Magneten. Die Membran besteht aus dem Dynaudio-typischen, hochdämpfenden MSP.
Der D28-Hochtöner der Contour 1.3SE ist noch nach alter Väter Sitte aufgebaut: Viel Magnet, keine dahinterliegende Kammer, die den rückwärtigen Schall in irgendeiner Weise eliminiert. Das Gewebe der Kalotte ist noch nicht transparent, sondern fast schwarz – ein Erkennungszeichen der früheren Modelle.
Die Frequenzweiche hat – typisch Dynaudio – eine Flankensteilheit von 6 dB pro Oktave. Das könnte man mit einer Spule vor dem Tieftöner und einem Kondensator vor dem Hochtöner abhandeln. Trotzdem ist die Weiche der 1.3 SE mit das Aufwändigste, was die Dänen in einer Box dieser Größe verbaut haben: mehr als 20 Einzelkomponenten verteilen sich auf zwei getrennte Hoch- und Tieftonplatinen. Die Slideshow gibt einen schönen Eindruck vom Dynaudio High End der End-Neunzigerjahre.
Dynaudio SE 2: Special 25 (Markteinführung: 2002)
Die Special 25 ist – wie der Name erahnen lässt – das Dynaudio Sondermodell zum 25. Geburtstag und der Contour 1.3 SE nicht unähnlich. Auch sie punktet mit einem wunderschönen Vogelaugenahorn-Furnier und penibel sauberer Verarbeitung. Und auch hier bestehen die Gehäusewände aus einem Komposit zweier verschiedener Spanplattenarten, sodass sich eine hohe Dämpfung ergibt.
Allerdings ist die Special 25 deutlich größer als die 1.3 SE und bietet so Platz für einen größeren Tiefmitteltöner. In der Special 25 misst er 18 Zentimeter im Durchmesser und kommt so auf deutlich mehr Membranfläche. Die eigenwillige, Dynaudio-typische große Schwingspule mit innenliegendem Magneten aber hat auch er. Nach Aussagen von Dynaudio basiert er auf Treibern, die man für die “große” und ziemlich teure Evidence Master entwickelt hatte.
Als großer Fortschritt wurde Dynaudio-intern der Hochtöner gelobt. Der so gennante Esotar²-Hochtöner wurde für die damals neue Confidence-Serie entwickelt und war eine Ausgeburt an natürlicher und störungsfreier Wiedergabe. Um den Sonderstatus zu unterstreichen, bekam die limitierte Burled Birch-Edition sogar eine fünfundzwanzigjährige Garantie.
Die Hoch- und Tiefmitteltöner werden auch in der Special 25 mit einer Frequenzweiche von 6 dB Flankensteilheit getrennt, aber wie üblich hatte die Entwicklungsabteilung auch hier etliche Zusatzfilter sowie eine Impedanz-Linearisierung eingebaut.
Die Slideshow zeigt den hohen Aufwand, den Dynaudio auch bei diesem Sondermodell betrieb…
Dynaudio SE 3: Special Forty (Markteinführung: 2017)
Der jüngste Streich aus der Serie der Sondermodelle heißt Special Forty (zum ausführlichen Test geht es hier) und kam anlässlich des 40. Geburtstags auf den Markt. Die Special Forty ist die kleinste, leichteste und günstige Kompaktbox dieser Runde. Auch sie hat ein besonderes Furnier, vor allem aber einen sensationelles Lack-Finish.
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