Hat HiFi einen bestimmten Klang? Natürlich nicht. Vielleicht hat jeder Musikfreund sein eigenes Klang-Ideal. Meines, das wurde mir beim Test der Dynaudio Contour 20 wieder einmal bewusst, war lange Zeit von Dynaudio bestimmt.
Die Dänen setzten Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre mit ihren Gewebekalotten, den Mittel- und Tieftönern mit MSP-Membranen, den aufwändigen (innenliegenden) Magnetkonstruktionen und dem Prinzip der möglichst “flachen” Weiche (6 Dezibel/Oktave) Maßstäbe in Bezug auf Natürlichkeit und Treiber-Harmonie.
Für mich war das damals eine neue Welt – weitab von dem, was damals von Arcus, Canton, JBL oder anderen, damals angesagten Marken geboten wurde. In den folgenden, nun fast 40 Firmenjahren hat Dynaudio jedes noch so kleine Detail an seinen Hoch-, Mittel- und Tieftönern immer wieder verbessert, blieb aber seinen ursprünglichen Idealen weitgehend treu.
Für den Tester ist das hart: Jede neue Lautsprecher-Generation unterscheidet sich kaum von den Vorgängern – immer wieder das stilsichere Gehäuse im Danish-Design und immer wieder sehr ähnliche Treiber. Irgendwann, das gebe ich gerne zu, fand ich diese Politik und auch das Ergebnis etwas langweilig.
Auch die neue Dynaudio Contour 20 ist eine echte Dynaudio. Ihr Hochtöner ist natürlich eine der zahlreichen Variationen der 28 Millimeter Gewebekalotte aus den Anfangsjahren. Hier ist es der Esotar2, der beste Hochtöner, den Dynaudio derzeit im Programm hat.
Und doch ist bei der Contour 20 einiges anders. Gänzlich neu ist beispielsweise der 18 Zentimeter große Tief-Mitteltöner. Sein Membran-Material ist natürlich das von Dynaudio immer verwendete schwarz-gräuliche MSP (Magnesium Silikat Polymer, siehe nächste Slide-Show), das allerdings mit Hilfe von Finite-Element-Simulationen in eine Form mit partiell variierender Materialstärke gebracht wurde – was für die hohe Resonanzarmut sorgt.
So ein Verfahren ist extrem aufwändig und sehr teuer. Dynaudio profitiert hier von der Zusammenarbeit mit der Auto-Industrie (bei fast allen VW-Modellen gibt es ein Premium-Soundsystem von Dynaudio), bei der Finite-Elemente Simulationen quasi an der Tagesordnung sind.
Neu ist aber auch die Gehäuseform. Lange Zeit setzten die Dänen ja auf ein eher nüchternes, edel-schlichtes Danish Design im Bauhaus-Stil.
Die neue Contour Serie ist opulenter: an den Kanten stärker gerundet, mit geschwungenen Seitenwangen, die sich nach hinten wie eine Wespentaille verjüngen.
Die Gehäuse der Dynaudio Contour 20 sind aus mehrfach versteiftem Schichtholz und die akustisch wichtige Schallwand wird durch ein Zusammenspiel drei verschiedener Materialien (Holz, Aluminium, dämpfende Kunststoff-Zwischenschicht) auf eine hohe Resonanzarmut gebracht.
Das Aluminium auf der Front ist dabei keineswegs nur optischer Gimmick: Das Metall ist deutlich verwindungssteifer als jedes Holz, das bei Impulsen dem Treiber zwangsläufig mehr Spiel lässt. Wenn sie gut gemacht ist, steigert eine solche Alu-Konstruktion immer die Präzision in der Wiedergabe.
Wenn man die Contour aufschraubt, sieht man übrigens, dass hier noch richtig Manufaktur-HiFi praktiziert wird. Das ist solides Handwerk.
Aber nicht nur mit der Gehäuseform der Contour rücken die Dänen von ihren Ur-Prinzipien ab. Der neue Contour-Tiefmitteltöner hat keine außenliegende Riesen-Schwingspule mit innenliegendem Magneten (früher charakteristisch für jeden Dynaudio Konustreiber), sondern ganz klassisch einen kräftigen Magneten mit innenliegender Schwingspule. Also so, wie es nahezu alle Hersteller weltweit machen.
Diese Bauform bietet einfach mehr Variabilität. Und auch in Bezug auf ihre Frequenzweichen sind die Dänen mittlerweile weniger dogmatisch. Früher kamen nur die so genannten “flachen”, impulsgenauen 6-Dezibel/Oktave-Filter in Frage.
Heute nimmt die Entwicklungsabteilung jenen Weichentyp, der in der jeweiligen Situation am besten passt. Für die Dynaudio Contour 20 heißt das: Ein klassischer 12-Dezibel-Filter für Tief- und Hochtöner, der die beiden Treiber bei 2.200 Hertz trennt.
Erlaubt ist also, was gut klingt. Und dazu gehören natürlich auch viele Details, die man aus besten Erfahrungen beibehalten hat.
Zum Beispiel eine Impedanz-Linearisierung, die den Betrieb mit Röhren-Endstufen erleichtert. Oder der Single-Anschluss, weil echtes Bi-Wiring auch auf der Frequenzweiche einige konstruktive Klimmzüge erfordert.
Die WBT NextGen-Anschlussbuchsen der Dynaudio Contour 20 sind übrigens von allerbester Qualität. In einem aufwändigen Vergleichstest habe ich vor einigen Jahren mal etliche namhafte Buchsen in einer absolut vergleichbaren Situation miteinander vergleichen können.
Die klanglichen Unterschiede sind größer, als sich die meisten Musikfreunde wahrscheinlich vorstellen können. Und es gab einen eindeutigen Sieger: diese Kunststoff-Buchsen von WBT.
Die exzellenten Buchsen sind eine Aufforderung, bei den Kabeln nicht zu sparen; da verschenkt man sonst Potenzial. Während der Hörtests haben wir am Ende relativ weit hoch ins Referenzregal gegriffen und die “großen” in-akustik Modelle LS-2404 und LS-2404 Air herausgeholt.
Zugegeben: Vor allem das “Air” ist mit seinen 3.200 Euro (zweimal 3 Meter) vielleicht etwas überzogen. Aber in Verbindung mit den Endstufen Audiolab 8300 MB oder den Cambridge 851W (mono gebrückt) klang die Contour 20 damit einfach überwältigend gut.
Unsere Erfahrungen mit kräftigen Transistor-Endstufen sind hier übrigens besser als mit kräftigen Röhren (Oktave V 80), obwohl die Contour als 8-Ohm-Box mit Impedanz-Linearisierung eigentlich wie gemacht für das Zusammenspiel mit Röhren ist.
So klingt die Dynaudio Contour 20
Der Hörtest wurde ein Siegeszug. Ich kann mich nicht erinnern, wann ein Lautsprecher in so kurzer Zeit das gesamte Tester-Team so restlos überzeugt hat. Und zwar mit einem Auftritt wie aus einem Guss.
Kein Bereich drängt sich nach vorn; alles ist eingebunden. Ausgerechnet im Grundtonbereich, wo viele Dynaudio Modelle gern etwas wolkig spielen, zeigt die Contour 20 – nomen est omen – eine bemerkenswerte Klarheit, Konturen- und Ausdrucks-Schärfe.
Stimmen wie die von Yello Frontmann Dieter Meier auf Toy (LowBeats CD der Woche 39) klangen absolut lebendig, feinnervig und dadurch total nah – einfach wie echt. Die meisten Lautsprecher, die eine solche Mittenpräzision bieten, wirken vordergründig und nerven schnell.
Das genau aber macht die Dynaudio nicht. Fast unabhängig vom Pegel spielte sie immer völlig bruchlos, angenehm unaufgeregt und trotzdem mit sehr hoher Präzision.
Diese Präzision im gesamten Bass/Grundtonbereich kam ihr auch bei der Wiedergabe der wuchtigen Synthie-Bässe der Yello-Aufnahme zu Gute: Da gab es kein Wummern, kein Dröhnen, sondern eine druckvolle Habhaftigkeit, mit der die Dynaudio die ganze Bandbreite dieser Bass-Samples hörbar machte. Trotz der recht hohen Präzision klingt die Contour 20 nicht schlank. Sie hat die typische Wärme und die Klangfarbenpracht fast aller Dynaudio-Lautsprecher.
Doch was einen wirklich umhaut, ist die überragende Plastizität und Abbildungsschärfe, mit der die Contour die Musik lebendig macht. Live-Aufnahmen, bei denen auch neben der Bühne noch einiges passiert (Bläck Fööss “Männer”).
Das ist atemberaubend, macht Gänsehaut und Lust auf sehr viel mehr. Ich habe schon lange nicht mehr so lange und genussvoll Musik gehört wie während dieser Hörtest-Tage mit der Dynaudio Contour 20. Sicher:
Die kürzlich getesteten B&W 805 D3 und Focal Sopra 1 haben ihre Meriten und bei der Hochtonauflösung etwas mehr zu bieten. Das hat gewisse Vorteile. Und doch habe ich dieses höhere Auflösung nicht vermisst, weil die Dynaudio irgendwie “vollständiger”, einfach natürlicher klingt.
Selbst so kritische Instrumente wie ein Saxophon oder eine Geige, in kurzer Distanz aufgenommen, haben eine Kraft und Farbigkeit, wie man sie sich sehr viel öfter wünscht. Diese Dynaudio macht aus guten Aufnahmen Erlebnisreisen der besonderen Art.
Noch ein Wort zur Aufstellung. Die Dynaudio Contour 20 ist zwar eine Regalbox, gehört aber natürlich nicht ins Regal, sondern frei aufgestellt auf einem wirklich hochwertigen Ständer. Die dem Lautsprecher beigelegten Bassreflex-Stopfen suggerieren, man könne bei einer zu deftigen Basswiedergabe entgegenwirken.
Mag sein, dass das manchmal klappt. Aber man verändert mit dem Schaumstoff die sorgsam gewählte Abstimmung des Tieftöners im Gehäuse; besser kann es also nicht klingen, zumal die Contour 20 im Tieftonbereich von sich aus eher etwas schlanker abgestimmt ist.
Normalerweise würde man solch einen Lautsprecher in Räume von 20 bis 25 Quadratmeter aufstellen. Der LowBeats HiFi-Hörraum hat fast 70 Quadratmeter und auch hier schlug sich die Contour 20 hervorragend. Wenn man nicht wirklich hohe Pegel fahren will und nicht die letzten beiden Oktaven braucht, aber höchste Natürlichkeit und packende Abbildung schätzt, ist die Dynaudio auch für größere Räume eine Alternative.
Fazit Dynaudio Contour 20: viel besser geht es nicht
Woran genau es liegt, dass diese Dynaudio Contour 20 so überragend klingt? Ich kann es an keinem einzelnen Punkt festmachen. Es ist wohl die Summe der Verbesserungen, der neue Tieftöner, die lange Erfahrung…
Das Ergebnis jedenfalls ist überragend. Sie ist ein Füllhorn an Klangfarben und bietet eine 3D-Abbildung, für die man normalerweise mehr als zwei Lautsprecher braucht. Und: Mein alter Maßstab für Natürlichkeit ist wieder da. Nach vielen Jahren hat Dynaudio mich wieder voll überzeugt. Im Preisbereich um 4.000 Euro kenne ich gerade für Musikfreunde, die auch Klassik hören, keine gleichwertige Alternative.
Bewertung
KlangPraxisVerarbeitungGesamt |
Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse. |
| Überragend natürlicher Klang |
| Herausragende Plastizität |
| Sehr gute Verarbeitungsqualität |
| Röhren-geeignet |
Vertrieb:
Dynaudio Germany GmbH
Ohepark 2
21224 Rosengarten
www.dynaudio.de
Preis (Hersteller-Empfehlung):
Dynaudio Contour 20: 4.500 Euro/Paar
Im Beitrag erwähnt:
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